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Demokratie – Rolle der Parteien – Unabhängigkeit des Abgeordneten – Gewissen – Wohl des Volkes?

(Letzte Änderung: 29.Sept.2024, 09:10h)

Autor: Gerd Doeben-Henisch im Dialog mit chatGPT4

Kontakt: info@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text gehört zum Thema DEMOKRATIE.

Worum geht es in diesem Text?

Die Auseinandersetzungen um Demokratien nehmen weltweit zu. Dadurch stellt man sich viele Fragen neu, an die man vorher so kaum gedacht hat; es lief ja alles …

Ich habe mir heute morgen folgende Fragen gestellt:

  1. Rolle der Parteien?
  2. Was bedeutet ‚demokratisch‘/ ‚Demokratie‘?
  3. Was heißt ‚Unabhängigkeit‘ eines Abgeordneten?
  4. Was ist das ‚Gewissen‘ und das ‚Wohl des Volkes‘?
  5. Wie bewerte man das Verhalten eines Abgeordneten, sein ‚Gewissen‘ und sein ‚Wissen um Wohl des Volkes‘ keine Rolle spielen?

Zur Klärung habe ich als Gesprächspartner chatGPT4o eingesetzt. In der Interaktion von speziellen Fragen und dem ‚Allgemeinwissen‘ kann er unterstützen.

Einige Ergebnisse zusammengefasst

PARTEIEN

Zusammengefasst spielen Parteien eine zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung in Deutschland, müssen jedoch den Grundsätzen der Demokratie und Transparenz folgen. Parteien, die gegen diese Grundsätze verstoßen und demokratiefeindliche Ziele verfolgen, können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.

DEMOKRATIE, DEMOKRATISCH

Obwohl das Grundgesetz keine direkte Definition von „demokratisch“ oder „Demokratie“ liefert, ergeben sich aus den festgelegten Grundsätzen wie Volkssouveränität, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus die zentralen Merkmale einer Demokratie. Diese Prinzipien garantieren die Mitbestimmung des Volkes und schützen das demokratische System vor Missbrauch oder Aushöhlung.

MANDAT DES ABGEORDNETEN

(1) Die gewählten Vertreter treffen Entscheidungen im Auftrag des Volkes und auf Grundlage des ihnen verliehenen Mandats, jedoch nicht „mit ihrem Namen“ im buchstäblichen Sinne. Sie sind dabei nur ihrem Gewissen verpflichtet und sollen das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick haben, nicht nur das ihrer spezifischen Wähler. Das Grundgesetz fördert hierdurch ein freies und unabhängiges Mandat, um die Balance zwischen Volksvertretung und verantwortungsvoller politischer Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

(2) Ein Abgeordneter kann sich nicht einfach auf das Parteiprogramm berufen, um seine Entscheidungen zu rechtfertigen. Er ist nur seinem Gewissen verpflichtet und muss das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick haben. Das Parteiprogramm ist eine Orientierungshilfe und spiegelt die politischen Grundsätze wider, die eine Partei vertritt, doch am Ende muss der Abgeordnete in eigener Verantwortung und in Übereinstimmung mit seinem Gewissen entscheiden. Dies stellt sicher, dass die Demokratie nicht nur ein bloßes Absegnen von Parteiprogrammen ist, sondern ein System, in dem individuelle Überzeugungen und das Gemeinwohl gleichermaßen berücksichtigt werden.

GEWISSEN, WOHL DES VOLKES

(1) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gewissen des Abgeordneten als moralische Instanz wirkt, die ihn dazu bringt, verantwortungsvolle und gerechte Entscheidungen zu treffen. Es bietet eine Orientierung, die über kurzfristige politische oder persönliche Interessen hinausgeht. Gleichzeitig bleibt das „Wohl des Volkes“ ein abstrakter, aber durch Gesetze, ethische Prinzipien und öffentliche Debatten konkretisierter Maßstab, an dem die Entscheidungen gemessen werden sollten. Diese Balance zwischen persönlicher Moral und kollektiver Verantwortung ist zentral für die Funktionsweise einer repräsentativen Demokratie.

RECHENSCHAFT DES ABGEORDNETEN

Obwohl das Gewissen und die Vorstellung des „Wohls des Volkes“ subjektiv und nicht direkt überprüfbar sind, unterliegen Abgeordnete dennoch klaren gesetzlichen Vorgaben und einer Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Ihr beobachtbares Verhalten kann und sollte im Lichte der Gesetze, der Verfassung und der demokratischen Prinzipien bewertet werden. Wenn ein Vertreter gegen diese Normen verstößt, gibt es rechtliche und politische Mechanismen, die zur Verantwortung ziehen. Auf diese Weise wird die Demokratie vor willkürlichem oder unethischem Verhalten geschützt.

Beginn des Dialogs

FRAGENDER

Hallo Chat, kannst Du etwas sagen zur Rolle der ‚Parteien‘ im Sinne des ‚Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland‘?

CHAT

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spielen politische Parteien eine wichtige Rolle, insbesondere in Bezug auf die Willensbildung des Volkes und das Funktionieren der Demokratie. Ihre Rolle wird hauptsächlich in **Artikel 21** des Grundgesetzes beschrieben. Hier ein Überblick:

1. **Parteien als Akteure der politischen Willensbildung (Art. 21 Abs. 1)**:

– Politische Parteien sind ein integraler Bestandteil des politischen Systems und tragen zur Willensbildung des Volkes bei.

– Sie wirken auf Bundes- und Landesebene an der politischen Gestaltung mit, indem sie Kandidaten für Wahlen aufstellen und Programme zur Lösung gesellschaftlicher Probleme anbieten.

– Parteien müssen demokratisch organisiert sein und ihre innere Struktur sowie die Entscheidungsprozesse müssen demokratischen Grundsätzen entsprechen.

2. **Verfassungsmäßige Anforderungen und Rechte (Art. 21 Abs. 1)**:

– Parteien haben das Recht, frei zu existieren und sich an Wahlen zu beteiligen.

– Sie erhalten durch das Grundgesetz und andere Gesetze bestimmte Rechte, z.B. Zugang zu Wahlkampffinanzierung oder öffentliche Sendezeiten im Rahmen der Wahlen.

3. **Verfassungswidrige Parteien (Art. 21 Abs. 2)**:

– Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zu beeinträchtigen, können verfassungswidrig erklärt werden.

– Über die Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

– Die Partei wird dann verboten, und es folgen Konsequenzen wie Auflösung und das Verbot der weiteren politischen Betätigung.

4. **Finanzierung der Parteien (Art. 21 Abs. 1)**:

– Die Finanzierung der Parteien muss transparent und gesetzlich geregelt sein. Es gibt Vorschriften, die sicherstellen, dass Parteien ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen müssen, um Korruption und Missbrauch von Geldern zu verhindern.

Zusammengefasst spielen Parteien eine zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung in Deutschland, müssen jedoch den Grundsätzen der Demokratie und Transparenz folgen. Parteien, die gegen diese Grundsätze verstoßen und demokratiefeindliche Ziele verfolgen, können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.

Hast Du Interesse, mehr über einen bestimmten Aspekt oder eine spezifische Parteiendiskussion im Kontext des Grundgesetzes zu erfahren?

FRAGENDER

Du benutzt in deiner Erklärung öfters die Begriffe ‚demokratisch‘ und ‚Demokratie‘. Wie sind diese Begriffe im Grundgesetz erklärt?

CHAT

Interessanterweise gibt es im **Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland** keine explizite Definition der Begriffe „demokratisch“ oder „Demokratie“. Stattdessen wird der Begriff Demokratie in verschiedenen Artikeln verwendet, ohne jedoch direkt im Grundgesetz selbst definiert zu werden. Dennoch können wir durch die Prinzipien und Strukturen, die im Grundgesetz festgelegt sind, ein klares Bild davon gewinnen, wie Demokratie verstanden und praktiziert werden soll. Hier einige zentrale Punkte:

### 1. **Artikel 20 des Grundgesetzes**:

– **Absatz 1** stellt fest: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

– Dies bedeutet, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht (demokratisch) und dass die sozialen Bedürfnisse der Bürger im Staat eine wichtige Rolle spielen (sozial).

– **Absatz 2** konkretisiert das demokratische Prinzip: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

– Das demokratische Prinzip basiert also auf der Volkssouveränität: Das Volk entscheidet durch Wahlen und Abstimmungen über seine Vertreter und hat die Möglichkeit, indirekt an der politischen Entscheidungsfindung teilzunehmen.

### 2. **Repräsentative Demokratie**:

– Das Grundgesetz etabliert eine repräsentative Demokratie. Das bedeutet, dass die Bürger regelmäßig Vertreter (z.B. Bundestagsabgeordnete) wählen, die in ihrem Namen politische Entscheidungen treffen.

– In diesem Sinne ist die Demokratie im Grundgesetz als indirekte Demokratie ausgestaltet, bei der die Macht vom Volk delegiert wird, aber bestimmte direkte Formen der Mitbestimmung wie Volksentscheide sind in Ausnahmefällen möglich (zum Beispiel auf Landesebene, siehe Bayern).

### 3. **Schutz der demokratischen Grundordnung**:

**Artikel 79 Absatz 3** enthält die sogenannte „Ewigkeitsklausel“, die sicherstellt, dass bestimmte Grundprinzipien des Grundgesetzes nicht geändert werden können. Dazu gehört unter anderem das demokratische Prinzip: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

– Dies betont die Unveränderlichkeit der Demokratie als tragende Säule des Staates.

### 4. **Wesentliche Elemente der Demokratie im Grundgesetz**:

– **Volkssouveränität**: Alle Macht geht vom Volk aus (Art. 20 Abs. 2 GG).

– **Rechtsstaatlichkeit**: Die Regierung ist an das Gesetz gebunden und Entscheidungen müssen auf gesetzlicher Grundlage basieren.

– **Gewaltenteilung**: Die Staatsgewalt ist aufgeteilt in Legislative (gesetzgebende Gewalt), Exekutive (ausführende Gewalt) und Judikative (rechtsprechende Gewalt), um Machtkonzentration und Missbrauch zu verhindern.

– **Pluralismus**: Das politische System fördert den Wettbewerb zwischen verschiedenen politischen Parteien und Meinungen, um eine repräsentative Willensbildung zu gewährleisten.

– **Wahlgrundsätze (Art. 38 GG)**: Die Wahlen müssen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein.

### Fazit:

Obwohl das Grundgesetz keine direkte Definition von „demokratisch“ oder „Demokratie“ liefert, ergeben sich aus den festgelegten Grundsätzen wie Volkssouveränität, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus die zentralen Merkmale einer Demokratie. Diese Prinzipien garantieren die Mitbestimmung des Volkes und schützen das demokratische System vor Missbrauch oder Aushöhlung.

Wenn Du über einen speziellen Aspekt dieser Prinzipien sprechen möchtest oder mehr über die praktischen Mechanismen der Demokratie im Grundgesetz erfahren möchtest, lass es mich wissen!

FRAGENDER

Du sagst, „dass die Bürger regelmäßig Vertreter (z.B. Bundestagsabgeordnete) wählen, die in ihrem Namen politische Entscheidungen treffen.“ (laut Art 20.2). Bedeutet dies, dass die gewählten Vertreter ‚mit ihrem Namen‘, d.h. ‚sie als Vertreter‘, Entscheidungen fällen?

Der Ausdruck „in ihrem Namen“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht wörtlich, dass die gewählten Vertreter die Entscheidungen **mit dem Namen der Bürger** fällen. Stattdessen bezieht sich dies auf das Prinzip der **Repräsentation** in einer repräsentativen Demokratie, das im Grundgesetz verankert ist. Hier sind die zentralen Punkte, um dies zu verdeutlichen:

### 1. **Repräsentation des Volkes**:

Die Bürger wählen in Wahlen Vertreter, z.B. Bundestagsabgeordnete, die sie **repräsentieren** sollen. Diese Abgeordneten handeln also **im Auftrag** und **im Interesse** des Volkes, das sie gewählt hat.

– Diese Vertreter haben die Aufgabe, politische Entscheidungen zu treffen und Gesetze zu verabschieden, die das Wohl der Bürger fördern sollen. Sie repräsentieren dabei das Gesamtvolk, nicht nur die speziellen Interessen derer, die sie gewählt haben.

### 2. **Freies Mandat der Abgeordneten (Artikel 38 GG)**:

– Im Grundgesetz, Artikel 38 Absatz 1, wird festgelegt, dass die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes“ sind und „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind.

– Dies bedeutet, dass die gewählten Vertreter **kein imperatives Mandat** haben. Sie sind nicht verpflichtet, direkt den Willen ihrer Wähler in jeder Entscheidung umzusetzen. Vielmehr müssen sie nach eigenem Gewissen und unter Berücksichtigung des Gemeinwohls handeln.

– Somit fällen die Abgeordneten die Entscheidungen, **nicht in persönlichem Namen**, sondern auf Grundlage ihrer Rolle als gewählte Repräsentanten, die das Volk als Ganzes vertreten.

### 3. **Politische Legitimation durch Wahlen**:

– Die Legitimation der Abgeordneten, Entscheidungen zu treffen, basiert auf den **Wahlen**. Indem die Bürger ihre Stimme abgeben, übertragen sie das Recht, politische Entscheidungen zu treffen, an die gewählten Abgeordneten.

– Diese Legitimation gilt jedoch zeitlich begrenzt. Nach einer bestimmten Legislaturperiode (z.B. vier Jahre im Bundestag) müssen die Abgeordneten erneut die Zustimmung der Wähler einholen.

### 4. **Bedeutung für die Bürger**:

– „In ihrem Namen“ bedeutet also, dass die Bürger durch die Wahlen **ihr Vertrauen** in die Abgeordneten setzen, damit diese stellvertretend für sie Entscheidungen treffen, die das Gemeinwohl fördern. Die Abgeordneten handeln somit **im Namen** des gesamten Volkes und repräsentieren dessen Interessen auf nationaler Ebene.

### Fazit:

Die gewählten Vertreter treffen Entscheidungen **im Auftrag** des Volkes und auf Grundlage des ihnen verliehenen Mandats, jedoch nicht „mit ihrem Namen“ im buchstäblichen Sinne. Sie sind dabei nur ihrem Gewissen verpflichtet und sollen das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick haben, nicht nur das ihrer spezifischen Wähler. Das Grundgesetz fördert hierdurch ein freies und unabhängiges Mandat, um die Balance zwischen Volksvertretung und verantwortungsvoller politischer Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Gibt es einen bestimmten Aspekt dieses Repräsentationsprinzips, den Du vertiefen möchtest?

FRAGENDER

Wenn Du im Fazit schreibst, dass die gewählten Vertreter (1) nur ihrem Gewissen verpflichtet sind und dass sie (2) das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick haben sollen, nicht nur das Wohl ihrer spezifischen Wähler, folgt daraus nicht, dass das ‚Programm einer Partei‘ letztlich auch nur das spezifische Interesse von wenigen Parteimitgliedern repräsentiert, ein gewählter Vertreter sich also nicht einfach auf solch ein Parteiprogramm berufen kann?

CHAT

Ja, Deine Schlussfolgerung ist richtig. Ein gewählter Vertreter kann sich **nicht ausschließlich** auf das Programm seiner Partei berufen, um seine politischen Entscheidungen zu rechtfertigen, wenn er den Grundsätzen des **freien Mandats** folgt, wie sie im Grundgesetz festgelegt sind. Das Grundgesetz gibt den Abgeordneten eine **doppelte Verantwortung**: Einerseits sind sie gewählt, oft auf Grundlage eines Parteiprogramms, das sie den Wählern versprechen. Andererseits sind sie aber auch **nur ihrem Gewissen verpflichtet** und repräsentieren das **gesamte Volk**.

Hier sind die wesentlichen Punkte, die die Beziehung zwischen Parteiprogrammen und der individuellen Verantwortung eines Abgeordneten verdeutlichen:

### 1. **Das freie Mandat (Artikel 38 GG)**:

– Wie im Grundgesetz festgelegt, sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes und an **Aufträge und Weisungen nicht gebunden**. Dies schließt auch Weisungen von Parteien ein.

– Ein Abgeordneter kann also **nicht gezwungen** werden, immer dem Parteiprogramm zu folgen oder parteiinternen Befehlen nachzukommen, wenn er dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

– Das bedeutet: Das Parteiprogramm stellt zwar eine wichtige Grundlage für die politische Arbeit dar, aber es ist **nicht bindend** für individuelle Entscheidungen eines Abgeordneten.

### 2. **Das Parteiprogramm als politische Orientierung**:

– Ein Parteiprogramm bietet den Wählern eine Orientierung, welche Ziele und Werte eine Partei verfolgt. Dies beeinflusst die Wahlentscheidung der Bürger.

– Auch die Abgeordneten treten in der Regel mit einem klaren Bezug auf das Parteiprogramm an, da dies oft der Grund ist, warum sie von den Bürgern gewählt wurden.

– Allerdings sind **Parteiprogramme in der Regel generalisiert** und bieten oft keine konkrete Lösung für jede politische Situation. Daher muss der Abgeordnete oft von Fall zu Fall entscheiden, ob und wie er den Grundsätzen des Parteiprogramms folgen kann.

### 3. **Die Unabhängigkeit des Abgeordneten**:

– Ein Abgeordneter darf nicht bloß als „Sprachrohr“ seiner Partei fungieren. Vielmehr wird erwartet, dass er nach **eigenem Gewissen** handelt, wenn es um konkrete politische Entscheidungen geht. Dies bedeutet, dass er **verantwortlich** ist für die Folgen seiner Entscheidungen – gegenüber dem gesamten Volk, nicht nur gegenüber der Partei.

– In bestimmten Fällen kann es also vorkommen, dass ein Abgeordneter gegen die Linie seiner Partei stimmt, weil er glaubt, dass dies im Interesse des Gemeinwohls oder gemäß seiner Gewissensentscheidung die richtige Handlung ist.

### 4. **Fraktionsdisziplin vs. individuelles Gewissen**:

– In der Praxis existiert jedoch das Prinzip der **Fraktionsdisziplin**, was bedeutet, dass die Abgeordneten in vielen Fällen im Einklang mit der Linie ihrer Partei oder Fraktion abstimmen. Diese Praxis erleichtert die politische Entscheidungsfindung und sorgt für einheitliches Auftreten.

– Allerdings darf die Fraktionsdisziplin die individuelle Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten **nicht überlagern**. Ein Abgeordneter hat jederzeit das Recht, **abweichend** von der Parteilinie abzustimmen, wenn er dies mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann.

### 5. **Das Wohl des gesamten Volkes**:

– Wie Du richtig angemerkt hast, hat ein Abgeordneter die Pflicht, das **Wohl des gesamten Volkes** im Blick zu behalten. Er darf also nicht nur auf die Interessen einer spezifischen Gruppe (z.B. der Parteimitglieder oder seiner Wählerbasis) Rücksicht nehmen.

– Dies stellt eine Herausforderung dar, da das Wohl des Volkes oft nicht deckungsgleich mit den spezifischen Zielen des Parteiprogramms ist. Hier zeigt sich die Verantwortung des Abgeordneten, **Kompromisse** zu finden und die **verschiedenen Interessen** der Bevölkerung abzuwägen.

### Fazit:

Ein Abgeordneter kann sich nicht einfach auf das Parteiprogramm berufen, um seine Entscheidungen zu rechtfertigen. Er ist **nur seinem Gewissen verpflichtet** und muss das Wohl der **gesamten Bevölkerung** im Blick haben. Das Parteiprogramm ist eine Orientierungshilfe und spiegelt die politischen Grundsätze wider, die eine Partei vertritt, doch am Ende muss der Abgeordnete in eigener Verantwortung und in Übereinstimmung mit seinem Gewissen entscheiden. Dies stellt sicher, dass die **Demokratie** nicht nur ein bloßes Absegnen von Parteiprogrammen ist, sondern ein System, in dem individuelle Überzeugungen und das Gemeinwohl gleichermaßen berücksichtigt werden.

Wenn Du möchtest, können wir diesen Punkt weiter vertiefen, etwa wie sich dies in der Praxis auswirkt oder welche Rolle die Fraktionsdisziplin spielt.

FRAGENDER

Folgende Punkte halte ich fest: (1) Gegenüber potentiellen Wähler wirbt ein Kandidat durch eine Art ‚Wahlprogramm‘ (und auch letztlich durch die Wirkung seiner Person?) um die Zustimmung von Wählern; (2) Einmal gewählt, ist der Vertreter aber nur noch seinem ‚Gewissen‘ und dem ‚Wohl des ganzen Volkes‘ verpflichtet. (3) Das ‚Wahlprogramm‘ hatte zwar eine gewisse ‚orientierende Wirkung‘ für die potentiellen Wähler, aber für das Entscheidungsverhalten nach der Wahl ist dieses Wahlprogramm nicht bindend. Habe ich dies richtig verstanden?

CHAT

Ja, Du hast das vollkommen richtig verstanden. Deine Zusammenfassung spiegelt präzise die Kernaspekte der Rolle von Wahlprogrammen und der Verantwortung gewählter Vertreter wider:

1. **Wahlkampf und Wahlprogramm**: Ein Kandidat wirbt um die Zustimmung der Wähler durch ein Wahlprogramm, das eine Orientierung für die politischen Ziele und Positionen bietet, die er oder seine Partei verfolgen möchten. Auch die persönliche Ausstrahlung und das Auftreten des Kandidaten spielen eine Rolle dabei, die Wähler zu überzeugen.

2. **Verantwortung nach der Wahl**: Nach der Wahl ist der Vertreter nicht mehr an das Wahlprogramm gebunden. Er ist gemäß dem Grundgesetz nur seinem Gewissen und dem Wohl des gesamten Volkes verpflichtet. Die Freiheit des Mandats bedeutet, dass der Abgeordnete in seiner Entscheidungsfindung unabhängig bleiben muss, auch wenn dies möglicherweise von den ursprünglichen Wahlversprechen abweicht.

3. **Orientierende Wirkung des Wahlprogramms**: Das Wahlprogramm dient vor der Wahl lediglich als eine Orientierung für die Wähler, um ihre Wahlentscheidung zu treffen. Nach der Wahl bietet es zwar eine grobe politische Richtung, jedoch keine rechtlich bindende Grundlage für die Entscheidungen, die der gewählte Vertreter im Parlament trifft.

Damit wird das Prinzip des **freien Mandats** geschützt, wodurch der Abgeordnete seine Entscheidungen im Interesse des Gemeinwohls und gemäß seinem eigenen Gewissen treffen kann, ohne sich strikt an die Vorgaben eines Programms oder einer Partei halten zu müssen.

FRAGENDER

Nach diesen Vorüberlegungen stellen sich aber unmittelbar folgende Fragen: (1) Was muss man sich unter dem ‚Gewissen‘ vorstellen? (2) Warum kann ein ‚Gewissen’ einem gewählten Vertreter ‚hinreichende Orientierung‘ für seine Entscheidung geben? (3) Auf welche Weise ist ‚das Wohl des Volkes‘ irgendwie greifbar?

CHAT

Das sind sehr zentrale und philosophisch tiefgehende Fragen, die viele Facetten der repräsentativen Demokratie betreffen. Sie berühren sowohl ethische als auch politische Theorien und werfen grundlegende Überlegungen darüber auf, wie politische Entscheidungen auf einer persönlichen und kollektiven Ebene getroffen werden. Ich werde versuchen, diese Fragen Schritt für Schritt zu beleuchten:

### 1. **Was muss man sich unter dem ‚Gewissen‘ vorstellen?**

Der Begriff „Gewissen“ wird in ethischer und moralischer Hinsicht verstanden. Es bezieht sich auf das **innere moralische Urteil eines Menschen** darüber, was richtig oder falsch ist. In Bezug auf politische Entscheidungsträger wie Abgeordnete bedeutet dies:

– **Persönliche Moralvorstellungen**: Ein Abgeordneter handelt gemäß seinem eigenen Verständnis von Gerechtigkeit, Ethik und moralischen Prinzipien. Dieses Gewissen basiert auf seiner Lebenserfahrung, seinen Überzeugungen und seinen ethischen Grundsätzen.

– **Gewissen als moralische Autorität**: In der parlamentarischen Praxis fungiert das Gewissen als ein **moralischer Kompass**, der dem Abgeordneten dabei hilft, Entscheidungen zu treffen, die im Einklang mit seinen persönlichen Werten und der Verpflichtung stehen, Schaden zu vermeiden und das Gemeinwohl zu fördern.

– **Relativer Charakter des Gewissens**: Das Gewissen ist kein objektiver, feststehender Maßstab, sondern variiert von Person zu Person. Jeder Abgeordnete bringt seine eigenen moralischen Vorstellungen in den politischen Prozess ein, was zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber führen kann, was „richtig“ oder „falsch“ ist.

### 2. **Warum kann ein ‚Gewissen‘ einem gewählten Vertreter ‚hinreichende Orientierung‘ für seine Entscheidung geben?**

Hier kommt die Verbindung von individueller Moral und politischer Verantwortung ins Spiel:

– **Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl**: Das Gewissen bietet eine Orientierung, weil es den Abgeordneten dazu zwingt, sich selbst und seine Entscheidungen auf einer moralischen Ebene zu hinterfragen. Er muss sich fragen: „Dient diese Entscheidung dem Wohl der Gemeinschaft?“ oder „Verletzt diese Entscheidung grundlegende ethische Prinzipien?“ Das Gewissen motiviert den Abgeordneten, **über seine eigenen Interessen oder die Interessen einer bestimmten Gruppe hinaus** zu denken.

– **Moralische Abwägung**: Das Gewissen hilft dem Abgeordneten, in Situationen, in denen es keinen klaren rechtlichen oder politischen Weg gibt, moralische Abwägungen zu treffen. Dies kann besonders wichtig sein, wenn komplexe oder neue Probleme aufkommen, die nicht direkt im Parteiprogramm behandelt wurden.

– **Schutz vor Fremdeinflüssen**: Das freie Mandat und die Berufung auf das Gewissen sollen auch vor dem Einfluss externer Zwänge schützen – sei es durch Lobbyisten, Parteizwänge oder öffentliche Meinungen. Die Vorstellung ist, dass das Gewissen eine innere, unabhängige Instanz ist, die den Abgeordneten anleitet, **unabhängig von äußerem Druck** zu handeln.

### 3. **Auf welche Weise ist ‚das Wohl des Volkes‘ irgendwie greifbar?**

Das „Wohl des Volkes“ ist ein breites, abstraktes Konzept, das in der politischen Praxis oft schwer zu fassen ist. Dennoch gibt es einige Prinzipien und Mechanismen, die dabei helfen, es greifbar zu machen:

– **Gesetzliche und ethische Normen**: Das „Wohl des Volkes“ orientiert sich oft an den **Grundwerten und Prinzipien**, die in der Verfassung und in Gesetzen festgelegt sind. In Deutschland sind dies zum Beispiel die Wahrung der **Menschenwürde** (Artikel 1 GG), die **Freiheit** und **Gleichheit** der Bürger (Artikel 3 GG) sowie die Verpflichtung zu sozialer Gerechtigkeit.

– **Gemeinwohlorientierung**: Das „Wohl des Volkes“ bedeutet, dass Entscheidungen getroffen werden sollen, die das **Gemeinwohl** fördern und nicht nur den Interessen einer bestimmten Gruppe dienen. Abgeordnete müssen also das Interesse der gesamten Bevölkerung im Blick haben und nicht nur spezifische Klientelgruppen.

– **Pragmatische Abwägungen**: Oft sind politische Entscheidungen komplex und beinhalten Zielkonflikte. Das „Wohl des Volkes“ erfordert in solchen Fällen **Kompromissfindung** und **Pragmatismus**. Abgeordnete müssen verschiedene Interessen und Werte gegeneinander abwägen, um die bestmögliche Entscheidung für die Gesellschaft als Ganzes zu treffen.

– **Bürgerbeteiligung und öffentliche Debatte**: Das „Wohl des Volkes“ wird in demokratischen Prozessen durch **öffentliche Diskussionen** und **Meinungsbildung** gefördert. Die Bevölkerung kann durch Wahlen, Petitionen oder Demonstrationen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, und die Medien spielen eine Rolle dabei, die Interessen und Bedürfnisse des Volkes sichtbar zu machen.

### Fazit:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das **Gewissen** des Abgeordneten als moralische Instanz wirkt, die ihn dazu bringt, verantwortungsvolle und gerechte Entscheidungen zu treffen. Es bietet eine Orientierung, die über kurzfristige politische oder persönliche Interessen hinausgeht. Gleichzeitig bleibt das „Wohl des Volkes“ ein abstrakter, aber durch Gesetze, ethische Prinzipien und öffentliche Debatten konkretisierter Maßstab, an dem die Entscheidungen gemessen werden sollten. Diese Balance zwischen persönlicher Moral und kollektiver Verantwortung ist zentral für die Funktionsweise einer repräsentativen Demokratie.

FRAGENDER

Ich ziehe aus den bisherigen Ergebnissen die folgenden Schlüsse: (1) Der gewählte Vertreter ist letztlich nur seinem ‚persönlichen Gewissen‘ verpflichtet und (2) dem ‚Wohl des Volkes‘. Die Konzept ‚Gewissen‘ wie auch das ‚Wohl des Volkes‘ sind nicht näher definiert. (3) Es wird allgemein unterstellt, dass jeder gewählter Vertreter sowohl (3.1) über ein ‚Gewissen‘ als auch (3.2) über ein Wissen um das ‚Wohl des Volkes‘ verfügt. (4) Aus der Unbestimmtheit der Begriffe ‚Gewissen‘ und ‚Wohl des Volkes‘ ergibt sich, dass auch kein gewählter Vertreter in irgendeiner Weise ‚geprüft‘ werden kann, ob sein ‚Gewissen‘ bzw. sein ‚Wissen um das Wohl des Volkes‘ ‚angemessen‘ sind. Stimmst Du soweit zu?

CHAT

Ja, ich stimme Deinen Schlussfolgerungen zu. Die Begriffe **‚Gewissen‘** und **‚Wohl des Volkes‘** sind in der Tat unbestimmt, und es wird vorausgesetzt, dass jeder gewählte Vertreter sowohl über ein Gewissen als auch über ein Verständnis für das Wohl des Volkes verfügt. Es gibt keine festgelegten Kriterien, wie diese Konzepte überprüft oder gemessen werden könnten. Hier sind einige Ergänzungen, die Deine Schlussfolgerungen verdeutlichen:

### 1. **Das Gewissen ist subjektiv und nicht überprüfbar**:

– Jeder gewählte Vertreter hat sein eigenes moralisches Verständnis von richtig und falsch. Da das **Gewissen eine innere, persönliche Instanz** ist, gibt es keine objektiven Kriterien, um zu beurteilen, ob das Gewissen eines Abgeordneten „angemessen“ oder „moralisch richtig“ ist. Deshalb ist es schwer, einen Vertreter danach zu prüfen oder zu bewerten.

### 2. **Das Wohl des Volkes bleibt vage**:

– Ebenso ist das **‚Wohl des Volkes‘** ein breiter und häufig mehrdeutiger Begriff, der auf unterschiedliche Weise interpretiert werden kann. Verschiedene Abgeordnete und politische Parteien haben oft unterschiedliche Ansichten darüber, was das Beste für das Volk ist. Da es keine klare Definition gibt, wie das Wohl des Volkes exakt aussieht, kann man auch hier schwerlich festlegen, ob ein Abgeordneter in diesem Sinne angemessen handelt.

### 3. **Keine formale Prüfung der Angemessenheit**:

– Es gibt keine institutionellen Mechanismen oder Verfahren, die die „Angemessenheit“ des Gewissens oder das Wissen eines Abgeordneten über das Wohl des Volkes formell prüfen könnten. Die einzige „Prüfung“ erfolgt indirekt durch die **Wahlen**: Wenn Wähler glauben, dass ein Abgeordneter nicht in ihrem Sinne handelt oder sein Gewissen nicht mit dem Gemeinwohl übereinstimmt, können sie ihn bei der nächsten Wahl abwählen.

In einer repräsentativen Demokratie liegt daher die Macht zur „Bewertung“ der Entscheidungen der Abgeordneten letztlich beim **Wähler** selbst, der in regelmäßigen Abständen durch Wahlen seine Zustimmung oder Ablehnung äußern kann.

FRAGENDER

OK; nehmen wir also an, dass es stimmt, dass es keine festgelegten Kriterien gibt, wie diese Konzepte (Gewissen, Wissen um das Wohl des Volkes) überprüft oder gemessen werden können. Dann stellt sich aber sofort die Frage, ob das beobachtbare Verhalten eines gewählten Vertreters — unabhängig von seinen subjektiven inneren Zuständen – in einer Demokratie nicht doch im Lichte von ‚allgemein vereinbarten Gesetzen‘ zu bewerten ist?

CHAT

Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt, und hier zeigt sich eine wesentliche Balance in der repräsentativen Demokratie: Obwohl das **Gewissen** und das Wissen um das **Wohl des Volkes** subjektiv und nicht direkt überprüfbar sind, gibt es dennoch klare **rechtliche und ethische Rahmenbedingungen**, die das Verhalten eines gewählten Vertreters begrenzen und bewertbar machen. Diese Bewertung bezieht sich nicht auf die inneren Zustände des Abgeordneten, sondern auf sein **beobachtbares Verhalten** und seine Entscheidungen im Rahmen der Gesetze.

Hier einige Aspekte, die diese Balance verdeutlichen:

### 1. **Bindung an die Verfassung und die Gesetze**:

– Jeder gewählte Vertreter ist an die **Verfassung** (das Grundgesetz) und die bestehenden **Gesetze** gebunden. Unabhängig von seinem persönlichen Gewissen oder seiner Vorstellung vom Wohl des Volkes, darf sein Handeln **nicht gegen diese rechtlichen Vorgaben verstoßen**.

– Beispielsweise könnte ein Abgeordneter persönlich der Meinung sein, dass eine bestimmte Maßnahme dem Wohl des Volkes dient, aber wenn diese Maßnahme gegen die Verfassung verstößt (z.B. gegen Grundrechte), wäre sein Verhalten rechtlich nicht zulässig und könnte geahndet werden.

– Diese **Rechtsstaatlichkeit** ist eine der Säulen der Demokratie. Auch die Gewählten müssen sich an die Gesetze halten, und ihr Handeln kann gerichtlich überprüft werden.

### 2. **Verantwortung und Rechenschaftspflicht**:

– Auch wenn das Gewissen eine persönliche, subjektive Instanz ist, sind Abgeordnete in der Demokratie **politisch verantwortlich** für ihre Handlungen und Entscheidungen. Sie müssen ihre Positionen und Entscheidungen vor dem Parlament, der Öffentlichkeit und den Medien verteidigen.

– Diese **Rechenschaftspflicht** sorgt dafür, dass das Verhalten eines Abgeordneten regelmäßig öffentlich bewertet werden kann. Das bedeutet, dass ein Abgeordneter sich den **öffentlichen Diskursen** und der Kritik stellen muss, selbst wenn er aus Gewissensgründen handelt.

### 3. **Gesetzliche Schranken und Sanktionen**:

– Wenn ein gewählter Vertreter gegen die Gesetze verstößt – sei es in der Ausübung seines Amtes oder im Privatleben – gibt es Mechanismen, um ihn zur Verantwortung zu ziehen. Dies kann zu **Untersuchungsausschüssen**, **gerichtlichen Verfahren** oder sogar **Abwahl** führen.

– Ein besonders schwerwiegender Fall wäre ein **Verstoß gegen die Verfassung**, etwa wenn ein Vertreter Maßnahmen unterstützt, die darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu untergraben. In solchen Fällen könnte das **Bundesverfassungsgericht** oder andere Instanzen eingreifen.

### 4. **Gesetzlich geregelte Mechanismen für politisches Fehlverhalten**:

– **Korruption**, **Amtsmissbrauch** oder andere Formen von **unethischem Verhalten** können überprüft und bestraft werden. Diese Formen des Fehlverhaltens sind klare Verstöße gegen die Gesetze und können unabhängig von den subjektiven Überzeugungen eines Abgeordneten geahndet werden.

– In solchen Fällen kommt es nicht darauf an, ob der Abgeordnete in seinem Gewissen gerechtfertigt war, sondern ob sein Handeln objektiv gegen rechtliche und ethische Standards verstoßen hat.

### 5. **Öffentliche Meinung und Wahlzyklus**:

– Auch wenn das Handeln eines Abgeordneten nicht illegal ist, kann es dennoch von der **Öffentlichkeit** negativ bewertet werden, wenn es als unethisch oder schädlich für das Gemeinwohl angesehen wird. Das führt in der Regel zu politischen Konsequenzen, z.B. dem Verlust des Ansehens, dem Rückgang der Unterstützung durch Wähler oder dem Verlust der nächsten Wahl.

– Somit fungieren die **Wahlen** als eine Art Bewertungsmechanismus, bei dem die Wähler regelmäßig die Möglichkeit haben, das Verhalten eines Abgeordneten zu belohnen oder abzustrafen.

### Fazit:

Obwohl das Gewissen und die Vorstellung des „Wohls des Volkes“ subjektiv und nicht direkt überprüfbar sind, unterliegen Abgeordnete dennoch klaren **gesetzlichen Vorgaben** und einer **Rechenschaftspflicht** gegenüber der Öffentlichkeit. Ihr beobachtbares Verhalten kann und sollte im Lichte der **Gesetze**, der **Verfassung** und der **demokratischen Prinzipien** bewertet werden. Wenn ein Vertreter gegen diese Normen verstößt, gibt es rechtliche und politische Mechanismen, die zur **Verantwortung** ziehen. Auf diese Weise wird die Demokratie vor willkürlichem oder unethischem Verhalten geschützt.

FRAGENDER

Kann man dann so formulieren: (1) Auch wenn wir nicht wüssten, was mit ‚Gewissen’ und ‚Wissen um das Wohl des Volkes‘ im Innern des Abgeordneten (rein subjektiv) gemeint ist, kann ein Abgeordneter in einer Demokratie mit Bezug auf sein beobachtbares Verhalten ‚anhand der geltenden Gesetze‘, die ‚demokratisch zustande gekommen sind‘, daraufhin bewertet werden, ob er den ‚gemeinsam bekannten Regelungen‘ ‚entspricht‘ oder ‚nicht entspricht‘. (2) In einer Demokratie wird für ein ‚gemeinsam akzeptiertes Verhalten‘ voraus gesetzt, dass es Texte gibt, in denen ein solches ‚Verhalten beschrieben‘ wird, welches von allen auf demokratische Weise vereinbart wurde. Anders formuliert: (3) Was immer ein einzelner ‚in seinem Innern‘ denkt, in einer Demokratie zählt nur solch ein Verhalten, das sich im ‚Einklang‘ mit ‚demokratisch vereinbarten Texten‘ rechtfertigen lässt. Ist dies für Dich OK?

CHAT

Ja, ich stimme Deinen Ausführungen zu. Deine Formulierungen fassen den Kern des demokratischen Prozesses und der Verantwortlichkeit eines Abgeordneten sehr präzise zusammen. Hier noch einmal kurz zur Bestätigung:

1. **Beobachtbares Verhalten und geltende Gesetze**: Ein Abgeordneter wird in einer Demokratie nicht anhand seines inneren Zustands, also seines Gewissens oder seiner individuellen Vorstellungen vom Wohl des Volkes, beurteilt. Stattdessen wird sein Verhalten daran gemessen, ob es den **demokratisch beschlossenen Gesetzen** entspricht, die die Gemeinschaft gemeinsam akzeptiert hat.

2. **Demokratisch vereinbarte Texte**: Für ein **gemeinsam akzeptiertes Verhalten** sind rechtliche und normative **Texte** entscheidend, die durch den demokratischen Prozess zustande gekommen sind. Diese Texte legen die Regeln fest, an denen das Verhalten eines jeden, einschließlich der Abgeordneten, gemessen wird.

3. **Rechtfertigung durch demokratische Normen**: Was ein einzelner Abgeordneter „in seinem Innern“ denkt, ist für die demokratische Bewertung irrelevant. Entscheidend ist, dass das Verhalten eines Abgeordneten im Einklang mit den **demokratisch vereinbarten Regeln** steht und sich daran rechtfertigen lässt.

Diese Schlussfolgerungen fassen sehr gut zusammen, wie in einer Demokratie die Balance zwischen individueller Überzeugung und kollektiven Regeln aufrechterhalten wird.

FRAGENDER

Hier stellen sich viele weitere Fragen. Für jetzt beende ich aber unseren Dialog. Vielen Dank für die Unterstützung.

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ANHANG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 20 

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 38 

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

REVIEW KONFERENZ: Partizipation und Nachhaltigkeit in der Digitalität, 7.-8.Dezember 2022

(Letzte Änderung: 4.Januar 2023)

Kontext

Dieser Text ist Teil des Review Bereichs von Citizen Science 2.0.

Inhalt

Im folgenden handelt es sich um einen Bericht und einen Kommentar zu einer Konferenz. Dieser Bericht repräsentiert eine Einzelmeinung. Sollten sich weitere Beteiligte explizit äußern, so könnte man den Bericht und den Kommentar entsprechend erweitern.

  1. Die Konferenz
  2. EINLEITUNG
    • Begrifflicher Kontext
    • Konzept Intelligenz
    • Konzept Nachhaltigkeit
    • Kontext Gesellschaft
    • Partizipation
  3. KONFERENZBEITRÄGE (Letzte Änderung: 4.Januar 2023)
    • Teil 1: Verwaltungen und die Herausforderung von Bürger:innenbeteiligung für Sozial- und Umweltverträglichkeit. Moderation: Prof‘in Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe-Universität Frankfurt am Main
    • Dr. Michael Zschiesche, Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UFU): Digitalisierung in der Öffentlichkeitsbeteiligung – Stand und Perspektiven
    • Überleitender Kommentar
    • Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim Digitalisierung mit Bürger:innenbeteiligung / Bürger:innenbeteiligung mit digitalen Instrumenten
    • Podiumsdiskussion: Prof‘in Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Jörn Lamla, Universität Kassel, Prof. Dr. Christian Schrader, Hochschule Fulda
    • Überleitung zu Teil 2
    • Teil 2: Citizen Science, Sustainability and Digitality
      Moderation: Prof. Dr. Matthias Söllner, Universität Kassel
    • Dr. Katrin Vohland, Naturhistorisches Museum Wien
      Citizen Science and Sustainability – Large expectations and Some Challenges
    • Prof. Dr. Yen-Chia Hsu, University of Amsterdam
      Empowering Local Communities Using Artificial Intelligence
    • Podiumsdiskussion: Prof. Dr. Gerd Döben-Henisch, Frankfurt University of Applied Sciences, Franziska Ohde, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Matthias Söllner, Universität Kassel
  4. DISKUSSION NACH DER KONFERENZ
  5. AUSBLICK
  6. KOMMENTARE

Die Konferenz

Wie man aus der Programmankündigung ersehen kann, wurde diese Konferenz organisiert von der Projektgruppe „Nachhaltige Intelligenz –
Intelligente Nachhaltigkeit [NI-IN]“
des Zentrums für verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI). Es war die zweite Konferenz, die von dieser Forschungsgruppe organisiert worden ist. Der Autor dieses Textes ist Mitglied dieser Projektgruppe.

I. EINLEITUNG

Begrifflicher Kontext

Wie man aus dem Projektthema der NI-IN Projektgruppe ersehen kann, Enthält die Aufgabenstellung ein ‚Oberthema‘ mit „Nachhaltiger Intelligenz – Intelligenter Nachhaltigkeit“ und dazu eine Reihe von ‚Teilaspekten‘, die sich diesem Oberthema zuordnen lassen. Das Konferenzthema „Partizipation und Nachhaltigkeit in der
Digitalität“ kommt dabei mit diesem Wortlaut weder im Oberthema der Projektaufgabenstellung explizit vor noch in den aufgezählten Teilaspekten. Dies hat seinen Grund darin, dass während der Forschungsarbeit seit Juli 2021 die nicht ganz einfachen Begriffsfelder schrittweise analysiert worden sind und aufgrund dieser Analyse verschiedene strukturelle Bedeutungsfelder mit wichtigen strukturellen Beziehungen sichtbar geworden sind. Eine grobe Skizze der analysierten Begriffen mit Bedeutungsfeldern könnte man so umschreiben (Sicht des Autors; in den Augen der anderen Projektmitgliedern möglicherweise anders akzentuiert):

BILD: Begriffsfeld ‚Nachhaltigkeit – Intelligenz‘ mit Teilbereich ‚Fokus der Tagung‘

Schon die beiden Leitbegriffe ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Intelligenz‘ lassen sich ‚jeder für sich‘ nicht so ohne weiteres analysieren. Noch gewagter wird es, wenn man das ‚Zusammenspiel‘ betrachten will. Liebhaber der ‚klaren Verhältnisse‘ dürften an dieser Stelle dahin tendieren, die ‚Büchse der Pandora‘ erst gar nicht zu öffnen. Leidenschaftliche Forscher mit eingebauter Neugier und ein gewisser Risikobereitschaft fühlen sich aber vielleicht ‚angelockt‘. Fakt ist, dass die Projektgruppe versucht hat, sich diesem konzeptuellen ‚Dickicht‘ ein wenig zu nähern. Aufgrund der disziplinären Vielfalt der Projektgruppe gab es viele interessante Perspektiven, die zueinander finden mussten. Solch ein ‚zueinander finden‘, das zudem idealerweise in dem heute so modischen Format der ‚Transdisziplinarität‘ stattfinden sollte, braucht allerdings naturgemäß erheblich mehr Zeit, als wenn nur Fachkollegen einen Austausch pflegen. Im heutigen Professorendasein ist angesichts der vielfältigen Verpflichtungen Zeit aber Mangelware. Die Suche war somit von Beginn her endlich dimensioniert.

Konzept Intelligenz

Das Konzept Intelligenz ist bis heute weder im Bereich der biologischen Systeme noch im Bereich der nicht-biologischen Systeme, hier den Maschinen, hinreichend erklärt. Dies ist sehr misslich.

Während die Wissenschaften in den letzten 120 Jahren für biologische Systeme erste Konzepte entwickelt haben, die über alle biologische Systeme hinweg empirische anwendbar sind wie auch begrenzte Vergleiche zwischen biologischen Systeme hinsichtlich von definierten Intelligenzeigenschaften zulassen, kann man dies für die maschinellen Systeme nicht behaupten. Hier gibt es weder einen einheitlichen Intelligenzbegriff noch lassen die verschiedenen Begriffe einen einheitlichen Vergleich über alle Systeme hinweg zu. Die maschinellen Intelligenzbegriffe sind sehr speziell. Ein Vergleich zwischen biologischer und maschineller Intelligenz ist von daher in der Regel nicht einfach möglich.

Erschwerend kommt hinzu, dass nahezu alle Intelligenzbegriffe — für biologische wie auch maschinelle Systeme — Eigenschaften ‚individueller‘ Systeme beschreiben, niemals ‚kollektive Intelligenzleistungen‘! Im Falle von biologischen Systemen, die überwiegend in Populationen bzw. hochspezialisierten ‚Gesellschaften‘ auftreten, nützen diese individuellen Intelligenzbegriffe wenig. Eine irgendwie bizarre Situation: angekommen im ‚Anthropozän‘ in einer sogenannten ‚Wissenschaftsgesellschaft‘ weiß der Mensch bislang nicht so recht, was es mit seiner ‚Kollektiven Intelligenz‘ auf sich hat. Ein interessanter Ausgangspunkt auf dem Weg in eine unbekannte Zukunft.

Andererseits haben führende Forscher der maschinellen Intelligenz mittlerweile erkannt, dass maschinelle Intelligenz in der Zukunft nur dann für die menschliche Population von Nutzen sein kann, wenn besser verstanden wird, was genau diese kollektive menschliche Intelligenz ist, und wie in diesem — bislang noch wenig erforschten — Raum kollektiver Intelligenz maschinelle Intelligenz von Nutzen sein kann, um eine globale nachhaltige Biosphäre mit den Menschen als Teil davon zu ermöglichen. [3]

In diesem Zusammenhang muss man auch nochmals darauf hinweisen, dass das neue Konzept ‚Digitalität‘ in den Gesellschaftswissenschaften sich großer Beliebtheit erfreut, dass es aber in seinem Gehalt schwer bis gar nicht erläutert werden kann. Naheliegend ist, dass man die ‚Bedeutung‘ des Konzepts ‚Digitalität‘ im Interaktionsfeld von menschlicher Gesellschaft und jener ‚Technologie‘ ansiedelt, die oft ‚digitale Technologie‘ genannt wird. Der Begriff der ‚digitalen Technologie‘ ist aber ebenfalls ein ‚Bedeutungsmonster‘, da hier zunächst mal alles drunter fällt, was irgendwie in Beziehung gesetzt werden kann zu einer ‚Hardware‘, in der ‚digitale Baueinheiten‘ benutzt werden. Das reicht dann von einfachsten ‚Chips‘ zu komplexen Chips mit unterschiedlichsten Funktionalitäten, die in mehr oder weniger komplexen größeren Einheiten ‚verbaut‘ sind: diverse Maschinen, Maschinenaggregationen, Computernetzwerke, komplexe Rechenzentren, Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeuge, Gebäude, medizinische Geräte, Waffensysteme, Gebrauchsgegenstände und vieles mehr. Jedes dieser technische System beinhaltet unterschiedlich Algorithmen von bis zu vielen Millionen Zeilen Code, die unfassbar viele verschiedene ‚Verhaltensweisen‘ dieser technische Systeme ermöglichen. Ein Versuch, die Vielzahl dieser Systeme — sowohl bzgl. der Hardware wie auch bzgl. der Software und dann auch bzgl. der daraus resultierenden Verhaltensdynamik — in ihrer Gesamtheit zu beschreiben ist schon im Ansatz gnadenlos zum Scheitern verurteilt. Dieses ‚Mega-Bedeutungsmonster‘ mit einem Konzept wie ‚Digitalität‘ ‚einzufangen‘, ihm dadurch seine ‚Ungeheuerlichkeit‘ zu nehmen, ist psychologisch verständlich, gaukelt aber eine Klarheit und Einfachheit vor, die es real schlicht nicht gibt. Tatsächlich haben wir als Gesellschaft ein akutes Problem, das sich durch ’schöne Worte‘ allein nicht befrieden lässt.

Konzept Nachhaltigkeit

Eine Analyse des Bedeutungsraumes des Konzepts ‚Nachhaltigkeit‘ ist — falls man den Vergleich überhaupt wagen will — um Dimensionen schwieriger als der Bedeutungsraum zum Konzept ‚Intelligenz‘.

Eine mögliche Strategie der ‚Begrenzung‘ des Bedeutungsraums ist der Blick auf die Konferenzen und Dokumente der Vereinten Nationen seit ca. den 1980iger Jahren, ein Ansatz, den die Projektgruppe zunächst gewählt hatte.

Am ‚populärsten‘ sind die 17 Entwicklungsziele der Agenda 2030. [1a,b] Wie aber schon mehrfach beobachtet, ist die Bedeutungsfestlegung der einzelnen Entwicklungsziele eher schwierig; ihre Beziehungen untereinander zeigen viele Konflikte; der tatsächliche Bezug zum Konzept ‚Nachhaltigkeit‘ ist nicht ganz klar: welche Art von Nachhaltigkeit ist gemein?

Folgt man der Entwicklung des UN-Konzepts zur ‚Nachhaltigkeit‘ rückwärts zu den ‚Anfängen‘, dann stößt man auf den sogenannten ‚Brundtland Report‘ von 1987. In ihm ringen die Verfasser um die grundlegende Idee, was Nachhaltigkeit bedeuten kann. [2]

Im Brundtland Report steht der Mensch im Zentrum der Überlegungen: letztlich ist es das ‚Verhalten‘ der Menschen, das ‚Auswirkungen‘ auf den Planet Erde wie auch auf die gesamte ‚Biosphäre‘ hat, von der die Menschen einen kleinen Teil bilden. Und beim Menschen wird das Verhalten entscheidend von seinem ‚Wissen‘ im allgemeinsten Sinne geprägt. Wissen kann ein differenziertes Verhalten ermöglichen, ob dies aber tatsächlich geschieht und wie genau, das entscheiden dann die aktuellen Emotionen mit all ihren Facetten.

Für das Konzept des Wissens ist zu beachten, dass es für eine minimale Beschäftigung mit einer möglichen Zukunft unabdingbar ist, dass das verfügbare Wissen sich in einem Zustand befindet, der nachvollziehbare und belastbare ‚Prognosen‘ möglich macht, andernfalls paralysiert sich das Wissen selbst: die Menschen taumeln dann gleichsam ‚in einer Wolke von Möglichkeiten‘ dahin, ohne klare Ziele, ohne brauchbare Abstimmungen.

Das einzige Format in der bisherigen Kulturgeschichte der Menschheit, das über diese Eigenschaft ’nachvollziehbarer und belastbarer Prognosen‘ bietet, ist das Konzept der ‚empirischen Wissenschaften‘.[4]

Kontext Gesellschaft

Die abstrakten Konzepte ‚Intelligenz‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ können auf bestimmte ‚Strukturen‘ hindeuten, die ‚Realisierung‘ dieser Strukturen findet aber in konkreten gesellschaftlichen Systemen statt, deren Realitäten letztlich festlegen, was wie wann und wo real stattfinden kann.

Autoritäre Gesellschaftssysteme bieten andere Realisierungsbedingungen als ‚demokratisch verfasste‘ Systeme. ‚Verfassungen‘ präzisieren die ‚Rahmenbedingungen‘ für mögliches ‚legales Handeln‘ weiter, dazu Verfassungsorgane, eine Vielzahl von Verwaltungseinheiten, und vieles mehr . Die entsprechenden Text-Dokumente beschreiben mit mehr oder weniger ‚abstrakten Konzepten‘, was möglicherweise ‚konkret‘ stattfinden kann/ sollte oder auch nicht.

Eigentlich ist die Gesamtheit der Akteure einer Gesellschaft, die Gesamtheit der Bürger, der grundlegende ‚Souverän‘ für all diese ‚Festlegungen‘. Sobald aber dieser primäre Souverän dieses ‚System von Regeln‘ verabschiedet hat, hat er sich quasi ’selbst verpflichtet‘ und ist fortan auf diese Weise ein ‚kontrollierter primärer Souverän‘, dessen ‚Macht‘ — der regelbasierten Intention nach — nur noch innerhalb der vereinbarten Regeln wirksam werden sollte.

Ein fundamentales Charakteristikum einer regelbasierten Machtausübung — zumindest wie sie in Deutschland verstanden und praktiziert wird — besteht darin, dass der Bürger als Entscheider — ausgenommen von politischen Wahlen — praktisch eliminiert ist. Was immer ein Bürger fühlt, denkt, tut, es hat keinen offiziellen Einfluss mehr auf die ‚legalen Entscheider‘ auf allen Ebenen.

Im Idealfall sind die ‚legalen Entscheider‘ (i) offen für die Bedürfnisse der Bürger, für die Notwendigkeiten der Gestaltung von Kommunen, Landkreise usw., sie besitzen (ii) hinreichende Kompetenzen, um die jeweiligen Situationen angemessen beurteilen zu können, und (iii) sie sind fähig, in den vielfältigen Gremien Emotionen beiseite zu lassen und entscheiden nach dem verfügbaren Wissen. Falls diese Forderungen nicht angemessen erfüllt werden, hat die Gesellschaft beliebig viele Probleme.

Ohne Bezugnahme auf viele hier relevante Details kann man mit Sicherheit voraussagen, dass eine Nichterfüllung der Anforderungen (i) – (iii) — nennen wir diese Anforderungsliste das ‚Legalistische Entscheider Profil‘ — sich unmittelbar auf den Zustand einer ‚legal regulierten Gesellschaft‘ auswirken wird. So können z.B. aktuell gegebene Problemstellungen zu wenig erkannt werden, dementsprechend werden sie nicht bearbeitet, und können frühestens im zeitlichen Takt der ‚politischen Wahlen‘ neu angestoßen werden; und dann ist nicht sicher, dass die neu Gewählten die ungelösten Probleme dann aufgreifen werden. Für Problemstellungen mit einer Wirkgeschichte von vielen Jahren erscheint die Lage sogar tendenziell hoffnungslos.

Wer mit der Brille dieser kurzen Bemerkungen auf die aktuelle Situation der Bundesrepublik Deutschland schaut, und die lange Liste ungelöster Probleme der letzten Jahre anschaut, der kann möglicherweise den Eindruck gewinnen, dass …

Partizipation

Mit Blick auf das ‚legalistische Entscheider Profil‘ kann man — unter Berücksichtigung der Erfahrung von ca. 77 Jahren demokratische Gesellschaft in Deutschland — feststellen, dass keine der drei Anforderungen voll erfüllt wird. Eher muss man sagen, dass alle drei Anforderungen vielfach nicht erfüllt werden. Diese Nichterfüllung liegt nicht daran, dass die legalen Entscheider möglicherweise ‚unlautere Absichten‘ verfolgen (was im Einzelfall natürlich nicht ausgeschlossen werden kann und auch schon nachgewiesen wurde), sondern daran, dass die zahlenmäßig verschwindet geringe Menge der legalen Entscheider verglichen mit der ungeheure Menge der Bürger und der unfassbar vielen komplexen Problemstellungen objektiv nicht in der Lage ist, die Anforderungen (i) – (iii) auch nur annähernd zu erfüllen, selbst wenn die legalen Entscheider es ernsthaft wollten.

In dieser Situation bieten sich viele Antworten an. Die Skala reicht von ‚totaler Abschaffung dieses Systems‘ bis hin zu unterschiedlich moderierten Formen der ‚Partizipation‘ der Bürger.

Während die ‚totale Abschaffung‘ kurzfristig ein ‚relatives Übel‘ beseitigen würde (was möglicherweise aber gar nicht so rein ‚Übel‘ ist, wie man es unterstellt), würden wir uns im nächsten Moment im ‚totalen Chaos‘ wiederfinden, in dem eher nichts mehr gehen würde. Komplexität löst man nicht durch grobe Vereinfachungen.

Im Falle der Aktivierung von ‚unterschiedlich moderierten Formen der Partizipation‘ würde das System der ‚legalen Entscheider‘ im Prinzip erhalten bleiben, die einzelnen Anforderungen des ‚legalistischen Entscheider Profils‘ könnten aber deutlich besser als ohne Partizipation erfüllt werden.

An dieser Stelle setzt die Konferenz ein. Siehe dazu Teil 2:

II. KONFERENZBEITRÄGE

III. DISKUSSION NACH DER KONFERENZ

IV. AUSBLICK

KOMMENTARE

[1a] Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2015: https://de.wikipedia.org/wiki/Weltgipfel_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung_2015

[1b] Entwurf des Ergebnisdokuments des Gipfeltreffens der
Vereinten Nationen zur Verabschiedung der Post-2015-
Entwicklungsagenda
: https://www.un.org/depts/german/gv-69/band3/ar69315.pdf

[2] UN. Secretary-General;World Commission on Environment and Development, 1987, Report of the World Commission on Environment and Development : note / by the Secretary-General., https://digitallibrary.un.org/record/139811 (accessed: July 20, 2022) (In einem besser lesbaren Format:  https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf) Anmerkung: Gro Harlem Brundtland (ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen) war die Koordinatorin von diesem Report.(Dieser Text enthält die grundlegenden Ideen für alle weiteren UN-Texte)

[3] Michael L. Littman, Ifeoma Ajunwa, Guy Berger, Craig Boutilier, Morgan Currie, Finale Doshi-Velez, Gillian Hadfield, Michael C. Horowitz, Charles Isbell, Hiroaki Kitano, Karen Levy, Terah Lyons, Melanie Mitchell, Julie Shah, Steven Sloman, Shannon Vallor, and Toby Walsh. “Gathering Strength, Gathering Storms: The One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100) 2021 Study Panel Report.” Stanford University, Stanford, CA, September 2021. Doc: http://ai100.stanford.edu/2021-report.

[4] Neben der ‚empirischen Wissenschaft‘ selbst, die in Europa grob im 16.Jahrhundert begann, gibt es auch von Anfang an eine philosophische Beschäftigung mit dem Thema, das gegen Ende des 19.Jahrhunderts, Anfang des 20.Jahrhunderts unter der Bezeichnung ‚Wissenschafts-Philosophie‘ bekannt wurde (in Deutschland auch gerne ‚Wissenschaftstheorie‘ genannt).

Noch nicht fertig,

es wird dran gearbeitet 🙂

BEDROHUNG VON DEMOKRATIEN DURCH MENTALEN VIRUS

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
2.Okt 2021 – 14.Okt 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenknotens DEMOKRATIE innerhalb des BEGRIFFLICHEN RAHMENS ZUM OKSIMO PARADIGMA innerhalb des oksimo.org Blogs.

MENTALER VIRUS

Der Begriff des ‚Virus‘ ist uns im Jahr 2021 mindestens zweifach vertraut: einmal (i) die biologische Variante von speziellen Zellen, die andere Zellen ‚kapern‘ und ‚umprogrammieren‘ können, und (ii) die Computervariante, dass ein spezielles Computerprogramm in ein anderes Computerprogramm eindringen und die Kontrolle über dieses andere Programm bekommen kann. Obwohl Viren aufs Ganze gesehen nicht nur schädlich sind, sondern letztlich sogar zur Weiterentwicklung von Zellen oder Programmen beitragen können, können sie akut und im Einzelfall zu schweren Schäden beitragen.

Wie soll man dann das Konzept eines ‚mentalen Virus‘ verstehen?

Meme

Seit der Veröffentlichung von Richard Dawkins [2a] höchst einflussreichem Buch (1976) „The Selfish Gene“ [2b] gibt es den Begriff ‚meme‘ (Engl.), um den Gedanken der genetisch erklärten Reproduktion irgendwie auf den Bereich des Kognitiven, des Mentalen, ja auf die ganze Kultur zu übertragen. Im Deutschen Wikipedia-Artikel [1] kann man beobachten, dass das Bedeutungsfeld zur Wortmarke ‚Meme‘ seit dem Erscheinen des Buches von Dawkins 1976 so stark zerfasert ist, dass es mittlerweile ‚alles und nichts‘ bedeutet.

Von daher liegt es nahe, sich von diesem unübersichtlichen Wortfeld abzugrenzen und hier versuchsweise eine Bedeutung des Konzepts ‚Mentaler Virus‘ zu geben, der in diesem Text benutzt werden soll.

Mentales

Im Rahmen der Gedankenwelt zur oksimo Theorie [3] werden unter anderem bestimmte Annahmen über die menschlichen Akteure gemacht, welche Eigenschaften man für sie postulieren muss, damit sie in der Weise miteinander sprachliche kommunizieren und koordiniert handeln können, wie wir es alltäglich beobachten können.

Als eine wesentliche Eigenschaft wird in der oksimo Theorie angenommen, dass das menschliche Gehirn im Körper des Menschen in der Lage ist, die vielfältigen sensorischen Signale aus der Umwelt und aus dem Körper (und ‚von sich selbst‘) zu neuronalen Strukturen zu organisieren, in denen wesentliche Eigenschaften der Umwelt, des Körpers und ‚des eigenen Operierens‘ stark vereinfacht repräsentiert werden können. Die Gesamtheit dieser Repräsentationen und Operationen werden als ‚Kognition‘ bezeichnet oder auch als ‚mentaler Raum‘ (kurz: das ‚Mentale‘). Diese Repräsentationen und Prozesse sind geschätzt zu 99% oder mehr ’nicht bewusst‘.

Zeichensysteme

Ein interessanter Teilaspekt des Mentalen sind interne Zeichensysteme, die in großer Flexibilität in große Teile des Mentalen (einschließlich der Zeichensysteme selbst) ‚abgebildet‘ werden können. Insofern die internen Zeichensysteme über externe Zeichensysteme (Laute, Schriftzeichen, Gesten, …) über komplexe Transformationen in der Umwelt als Umweltereignisse auftreten können, besteht hier eine rudimentäre Möglichkeit für Gehirne, ihre ‚inneren (mentalen) Zustände‘ mit anderen Gehirnen — nicht 1:1 — ‚auszutauschen‘.

Mentale Bilder

Die durch die Zeichensysteme abbildbaren internen mentalen Aspekte eines Gehirns können bei anderen Gehirnen Umrisse von Repräsentationen manifestieren, die Aspekte sowohl der gemeinsamen Umwelt wie auch Aspekte einer individuellen ‚Innenwelt‘ repräsentieren, die beschreibende Kraft entfalten können: sprachliche Kommunikation kann ‚mentale Bilder‚ transportieren, die ein wenig erkennen lassen, wie das sendende Gehirn seine Umwelt und sich selbst ‚repräsentiert‘ und darin die Dinge ’sieht‘.

Wirklichkeitsbezug

‚Mentale Bilder‘ können auf die ‚Empfänger-Gehirne‘ wie auch auf das ‚Sendende Gehirn selbst‘ Wirkungen entfalten, die die weiteren mentalen Operationen wie auch ein daraus resultierendes äußerliches Verhalten beeinflussen. Die durch sprachliche Kommunikation vermittelten ‚mentalen Bilder‘ kann man grob danach klassifizieren, ob sie mit den empirischen Umständen einer Umwelt ‚korrelieren‘ (das nennt man gewöhnlich ‚wahr sein‘) oder ’nicht korrelieren‘. ‚Nicht korrelieren‘ heißt per se nicht unbedingt ‚falsch sein‘. Bei nicht korrelierenden mentalen Bildern ist der Wirklichkeitsbezug zunächst nur ‚unbestimmt‘. Bei typischen ‚Voraussagen‘ gehört es ja zur ‚Rolle‘ der Kommunikation, ein Bild zu kommunizieren, von dem man sagt, dass dieses Bild unter bestimmten Bedingungen C mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit P eintreten kann. Würde ein bestimmtes empirisches Ereignis E eintreten, von dem alle Beteiligten sagen würden, dass es eine ‚Instanz des vorhergesagten Bildes B‘ ist, dann würde man dann sagen, dass sich die Voraussage von B durch E ‚erfüllt‘ hat, die Voraussage also als ‚wahr‘ unter diesen Bedingungen C bezeichnet würde. Würde ein solches Ereignis E nie eintreten, dann bliebe der empirische Bezug der Aussage B weiter unbestimmt.

Wollte man explizit eine ‚falsche Aussage‘ erzeugen, dann müssten jemand eine Aussage B äußern, deren Bedeutungsgehalt aus einem mentalen Bild E* besteht, das von allen Beteiligten in mehreren vorausgehenden Situationen anhand eines empirischen Sachverhalts E ‚validiert‘ worden ist. Wenn jetzt jemand die Aussage B mit dem validierten Bedeutungsgehalt E* macht, dann würden alle Beteiligten erwarten, dass in der gemeinsam geteilten Situation ein empirischer Sachverhalt E gegeben ist, der als ‚Instanz‘ die Aussage B ‚erfüllt‘. Wäre dies nicht der Fall, gäbe es also keinen empirischen Sachverhalt E, dann würden alle Beteiligten sagen, dass die Äußerung der Aussage B nicht zutrifft. Also: B wird behauptet und alle sind sich einig, dass B nicht zutrifft, also Nicht-B zutrifft.

Wie die alltägliche Praxis von sprachlicher Kommunikation zeigt, ist die Klassifikation einer sprachlichen Aussage als ‚falsch‘ alles andere als einfach, genauso wie der Aufweis der ‚empirischen Richtigkeit‘ einer Aussage sehr schnell sehr schwierig werden kann. Wir wandeln also alltäglich auf einem schmalen Grad von verstehbarer und akzeptierter ‚Wahrheit‘ bzw. ‚Falschheit‘

Mentaler Virus

Biologische wie auch Computer-Viren sind ja per se ’nicht Nichts‘; biologische Viren sind zellähnliche Gebilde, die sich an reale Zellen andocken können und die das Innere der anderen Zelle, ihr ‚genetisches Programm‘, so transformieren können, dass es nach der Transformation ein anderes Verhalten zeigt als vorher. Entsprechend beim Computer-Virus.

Insofern wir Menschen mittels sprachlicher Kommunikation ‚mentale Bilder‘ übermitteln können, die als solche eine Wirkung auf das empfangende Gehirn ausüben können, können solche übermittelten mentalen Bilder wie ‚mentale Viren‘ wirken: sie können dazu führen, dass das empfangende Gehirn seine bisherige mentale ‚Bilderwelt‘ durch Einbau der neuen empfangenen Bildern ‚umbaut‘. Fast kann man sagen, dass jedes ‚mentale Bild‘ ein ‚potentieller mentaler Virus‘ ist, der die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das empfangende Gehirn seine bisherige Bilderwelt ‚verändert‘.

Ein Mensch, der bislang davon ausgegangen ist, dass eine bestimmte Impfung vor einem schweren Krankheitsverlauf mit Virus X schützen kann, kann durch ein mentales Bild seine Meinung dahingehend ändern, dass die Impfung nicht schützt oder gar schadet. Umgekehrt kann jemand, der bislang nicht an die Wirkung einer Impfung geglaubt hat, plötzlich die Voraussage eines möglichen Schutzes akzeptiert. Der lückenlose Aufweis der empirischen ‚Richtigkeit‘ des einen wie des anderen mentalen Bildes ist im Einzelfall nur sehr mühsam über viele verschiedene mentalen Bilder ‚erklärbar‘, die auf komplexe Weise aufeinander verweisen. Aber selbst wenn es überwältigend viele ’statistische Daten‘ zur ’schützenden Wirkung‘ eines Virus gibt, muss dies für den Anhänger des anderen mentalen Bildes nichts bedeuten: man kann immer Gründe finden, diese Daten in Frage zu stellen. In unserer komplexen stark arbeitsteiligen Welt sind wir fast immer darauf angewiesen, der Arbeit und den Ergebnissen zu vertrauen, die von anderen Menschen erbracht wurden. Wir können schlicht nicht alles selbst überprüfen, was uns betrifft. Wenn also jemand sein ‚Fundamentalvertrauen‘ in seine Umwelt auf Null stellt, dann kann es keine empirischen Ereignisse mehr geben, die das eigene mentale Bild in Frage stellen; umgekehrt ist es in allen komplexen Fällen aber auch nicht leicht möglich, sein eigenes mentales Bild als ‚wahr‘ zu erweisen, zu ‚verifizieren‘. [6a], [6b]

Kulturelles Locked-In Syndrom [4]

Wenn einzelne Mitglieder einer Gesellschaft in die Situation kommen, dass ihr Fundamentalvertrauen in ihre Umwelt gegen Null geht, dann ist dies sehr schnell sehr gefährlich, lebensbedrohlich, und mit dem betreffenden Menschen kann alles passieren: Verzweiflung, Depression, Wahnvorstellungen, Hass, Selbstmord oder Attentate auf andere.

Wenn der Prozentsatz von Menschen in einer Gesellschaft zunimmt, bei denen das Fundamentalvertrauen gegen Null geht, dann kann eine ganze Gesellschaft zunehmend gestört werden. Selbst normale Abläufe im Alltag können dann in Stottern geraten und können damit das elementare Miteinander real gefährden.

Eigentlich repräsentieren das menschliche Gehirn und die sprachliche Kommunikation die größte Errungenschaft, die die biologische Evolution in den letzten ca. 3.5 Milliarden Jahren ermöglicht hat; wenn aber das wechselseitige Fundamentalvertrauen fehlt, dann läuft dieser Mechanismus ins Leere; dann schließt sich jeder in seine eigene Welt mentaler Bilder ein, fühlt sich darin großartig, aber alle wichtigen Kooperationen, die zum Erhalt und zum Fortbestand oder gar zur Weiterentwicklung menschlicher Gesellschaften notwendig sind, finden einfach nicht mehr statt: jeder ‚für sich‘ ist der Größte, aber alle zusammen tendieren gegen Null.[7]

Dies ist auch ein Hinweis auf die allem Leben (und letztlich aller Materie) eingebaute ‚Freiheit‘: wir können immer das eine tun, wir haben aber die Freiheit, es auch nicht zu tun, und sei es noch so unsinnig. Und da die Abstimmung zwischen Menschen durch mehr kommunikativ vermittelte Kooperationen mehr Anstrengung verlangt, als einfach alles in Frage zu stellen, ist die Wahrscheinlichkeit eines gemeinsamen konstruktiven Prozesses immer geringer als die Wahrscheinlichkeit, zu gemeinsamem konstruktiven Verhalten zu finden.[8]

(LIBERALE) DEMOKRATIE

Das, was bislang vielleicht so abstrakt klingt, hat unmittelbare quantifizierbare empirische Auswirkungen. Wie das schwedische V-dem Forschungsinstitut berichtet (vgl. [5a] – [5e]), gab es 2010 noch 32 Staaten von 208, auf die ihre Definition von ‚liberaler Demokratie‘ zutraf. 2020 waren es nur noch 16. Dies bedeutet, der Anteil liberaler Demokratien, der im Jahr 2010 noch mit 15,4% beziffert wird, halbierte sich innerhalb von 10 Jahren auf 7.7%. Auch wenn diese Zahlen sehr grob und die beteiligten Prozesse äußerst komplex sind, ist die Tatsache, dass 2020 nur 7.7% der Staaten als liberale Demokratien klassifiziert werden können, letztlich ein empirischer Indikator, wenn auch grob. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von 208 Staaten eine liberale Demokratie ist, liegt im Jahr 2020 bei diesen Zahlen bei 16/208 = 0.0769 (im Gegensatz zu 0.15 im Jahr 2010).[11]

Dieser dramatische Rückgang um 50% innerhalb von nur 10 Jahren lässt aufmerken. Es wäre interessant zu schauen, welche empirische Indikatoren aus den V-dem Erfassungsdaten sich wie geändert haben, dass es zu dieser Verschlechterung gekommen ist. Noch besser, man könnte herausfinden, welches die ‚wichtigsten‘ Faktoren sind, die zu solch einer Verschlechterung beigetragen haben.

Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass in den Staaten, die noch als liberale Demokratien gelten, der Diskurs zu den Notwendigkeiten einer ’nachhaltigen Demokratie‘ nirgendwo ernsthaft etabliert ist. Im Rahmen von Bildung und Forschung ernsthaft über Demokratie zu diskutieren und dazu experimentell zu arbeiten, gilt tendenziell eher als ‚uncool’…

OKSIMO und MENTALE VIREN

Angenommen, die soeben skizzierten Thesen stimmen, dann stellt sich die Frage, ob und wie der Einsatz der oksimo Software mit ihrem spezifischen oksimo Handlungsraum dazu beitragen könnte, (i) bestehende Grenzen zwischen verschiedenen Bilderwelten zu verflüssigen und/ oder (ii) die Entwicklung von solchen gemeinsamen Bilderwelten zu begünstigen, deren Wirklichkeitsbezug ‚größer‘ ist.

Da der wesentliche Grund für die Entstehung und Existenz unterschiedlicher Bilderwelten darin besteht, dass es keinen absoluten Bezugspunkt gibt, der automatisch (und freiwillig) von allen Menschen akzeptiert wird, liegt der entscheidende Gestaltungsfaktor für das Zustandekommen einer Bilderwelt im einzelnen Akteur. Sachverhaltswissen ist das eine; emotionale Konnotationen das andere. Diese 2-Faktoren Struktur kann sich dahingehend auswirken, dass bestimmte emotionale ‚Voreinstellungen/ Interessen/ Traumata/ … den Umgang mit mentalen Bildern in einer Weise beeinflussen, dass zwischen verschiedenen Menschen in der gleichen Situation völlig unterschiedliche Verhaltensweisen zustande kommen können. Will man also die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Gruppe von — idealerweise zufällig zusammengewürfelten — Menschen zur Entwicklung einer gemeinsamen Bilderwelt kommt, dann müssen alle Bilder ‚auf den Tisch‘ kommen können, die die einzelnen Beteiligten für wichtig finden (Ausgangslage). Die Gruppe muss sich auch auf eine Zielformulierung einigen können: welche Zielzustände möchte man anzielen. Auch hier müssen prinzipiell alle Ziele erlaubt sein. Und dann benötigt man einen Prozess, der versucht, die Zielzustände anzunähern durch Angabe konkreter Maßnahmen, durch die dies geschehen. Auch hier sind alle Maßnahmen erlaubt. Über Simulationen, gemeinsames Spielen und weiterer Optionen von oksimo kann man diese Bilderwelt weiter ‚von verschiedenen Seiten anschauen‘.

Dieses Verfahren beruht auf einer radikalen Akzeptanz aller Sichten, die es möglich macht, die Vielheit und Unterschiede überhaupt erst mal sichtbar zu machen, die zwischen Menschen besteht. Ferner wird das Maximum an Wissen sichtbar, über das die beteiligten Akteure verfügen. Diese Unterschiede gründen in den unterschiedlichen individuellen Lerngeschichten, innerhalb deren unterschiedliche Emotionen eine selektive Rolle gespielt haben und dann auch in der aktuellen Situation spielen. Durch die Sichtbarmachung des verfügbaren Wissens werden indirekt auch alle aktiven Emotionen in Gestalt von Präferenzen sichtbar. Durch die unmittelbare soziale Nähe der Beteiligten besteht eine gewisse Chance, sich über die Unterschiede und Präferenzen auszutauschen. [9]

Diese methodische Situation eines oksimo Prozesses wirkt auf den ersten Blick vielleicht ’schwach‘, aber die Wellen an Aufregungen, Missverständnissen oder gar dann Hass, die durch ein de-personalisiertes Netz jeden Tag rollen, zeigt, dass die Entkopplung von Bilderwelten und sozialer Beziehung insgesamt ungut ist. Soziale Nahbereiche bleiben die Wurzeln unseres sozialen Zusammenlebens.

Die oksimo Handlungsräume sind sicher kein Allheilmittel, aber sie eröffnen durch ihre radikale Transparenz, durch ihre Differenziertheit bzgl. Prozesse und Wechselwirkungen und durch ihre potentiell größere soziale Nähe ein klein wenig mehr die Möglichkeit, Keimzellen für liberal demokratische Verhaltensweisen zu werden.[10]

ANMERKUNGEN

[1] Wort ‚Meme‘ in Wikidpeia DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Meme_(Kulturph%C3%A4nomen)

[2a] Richard Dawkins in Wikipedia EN: https://en.wikipedia.org/wiki/Richard_Dawkins. Führte in seinem Buch (1976) ‚The Selfish Gene‘ u.a. den Begriff ‚Meme‘ ein.

[2b] Dawkins, Richard (1976). The Selfish Gene (2nd ed.). United Kingdom: Oxford University Press. ISBN978-0-19-286092-7. /* Eine einführende Diskussion des Buches findet sich hier: Wkipedia EN: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Selfish_Gene

[3] Von einer ‚oksimo Theorie‘ im strengen wissenschaftsphilosophischen Sinne zu sprechen, ist aktuell vielleicht noch nicht ganz korrekt, da die vielen Beiträge in den einschlägigen Blogs uffmm.org sowie oksimo.org zwar einen harten Kern von Konzepten erkennen lassen, aber diese sind noch nicht in eine völlig ausgearbeitete Theorie integriert. Die Prozesse laufen aber und das Ergebnis ist im Prinzip schon absehbar.

[4] Der Begriff ‚locked-in syndrom‘ ist primär ein medizinischer Begriff (siehe: Wikidepia EN: https://en.wikipedia.org/wiki/Locked-in_syndrome), der die Abgeschlossenheit des Gehirns von wichtigen Kommunikationskanälen meint. Im Text wird locked-in leicht anders interpretiert, hier als die ‚Abgeschlossenheit des Mentalen eines Individuums‘ von den gesellschaftlich akzeptierten Verfahren einer Wahrheitsfeststellung.

[5a] V-dem Webseite: https://www.v-dem.net/en/

[5b] Berichtsseite: https://www.v-dem.net/en/publications/democracy-reports/

[5c] Interaktive grafische Seiten: https://www.v-dem.net/en/online-graphing/

[5d] Beispiel ‚Egalitarina Democracy‘: https://www.v-dem.net/en/news/egalitarian-democracy/

[5e] Video von einer Konferenz zum Thema ‚Egalitarian Democracy‘: https://www.youtube.com/watch?v=ARBBiMgJT7A

[6a] Ein anschauliches Beispiel zu diesem ‚Balanceakt‘ zwischen ‚Aussage als wahr akzeptieren‘ und ‚Aussage als falsch qualifizieren‘ mit Blick auf die ‚Umstände einer Äußerung‘ ist der Artikel „Mitglieder der „Pathologie-Konferenz“ verbreiten unbelegte Behauptungen über Covid-19-Impfungen und Todesfälle“ vom Recherchenetzwerk correctiv.org (siehe: https://correctiv.org/faktencheck/2021/09/25/mitglieder-der-pathologiekonferenz-verbreiten-unbelegte-behauptungen-ueber-covid-19-impfungen-und-todesfaelle/ ) ein gutes Beispiel. Über ein Video verbreiten zwei Personen ein bestimmtes Bild zur Verunreinigung und zur schädlichen Wirkung von Corona-Impfungen am Beispiel der Obduktion von Organen von 10 toten Menschen. Soll man dies glauben? Im Artikel des Recherchenetzwerks correctiv wird die Glaubwürdigkeit dieses Videos auf vielfache Weise in Frage gestellt. Soll man jetzt der Argumentation des Artikels glauben? Es wäre interessant, einen empirischen Test zu machen und n Personen zu fragen, die das Video überzeugend finden, ob sie nach Lesen des Artikels von correctiv ihre Meinung ändern würden. Eine Arbeitshypothese wäre die, dass von 100 Personen, die sich vom Video überzeugen lassen, vielleicht 7-10 ihre Meinung nach Lesen des Artikels ändern würden. Dies wäre ein empirisches Indiz dafür, wie stark die Kohäsionskraft (das Beharrungsvermögen) einer bestehende eigenen Meinung ist.

[6b] Ein weiteres Beispiel ist die Existenz und die Resonanz des ‚Corona-Ausschusses‘ (siehe Bericht im Berliner Tagesspiegel vom 2.Oktober 2021: https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/luegen-und-hetze-im-berliner-corona-ausschuss-im-impfstoff-ist-so-etwas-wie-lebendige-kraken/27670234.html ). Für die einen — wie z.B. auch für den Autor dieses Textes — sind die Inhalte des Corona-Ausschusses weitgehend absurd; für andere ist es die angemessene Sicht ihrer Welt. Während man nun versuchen kann, die einzelnen ‚Fakten‘ im einzelnen mit überprüfbaren Realitäten zu begründen oder zu belegen, ist der philosophisch interessante Aspekt genau der, warum es überhaupt zu solch entgegen gesetzten Positionen im Denken von Menschen kommen kann? Die Wurzel dieser Verschiedenheit liegt dort, wo das, was die eine Gruppe als ‚Fakten‘ anerkennt, von der anderen Gruppe bestritten wird, und umgekehrt. Es geht also gar nicht in erster Linie um ‚Fakten‘, sondern es geht um ‚Meinungen‘, die in den Gehirnen der Beteiligten ‚aktiv‘ sind, von denen sie nicht abrücken wollen, egal, welche Fakten aufweisbar sind. … genau das Thema dieses Posts.

[7] Die Reduzierung des Fundamentalvertrauens in ‚die Gesellschaft‘ schließt nicht aus, dass jemand konkrete Personen in seinem Umfeld kennt, denen er/sie trotzdem vertraut, sofern sie ähnliche Einschätzungen haben wie man selbst. Sofern es viele einzelne oder kleine Gruppen gibt, die ‚gemeinsame Bilder teilen‘, kann das Nullvertrauen in die ganze Gesellschaft sich über dieses ‚partielle Vertrauen‘ in eine Gruppierung ‚der Bilderwelt X‘ (z.B. ‚gegen Corona Impfung‘, ‚gegen Masken‘, …) dennoch numerisch verstärken.

[8] Unter Berücksichtigung von [7] kann diese alternative Bilderwelt zu einer ‚gesellschaftlichen Mehrheit‘ anwachsen. Diese ’numerische Mehrheit‘ zeigt sich aber im Umgang mit den Bildern von der Welt — folgt als Arbeitshypothese aus der Theorie — wesentlich rigider und dogmatischer als die ursprüngliche Gesellschaft einer angenommenen liberalen Demokratie.

[9] Offene Frage: in welchem Umfang und wie kann man eine ‚minimale Vertrauensatmosphäre‘ ermöglichen, dass Unterschiede überhaupt erst mal ‚ertragen‘ werden?

[10] Ein interessanter Aspekt des ganzen Themas ist auch, dass eine Vielfalt, die wechselseitig um eine ‚Deutungshoheit‘ ringt, tatsächlich nur in demokratischen Gesellschaften existieren kann, die hinreichend liberal sind. In allen anderen Staaten (man probiere dies mal in Ländern wie Russland, China, Türkei, Iran, Afghanistan, …) mit unterschiedlich starken autoritären und nicht-liberalen Strukturen werden abweichende Meinung sofort massiv sanktioniert. Aber selbst demokratische Gesellschaften können in ‚Stresssituationen‘ kommen, wenn bestimmte Meinungen ein Gefährdungspotential für andere sehen, die Träger der anderen Meinungen dieses Gefährdungspotential aber abstreiten. Ein kaum sauber auflösbarer Konflikt. Es geht hier primär nicht mehr um ‚Wissen‘, sondern um ‚Glauben‘. Viele Jahrtausende haben gezeigt, wie aus ‚Glauben‘ tödliche und blutige Kriege folgen konnten, denn ‚Glauben‘ definiert einen ‚Wahrheitsanspruch‘, der sich nicht für alle transparent klären lässt. Seit ca. 500 Jahren wurde entdeckt, wie man ‚überprüfbares Wissen‘ ‚gewinnen‘ kann; man nennt dies ‚Wissenschaft‘. Aber, was nützt es, unter großem gesellschaftlichen Aufwand, Wissenschaft zu betreiben, wenn eine wachsende Gruppe von Bürgern weder versteht, wie Wissenschaft funktioniert, noch bereit ist, Wissenschaftlern zu glauben? Dann bleibt nur noch ‚Glauben‘, der mit ‚beliebigen Fakten‘ agiert. …. aber selbst dafür gibt es in den heutigen Demokratien die ‚Religionsfreiheit‘: man darf Beliebiges glauben (auch wissenschaftlichen ‚Unsinn‘); die Demokratie schützt dies. Ist dies schlecht? Im Lichte der Evolution des Lebens auf dem Planet Erde muss man konstatieren: in einer Gegenwart vor dem homo sapiens war es niemals möglich, zweifelsfrei zu erkennen, welche der aktuellen Lebensformen mit Blick auf eine nachhaltige Zukunft tatsächlich überleben würden. Frage: haben wir heute als Homo-Sapiens Lebensform bessere Möglichkeiten, das ‚Wichtige‘ vom ‚Unwichtigen‘ zu unterscheiden?

[11] In einem email-Gedankenaustausch mit Mirko de Paoli ging es um die Frage, wie man diesen ‚Mehraufwand‘ für Demokratien verstehen soll. Der Gedanke, der dem Text im Blog zugrunde liegt, ist der, dass (i) das bloße Wiederholen einer bestehenden Meinung ‚einfacher‘ ist als (ii) die gemeinsame Erarbeitung einer Meinung von ihren ‚Bestandteilen‘ her. Variante (ii) erfordert viel kommunikativen Aufwand, Zeit, emotionale Energie, und möglicherweise mehr. ‚Intuitiv‘ erscheint diese Überlegung richtig. Wie aber kann man sie empirische überprüfen, d.h. mit einem empirischen Messvorgang verknüpfen? Nimmt man die Ergebnisse des V-dem Instituts (siehe [5a]) ernst, dann wirken diese Ergebnisse in Zahlen sehr abstrakt, aber es sind Zahlen: 2010 noch 32 Länder als ‚liberale Demokratien‘; 2020 nur noch 16. Ein Rückgang von 32 auf 16 in nur 10 Jahren. Den Anteil von ca. 7.7% liberale Demokratien kann man versuchsweise auch für eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung benutzen, dass von 208 Staaten im Jahr 2020 liberal demokratische Staaten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 0.07 vorkommen und nicht-liberale Demokratien mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 0.92. Das Verhältnis beider Wahrscheinlichkeiten zueinander ist 12:1. Dies kann man so interpretieren (Arbeitshypothese), dass 12x mehr Aufwand notwendig ist, eine liberale Demokratie zu realisieren als eine nicht-liberale Demokratie. Dies führt dann sofort zu der Frage, ob man empirisch verifizierbare Faktoren identifizieren kann, deren Vorhandensein und deren Beschaffenheit für eine liberale Demokratie wichtig sind. Hinweise dazu finden sich in der langen Liste an Eigenschaften, die die ca. 3500 Experten des V-dem Instituts in den Ländern des Planeten Erde seit Jahren ‚beobachten‘. Interessant wäre es dann, zu klären, in welchem Sinne diese Faktoren für eine funktionierende liberale Demokratie wichtig sind; vermutlich sind sie ‚unterschiedlich wichtig‘, d.h. sie sollten in der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche ‚Gewichtung‘ bekommen. Ein solcher Faktor ist das Bildungssystem: wie wichtig ist es? Auf welche Eigenschaften eines Bildungssystems kommt es an? Die aktuell nahezu ’sinnentleerte‘ Diskussion zur notwendigen Digitalisierung der Schulen in Deutschland zeigt, dass wir mit einer Klärung der Rolle von Bildung noch nicht allzu weit voran gekommen sind.

MEDIA

Nachgereicht: 14.Okt.2021: Ein einfacher Soundtrack, dessen Text versucht, die Grundidee des Artikels — siehe auch Anmerkung [11] — in einfache Worte zu fassen. (Aufnahmemethode: RUM := Radically Unplugged Music)

Letztlich geht es um die Frage, ob und wie oksimo das Funktionieren einer Demokratie unterstützen kann.

Ein älterer Versuch, mehr abstrakt:

One World – Many Pictures – Turn them into a Symphony

DAS OKSIMO PARADIGMA und Demokratie

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
8.Aug 2021 – 6.Januar 2022
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des BEGRIFFLICHEN RAHMENS ZUM OKSIMO PARADIGMA innerhalb des oksimo.org Blogs.

IDEE

Wie im Abschnitt DER OKSIMO WISSENSRAUM ALS DYNAMISCHER GRAPH auf der Startseite oksimo.org beschrieben wird, soll das zum oksimo Paradigma gehörige Wissen in Form eines dynamischen Wissensgraphen aufgebaut werden: Man startet mit möglichst wenig Einstiegspunkten (‚Wurzelknoten‘), und führt von diesen schrittweise in die zugehörigen nachgeordneten begrifflichen Räume. Natürlich kann es zu Querverweisen oder auch Rückverweisen kommen. Die minimale Logik eines solchen Wissensgraphen besteht darin, dass es keinen Wissensknoten ‚einfach so‘ geben darf: jeder Wissensknoten bedarf eines Vorgängers (ausgenommen die Wurzelknoten), und jeder Wissensknoten im Graphen erbt das ‚Wissen seiner Vorgänge‘, seinen ‚Kontext‘.

Im Fall des Themenknotens Demokratie ist der zugehörige Wissensraum aus heutiger Sicht (= 2021) ziemlich groß. In der zeitlichen Dimension kann man mindestens bis ins klassische Griechenland zurück schauen, also ca. 2500, oder weiter. Ein Blick auf konkrete Beispiele von Systemen, die mehr oder weniger dem ‚Ideal‘ einer Demokratie nahe kommen, wird viele Beispiele finden. In der begrifflichen Dimension, die sich über die verschiedenen konkreten Systeme aufspannen lässt, findet sich eine große Palette von Sichtweisen, die sich aus verschiedenen kulturellen Kontexten wie auch unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen herleiten: Staatsrechtler, Soziologen, Kulturanthropologen, Politikwissenschaftler, Historiker, …. wer Halt in den Verfassungstexten sucht, der wird im Prozess der Interpretation angesichts dieser großen Vielfalt an Meinungen schnell zum Stillstand kommen: Was ist es denn nun, was eine ‚Demokratie‘ auszeichnet?

Hier, im oksimo.org Blog geht es zudem nicht um die alles umfassende Theorie, sondern um die Frage, ob und wie das oksimo Paradigma einen Beitrag dazu leisten kann, dass das, was ‚Demokratie‘ genannt wird, konstruktiv unterstützt wird. Also, wir wollen uns nicht unbedingt mit dem ‚ganz Großen und Ganzen‘ beschäftigen, andererseits brauchen wir eine begriffliche Fassung, die von den meisten als das akzeptiert wird, was ‚wir‘ (= wer genau? Die Welt? Europa? Deutschland? Wer in Deutschland? …) unter ‚Demokratie‘ verstehen wollen.

Um die Diskussion im Beginnen ‚anfassbar‘ zu machen, soll der Phänomenbereich auf Deutschland und die aktuelle Deutsche Verfassung eingegrenzt werden. Möglicherweise ist diese nicht ideal, aber das ist die, die wir zur Zeit haben, und ob sie ideal oder nicht ideal ist, kann man nur sagen, wenn man sowohl die aktuelle Verfassung kennt als auch mögliche Alternativen, die man dann vergleichend abwägen kann.

Im Folgenden sollen in loser Folge Themen, Problemstellungen, Sichten genannt werden, die alle irgendwie mit dem Konzept und der Idee von Deutschland als Demokratie zu tun haben, anhand deren man versuchen kann, schrittweise eine gemeinsame Meinung zu entwickeln.

OFFENE THEMENLISTE [1]

  • ‚Gehacktes Parlament‘: Ein Parlament gilt als gehackt [2], wenn die gewählten Abgeordneten ihre Autonomie dazu benutzen, die Interessen vorwiegend — oder ausschließlich — in den Dienst von ganz von speziellen Interessengruppen zu stellen, gegen die Interessen der Allgemeinheit und gegen den Geist einer nachhaltigen Politik.
  • ‚Gehackte Finanzwirtschaft‘: die Finanzwirtschaft ist ursprünglich ein Teil der sogenannten ‚Realwirtschaft‘. Wenn sich eine Finanzwirtschaft regulativ immer mehr von der Realwirtschaft und einer demokratischen Kontrolle abgekoppelt hat, dann kann sie ganze Volkswirtschaften — oder gar die Weltwirtschaft — so massiv beeinflussen, dass die Realwirtschaft und die Politik eines Landes zum bloßen Spielball dieser Interessen werden.
  • ‚Gehackte Infrastrukturen‘: Es gibt wichtige Strukturen, die dem Erhalt und dem Wohlergehen einer ganzen Gesellschaft dienen (Wasser, Energie, Wohnen, Landwirtschaft, Gesundheit, Verkehr, …). Wenn die Erhaltung und der Betrieb dieser Infrastrukturen von staatlichen Behörden an private Betreiber ohne wirkliche Qualitätskontrolle abgegeben werden, dann degenerieren diese Leistungen dauerhaft und können eine Gesellschaft von innen zerstören.
  • ‚Erstarrtes Bildungssystem‘: in einer sich dynamisch verändernden Welt mit einer immer stärker ausdifferenzierten Wirtschaft und immer stärkeren Einwirkungen des Menschen auf das System Erde und sein Biom kommt dem Wissen in den Köpfen der Menschen eine strategische Schlüsselrolle zu: wenn eine Bevölkerung sich selbst, ihr eigenes System und ihre Umwelt nicht mehr hinreichend versteht, dann zerstört sich das System von selbst. Wenn die Kulturtechniken, die dazu beitragen sollen, dass ein hinreichend angemessenes Wissen in allen Köpfen verfügbar ist, für diese Aufgabe nicht mehr geeignet erscheinen, dann ist das Bildungssystem erstarrt und damit eine große Gefahr für eine nachhaltige Zukunft.
  • ‚Erstarrte Verwaltungen‘: Verwaltungen sind dazu da, dass das politische System seine politischen Zielvorgaben in einer komplexen Gesellschaft so umsetzen kann, dass die Ziele optimal zur Wirkung kommen. Wenn Verwaltungen aufgrund ihrer ‚Beschaffenheit‘ dazu wenig oder gar immer weniger in der Lage sind, dann bedrohen sie direkt den Fortbestand der Gesellschaft.
  • ‚Entfremdete Macht‘: Für alle gesellschaftliche Prozesse in einer ‚Demokratie ist es wichtig, dass die gemeinsam vereinbarten Ziele angemessen verwirklicht werden (dazu gehören auch Auffassungen von Menschenrechten, die hinreichend gewahrt sein sollen). Dazu bedarf es einer demokratisch legitimierte Macht. Wenn eine Macht nicht demokratisch legitimiert ist — entweder weil das demokratische System in sich gestört ist oder weil sie direkt von speziellen Interessengruppen gespeist wird — es meintendann können allgemeine und nachhaltige Ziele sehr schnell überlagert werden von speziellen Zielen, die nur einigen Menschen dienen und/ oder die nicht besonders nachhaltig sind.
  • ‚Zersplitterte Öffentlichkeit‘: Eine Demokratie benötigt für eine qualitativ gute Meinungsbildung eine funktionierende Öffentlichkeit, in der hinreichend viele tragfähige Meinungen und Erkenntnisse für prinzipiell alle in verständlicher Form verfügbar sind. Falls nicht, kann sich in einer Demokratie kein wirklich qualitativ guter Konsens ausbilden.
  • ‚Herausfiltern von Qualität‘: In allen Bereichen der Gesellschaft, ganz speziell in der Politik, braucht es auf allen Ebenen Gremien, die Ziele zusammenführen und in nachhaltige Prozesse umformen. Damit solche Prozesse eine hinreichende Qualität besitzen, bedarf es hinreichend vieler Kompetenzen in solchen Gremien. Wenn solche Gremien tendenziell Kompetenzen ausklammern, Diversität klein halten, dann kann sich dies unmittelbar auch auf die Qualität auswirken; sie wird dann immer schlechter.
  • ‚Der ausgesperrte Bürger‘: In der deutschen Demokratie hat die Verfassung das Instrument der politischen Parteien eingeführt, damit die Vielfalt der Erfahrungen und Meinungen der Bürger sich über politischen Parteien eine Stimme verschaffen kann, die dann in Gestalt von gewählten Abgeordneten in die Parlamente getragen werden. Wenn nun eine politische Partei sich aber nur als ‚Wahlverein‘ für Abgeordnete versteht, die dann als Gewählte ‚abgekoppelt von den Bürgern‘ ihre privaten Interessen verwirklichen, dann ist der Bürger real von dem politischen Geschehen ausgeschlossen. Es gibt keine weitere von der Verfassung unterstütze Möglichkeit, sich als Bürger substantiell Gehör zu verschaffen. Wenn man bedenkt, dass z.B. die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ca. 0,0008% der Erfahrungen vertreten, die in der Gesamtheit der Bürger verfügbar ist, dann ist die weitgehende Ausklammerung der Bürger rein Wissenstechnisch sehr fraglich; der ‚Geist einer Demokratie‘ verlangt möglicherweise radikal andere Konzepte.

DISKURS -Fallweise

Es folgen hier in loser Folge Besprechungen von Artikeln, die das Thema im Sinne von oksimo beleuchten können. Das Format dieser Besprechungen kann eher ‚einfach‘ sein oder ’sehr anspruchsvoll’…

  1. Anmerkungen zu Wolfgang Schäuble „Das Prinzip der Repräsentation“ (Letzte Änderung 3.Juli 2021)
  2. Wie belastbar ist die Demokratie – Vorländer, FAZ, 9.Aug.2021, S.6 (Letzte Änderung: 12.Aug 2021; mit Herausarbeitung der speziellen oksimo Perspektive)
  3. OKSIMO PARADIGMA und DEMOKRATIE – Das V-dem Forschungsinstitut für Demokratie (Letzte Änderung: 28.August 2021)
  4. SUSTAINABLE DEMOCRACIES (Letzte Änderung: 23.Sept. 2021) /* In dem korrespondierenden Blog uffmm.org gibt es einen Beitrag vom 28.August 2021, der einen Zusammenhang skizziert zwischen der Idee von ’nachhaltigen Demokratien‘ (’sustainable democracies‘) und dem oksimo Paradigma. */
  5. BEDROHUNG VON DEMOKRATIEN DURCH MENTALEN VIRUS (Letzte Änderung: 14.Okt.2021)

ANMERKUNGEN

[1] Diese Liste enthält — noch nicht — Tatsachenbehauptungen, wie einzelne Leser zu verstehen meinten, sondern enthält Kurzbeschreibung von Phänomenen, die im Kontext von einer Demokratie wie Deutschland auftreten können. Falls sie auftreten, ist dies für die Demokratie mehr oder weniger schädlich. Allerdings kann der Autor dieses Textes sagen, dass er zu all diesen Phänomenen jeweils mindestens eine, meistens sogar mehrere, Dokumentationen gelesen hat, wodurch er überhaupt erst auf die Idee kam, diese Phänomene anzusprechen. Es wird Teil der weiteren Arbeit sein, diese Dokumentationen nach und nach einzuarbeiten. Zur Erinnerung: es geht hier nicht um Schwarzmalerei als solche oder ungute Stimmungsmache oder dergleichen sondern darum, dass sich Bürger aufgrund klarer Erkenntnisse von Fehlfunktionen in die Lage versetzen können, durch ihr Handeln den Fortbestand der Demokratie zu sichern bzw. die gemeinsame Demokratie dadurch vielleicht sogar zu verbessern. Ohne ausreichend gebildete und engagierte Bürger kann es keine Demokratie geben.

[2] Die Eigenschaft ‚gehackt‚ kommt ursprünglich aus dem Bereich der Computer-Software. Computer-Software besteht aus Unmengen von Befehlen, die mit Daten operieren können. Im Normalfall soll ein Computerprogramm ganz bestimmte Aufgaben erfüllen. Ein ‚Missbrauch‘ von Computerprogrammen kann in mehrfacher Form vorliegen:

  1. Der Einsatz eines Programms wird von anderen Personen mit beeinflusst, die dazu nicht vorgesehene sind; sie nutzen das Programm dann für ihre eigenen Zwecke. Solche Personen kann man allgemein als ‚Hacker‘ bezeichnen. Sie durchbrechen einen intendierten Verwendungszusammenhang.
  2. Hacker können such aber auch Zugang zum Programmcode selbst verschaffen und dort die Anordnung der Befehle und Daten abändern. Das kann dann bewirken, dass das Programm dann ‚äußerlich‘ noch so arbeitet, wie gedacht, aber im einzelnen Dinge bewirkt, die so nicht vorgesehene waren.

Wenn man Gesellschaft im allgemeinen und Kultur speziell als ein System von Regeln versteht, dann liegt es nahe, den Begriff des ‚Hackens‘ auch auf diese Regelsysteme zu übertragen. Einer, der dies ausgiebig gemacht hat, ist Bruce Schneier. Auf einer RSA Konferenz im Jahr 2020 hat er einen interessanten Vortrag gehalten zum Thema ‚Hacking Society‚. Anhand konkreter Beispiele zeigt er, wie man soziale (auch kulturelle) Systeme ‚hacken‘ kann. Ein prominentes Beispiel in seinem Vortrag ist das Finanzsystem, das von unterschiedlichen Gruppierungen ‚gehackt‘ wurde und damit seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet wird. In diesem erweiterten Sinne wird der Begriff ‚gehackt‘ in der hier vorliegenden Verfassung benutzt.

[3] Bruce Schneier: https://www.schneier.com

[4] Bruce Schneier, 2020, RSA Konferenz, Hacking Society: https://www.youtube.com/watch?v=NVGtfVj_9Y0