Alle Beiträge von Philipp Westermeier

Klasse, soziale

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
03. August 2021 – 03. August 2021
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Autor: Philipp Westermeier (philipp@oksimo.org)

Dieser Blogeintrag bildet einige wichtige Hintergrundinformationen zu Das Oksimo Paradgima und Desintegrationsprozesse ab. Er dient dazu, eine soziologische Begriffsübersicht im Oksimo-Blog herzustellen.

Reinhard Pollak

Der Soziologe Reinhard Pollak beschreibt für den Begriffs-Sammelband „Grundlagen der Soziologie“ den Begriff der sozialen Klasse. Diesen definiert er als Beschreibung einer „Gruppierung von Menschen, die eine bestimmte Position im Wirtschaftssystem einnimmt“. Häufig damit als konstituierend in Verbindung gebracht werden „ähnliche sozio-ökonomische Verhältnisse und […] Interessen“. Weiterhin wohne „der Einteilung der Gesellschaft in verschiedene soziale Klassen implizit oder explizit eine Hierarchisierung von sozialen Klassenpositionen inne“. Pollak schickt der Beschreibung des Klassenbegriffs voraus, dass es „an einer allgemeingültigen Definition [fehle], da jeder Klassenansatz etwas andere Schwerpunkte setzt“ (vgl. S. 225).

Die Soziale Klasse bei Karl Marx und Friedrich Engels

Das Konzept der Klasse wurde durch die Arbeiten von Karl Marx und Friedrich Engels sowohl in Wissenschaft als auch Politik als zentraler Begriff etabliert. Aufgrund des „aufblühenden Kapitalismus und der zunehmenden Proletarisierung der ehemaligen Landbevölkerung in den neuen städtischen Industriezentren“ dachten Marx und Engels „den Besitz an Produktionsmutteln als zentrales klassenbildendes Prinzip“. Die Eigentümer dieser Produktionsmittel konnten durch den Besitz des „Recht[s] auf Privatbesitz, die große Nachfrage nach Arbeit und […] enorme[n] technologischen Fortschritt […] einen Mehrwert aus ihren Produkten“ generieren. Der schließlich gezahlte Kaufwert eines Produkts war höher als die Kosten der für die Produktion aufgewendeten Arbeitsmittel. Dadurch, dass diese Differenz bei den Eigentümern der Produktionsmittel (Bourgeoisie) blieb, täte sich ein „antagonistische[r] Konflikt“ gegenüber denjenigen auf, die zwar für die Arbeitskraft entlohnt, nicht jedoch am Gewinn beteiligt wurden (Proletariat). Diese Dynamik sei „unauflöslich und führe zunächst zur Proletarisierung der noch bestehenden Mittelklassen und schließlich zur immer stärkeren Polarisierung der zwei verbleibenden gesellschaftliche Klassen“ (vlg. S. 225).
Aus dieser Perspektive ergibt sich, dass der „Klassenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit den Motor für die weitere gesellschaftliche Entwicklung[= Differenzierung]“ sei. Das Bewusstsein dieser rekursiven strukturellen Koppelung seien sich beide Klassen nicht „zwangläufig bewusst“ und führt nicht automatisch zu „bestimmten expliziten Interessenformation[en], ein Phänomen, dass, wenn es auftritt, von ihm als „Klasse für sich“[=vgl. Luhmann; legitime Indifferenz] benannt wurde“. Außerdem führe diese faktische, strukturelle Ungleichheit zwangsläufig zu einem Klassenbewusstsein,durch welches sich vorallem die Proletarier „ihrer Lage bewusst werden“ und so “ das herrschende System des Privatbesitzes an Produktionsmitteln überwinden“. Diese Theorieperspektive auf Klasse habe daher sowohl sozaile Ungleichheit als auch sozialen Wandeln im Blick, aber sei „aufgrund ihres ideologischen Gehalts und ihres Determinismus […] bereits bei zeitgenössischen Denkern höchst umstritten“ gewesen (vgl. 226).

Die soziale Klasse bei Max Weber

Marx kritisierend formulierte Max Weber eine Theorie, in welcher er deutlich machen wollte, „dass der Besitz von Produktionsmitteln keineswegs der einzige konstituierende Faktor für Klassen ist und dass es keineswegs eine Zwangsläufigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung augrund spezifischer Klassenlagen gibt“.
Eine Klasse ist dort erkennbar, „wo 1. einer Mehrzahl von Menschen eine
spezifische ursächliche Komponente ihrer Lebenschancen gemeinsam ist, soweit 2. diese Komponente lediglich durch ökonomische Güterbesitz- und Erwerbsinteressen und zwar 3. unter den Bedingungen des (Güter- und Arbeits-)Markts dargestellt wird (‚Klassenlage‘)“.
Zu unterscheiden seien diese Klassen in „Besitzklassen (Besitzunterschiede bestimmen die Klassenlage), Erwerbsklassen (Chancen der
Marktverwertung von Gütern oder Leistungen bestimmen die Klassenlage) und soziale Klassen“ (hohe Fluktiation – persönlich oder innerhalb einer Generationenfolge). Durch die Unterscheidungen zwischen „Besitz- und Erwerbsklasse“, „vier sozialen Klassen“ und einer „Vielzahl von Klassenlagen“ legt das Konzept keine „Vorgabe über eine Gesamtzahl an Klassenlagen“ fest (vgl. S. 226). Allen Klassentheorien seien aufbauend auf dem Marx-Weber-Kontrasten, jesoch in in ihrer „Nuancierung der sozialen Ungleichheit unterschiedlich“ (vgl. 227).

Empirische Sozialforschung zur Klasse

John Goldthorpe und Robert Erikson entwickelten mit dem EGP-Klassenschema, basierend auf Webers „Idee der Marktchancen das Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als zentrales strukturierendes Element der Klassengenese“. Erik Olin Wrights auf Marx aufbauender, weniger verbreitete Ansatz sieht den „Klassen generierende[n] Mechanismus“ als Summe der Faktoren „(Nicht-Besitz) von Produktionsmitteln; die Organisationsmacht (Autonomie) und
die Qualifikation der Personen“ sowie weiterem. Als weiterer Ansatz wird die Perspektive Pierre Bourdieus genannt, welcher „Produktion und Konsumption in einem Klassenschema verbindet“.
Auf Emile Durkheim zurückgreifend konstruieren ein Team um David Grusky die „beruflichen Assoziationen“ eine Klassenposition, jedoch; “ dieser Mikro-Klassenansatz zeigt viele Merkmale sozialer Klassen (gemeinsame ökonomische Lage, Identität, kollektives Handeln, soziale Schließung), kann eine hierarchische Komponente aber nur immanent abbilden“. Alternative Ansätze zur Strukturierung bilden der Lebensstil- sowie Milieuansatz, welche, im Gegensatz zu Klassenbegriffen als theoretisch sowie empirisch gestützt angesehen werden.

Wichtige Autoren

Karl Marx
Friedich Engels
Max Weber
John Goldthorpe und Robert Erikson
David Grunsky
Rakulski & Walters
Urlich Beck
Pierre Bourdieu

Weiterführende Literatur
Beck, U. (1983). Jenseits von Stand und Klasse? Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten. In: Kreckel, R. (Hg.), Soziale Ungleichheiten (Soziale Welt: Sonderband 2, S.35-74), Göttingen: Schwartz.
Bourdieu, P. (1983). Die feinen Unterschiede. Kritik der
gesellschaftlichen Urteilskraft. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Marx, K. & Engels, F. (2005). Das kommunistische Manifest. Hamburg: Argument-Verlag.
Marx, K. & Marcuse, H. (1965). Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Frankfurt am Main: Insel-Verlag.
Pakulski, J. & Waters, M. (1996). The death of class. London: Sage.
Solga, H., Powell, J. J. & Berger, P. A. (2009). Soziale Ungleichheit. Klassische Texte zur Sozialstrukturanalyse. Frankfurt a. M.: Campus-Verlag.
Weber, M. (1971). Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen: Mohr.
Wright, E. O. (2005). Approaches to class analysis. Cambridge: Cambridge UP

Literatur

Pollak, Reinhard (2018): Klasse, soziale, in: Kopp, Johannes/ Steinbach, Anja (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie, Wiesbaden, S. 225-228.

Differenzierung

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
26.Juli 2021 – 03. August 2021
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Autor:
Philipp Westermeier (philipp@oksimo.org)

Kontext

Dieser Blogeintrag bildet einige wichtige Hintergrundinformationen zu Das Oksimo Paradgima und Desintegrationsprozesse ab. Er dient dazu, eine soziologische Begriffsübersicht im Oksimo-Blog herzustellen.

Uwe Schimank

Ideengeschichte und Begriff

Im soziologischen Diskurs verbreitete sich der Begriff der Differenzierung mit Herbert Spencers „evolutionärer Deutung gesellschaftlicher Entwicklung“ (Schimank (2018), S. 67), welche sich prozesshaft von einer homogenität zu einer heterogenität entwickle. Explizit differenierungstheoretisch positionierten sich später Emile Durkheim und Georg Simmel. Karl Marx sowie Max Weber gebrauchten diesen Begriff zwar auch, aber „nicht an prominenter Stelle“.
Anschließend an die vorhergegangenen Denker positionierten sich Talcott Parsons und Niklas Luhamann. Amerikanische „Neofunktionalisten“ trugen die Perspektive in den 1980er und 1990er Jahren weiter, wobei sie „kritisch [an Parsons] anknüpften“. Heute bilden Uwe Schimank sowie Hartmann Tyrell die „verschiedenen Stränge expliziten und implizierten differenzierungstheoretischen Denkens“ in Deutschland ab (vgl. ebd).

Definiert wird der Begriff als Prozess und Struktur gleichzeitig. Strukturell meint Differenzierung, „dass eine Gesellschaft aus einer [gleichartigen oder ungleichartigen] Mehrzahl distinkter Teile besteht“. Es setzt also die Sesshaftwerdung und eine Stammes-Verbundsgröße voraus. Prozessual meint der Begriff eine „Dynamik, die eine bestimmte gesellschaftliche Differenzierungsstruktur hervorbringt und verändert“. Dieses Konzept sei auf „alle Arten menschlicher Gesellschaften anwendbar“ (vgl. S. 67).
Zwei „miteinander komplementäre“ Paradigmen sind in der Soziologie anzutreffen; „das Dekompositions- und das Emergenzparadigma“ (S. 68). Das erstere zäumt das Pferd von hinten, das letztere von vorne auf.

Modellierung der Systemarchitektur

Dekompositions-Paradigma

Als gesellschaftliche Differenzierung bennen Durkheim und Parsons den „Prozess der Dekomposition einer funktional diffusen Einheit – einer Rolle oder Institution – in mehrere, mindetens zwei, funktional spezifischere Einheiten“ (S. 68).
Dabei meint Durkheim die „Spezialisierung von Berufen in der Industriegesellschaft“, Parsons denkt den Begriff im Rahmen seiner Systemtheorie. Subsysteme erzeugen und differenzieren sich zu immer ‚kleiner‘ werdenden Subsystemen aus.
Diese paradigmatische Perspektive „hebt die Vorteile funktionaler Spezialisierung für die Gesellschaft als Ganze hervor“.

Dem Argument der gesellschaftlichen Differenzierung als sich immer weiter optimierenden Arbeitsteilung, welches Parsons und Durkheim, vertreten, setzt Max Weber eine Perspektive entgegen, welche „den Aufbau und die Geburt moderner Gesellschaften als „Emergenz autonomer [„polytheistischer“] ‚Wertsphären'“ sieht. Niklas Luhmann konkretisiert dies, fügt dem Modell eine weitere Dimension hinzu. Ein Teilsystem stellt nach ihm einen „selbstreferentiellen Kommunikationszusammenhang“ dar, welcher „einem je spezifischen binären Code“ unterläge. Ausdifferenzierte Teilsysteme sind also „Ketten von Kommunikationen“, welche wiederum auf damit kompatible Kommunikationen verweisen kann. Dass diese unterschiedlichen Codierungen zu unterschiedlichen Perspektiven führt, nennt Luhmann „die ‚Polykontexturalität‘ der modernen Gesellschaft“ (vgl. S. 68).

Emergenz-Paradigma

Eine wichtige Betonung des Paradigmas ist, dass „aus der selbstreferentiellen Geschlossenheit der jeweiligen binären Codes“ eine ‚legitime Indifferenz‘, also ein normativ / funktional akzeptiertes Uninteresse „der Teilsysteme füreinander“ entstehe. Eine Konfliktlinie wird zwischen dem eigenen Interesse eines Teilsystems, „nur den code-spezifischen Eigen-Sinn“ zu kultivieren, während von anderen Teilsystemen erwartet wird, dass sie „die jeweils von ihnen benötigten Leistungen zuverlässig erbrächten“.
Darauf aufbauend lassen sich vier „Arten von Triebkräften gesellschaftlicher Differenzierungsvorgänge“ unterscheiden, welche zu „weiteren Binnendifferenzierungen“ führen:
Leistungssteigerung, Evolution, Rationalisierung kultureller Ideen und Akteurineressen (vgl. 69).
Die vor allem durch Parsons hervorgehobene Leistungssteigerung wird durch Leistungsdefizite iniitiert, bei denen gezielte Maßnahmen der Akteur:innen abhilfe leisten können. Werden solche Leistungsdefizite nicht erkannt, oder erkannt und nicht behoben, „kommt es zu einer evolutionären Beseitigung des Defizits ‚hinter dem Rücken‘ der Akteure“ (vgl. 69f).
Parsons attestiert der Evolution die Urheberschaft an gesellschaftlicher Leistungssteigerung, nicht der „geplante[n] Arbeitsteilung“, obwohl dies in „Organisationen durchaus vorkommt“ (S. 70).
Luhmanns „neo-darwinistische“ Perspektive auf Evolution ist ein Zusammenspiel dreier Mechanismen: Variation (von bspw. juristischem Rechtsverständnis), Selektion (derer bei Anwendung in anderen Urteilen) und Retention (die Etablierung zur ‚herrschenden Meinung‘).
Dort wo Parsons eine lediglich eine Leistungs- bzw. Fortschittssteigerung sieht, bringt laut Luhmann „Evolution leistungssteigernde[,] aber genauso gut auch dysfunktionale Differenzierungen“ hervor.
Unter der Annahme, eine „voranschreitende Differenzierung auf der Ebene jedes Teilsystems [würde] Leistungssteiergungen“ hervorbringen, meint Luhmann, führe dies zu Komplexitätssteigerung sowie zur Manifestation „zunehmender Instabilität und damit Riskanz der gesellschaftlichen Ordnung“ (vgl. S. 70).
Für Weber führt „die eigendynamische Rationalisierung kultureller Werte“ zur „selbstreferentielle[n] Schließung der betreffenden ‚Wertsphäre‘. Dies sei die Triebkraft gesellschaftlicher Differenzierung (ebd.).

Akteursmodellierung

„Gesellschaftliche Differenzierung wird schließlich auch durch entsprechende
Interessen von Individuen, Gruppen oder Organisationen vorangetrieben“ (S. 70). Dazu meint Durkheim, Hauptinteresse der Arbeitsteilung liege bei der „Konkurrenzvermeidung angesichts wachsender ’sozialer Dichte‘ „. Die „Erhaltung oder die Erweiterung der eigenen Autonomie“, die „Kontrolle anderer Akteure“ sowie die „eigene Ressourcenbasis“ sind andere, maßgebliche Interessen. Die Durchsetzung der eigenen Interessen prägt nachhaltig die „Ausdifferenzierung bestimmter Teilsysteme“.
Eine politische Perspektive ist, dass „Differenzierungsschritte“ durch heterogene Mischverhältnisse der Akteure in Teilsystemem zu „Kräfteverhältnissen“ führen. Paul Colomy unterschiedet „strategic groups“: „institutional entrepreneurs“(=“Betreiber“), institutional followers“(=Unterstützer), „institutional conservatives“(= Verteidiger des Status quo) und „institutional accomodationists“(= Vermittler) (vgl. S. 70f).
„Das moderne Individuum profitiert hinsichtlich seiner Lebenschancen von der
immensen Optionssteigerung in allen gesellschaftlichen Teilsystemen – ob es um Konsumchancen oder Sportmöglichkeiten, „lebenslanges Lernen“ oder medizinische Leistungen geht. Die Kehrseite ist der Verlust traditionaler sinnstiftender Bindungen der Person an stabile Gemeinschaften und Werte“(S.71)
„Funktionale Differenzierung bedingt eine Reihe weiterer prägender Merkmale der modernen Gesellschaft: u.a. die Individualisierung der Personen, die immer
stärkere Durchdringung fast aller Teilsysteme mit formalen Organisationen, die kulturelle Säkularisierung und das Aufkommen eines Fortschrittsglaubens, für den die Zukunft eine Projektionsfläche für Ansprüche an immer weitere Leistungssteigerungen aller Teilsysteme wird. Das so umrissene, um funktionale Differenzierung zentrierte Konglomerat von Strukturdynamiken der Moderne stellt sowohl für
die Gesellschaft als Ganze als auch für jedes einzelne Gesellschaftsmitglied einen gemischten Segen dar“ (S. 71).
Die „Optionssteigerung in allen gesellschaftlichen Teilsystemen“, also „Konsumchancen oder Sportmöglichkeiten, ‚lebenslanges Lernen‘ oder medizinische Leistungen“, wird als Profitmöglichkeit verstanden. Dies jedoch führt zur Aufgabe “ traditionaler sinnstiftender
Bindungen der Person an stabile Gemeinschaften und Werte“ (ebd.).
Die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften ist als „offensichtliche evolutionäre Alternativlosigkeit“ und „Erfolg“ zu verstehen, da Nationen und Völker, welche diese Art der gesellschaftlichen Entwicklung nicht durchgemacht haben, „wirtschaftlich, militärisch und kulturell überrannt worden“ seinen.
Deren Risiken sind erstens – bezogen auf die gesellschaftliche Sozialintegration – ein damit „korrespondierender Anspruchsindividualismus“, welcher die „teilsystemischen Leistungsproduktionen“ überfordert (ebd.).
Zweitens sei die „ökologische[] Integration“ also die Umweltzerstörung durch den Menschen eine Verantwortung, welche die Gesellschaft nicht „im Rahmen seiner je eigenen teilsystemischen Logik“ derzeit nicht übernimmt. Drittens führt eine Verselbstständigung von Teilsystemen dazu, dass diese möglicherweise „die von anderen Teilsystemen benötigten Leistungen nicht mehr liefern“ können und so zu einer Prekarität in verschiedenen Teilsystemen führen können.

Weiterführende Literatur

Alexander, J. (1990). Differentiation Theory: Problems and Prospects. In: J. Alexander & P. Colomy (eds.): Differentiation Theory and Social Change. (S. 1-16). New York: Columbia UP.
Alexander, J. & Colomy, P. (eds) 1990. Differentiation Theory and Social
Change. New York: Columbia UP.
Durkheim, E. (1977) (zuerst 1893). Über soziale Arbeitsteilung, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Luhmann, N. (1997). Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Mayntz, R., Rosewitz, B., Schimank, U. & Stichweh, R. (1988). Differenzierung und Verselbständigung, Frankfurt/M.: Campus.
Parsons, T. (1972). Das System moderner Gesellschaften, München: Juventa. Schimank, U. (1996). Theorien gesellschaftlicher Differenzierung, Opladen: Leske + Budrich.
Schimank, U. (2013). Gesellschaft, Bielefeld: transcript • Schwinn, T. (2001). Differenzierung ohne Gesellschaft. Weilerswist.
Schwinn, T., Kroneberg, C. & Greve, J. (Hg.) (2011). Soziale Differenzierung. Wiesbaden: VS Verlag.
Tyrell, H. (1978). Anfragen an die Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung, Zeitschrift für Soziologie, 7, 175-193.
Tyrell, H. (1998). Zur Diversität der Differenzierungstheorie. Soziologiehistorische Anmerkungen, Soziale Systeme 4, 119-149



Literatur

Integration

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
22.Juli 2021 – 03. August 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor:
Philipp Westermeier (philipp@oksimo.org)

Dieser Blogeintrag bildet einige wichtige Hintergrundinformationen zu Das Oksimo Paradgima und Desintegrationsprozesse ab. Er dient dazu, eine soziologische Begriffsübersicht im Oksimo-Blog herzustellen.

Jens Greve

Der Soziologe Jens Greve beschreibt für den Begriffs-Sammelband „Grundlagen der Soziologie“ den Begriff der Integration. Er verschafft den Leser:innen anfangs dadurch einen Überblick, dass er auf „drei zentrale Verwendungsweisen“ (Greve, S. 195) des Begriffs hinweist. Diese seien jeweils „auf Teilbereiche/Teilsysteme der Gesellschaft“, „Wertorientierungen“* oder „Menschen in einer Gesellschaft“ bezogen. Diese „Bedeutungsvarianten“ aber „schließen einander nicht notwendig aus[,] vielmehr werden häufig Zusammenhänge zwischen ihnen vermutet“ (vgl. ebd.). Im darauffolgenden Text beschreibt er:

Herbert Spencer sieht in Integration „einen allgemeinen Prozess der Evolution“ und meint ihn in „sich abgegrenzten Formen“ erkennen zu können, wobei eine „Steigerung der Heterogenität der Formen“ gleichzeitig zu „Kohärenz [der Verbindungen] zwischen dem Heterogenen“ führt.
Emile Durkheim baut sein Konzept der Integration auf der Arbeitsteiligkeit auf und schließt (normativ) unter der Folge einer „wechselseitige[n] Abhängigkeit“, welche er als negative Solidarität betitelt, auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins positiver Solidarität (S. 196).
Talcott Parsons, begründer des Strukturfunktionalismus (=“Handlungssysteme“ müssen „Systemerfordernisse“; Integrationsfunktion, Adaption, Zielerreichung und Aufrechterhaltung, erfüllen) nutzt den „Integrationsbegriff“ als „Notwendigkeit, die verschiedenen Funktionen aufeinander abzustimmen – und dies auf dem Wege einer über gemeinsame Wertvorstellungen abgesicherten Normenstruktur“(ebd.).
Konflikttheoretisch wird dies von David Lovewood als „einseitig“ kritisiert und unterscheidet zwischen „soziale[r] Integration“ bei der „die geordneten und konfliktgeladenen Beziehungen der Handelnden eines sozialen Systems zur Debatte stehen“ (ebd.) und „Systemintegration“, in welcher das Selbe zwischen „den Teilen eines sozialen Systems“ stattfindet. So wurde auf die „Marx’sche Betonung der Rolle der Produktionsweise (Systemintegration) hin[ge]wiesen“ (ebd.).
Daran anknüpfend Unterschied Habermas zwischen „System“ und „Lebenswelt“, wobei „Lebensweltliche Zusammenhänge […] durch eine den Handelnden bewusste Form der Vergesellschaftung gekennzeichnet“ sind, sich „systemische Zusammenhänge hingegen […] eigenständig, d. h. ohne Bezugnahme auf die Handlungsorientierungen“ strukturieren. Der Fokus wird auf sich über das Geldmedium „selbsttätig arrangieren[den]“ Märkten sowie „bürokratisches Handeln“ gelegt, welchen er von Niklas Luhmann übernimmt (ebd.).
Nach Luhmann aber „reproduzieren sich […] alle sozialen Systeme, auch die Teilsysteme der Gesellschaft, autopoietisch“. Er lehnt weiterhin die „Annahme ab, dass gesellschaftliche Integration besondere integrierende Prozesse benötigt“, da, wenn Integration als die Vermeidung von „Operationen eines Teilsystems“, welche zu „unlösbaren Problemen“ führen, definiert (S. 196f).
Wilhelm Heitmeyers Forschungsprogramm führte zu dem Verständnis, „Desintegration [sei] ein [prozesshaftes] Zusammenspiel von drei wesentlichen Aspekten […] : „verschärfter sozialer Ungleichheit, Delegitimierung von gesellschaftlichen Normen und Vereinzelung (Auflösung integrierender Milieus)“ welches zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ sowie „einem gesteigerten Gewaltpotenzial“ führt. Von besonderer Bedeutung ist dieser Formulierung dann, „wenn es um den Prozess der Integration bislang marginalisierter Gruppen geht“. Wichtige Begriffe sind dabei die „Platzierung“, „Kulturation“ und „Interaktion“ [dies wird an anderer Stelle im Blog ausführlicher behandelt] (S. 197).
Ein weiterer, wichtiger Begriff ist jener der Inklusion, welcher von Talcott Parsons geprägt wurde, „um den Prozess der Einbeziehung immer größerer Bevölkerungsteile in die Gesellschaft zu bezeichnen“, welchem „Exklusion als Gegenbegriff gegenüber stehe“[dies wird an anderer Stelle im Blog ausführlicher behandelt] (ebd.).

Integration und Oksimo – Bezug und Folgerung

Mit Oksimo lässt sich ein vorab beschriebenes, gesellschaftliches Phänomen anhand der verschiedenen Integrationsdefinitionen testen. So können die einzelnen Begriffe in Oksimo modelliert werden, und die treffendste Erklärung des vorliegenden Phänomens für die Arbeit am Fall verwendet werden.

Wenn diese Perspektive sinnvoll erscheint, sollten die Aussagen der ausgewählten Autoren bzgl. Integration oksimogerecht formalisiert werden. Dazu sollten erstmal 2-3 der genannten Autoren im Blog verarbeitet werden.

Der Text bestätigt weiterhin, dass Oksimo mit dem Thema der sozialen Desintegration sich nahe dem theoretischen Zeitgeschehen der Soziologie befindet. Dies lässt den Schluss zu, dass die Autoren Heitmeyer / Imbusch als minimal-Autoren zum Thema ausreichen, sollte sich die Arbeit eher zu einer breiteren Themenwahl statt einer tieferen Analyse einzelner Themen entwickeln. Beides wäre ein Gewinn für das Projekt.

Weiterführende Literatur

Coser, L. A. (1972). Theorie sozialer Konflikte. Neuwied: Luchterhand. Dahrendorf, R. (1974). Pfade aus Utopia. München: Piper.
Durkheim, E. (1988). Über soziale Arbeitsteilung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Esser, H. (2000). Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Frankfurt a. M./New York: Campus.
Habermas, J. (1987). Theorie des kommunikativen Handelns. Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Heitmeyer, W. & Imbusch, P. (Hg.) (2012). Desintegrationsdynamiken. Integrationsmechanismen auf dem Prüfstand. Wiesbaden: Springer VS.
Kronauer, M. (2002). Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus. Frankfurt a. M.: Campus. Lockwood, D. (1971). Soziale Integration und Systemintegration, in: W. Zapf (Hg.), Theorien sozialen Wandels (S.124-137). Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch.
Luhmann, N. (1982). Die Funktion der Religion. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, N. (1988). Soziale Systeme. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, N. (1995). Inklusion und Exklusion, in: N. Luhmann (Hg.), Soziologische Aufklärung 2 (S. 237-264). Opladen: Westdeutscher.
Parsons, T. (1975). Gesellschaften. Evolutionäre und komparative Perspektiven. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Spencer, H. (1867). First Principles. London: Williams and Norgate.
(vgl. S. 198)

Zu klärende Begriffe:
Inklusion, Exklusion (Parsons, Luhmann)
Platzierung, Kulturation, Interaktion (Heitmeyer / Imbusch)

Anmerkungen:
* Die Abgrenzung „Wertorientierungen“ wurde nicht explizit „mit einer Gesellschaft“ in Verbindung gebracht. Gibt es denn universelle Werte, oder sind diese ausschließlich das Produkt von sozialen Akteur:innen in kontextabhängigen Aushandlungs- und Konfliktprozessen?

Literatur

  • Greve, Jens (2018): Integration, in: Kopp, Johannes/ Steinbach, Anja (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie, Wiesbaden, S. 195-198.

OKSIMO EINFACHE BEISPIELE: Bsp.: Joachims Tag, Teil 1

OKSIMO – UNIVERSELLE PROZESS PLANUNG
Veröffentlicht: 10.Juni 2021 – 10.Juni 2021
Email: info@oksimo.org

Autor: Philipp Westermeier (philipp@oksimo.org)

KONTEXT

Dieses Fallbeispiel gehört zur Sektion Einfache Beispiele des Blogs oksimo.org.

Beispiel: Joachims Tag, Teil 1

Das Beispiel Joachims Tag besteht aus aktuell drei Teilen; „Morgen“, „Arbeit“ und „Workout“. Die Teile werden über Veränderungsregeln miteinander verbunden.

Joachims Tag – Morgen

Joachims Tag – „Morgen“: Ausgangslage, Simulation, Vision

Die beginnende Situation „Morgen“ wurde mit einer recht ausführlichen Beschreibung unterfüttert. Im Praxistest hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, nur jene State-Descriptions zu verwenden, welche auch im weiteren Verlauf der Simulation relevant werden. Bleiben sie in der State-Description, werden sie vom Simulator in jeder Simulationsrunde erneut beschrieben.

Das Beispiel „Morgen“ zeigte außerdem, wie und ob dead-ends (Change-Rule MJ212) funktionieren. Auch hier wurde die Veränderungsregel, wenn sie denn aktiviert wurde, von Oksimo weitergetragen, da kein Befehl der Auflösung von dieser Regel vorhanden war.

Ziel des Beispiels „Morgen“ war es, herauszufinden, wie und ob zwei verschiedene Entwicklungen zum gleichen Ergebnis führen können. Dies ist wie im Bild ersichtlich dann der Fall, wenn aus unterschiedlichen Ausgangssituationen das selbe Folgt. So ist es egal ob Joachim gefrühstückt und geduscht hat, oder hektisch aufschreckte, in beiden Fällen geht er ins Büro. Somit wird hier nach dem Was und nicht nach dem Wie gefragt.

Eine allgemeine Regel kann lauten, dass zwei unterschiedliche Prozesse nur dann zum gleichen Ergebnis führen, wenn die Qualität des Ergebnisses nicht relevant für die Anwender:innen ist.

Die Veränderungsregel MJ51 führt abschließend in den nächsten Teil der Simulation.

Joachims Tag – Arbeit

Joachims Tag – „Arbeit“: Simulation und Vision

In Joachims Tag „Arbeit“ wurde auch wieder wie im ersten Teil mit zwei Simulationssträngen gearbeitet, jedoch auch mit zwei möglichen Resultaten. Der linke Strang führt von ArJ1 bis ArJ132 und somit vom Beginn der Arbeit „Es ist 9 Uhr“ bis zum Beginn des nächsten Teils „Workout“ über „Joachim möchte ein Workout machen“. Bei Veränderungsregel ArJ12 wird über ArJ121 die Regel ArJ5 erreicht, jene, die das Ende des zweiten Strangs markiert. Diese führt dann zu einer optionalen Vision, welche ein alternatives Ende ohne den dritten Teil „Workout“ darstellt. Auch hier wurde nicht mit qualitativen, sondern rein deskriptiven Elementen gearbeitet.

Joachims Tag – Workout

Joachims Tag – „Workout“(= Sportübungen): Simulation und Erfüllung der Vision

Im dritten Teil, macht Joachim ein Workout. Die ursprüngliche Idee bestand darin zu testen, wie Oksimo mit zwei unterschiedlichen Reihenfolgen der Anordnung gleicher Handlungsabfolgen funktioniert. Es hat sich herausgestellt, dass Oksimo zwischen beiden Simulationssträngen „gesprungen“ ist. Auch hier wieder die obige Einsicht, dass es von funktional grundlegender Bedeutung ist darauf zu achten, nicht die selben Sätze für unterschiedliche Situationen zu verwenden. Mögliche Lösungsansätze werden in den kommenden Weiterentwicklungen des Beispiels vorgestellt.

Reflexion

Die Grundvoraussetzung einer erkenntnisfördernden Benutzung Oksimos ist wohl das „Sich Einlassen“ in die Notwendigkeit, ungewohnte Arten der Komplexität (durch) zu denken. Dadurch, dass Oksimo eine saubere Arbeitsweise fordert, muss fast zwingend die eigene Arbeit irgendwie parallel dokumentiert werden, um die Orientierung nicht zu verlieren. Das bedeutet, es muss sich Zeit genommen werden, um diese Software gewinnbringend zu verwenden, da es das eigene Denken ist, das maßgeblich verwendet wird, wobei Oksimo lediglich eine Unterstützung anbietet.

Simulationsprotokolle

PDF Dokumente