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DEMOKRATIE-LABOR VORBEREITUNGSTREFFEN am So 2.Febr 2025, 15-17h : Zukunft – KI – Wir Bürger – BERICHT VOM TREFFEN

(Start: 3.Febr 2025 — letzte Änderung: 5.Febr 2025)

Das Thema BERICHT vom VORBEREITUNGSTREFFEN für das DEMOKRATIE-LABOR am So 2.2.2025 gehört zum Thema DEMOKRATIE-LABOR VORBEREITUNGSTREFFEN.

ZUSAMMENFASSUNG

Nach einer kurzen Information zur Initiative ‚Bürger im Gespräch‘ (BiG) (S.1-5 in der Präsentation) wurde der Frage nachgegangen, wie denn Bürger, die nicht Mitglieder der Gemeindevertretung sind, sich dennoch konstruktiv an Überlegungen — ja sogar an einer richtigen ‚Planung‘ — einer möglichen und erstrebenswerten Zukunft von Schöneck beteiligen könnten. Diese Absicht der Initiative ‚Demokratie-Labor für Schöneck‘ wird auf den Seiten 6-10 der Präsentation formuliert.

Es wird dann darüber informiert (S.11-13), wie die politischen Entscheidungsstrukturen in Schöneck als Teil der Demokratie in Deutschland beschaffen sind, und wie man die vorhandene Struktur der ‚offiziellen‘ Gemeindevertretung mit einer ‚experimentellen‘ Gemeindevertretung ergänzen könnte, die von den Bürgern selbst organisiert wird.

Damit stellt sich natürlich die Grundsatzfrage, wie denn überhaupt das, was wir ‚Zukunft‘ nennen — eine schwer fassbare Größe –, ‚geplant‘ werden kann. Anhand der Konzepte ‚empirische Theorie‘ (ET) und ’nachhaltige empirische Theorie‘ (NET) wird dann — auch unter Einbeziehung des Beispiels eines bekannten Brettspiels — erläutert, wie wir Menschen bislang gelernt haben, Zukunft zu planen. (S.14-17)

Zur Verdeutlichung, wie denn die Anwendung solch starker Konzepte auf die Realität der Gemeinde funktionieren kann, wird auf den ‚Haushaltsentwurf der Gemeinde für 2025′ zurück gegriffen, und dort speziell auf die bislang formulierten ’31 Ziele‘ der Gemeinde. (S.18-20)

Bevor wir selbst anfangen, diese Ziele als möglichen Gegenstand für eine Zukunftsplanung zu untersuchen, haben wir eine ‚generative KI‘ aktiviert (in diesem Fall chatGPT4o; andere könnten auch genommen werden) und sie gefragt, ob sie die 31 Ziele aus dem Haushaltsentwurf auch als ‚Ziele‘ versteht oder ob für sie diese Ziele ‚etwas anderes‘ ist. Die KI formuliert erste Anforderung, welche Eigenschaften eine ‚Zielformulierung‘ aufweisen sollte.(S.21 – 26)

In einem Einschub wird dann darauf hingewiesen, dass die aktuelle Analyse des Haushalts ein Defizit ausweist, das sich — würde seine Ursache nicht behoben — ab 2027 dann möglicherweise in ein dauerhaftes Defizit verwandeln könnte. Dies zu verhindern, könnte/ müsste ein starkes Motiv für eine sorgfältige Planung sein. (S.28-30)

Wir haben dann wieder die KI aktiviert — bevor wir unsere eigene Analyse starten — und sie gefragt, wie sie denn mit Blick auf die vorliegenden ‚Zielformulierungen‘ die ‚Eckwerte‘ für eine ‚mögliche Planung‘ formulieren würde. Die KI formuliert dann ein 5-Punkte Anforderungskatalog für eine solche Planung und wendet dieses Programm dann auf alle erkannten Ziele an. In er Sitzung haben wir nur das Beispiel mit dem ersten Ziel gezeigt. (Ein ausführliches Protokoll zum Dialog mit der KI kann man HIER nachlesen). (S.31-36)

Da wir zu Beginn schon jene Konzepte (ET, NET, Brettspiel) eingeführt hatten, mit denen man heute Zukunft planen würde, haben wir die KI gefragt, wie sie das Verhältnis zwischen ihrem 5-Punkte-Programm und speziell dem Konzept einer ’nachhaltigen Theorie (NET)‘ sieht. In einer überraschend sehr ausführlichen Erklärung (wieder zum Nachlesen HIER ) hat die KI ihr 5-Punkte-Programm als ‚Teil‘ einer nachhaltigen empirischen Theorie gesehen. Dies kumuliert u.a. in der Formulierung: „Die Simulation wird also zum Werkzeug einer dynamischen Theorieentwicklung – nicht nur zur Vorhersage, sondern zur kontinuierlichen Anpassung einer nachhaltigen empirischen Theorie an neue Erkenntnisse. (S.38 – 44)

In einer ersten Zusammenfassung ziehen wir aus diesen Dialogen den Schluss, dass die Ergebnisse der KI unserem Analyse-Ansatz nicht nur nicht widersprechen, sondern sogar ein genuiner Teil unseres Analyseansatzes bilden. Unser Ansatz mit einer nachhaltigen empirischen Theorie (NET) bildet sogar den ‚Rahmen‘ für einen sinnvollen Einsatz des 5-Punkte-Programms der KI. (S.45-48)

Abschließend wurde überlegt, wie die Themengruppe DEMOKRATIE-LABOR nach diesen Vorklärungen konkret weiter vorgehen kann.(S.49-50)

Die intensive Diskussion von 45 Min im Anschluss zeigte, dass es viele spannende Fragen gibt, die geklärt werden wollen.

ZUSAMMENFASSUNG ALS AUDIO-DATEI

KÖNNEN WIR DIE ZUKUNFT VON SCHÖNECK SIMULIEREN? MIT KI? WELCHE ROLLE SPIELEN WIR? So 2.Febr.2025, 15-17h, Bürgertreff, Raum Anould – Bericht

Der Bericht besteht aus der Präsentation für die Veranstaltung.

Nach der Präsentation gab es noch eine lebhafte Diskussion, die sich lange ausdehnte.

AUSBLICK

Allen Beteiligten war klar, dass die Umsetzung der Idee des DEMOKRATIE-LABORS kein ‚Schnellschuß‘ sein kann sondern eher über eine ‚längere Strecke‘ laufen wird. Ganz grob sollte versucht werden für die Monate März bis Juni jeweils einen Workshop zu planen. Möglicherweise könnte der letzte Workshop im Juni dann ein Experiment mit einem ersten ‚Planspiel‘ samt ‚Simulation‘ bieten. Dann könnte sich jeder mit selbst davon überzeugen, ob die Idee wirklich funktioniert.

Sobald das Ergebnis der Raumreservierung vorliegt, können wir Termine bekannt geben. Wir planen die Formate ‚Sonntag Nachmittag‘ oder ‚Donnerstag Abend‘, je nachdem, was frei ist. Der Schlusstermin mit dem möglichen Planspiel liegt allerdings schon fest: So 1.Juni 14-18h.

DEMOKRATIE-LABOR VORBEREITUNGSTREFFEN am So 2.Febr 2025, 15-17h : Zukunft – KI – Wir Bürger

(Start: 28.Jan 2025 — letzte Änderung: 5.Febr 2025)

Das Thema VORBEREITUNGSTREFFEN für das DEMOKRATIE-LABOR am So 2.2.2025 gehört zum Thema DEMOKRATIE-LABOR.

KÖNNEN WIR DIE ZUKUNFT VON SCHÖNECK SIMULIEREN? MIT KI? WELCHE ROLLE SPIELEN WIR? So 2.Febr.2025, 15-17h, Bürgertreff, Raum Anould

Überlegungen vorweg

Zur Zeit tobt zwar der Bundeswahlkampf, aber die großen Themen unserer Zeit nehmen darauf keine Rücksicht – und die Raumplanung auch nicht. Unser langfristig angelegtes Projekt eines DEMOKRATIE-LABORS für Schöneck soll zwar erst Ende März/ Anfang April starten, aber irgendwie möchten wir dies ein wenig vorbereiten. Jetzt wird dies halt stattfinden am

Sonntag, 2.Febr 2025, Bürgertreff, Raum Anould (Durch den Haupteingang, dann links)

Wir gehen von folgendem Szenario aus:

Szenario

  1. SCHÖNECK : Wir leben im schönen Schöneck und möchten halt gerne für alle Bürger eine ‚möglichst gute Zukunft‘ sichern.
  2. KI : Jetzt redet die ganze Welt täglich von KI: Sollten wir diese für uns nutzen? Macht die KI uns nicht demnächst ganz überflüssig? KI für immer und ewig, ohne Menschen?
  3. REALITÄT : Schöneck ist kein Fantasieort: wir sind reale Menschen in einer realen Welt und nur durch Denken alleine passiert bei uns nichts. Worin besteht genau ‚unsere Realität hier in Schöneck‘? Woran müssen wir denken, wenn wir morgen auch noch eine gute Zukunft für Alle haben wollen? Und vor allem: was müssten wir real tun, damit etwas passiert?

Untersuchungsprozess

Da wir noch alle Denken und miteinander reden können, wollen wir einen Untersuchungsprozess starten: Was genau ist unsere Realität hier in Schöneck? Was heißt hier für uns ‚Zukunft‘? Warum und wie sollte uns KI bei der Klärung unserer Zukunft helfen können?

Moderator für den Untersuchungsprozess

Als Moderator für den Untersuchungsprozess steht uns Gerd Doeben-Henisch zur Verfügung. Er ist Professor für Informatik der Frankfurt University of Applied Sciences (im berühmten ‚Unruhestand‘) und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema KI (Künstliche Intelligenz)(genau seit Ende der 1970iger Jahre). Er ist zugleich promovierter Wissenschaftsphilosoph und hat auch viele Kenntnisse im Bereich der Kognitions- und Lebenswissenschaften. Von früher her hat er auch noch ein Diplom in Kath.Theologie. Warum dies alles wichtig ist? Um zu verstehen, was KI ist, was sie wirklich kann, und vor allem, was sie im Vergleich zum Menschen ist, braucht man ein sehr breites Wissen. Informatik alleine reicht dazu nicht!

Echte Experimente

Im Rahmen des Demokratie-Labors soll nicht nur geredet werden, sondern wir wollen auch echte Experimente machen: Wir nehmen reale Beispiel von uns hier in Schöneck, schauen uns die gemeinsam an, ob und wie wir als Bürger hier sinnvoll planen können und sollten, und prüfen dann mit realer KI nach, ob und wie sie uns bei unserer Aufgabe helfen kann. Was man vorweg schon jetzt sagen kann ist: Natürlich wird es Teilaufgaben geben, wo eine KI uns helfen kann; aber es wird auch sichtbar werden, wo uns keine KI ernsthaft wird helfen können! Wir werden dadurch einiges Neues darüber lernen, wer wir Menschen wirklich sind, und dass z.B. ‚kollektive menschliche Intelligenz‘ etwas ist, was jenseits jeglicher KI liegt (Hinweis: Bis heute gibt es leider weltweit keine wirkliche Forschung zu ‚kollektiver menschlicher Intelligenz‘. Die sogenannte ‚Schwarm-Intelligenz‘ ist weit entfernt davon).

Wann endet die Untersuchung?

Wenn jetzt jemand fragt, wann wir mit dieser Untersuchung fertig sein werden, dann kann man eines mit Sicherheit sagen: diese Untersuchung wird im Bereich des Denkens keinen klaren Endpunkt haben! Je mehr wir untersuchen, um so mehr Erkenntnisse werden wir haben und diese produzieren wieder viele neue Fragen. Was wir aber erreichen können, das sind konkrete praktische Ergebnisse zwischendurch, die wir in unserem schönen Schöneck anwenden können. Vielleicht ist da sogar etwas dabei, was uns real hilft für unsere reale Zukunft 🙂 Also: Wir werden real starten, aber aufhören werden wir erst, wenn wir sagen: es reicht.

Also …

Kommen Sie also vorbei im Raum Anould im Bürgertreff, Sonntag 2.Febr 2025, zwischen 15 und 17 Uhr. Schauen wir uns gemeinsam die Welt mal mit anderen Augen an.

PROGRAMMVORSCHLAG für So 2.2.2025

(Letzte Änderung: 1.Febr 2025)

BERICHT VOM VORBEREITUNGS-TREFFEN AM 2.2.2025

(Letzte Änderung: 5.Febr 2025)

D@W : SIND DEMOKRATIEN ÜBERLEBENSFÄHIG? Ausgangslage

Letzte Änderung: 9.Dez 2024, 13:15h CET

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Kommentare an: datw@oksimo.org

KONTEXT

Der folgende Text ist Teil des Buches ‚Demokratie@Work (kurz: D@W).

SIND DEMOKRATIEN ÜBERLEBENSFÄHIG? Ausgangslage

In einem vorausgehenden Text (‚Einleitung‘ zu D@W) wurde die Frage aufgeworfen, ob ‚Demokratien überlebensfähig‘ sind? Wenn Demokratien von vornherein keine Chance hätten, überleben zu können, wäre es wohl nicht sehr empfehlenswert, diesen Weg zu wählen.

Andererseits, nicht den Weg einer Demokratie zu wählen, also eine ‚Nicht-Demokratie‘, würde automatisch bedeuten, dass man den Weg einer ‚Autokratie‘ wählen müsste. ‚Ein bisschen Demokratie‘ geht nicht, auch wenn manche Autokratien sich gerne als ’nach außen demokratisch‘ darstellen.

WAS MUSS ÜBERLEBEN?

Bevor man die Frager diskutiert, ‚ob‘ Demokratien eine Chance haben, zu überleben, sollte man festhalten, ‚was‘ an einer Demokratie — ‚welche Elemente‘ — vorhanden sein müssten, damit man überhaupt von einer Demokratie sprechen kann?

Ein direkter Ansatz zur Charakterisierung der ‚Grundelemente einer Demokratie‘ ist die Bezugnahme auf ein ‚autokratisches System‘, welches im Kern eine sehr einfache Struktur besitzt. In dem Maße, wie sich bei der ‚Beschreibung‘ eines konkreten gesellschaftlichen Systems die Eigenschaften einer ‚Autokratie‘ aufzeigen lassen, in dem Maße liegt ‚keine Demokratie‘ vor sondern eben eine ‚Autokratie‘.

Keine Kontrolle der Macht durch das Volk

Das zentrale Kennzeichen einer Autokratie liegt im Fehlen einer effektiven ‚Kontrolle der Macht‘ durch freie Wahlen, bei denen sich jeder Bürger ab einem bestimmten Mindestalter beteiligen kann. Dazu gehört, dass nach den ‚freien und öffentlichen Wahlen‘ diejenigen, die eine ‚Mehrheit‘ errungen haben, für eine ‚definierte Zeit‘ die ‚Macht ausüben‘ dürfen.

Bei einer Gesellschaft, in der einige wenige die Macht ohne jegliche Kontrolle ausüben können, kann man nicht von einer ‚Demokratie‘ sprechen. Es gibt im Jahr 2024 viele Autokratien, in denen formal ‚Wahlen‘ stattfinden, aber diese Wahlen sind so angelegt, dass die ‚Akteure der unkontrollierten Macht‘ durch diese Wahlen nicht real gefährdet sind. Es gibt im Jahr 2024 aber auch Gesellschaften, die sich als ‚Demokratien‘ verstehen, in denen Wahlen unter Bedingungen stattfinden, die die Möglichkeit einer freien Wahl entweder für mögliche Kandidaten oder auch für die Wähler — oder für beide — partiell einschränken.

Keine freie öffentliche Meinung

Neben den freien Wahlen benötigt es eine ‚freie öffentliche Meinungsbildung‘, durch welche die Mitglieder einer Gesellschaft sich eine ‚zutreffendes Bild der Realität‘ machen können, welche sie als Gesellschaft ‚zum Wohle aller‘ täglich gestalten wollen. Dieses öffentlich verfügbare Meinungsbild bildet auch die Grundlagen für eine ‚Wahlentscheidung‘ im Fall einer Wahl. Ist solch eine freie öffentliche Meinung für ‚alle‘ (!) Bürger nicht umsetzbar, dann ist eine ‚Kontrolle der Macht‘ im Ansatz nicht möglich.

Kennzeichen für alle Autokratien (im Jahr 2024 z.B. u.a. der Iran, Russland und China) ist eine unfassbare Angst vor jedem Ereignis einer öffentlichen Meinungsbildung. Die Maßnahmen der Unterdrückung sind entsprechend rigoros: Verbote, reale Unterdrückung, willkürliche Verhaftungen, willkürliche Gerichtsverfahren, Gefängnis, Folter, Tötungen. Rein formal gibt es oft sogar schriftliche Regelungen, Vorschriften oder gar Gesetze, aber diese schriftlichen Regelungen wurden von einer Macht veranlasst, die selbst unkontrolliert ist,und die Regelungen sind auch so gestaltet, dass ihre Interpretation jeglichen Spielraum lässt.

Im Falle von Demokratien gibt es seit wenigen Jahren ein Phänomen, das zunehmend auch eine freie öffentliche Meinung für alle zerstören kann oder sogar schon aktiv zerstört: unter Ausnutzung der ‚rechtlich gewährten freien Meinungsäußerungen‘ und in Verbindung mit dem heute fast überall verfügbaren Internet konnte sich der ‚Raum der öffentlichen Meinung‘ in viele ‚Teilräume aufteilen‘, in denen unterschiedliche ‚Bilder von der Welt‘ kommuniziert werden können. Wenn nun diese kommunizierten Bilder von der Welt ‚teilweise oder überwiegend nicht zutreffen‘ (was nachweisbar der Fall ist), dann zerfällt die öffentliche Meinung in viele getrennte Bilder von der Welt, die teilweise oder überwiegend falsch sind. Damit wird eine ‚kritische Sicht der Gegenwart‘ deutlich getrübt und bei Wahlen können Kandidaten gewählt werden, die diese ‚unzutreffenden Bilder von der Welt‘ aktiv vertreten. Dadurch können die Grundregeln einer demokratischen Gesellschaft mindestens geschwächt, wenn nicht dann sogar aufgehoben werden.

Falsche öffentliche Ordnung

Jede Gesellschaft benötigt für ihr tägliches Zusammenleben eine minimale Ordnung, die durch Einrichtungen wie z.B. ‚Anwälte‘, ‚Polizei‘ und ‚Gerichte‘ moderiert wird.

In einer Autokratie gibt es diese Einrichtungen auch, und es gibt hier sogar auch ansatzweise Vorschriften, welche diese ‚Institutionen für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung‘ einhalten sollen. Wenn aber diese Vorschriften von einer unkontrollierten Macht verordnet werden, gibt es für Willkür keine natürlichen Grenzen. Umso mehr, wenn es keine funktionierende öffentliche Meinung gibt. Die Praxis der heute existierenden Autokratien spricht hier eine deutliche Sprache.

Falsche Sprache

Auch wenn die realen Taten einer Autokratie ihre eigene klare Botschaft enthalten, versuchen Autokratien dennoch beständig, durch ‚geeignete sprachliche Formulierungen‘ den Eindruck zu erwecke, dass das, was sie täglich tun, alles ‚richtig‘ sei.

Im Zuge der Zeit, wo das Internet alle erreicht (zumindest dort, wo es keine ‚Sperren‘ gibt, wie sie Autokratien eingerichtet haben) und wo bestehende Demokratien eine nahezu unbeschränkte ‚Freiheit der Meinungsäußerungen‘ gewähren, fluten Autokratien diese
öffentlichen Räume‘ mit ihren ‚Texten der Pseudo-Wahrheiten‘, um auf diese Weise über die ‚Köpfe der Bürger‘ den inneren Zusammenhalt demokratischer Gesellschaft zu schwächen oder gar zu zerstören.

Während also Autokratien ihre ‚öffentliche Räume‘ aufs schärfste kontrollieren und mit martialischen Mitteln jede Abweichung ahnden, lassen bestehende Demokratien es bislang zu, dass ihre eigenen Bürger über die freien öffentlichen Räume‘ quasi ‚in Gedanken umprogrammiert‘ werden.

Zusammenfassend:

Dies kurze Skizze liefert folgenden Ansatzpunkte, die als ‚minimale Ankerpunkte‘ einer Demokratie gewahrt sein sollten, damit wir minimal von einer ‚Demokratie‘ reden können:

  1. ‚Macht‘ darf nur von solchen Menschen ‚ausgeübt‘ werden können, die durch ‚öffentliche freie Wahlen‘ für einen ‚vereinbarten endlichen Zeitraum‘ gewählt wurden.
  2. Für die ‚Ausübung der Macht‘ gibt es ‚Master-Regeln‘ (oft ‚Grundgesetz‘ oder ‚Verfassung‘ genannt), die von einer deutlichen Mehrheit der Bürger vereinbart worden sind. Sie können auch nur nach festen Regeln wieder ‚geändert‘ werden.
  3. Es gibt einen ‚öffentlichen Informationsraum‘, der ‚jedem Bürger unentgeltlich‘ von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird, der es möglich macht, dass eine Gesellschaft sich eine ‚freie Meinung‘ über jene Welt bilden kann, in der diese Gesellschaft ‚überleben muss‘. Es gibt eine ‚Qualitätssicherung‘, die darauf achten muss, klar ‚unzutreffende Bilder von der Welt‘ kenntlich zu machen.

DIE ZENTRALE ROLLE EINES ZUTREFFENDEN BILDES VON DER WELT

Im vorausgehenden Text wurden mit Bezug auf Autokratien minimale Kriterien formuliert, welche eine Gesellschaft erfüllen sollte, die sich ‚Demokratie‘ nennen will.

Schon bei dieser kurzen Skizze wurde deutlich, dass die Frage des ‚zutreffenden Bildes jener Welt, in der man lebt‘ bzw. auch ‚überleben will‘ eine zentraler Bedeutung bekommt. Ohne Verfügbarkeit eines ‚zutreffenden Bildes‘ ist ein verantwortungsvolles Handeln schlicht nicht möglich, nicht für einen einzelnen Menschen, nicht für eine Gruppe und auch nicht für eine ganze Gesellschaft.

Dies führt aber direkt zur Frage, was denn ein ‚zutreffendes Bild von der Welt‘ ist?

Solange es kein gemeinsames Verständnis davon gibt, was die Formulierung ‚Zutreffen einer Meinung über die Welt‘ gibt, wird es kaum möglich sein, gemeinsam an einem ‚zutreffenden Bild von der Welt‘ zu arbeiten geschweige denn gemeinsam danach zu handeln.

Aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegung werden im folgenden Text Überlegungen angestellt, wie ein ‚Reden über die Welt‘ beschaffen sein muss, damit das, was gesagt wird,auf die Welt auch ‚tatsächlich zutrifft‘ bzw. ‚zutreffen kann‘, falls der Zeitpunkt des Zutreffens ‚in der Zukunft‘ liegt.

ÜBER DEMOKRATIE SPRECHEN

Grundvoraussetzungen

Wenn wir die Frage nach der Überlebensfähigkeit von Demokratien beantworten wollen, müssen wir uns bewusst machen, dass es um einen ‚Kommunikationsprozess zwischen Menschen‘ geht. Dies bedeutet, was jeder einzelne ‚in seinem Kopf‘ hat, dies wird nur ’sichtbar‘ oder ‚hörbar‘, wenn die verschiedenen Einzelnen über eine ‚gemeinsame Sprache‘ verfügen, mittels der sie wechselseitig ’sichtbar (und hörbar)‘ machen können, ‚worüber‘ sie mit den anderen ’sprechen‘ wollen.

‚Miteinander Sprechen‘ läuft dann darauf hinaus, dass es einen ‚Texte‘ in der ‚gemeinsamen Sprache‘ gibt. Und dieser Text — eine Anordnung von ‚Zeichen‘ auf einem Papier — kann eine ‚Bedeutung haben‘, wenn die Teilnehmer an der sprachlichen Kommunikation in der Lage sind, beim ‚Lesen des Textes‘ — jeder für sich — ‚in ihrem Innern‘ die ‚Zeichen des Textes‘ mit ‚inneren Zuständen‘ zu verknüpfen, die für jeden Leser das ausmachen, was — meistens — ‚Bedeutung‘ genannt wird.

Diese Fähigkeit, Zeichen eines Textes mit inneren Zuständen zu verknüpfen, die wir dann als ‚Bedeutung‘ wahrnehmen, ist insoweit ‚angeboren‘, als ein Mensch — meistens — von Kindheit an in der Lage ist, zu ‚Lernen‘, ‚welche Zeichen‘ in einer bestimmten sozialen Umgebung mit welchen inneren Zuständen ‚verbunden werden‘.

Dass diese ‚individuellen Lernprozesse‘ im Verlauf dazu führen können, dass verschiedene Menschen bei der gleichen Sprache ‚das Gleiche meinen‘ können, hängt damit zusammen, dass die ‚inneren Zustände‘ eines Menschen über ‚Wahrnehmungsprozesse‘ mit der jeweils ‚aktuellen Situation‘, in der sich der ‚Körper eines Menschen‘ befindet, partiell verbunden sind. Die ‚Sinnesorgane‘ des menschlichen Körpers können — meistens — bestimmte ‚Eigenschaften‘ der aktuellen Situation über das Gehirn dem einzelnen in seiner ‚Innensicht‘ ‚als wahrgenommene Eigenschaften‘ verfügbar machen. Sofern Menschen mit ihrem Körper zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind, können sie — das lehrt uns die Alltagserfahrung — ‚ähnliche Wahrnehmungsereignisse‘ haben. Nennt man die aktuelle Situation einschließlich des Körpers der beteiligten Situation die ‚reale Welt‘ oder einfach ‚die Realität‘, und nennt man das ‚Innere des Menschen‘, sofern es dem einzelnen Menschen ‚bewusst‘ ist, die ’subjektive Wirklichkeit‘, dann kann man die ’sinnlich induzierten Wahrnehmungsereignisse‘ als ‚Repräsentationen‘ von bestimmten Eigenschaften der realen Welt in der subjektiv Welt des einzelnen Menschen auffassen.

Aus der Alltagserfahrung wissen wir ferner, dass verschiedene Menschen sich — meistens — mit der gleichen Sprache in der gleichen Situation bei Bezugnahme auf bestimmte Aspekte der realen (Außen-)Welt weitgehend darüber einigen können, ‚mit welchen Zeichenkombinationen‘ sie das beschreiben, was sie in der aktuellen Situation ‚individuell wahrnehmen‘. Es können also ‚Texte‘ entstehen, bei denen die beteiligten Menschen zu der Feststellung kommen können, dass dieser Text bestimmte Eigenschaften der aktuellen Situation ‚zutreffend beschreibt‘ oder eben nicht. Ein Text, der als ‚zutreffend‘ aufgefasst wird, wird auch als ‚wahr‘ im Sinne des Zutreffens verstanden, ansonsten als ’nicht zutreffend‘ oder ‚falsch‘. Es kann auch Teile des Textes geben, die als ‚unbestimmt‘ empfunden werden; es ist dann nicht klar, worauf sich der Text beziehen soll. Er ist dann ‚weder wahr noch falsch‘.

Dieser kurze Text beschreibt die ‚Grundvoraussetzungen‘, ohne die es überhaupt keine Kommunikation gibt. Und, wie man ansatzweise fühlen kann, sind schon diese Grundvoraussetzungen nicht gerade ‚einfach‘ zu verstehen. Für die Klärung der Hauptfrage, ob Demokratien überlebensfähig sind, reichen diese Grundvoraussetzungen allerdings noch nicht aus. Weitere Aspekte müssen noch geklärt werden.

AKTUELL und PUNKTUELL

Im Rahmen der Grundvoraussetzungen können wir davon ausgehen, dass wir einen ‚konkreten Körper‘ haben. Mit diesem Körper befinden wir uns immer auch an einem ‚konkreten Ort‘ mit einer dazu gehörigen ‚konkreten Situation‘. Dies alles findet außerdem — falls man mittels einer Uhr ‚Zeit‘ ‚erzeugen‘ und damit ‚messen‘ kann — zu einem ‚konkreten Zeitpunkt‘ statt.

Zu jedem konkreten Zeitpunkt können wir nur ganz wenige ‚konkrete Dinge in unserem Kopf‘ zugleich ‚denken‘: z.B. nur einige wenige ‚aktuelle Wahrnehmungen‘, nur einige wenige ‚aktuelle Emotionen‘, nur einige wenige ‚aktuelle Vorstellungen/ Gedanken‘ und nur einige wenige ‚aktuelle Ziele‘. Wenn ich gerade vor mir eine bestimmte Straße sehe, dann kann ich nicht gleichzeitig eine andere Straße sehen; ein bestimmtes Schaufenster, nicht zugleich viele andere; eine bestimmte Buchseite und nicht zugleich andere Buchseiten; einen aktuellen Gedanken bewusst denken und nicht zugleich viele andere Gedanken bewusst denken, usw. (Der Zusatz ‚bewusst‘ ist hier notwendig, da das eigene Gehirn im ‚unbewussten Bereich‘ tatsächlich gleichzeitig viel mehr als nur einen Gedanken verarbeiten kann).

Man darf von daher schon sagen, dass wir in unserem konkreten Alltag mit unserem Körper zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgehend ‚punktuell konkret Wahrnehmen, Fühlen und Denken‚.

Dass wir dies überhaupt können, ist schon für sich großartig, in einem größeren zeitlichen Zusammenhang würde diese ‚Fixierung auf den Augenblick‘ einen konkreten Körper aber lebensunfähig machen. Ein Körper mit solch einer Fixierung auf einen Augenblick würde der berühmten Mücke gleichen, die direkt zum hellen Licht fliegt und dort verbrennt, weil sie außer dem aktuellen Licht nichts anderes Wahrnehmen, Fühlen und Denken kann.

Was also brauchen wir noch an ‚Zutaten‘, um verstehen zu können, wie wir die Hauptfrage beantworten können?

VERALLGEMEINERUNGEN

Nun wissen wir aus unserem Alltag — meistens –, dass wir ja nicht nur einen ‚einzigen Augenblick‘ leben, sondern ‚viele einzelne Augenblicke‘. Dies können wir nur bemerken, weil wir — meistens — über eine ‚minimale Erinnerung‘ verfügen, wodurch wir ‚vorausgehende Augenblicke‘ ‚partiell erinnern‘ können. Unter Voraussetzung dieser Erinnerungsfähigkeit können wir feststellen, dass sich eine konkrete Situation ‚verändern‘ kann, und sei es nur, weil wir die Position unseres eigenen Körpers verändern oder dass wir ‚Teile unseres Körpers‘ (Kopf, Arme, Hände, Beine…) durch eine ‚Bewegung‘ so verändern, dass sich die Position unseres Körpers relativ zur aktuellen Situation verändert (Oder, weil wir eine ‚Uhr‘ besitzen, die für uns ‚regelmäßige Zeitmarken‘ erzeugt, durch die wir ’sich verändernde Zeitpunkte‘ als ‚Referenz‘ benutzen können). Als Folge solcher Veränderungen verändert sich unsere ‚Wahrnehmung‘ sowohl der umgebenden Situation‘ wie auch die ‚Innenwahrnehmung unseres Körpers‘ (wir können — meistens — die Bewegung eines Körperteils im Innern ’spüren‘ (weil sich in unserem Körper genügend viele biologische Sensoren befinden, die die Veränderung von Muskeln und Knochenstellungen ‚intern wahrnehmen‘ können, diese zu unserem Gehirn ‚melden‘, und dieses ‚übersetzt‘ diese Meldungen in entsprechende ‚Körperwahrnehmungen‘))

Diese grundlegende Fähigkeit, mehr als einen aktuellen Augenblick sowohl direkt erleben zu können, wie auch über den Umweg der Erinnerung in eine Art ‚Abfolge von Ereignissen‘ einordnen zu können, ermöglicht es uns, einzelne Situationen mit all ihren unterschiedlichen einzelnen Eigenschaften nicht nur ’nebeneinander‘ zu stellen, sondern auch ‚relativ dazu‘ ‚allgemeine Vorstellungen‘ zu bilden (weil unser Gehirn so gebaut ist, dass es uns diese Leistung verfügbar machen kann). Wenn ein Kind einen kleinen Hund sieht, im nächsten Moment einen anderen Hund, aber größer, und dann wieder einen anderen mit einer anderen Gestalt, dann kann das Kind ‚für sich‘, ‚in seinem Kopf‘ eine ‚Vorstellung von etwas‘ entwickeln, das andere Menschen ‚Hund‘ nennen, und dieses ‚Wort Hund‘ verbindet es mit drei verschiedenen ‚Wahrnehmungen‘, die ‚in der Erinnerung des Kindes verfügbar‘ sind. Diese drei verschiedenen Wahrnehmungen haben ‚etwas gemeinsam‘: vier Beine, einen Schwanz, einen Kopf mit Augen, Ohren, Maul und … ein ‚Briefkasten‘ sieht anders aus.

Dieser Mechanismus des ‚Zusammenfassens von verschiedenem Einzelnem‘ zu etwas ‚Allgemeinerem‘ (oft ‚Abstraktion‘ genannt) funktioniert nicht nur mit konkreten Wahrnehmungen, sondern man kann diesen ‚Mechanismus des Verallgemeinerns‘ ‚immer wieder‘ anwenden. Wenn man erst einmal gelernt hat, dass es ‚Hunde‘ gibt, ‚Vögel‘, ‚Katzen‘ usw., dann kann man dies weiter verallgemeinern zu ‚Haustieren‘, ‚Wildtieren‘ usw. und diese kann man weiter zusammenfassen zu ‚Tiere‘, zu ‚Lebewesen‘ … es gibt hier keine absolute Schranke.

Man spürt aber vielleicht, dass dieser Mechanismus des ‚Verallgemeinerns‘, des ‚Abstrahierens‘, sich auch in einer Weise verselbständigen kann, dass man irgendwann nicht mehr unbedingt weiß, ob sich ein Wort wie ‚Zentaurus‘, ‚Kaiser‘, ‚Elektron‘, ‚Liebe‘, ‚Migrant‘, ‚Wachstum‘ oder auch ‚Demokratie‘ tatsächlich noch auf etwas ‚Konkretes‘ zurück führen lässt. Der ‚Kreativität‘, der ‚Fantasie‘ der Menschen sind keine festen Grenzen gesetzt. Die Vielzahl an Märchen, Fabeln und die berühmten ‚Falsch-Erzählungen‘ zum Zwecke der ‚Manipulation‘ beweisen dies sehr deutlich.

‚Verallgemeinern‘ ist eine wichtige und große Kraft unseres ‚Denkens‘, sie kann sich aber auch ‚verselbständigen‘ und damit mehr und mehr den Kontakt zur konkreten Welt verlieren. Man könnte auch sagen, dass ‚unseriöse Verallgemeinerungen‘ etwas vorzugaukeln versuchen, was es real gar nicht gibt, was aber dennoch nicht selten das Denken von Menschen beeinflussen kann.

Wenn man jetzt schon ahnt, wie wir durch unsre sprachliche Kommunikation Augenblicke überwinden können, Abstraktionen vornehmen kann, so gilt aber auch hier: dies ist noch nicht alles, was wir brauchen!

BEZIEHUNGEN FESTSTELLEN

Neben der Fähigkeit, verschiedene einzelne Eigenschaften in einem einzigen Begriff zusammen zu fassen, verfügen wir auch über die Fähigkeit, ‚zwischen‘ verschiedenen Eigenschaften ‚Beziehungen‘ zu denken. Vertraut sind den meisten ‚räumliche Beziehungen‘ zwischen unterscheidbaren Objekten und Körpern in einer Situation. Wir sind in der Lage festzustellen, ob sich ein Objekt z.B. ‚vor‘, ’neben‘, ‚hinter‘, ‚über‘ oder ‚unter‘ einem anderen Objekt befindet. Wir können auch unterscheiden, ob ein Objekt räumlich ’nah‘ oder ‚entfernt‘ ist, ‚groß‘ oder ‚klein‘, ‚dick‘ oder ‚dünn‘, usw. Diese ‚Beziehungen‘ sind selbst ‚keine direkten Objekte‘, wir können sie aber als ‚Beziehungen in unserem Denken‘ sichtbar machen. Anders formuliert: Wenn wir zwei verschiedene Objekte in einem Raum ‚bewusst‘ wahrnehmen oder denken können, dann verfügen wir in unserer subjektiven Wirklichkeit über die Fähigkeit zwischen diesen bewussten Wahrnehmungen oder bewussten Denkinhalten ‚Beziehungen‘ als etwas ‚Gegebenes‘ wahrnehmen bzw. denken zu können. Bei ‚realen‘ Wahrnehmungen und Denken über reale Objekte hängen diese Beziehungen vom Vorhandensein der realen Objekte ab. Aber beim ‚Erinnern‘ von zuvor wahrgenommenen Objekten oder beim ‚Denken‘ von erinnerbaren Objekten können wir Beziehungen denken, obgleich keine realen Objekte in der Wahrnehmung vorliegen.

Auch hier können wir sehen, wie das ‚Denken von Beziehungen‘ sich von dem Vorhandensein von realen Objekten sobald lösen kann, wie wir mit Erinnerungen und Denken arbeiten. ‚Erinnertes‘ kann im Denken ‚verändert‘ werden und die dadurch entstandenen ’neuen Objekte‘ können wiederum in ‚Beziehungen‘ gedacht werden, die jetzt nur zwischen ‚gedachten Objekten‘ bestehen.

Wie schon im Fall des ‚Verallgemeinerns‘ kann uns dies entweder helfen, die reale Welt mit uns als Teil davon etwas besser zu verstehen, indem wir allgemeinere Strukturen und Zusammenhänge erfassen können, es kann aber auch schnell dazu führen, dass wir Beziehungen denken, die es so gar nicht gibt. Der Weg zum ‚Trügerischen‘, ‚Falschem‘ ist da nicht weit.

Ein anderer Fall von ‚Beziehungen aktivieren‘ ist das Zuordnen von Eigenschaften‘. Wenn ich eine Pflanze sehe und jemand sagt, dass ‚diese Pflanze giftig sei‘, dann wird eine explizite Beziehung zwischen der Pflanze und der Eigenschaft ‚ist giftig‘ hergestellt. Dies kann hilfreich sein, wenn ‚es stimmt‘, oder auch nicht, wenn es ‚falsch‘ ist. Wenn jemand von einer Gruppe von Menschen sagt, dies seien ‚Betrüger, Schmarotzer oder Ähnliches‘, dann kann dies zu sozialer Ausgrenzung und mehr führen. Wie kann man feststellen, ob diese behauptete Beziehung richtig oder falsch ist? Was soll man davon halten, wenn jemand behauptet, ‚die Wirtschaft hat kein Wachstum‘?

Was am Beispiel von ‚Zusprechen von Beziehungen‘ deutlich wird: Das ‚Zutreffen‘ (‚wahr‘ sein) oder ‚Nicht-Zutreffen‘ (‚falsch‘ sein) von solchen behaupteten Beziehungen lässt sich nicht mehr ‚einfach so‘ erkennen. Man muss in der Tat einiges ‚wissen‘, um ‚Wahr‘ ‚Falsch‘ hier einschätzen zu können. Wer sich z.B. mit ‚Pilzen‘ nicht auskennt, wird selbst wenig zur Aussage beitragen können.

URSACHEN ANNEHMEN

Ein anderer Fall von Beziehungen liegt vor, wenn jemand feststellt, dass zwischen einem ‚aktuellen Ereignis‘ und einem ‚erinnerten Ereignis‘ eine Beziehung derart besteht, dass das erinnerte (vorausgehende) Ereignis die ‚Ursache‘ dafür ist, dass das nachfolgende Ereignis eingetreten ist. Wenn jemand beim Autofahren plötzlich einschläft und darauf hin sein Auto einen Unfall verursacht, wird — meistens — angenommen, dass das Einschlafen die Ursache für den nachfolgenden Unfall war. Natürlich kann man dann auch weiter fragen, was zum ‚Einschlafen‘ geführt hat. Aber erst mal werden — meistens — die Menschen zufrieden sein mit der Beschreibung, dass das ‚Einschlafen zum nachfolgenden Unfall geführt hat‘. Andere einfache Beispiel sind der Regen, der die Straße und die Wiese nass macht; die Kälte, die alles gefrieren lässt; der Lichtschalter, der das Licht einschaltet, usw.

Dies sind einfache ‚Ursache-Wirkung‘ Beziehungen. Schwieriger wird es, wenn sich eine Ursache erst ’nach einer längeren Zeitspanne‘ auswirkt. Wenn der Beton einer Brücke durch innere Erosionsprozesse langsam brüchig wird, dann kann es ein paar Jahre dauern, bis die Brücke einstürzt. Wenn die Infrastruktur in der Kanalisation nicht genügend gewartet wird, dann kann es auch Jahre dauern, bis Fehler sichtbar werden, entsprechend mit den Verkehrsmitteln, oder auch bei uns Menschen selbst: wer sich über Jahre ungünstig ernährt, kann alleine von der falschen Ernährung erhebliche gesundheitliche Schäden nehmen, die, wenn sie dann sichtbar werden, oft kaum noch einfach behoben werden können. Unser Alltag ist voll von Ursache-Wirkung Beziehungen, die lange ‚verdeckt‘ wirksam sind, wenn wir nicht darauf achten.

Auch bei diesen ‚Ursachen-Beziehungen‘ spielt das ‚Wissen‘ eine große Rolle. Wer nichts über Erosionsprozesse im Beton weiß oder nichts über ‚gesunde Ernährung‘, der wird mit den entsprechenden ‚Wirkungen‘ immer überrascht werden und sich wundern, warum eine Brücke einstürzt oder eine schwere gesundheitliche Störung auftritt.

VORAUSSAGEN MACHEN

Mit dem bisher Gesagten können wir zwar ansatzweise verstehen, warum Menschen sich überhaupt sprachlich verständigen und sich über ‚wahre/ falsche/ unklare Aussagen‘ einigen können. Ferner leuchtet etwas von der ‚inneren Struktur‘ unseres subjektiven Wissens von der Welt auf insofern wir Gegenwart und Vergangenheit unterscheiden und in der Lage sind, im Vergleich von gegenwärtigen und vergangenen Situation Veränderungen erfassen können, dazu Beziehungen zwischen Objekten und Eigenschaften, auch mögliche Ursachen mit unterstellten Wirkungen. Noch nicht klar ist allerdings die Frage, ob wir auf der Basis von Gegenwart und Vergangenheit irgendetwas über eine ‚mögliche Zukunft‘ oder gar über ‚viele mögliche Zukünfte‘ sagen können? Und, falls wir solche sprachlichen Beschreibungen über mögliche Zukünfte liefern, wie ‚zuverlässig‘ solche Beschreibungen sind: handelt es sich um reine ‚Fantasie‘ oder sind diese Aussagen auf eine Weise ‚begründet‘, so dass ihr eine ‚Wahrscheinlichkeit jenseits des puren Zufalls‘ zugesprochen werden kann?

Für die Beantwortung der Frage nach der ‚Überlebensfähigkeit‘ einer Demokratie wäre diese zusätzliche Eigenschaft einer ‚Voraussage‘ über eine mögliche Zukunft deutlich über den puren Zufall hinweg eine wesentliche Voraussetzung. Falls wir solche Art von Voraussagen nicht machen können, sind wir faktisch ‚blind für Zukunft‘.

Bisher haben wir nur einen Fall von Beziehungen unterschieden, die sich über mehrere Zeitpunkte erstrecken können: die ‚Ursache – Wirkung Beziehung‘. Es gibt allerdings auch noch den Fall, dass wir ‚Regelmäßigkeiten‘ in der uns umgebenden Welt beobachten ohne dass wir schon ein Ursache-Wirkung Schema identifizieren konnten : Erscheinen und Verschwinden von Mond und Sonne; das Auftreten von Jahreszeiten im jährlichen Rhythmus; das Wachsen von Pflanzen bei bestimmten Bedingungen; Ebbe und Flut; usw. Natürlich kann man alle beobachtbaren Regelmäßigkeiten daraufhin hinterfragen, ob sich hier nicht ein ‚Ursache-Wirkung Schema‘ andeutet. Die moderne Wissenschaft war in diesem Aufdecken von zunächst verborgenen Ursache-Wirkung Zusammenhängen bislang sehr erfolgreich. Das Erkennen eines Ursache-Wirkung Schemas setzt aber voraus, dass man zuvor überhaupt bemerkt hat, dass es ‚regelmäßige Ereignisse‘ gibt, die als Kandidaten für das Feststellen eines dazu gehörigen Ursache-Wirkung Schemas dienen können.

Die Mindestanforderung für die Erstellung einer Voraussage besteht darin, dass wir über die Beschreibung einer als ‚zutreffend erkannten Ausgangslage‘ verfügen und über die Beschreibung von mindestens einer ‚beobachteten Veränderung‘, die eine gegebene Situation so abändern kann, dass eine ’neue Situation‘ entsteht. Dazu gehört auch das Wissen, wie eine ‚beschriebene Veränderung‘ so ‚angewendet‘ werden kann, dass es durch die Anwendung zu einer veränderten ’neuen Situation‘ kommen kann. Falls die beschriebene Veränderung mehrmals angewendet werden kann (z.B. der Schlag eines Hammers auf ein Stück glühendes Metall), dann kann bei jeder Anwendung ein ‚Stück Veränderung passieren‘.

Damit — stark vereinfacht — wurden minimale Voraussetzungen zusammen gestellt, die notwendig erscheinen, etwas über eine möglich Zukunft — z.B. auch für eine Demokratie — zu sagen, das den Ausgangspunkt für eine Diskussion bilden kann, ob eine Demokratie überleben kann oder nicht.

BEDÜRFNISSE UND EMOTIONEN

Was in diesem Rahmen noch fehlt, das ist der Hinweis auf die ’natürlichen Bedürfnisse‘, die unser Körper fest einprogrammiert hat, und eine große Zahl unterschiedlicher ‚Emotionen‘, die sich situationsbezogen bemerkbar machen können. Bei Emotionen gibt es den schwierigen Fall, dass diese sich zwar im Bewusstsein bemerkbar machen können, dass es aber auch den Fall gibt (nicht selten), dass eine Emotion zwar im ‚Unbewussten‘ aktiv ist, dies aber im ‚Bewussten‘ kaum bis gar nicht direkt wahrnehmbar ist, allerdings indirekt.

Mit Blick auf die Frage, ob Demokratien überleben können, spielen Bedürfnisse und Emotionen eine zentrale Rolle, da diese so stark sein können, dass sie alle anderen Überlegungen oder Entscheidungen mindestens beeinflussen, wenn nicht gar blockieren können. Aber, selbst wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, so können Menschen starke Emotionen haben, die sie darin blockieren, bestimmte Anschauungen oder Verhaltensweisen zu übernehmen, selbst wenn sie vielleicht für sie wichtig sein können; umgekehrt kann dies dazu führen, dass sie ganz bestimmte Anschauungen und Verhaltensweisen stark favorisieren, auch wenn diese für sie schädlich sein können.

KOMPLEXE SYSTEME

Der vorausgehende Überblick über grundlegende Faktoren, welche das Zutreffen einer Beschreibung (letztlich ein ‚Bild‘ von) der realen Welt mitbestimmen, beschreibt als Ausgangspunkte für mögliche Voraussagen (‚Prognosen‘) die ‚einfachen‘ Fälle: ‚Beobachtbare regelmäßige Muster‘ oder erkannte ‚Ursache – Wirkung‘ Muster im Bereich der Alltagserfahrung.

Die reale Welt, in der wir leben — einschließlich unserer eigenen Körper — besteht aber aus einer unfassbar großen Zahl von ‚Sachverhalten‘, die die Wissenschaft und das Engineering gerne als ‚komplexe Systeme‘ bezeichnen. Mit einem ‚komplexen System‘ ist hier ein Sachverhalt gemeint, der im Zusammenhang von Ereignissen, die sich in der Zeit folgen, als eine ‚mögliche Ursache‘ aufgefasst werden kann, die nachfolgende Ereignisse ‚bewirkt‘. Das Besondere bei komplexen Systemen ist aber, dass sie unterschiedlich ‚reagieren‘ können. Je nach der Art von ‚vorausgehenden‘ Ereignissen können sie mit unterschiedlichen Häufigkeiten unterschiedliche Wirkungen auslösen.[1] Im Fall des Menschen z.B. sind wir im Alltag bei uns bekannten Personen damit ‚vertraut‘, was diese Person in bestimmten Situationen ‚gewöhnlich‘ tut. Es gibt aber auch Fälle, in denen diese Person dies manchmal auch nicht tut. Bei diesen Voraussetzungen Prognosen über das Verhalten dieser Person zu einem Zeitpunkt in der Zukunft aufzustellen, ist schwierig, aber nicht unmöglich.

Alle (biologischen) Lebewesen auf diesem Planeten repräsentieren letztlich ‚komplexe Systeme‘, was das Zusammenspiel von vielen Lebewesen als ‚Population‘ oder als ‚Lebensraum‘ mit vielen verschiedenen Populationen gleichzeitig beliebig schwierig machen kann.

Dennoch stellen wir fest, dass die Meisten dieser vielen verschiedenen komplexen Lebewesen über längere Zeiträume ‚gelernt‘ haben, sich auf eine komplexe Umgebung in einer Weise einzustellen, dass ein ’stabiles Ökosystem‘ entsteht, das allen Beteiligten eine funktionierende Lebenschance bietet. Diese komplexen Ökosysteme erwecken den Eindruck, dass sie ‚überlebensfähig‘ (oft auch ‚resilient‘ genannt) sind.

Es könnte also mit Blick auf die Menschen als Teil des Lebens auf diesem Planeten eine wichtige Frage sein, wie diese beeindruckende Breite an Formen der Überlebensfähigkeit aller bekannten Lebewesen letztlich funktioniert. Verschärft könnte man auch fragen, wie könnte die Überlebensfähigkeit von Lebewesen sogar ’noch besser‘ funktionieren als bisher? Was würde ‚besser‘ dann auch heißen?

[1] Eine gute Einführung in die Thematik komplexer Systeme bietet Donella H.Meadows (Herausgegeben von Diana Wright), Thinking in Systems. A primer, Chelsea Green Publishing, White River Junction in Vermont, USA, 2008, Copyright by Sustainability Institute. Das Thema ist allerdings noch umfassender, als in diesem Buch beschrieben.

DEMOKRATIE – Beispiel einer VERÄNDERUNGSSTRATEGIE. Ein DEMOKRATIE-LABOR für eine KOMMUNE

Letzte Änderung: 18.Dez 2024

Autor: Gerd Doeben-Henisch

(An dieser Stelle Danke an Manfred Klimmeck für seine intensiven, kritischen und konstruktiven Kommentare seit Version 1)

Kontakt:datw@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text gehört zum Thema DEMOKRATIE. Es ist ferner geplant, diesen Teil 1 mit Teil 2 in das Buch D@W zu übernehmen. Siehe dort den Abschnitt „Demokratie@Work: Ein Realexperiment“.)

DEMOKRATIE und VERÄNDERUNGSSTRATEGIE

AUSGANGSLAGE – Wissen ist unumgänglich

Unter dem Obertitel ‚Demokratie‘ geht es zunächst mal um die begriffliche Klärung, was in diesem Text unter ‚Demokratie‘ verstanden wird. Sobald durch diese Klärung hinreichende Klarheit entstanden ist, kann sich angesichts einer realen Situation die Aufgabe stellen, das eine oder andere zu verändern.

In vorausgehenden Überlegungen wie z.B. jene vom 5.Juni 2023 DEMOKRATIE ALS ‚ZWEIGETEILTES EINS‘. SKIZZE und vom 16.April 2024 DEMOKRATIE ALS ‚ZWEIGETEILTES EINS‘.  ERGÄNZUNG: WOLKE DES WISSENS wurden einige Grundelemente thematisiert, die für eine Demokratie wichtig sind. In beiden Texten nahm dabei die Rolle des ‚gemeinsamen Wissens‘ — auch ‚Wolke des Wissens‘ genannt — eine zentrale Stelle ein. Ohne eine aktuelle, zutreffende aktive ‚Wolke des Wissens‘ ist eine moderne Demokratie grundsätzlich nicht möglich.

Letztlich ist es ein ‚gemeinsames Wissen‘, was Bürger und gewählte Vertreter verbindet, wechselseitig inspiriert, Rückhalt gibt, und nicht nur eine gegenwärtige, aktuelle Situation angemessen abbildet, sondern auch notwendige und mögliche Veränderungen sichtbar macht, die aus der von Problemen geladenen Gegenwart in eine — hoffentlich — weniger Problem geladene Zukunft führen kann.

CHRONISCHER MANGEL AN WISSEN

Solch ein ‚gemeinsames Wissen‘ entsteht nicht ‚einfach so‘: es erfordert reale Arbeit mit entsprechendem Zeitbedarf, eingebettet in Kommunikationsprozesse, die geeignet sind, in allen Beteiligten das notwendige Wissen entstehen zu lassen: Recherchieren, klären, diskutieren, Skizzen machen, Schaubilder, Modelle erarbeiten, Abläufe testen, immer hinreichend dokumentieren und vieles mehr gehören dazu.

Jeder der im Berufsleben steht, sei es in Firmen, Verwaltungen, in Behörden oder dergleichen mehr, der weiß, dass eine Sache fast nie funktioniert: zusätzlich zur ’normalen‘ Arbeit sich Zeit zu nehmen, um mit anderen Kollegen und Kolleginnen über mögliche Verbesserungen, über mögliche Alternativen zu den eingefahrenen Abläufen gemeinsam nachzudenken, ohne Druck, mit Freiheit zum Denken, etwas gar experimentell einfach mal auszuprobieren. Die Gegenwart erscheint in der Regel so wichtig, so übermächtig wichtig, dass Gedanken zu möglichen die Zukunft erhaltenden Maßnahmen in der Regel schon im Ansatz unterdrückt werden.

In Kommunen mit ihren Verwaltungen, mit den Gemeindevorständen und den zentralen Gemeindevertretungen ist dies nicht anders. Möglicherweise ist es hier sogar drängender als in anderen Bereichen wie z.B. in der Wirtschaft: wenn sich in der Wirtschaft neue Märkte öffnen, neue Technologien verfügbar werden, neuartige Probleme auftreten, dann können sich im Prinzip — nicht immer ganz einfach — neue Dienstleistungen herausbilden, die sich auf dieses ‚Neue‘ einstellen, können sich neue Produktionsformen oder gar neue Firmen bilden, die sich darauf spezialisieren. Die ‚politischen Kernstrukturen‘ einer Kommune sind per Verfassung in ihrer Struktur und in ihrer Größe ‚festgeschrieben‘: bei 13.000 Einwohner beispielsweise sind nur 37 Gemeindevertreter für die Gemeindevertretung zugelassen. [1] Was immer sonst in solch einer Kommune an Strukturen existiert, es sind diese 37 Bürger, die alle aktuellen und potentiell zukünftigen Prozesse vordenken, bewerten, entscheiden und dann ihre Umsetzung anstoßen und überprüfen müssen. Angesichts der Vielzahl der Probleme einer solchen Kommune heute, dazu die stark gewachsene Komplexität der verschiedenen Sachverhalte, ist es im Normalfall ausgeschlossen, dass diese 37 Bürger — mehrheitlich Ehrenamtliche — über die notwendige Zeit verfügen, sich in alles hinein arbeiten zu können, noch besitzen sie oft die notwendigen Kompetenzen, die es braucht, die anstehenden Aufgaben angemessen zu verstehen.

In dieser Ausgangslage ist es weder möglich, der aktuellen Gegenwart ‚maximal‘ gerecht zu werden, noch den verschiedenen möglichen Zukünften, die sich aus einer Gegenwart ergeben können. Allerdings, wir leben in einer ‚realen‘ Welt mit ‚endlichen Randbedingungen‘. Die Anforderung, in den Lösungen zu gestellten Aufgaben ein ‚Optimum‘ zu erreichen, kann in dieser Welt immer nur eine ‚Annäherung‘ an ein Optimum sein, zumal wir zu einem gegebenen Zeitpunkt die verschiedenen möglichen Zukünfte weitgehend nicht kennen. Wir müssen diese letztlich ‚erraten‘!

[1] Siehe die Hessische Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 2005, §38 : https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-GemOHE2005pP38

NICHT AUFGEBEN

Sich in solch einer Situation mit einem ‚dann ist es halt so‘ von möglichen verbesserten Ansätzen für mögliche Lösungen einfach so zu verabschieden, ist vielleicht nicht die beste Strategie.

Vor allem sollte man sich klar machen, dass diese unbefriedigende Situation nicht dadurch bedingt ist, dass die jeweiligen gewählten Bürger ’schuldhaft ungenügend‘ sind, sondern diese Situation ist so, weil die geltende Verfassung diesen Zustand in einer endlichen Welt erzwingt; wie immer wir es drehen und wenden wollen: 37 gewählte Vertreter werden sich immer in der Situation vorfinden, in der die verfügbaren Mittel vorne und hinten nicht ausreichen werden, egal welche Bürger gewählt werden.

WAS KÖNNEN WIR TUN?

Möchte man zumindest versuchen, etwas zu tun, dann kann man sich die Tatsache zu Nutze machen (siehe Bild ‚Lösungsprozess…‘), dass die gewählten Bürger in der Gemeindevertretung (GV) zwar von der Verfassung autorisiert sind, ‚repräsentativ‘ zu entscheiden (d.h. ohne Rücksicht auf ’spezielle Bedürfnisse von Bürgern‘ nehmen zu müssen), dass sie aber zugleich auch dem ‚Wohl des Volkes‘ verpflichtet sind, und zwar in aller erster Linie, unabhängig von ihrem aktuellen Parteiprogramm! Was aber ist das ‚Wohl des Volkes‘?

Da kein einzelner Mensch in einer Demokratie beanspruchen kann, es alleine bessere zu wissen als alle anderen, spielen also ‚die Anderen‘ eine wichtige Rolle. Da es in einer ‚endlichen Welt‘ nicht möglich ist, immer ‚alle anderen‘ einzubeziehen, braucht man eine ‚pragmatische Lösung‘ durch die zumindest die Möglichkeit besteht, ’so viele wie möglich, die wollen‘, in den Prozess einer ‚Lösungssuche‘ zu einer ‚Menge von Aufgaben‘ einzubeziehen (siehe BILD).

BILD : Lösungsprozess mit Erweiterungsmöglichkeiten. Dies ist wie folgt zu verstehen: Im ‚Normalfall‘ tagt die Gemeindevertretung (GV, Standard), behandelt ihre Aufgabenstellung und beschließt Lösungen. Es steht der Gemeindevertretung aber frei, den Prozess ihrer ‚Lösungssuche‘ freiwillig zu erweitern, indem sie Erweiterte Sitzungen vereinbart, in denen sowohl die offizielle Gemeindevertretung (GV, Standard) sich engagiert, wie auch Bürger, die an der Lösungssuche mitwirken wollen (GV, Experimentell). Dies werden immer nur einige wenige Bürger sein (GV, experimentell, partiell). Solche ‚optional erweiterte‘ Sitzungen sind natürlich in mehrfachem Sinne ‚Risiko behaftet‘, bieten allerdings auch eventuell eine ‚Vergrößerung des Lösungspotentials‘. Ein noch anderer Ansatz besteht darin, dass die Bürger selbst eine ‚Simulierte Gemeindevertreter Sitzung‘ organisieren, bei der die ‚echten‘ Gemeindevertreter wie alle anderen auch als Bürger teilnehmen können (GV, Experimentell, partiell). Diese ‚optionalen Sitzungen‘ haben keinerlei verbindlichen Charakter für die Lösungen der normalen Gemeindevertretung. Wenn in diesen optionalen Sitzungen Lösungen entstehen, die von einer Mehrheit als ‚gut‘ betrachtet werden, kann die normale GV entscheiden, ob sie diese übernimmt.

Es ist den gewählten Bürgern — den Gemeindevertretern — frei gestellt, ob sie sich auf solche ‚erweiterten Lösungs-Such-Modelle‘ einlassen wollen oder nicht. Es ist einer GV freigestellt, ihre ‚Lösungsprozesse‘ so zu öffnen, dass möglichst viele Bürger auf unterschiedlichste Weise so teilnehmen können, dass in konkreter Interaktion mit den interessierten Bürgern eine möglichst große Bandbreite dessen sichtbar wird, was für die Lösung der Aufgabe wichtig ist bzw. sein kann. Letztlich muss auch dann die GV entscheiden, aber die Entscheidungsbasis kann auf Erweiterung des Verfahrens der Lösungs-Suche erheblich differenzierter ausfallen und mit mehr Qualität angereichert sein.

EINE STRATEGIE DER VERÄNDERUNG ?

Will die GV ihren Prozess der Lösungs-Suche erweitern, dann muss man natürlich vorab die Frage beantworten, wie denn überhaupt ein ‚besseres Verfahren‘ der Entscheidungsfindung aussehen könnte, damit man aktuelle Entscheidungsprozesse verbessern kann.

Gleichzeitig wird man davon ausgehen müssen, dass man nicht einen ‚laufenden Betrieb‘ einfach mal so ‚umbaut‘. Dadurch würden die normalen Prozesse empfindlich gestört; ein zu großes Risiko.

Ein erprobtes Veränderungsmodell wäre hier die Einführung einer parallelen ‚experimentellen Struktur‘, in der man versucht, alle wichtigen Anforderungen einer realen Gemeindevertretung aufzugreifen, mit allen realen Daten, unter Beachtung der offiziellen ‚Regeln‘ der Verfassung, die aber im Falle von Fehlern kein Unheil anrichten würde, im Gegenteil: alle Beteiligten würden aus Fehlern sehr viel Lernen können! Solch eine parallele experimentelle Struktur könnte eben ein ‚Demokratie Labor‘ sein, das solche Experimente erlaubt.

Ein erstes Konzept

für die konkrete Ausgestaltung eines Demokratie-Labors für die Realisierung einer experimentellen Gemeindevertretung (GV, Experimentell, partiell) findet sich im folgenden Beitrag: https://www.oksimo.org/2024/12/02/demokratie-labor-beispiel/

DEMOKRATIE – Eine Anleitung zur Selbsthilfe

(Letzter Eintrag: 4.Oktober 2024)

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: info@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themas ‚Demokratie @ Work‘ im Rahmen des Themas ‚Demokratie‘.

Eine Anleitung zur Selbsthilfe

Demokratische Lebensform

Dieser Text handelt von Menschen, die in einer Demokratie leben, und die mit möglichst vielen anderen eine möglichst gute Politik für die Zukunft machen wollen, für unsere Zukunft, zusammen mit möglichst vielen anderen, die mit uns diesen Planeten teilen.

Ausgangspunkt ist die Demokratie in Deutschland, die ihren ‚genetischen Code‘ im Grundgesetz abgelegt hat. Ein genetischer Code kann sich ändern, so auch das Grundgesetz. Aber wir arbeiten erst mal mit dem, was wir haben.

In unserem Fall leben wir in einem konkreten Ort im Bundesland Hessen, im Main-Kinzig Kreis (MKK), in 61137 Schöneck. Alle Menschen in Deutschland haben so einen Ort, ihren Ort, ihre Gemeinde. Und da das Leben in einer Gemeinde viele Gemeinsamkeiten mit anderen Gemeinden aufweist, kann man voneinander lernen, wenn man will 🙂

Das Grundgesetz GG gilt für die ganze Bundesrepublik. Die Gesetze eines Bundeslandes sind dem GG untergeordnet; sie können viele speziellen Sachverhalte enthalten, dürfen aber in keinem Punkt dem GG zuwiderlaufen. Entsprechendes gilt für die gesetzlichen Regelungen für die einzelnen Kommunen. Dennoch gibt es mindestens einen inhaltlichen Unterschied: die jeweiligen gewählten Vertreter auf Bundes- Landes- und kommunaler Ebene behandeln auf jeder Ebene die hier ‚typischen‘ Themen. Auf kommunaler Ebene finden sich beispielsweise Themen wie:

  • Stadtplanung und Bauwesen
  • Schulangelegenheiten (z. B. Bau und Instandhaltung von Schulen)
  • Öffentliche Infrastruktur (Straßen, Abwasser, Parks)
  • Örtliche Verkehrspolitik
  • Müllabfuhr und Abfallmanagement
  • Lokale Sicherheitsfragen (zum Beispiel über die kommunale Polizei oder Ordnungsämter)
  • Kulturelle Angebote und Sporteinrichtungen.

Keine Kommune lebt im ‚luftleeren Raum‘ sondern ist immer Teil einer größeren Einheit. Daher muss sie in ihren Planungen — speziell mit ihrer ‚Zukunftsplanung‘ — überörtliche Gegebenheiten berücksichtigen. Dazu gehören Aspekte wie z.B. Bauleitplanung, Bürgerbeteiligung, Klimaschutz, demographischer Wandel und die Finanzplanung.

Akteure der Macht

Im Rahmen von Demokratien ist es eher nicht üblich, über ‚Macht‘ zu sprechen. Doch durch die Festsetzung der Entscheidungsstrukturen im Sinne des GG wird letztlich aber genau dies geregelt: Wer darf Wann Welche Anforderungen festlegen?

Jene, die das können, sind in der Perspektive des GG die ‚gewählten Vertreter‘.Diese gibt es auf allen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene. Ihre Rolle als Gemeindevertreter in einer Kommune ist von zentraler Bedeutung für die lokale demokratische Ordnung und die Verwaltung des öffentlichen Lebens. Die Gemeindevertretung ist das Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltung. Neben der Aufgabe, das Gemeindeleben durch Beschlüsse zu gestalten, kommt ihnen auch die Aufgabe zu, die Umsetzung der Beschlüsse durch den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin und die Verwaltung zu überwachen. Im Gegensatz zur Bundes- oder Landesebene haben Gemeindevertreter die Chance, im direkten Kontakt die Bürger in ihre Überlegungen einzubeziehen. Durch ihre Verantwortung auch für die langfristige Entwicklung der Gemeinde hat die Tätigkeit der Gemeindevertreter immer auch direkte Auswirkungen auf zukünftige Generationen.

Für jene Bürger, die gewählt werden, ist das ‚Mandat‘ (der Auftrag) charakteristisch, welches der gewählte Vertreter durch die Wahl erhält. Durch dieses Mandat haben sie im Sinne der repräsentativen Idee des Grundgesetzes die Befugnis, Entscheidungen eigenständig zu treffen, ohne dass sie ständig die Zustimmung der gesamten Bevölkerung einholen müssen. Zugleich sind sie verpflichtet, ihre Entscheidungen transparent zu machen und im Interesse der Allgemeinheit zu handeln.


Rolle des Wissens

Die bisherigen Punkte charakterisieren die Rolle der gewählten Vertreter hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der ‚Macht‘: Wann darf Wer Welche Entscheidungen verbindlich fällen. Nun ist es aber so, dass jedwede Art von Entscheidung ein ‚geeignetes Wissen’ voraus setzt, mittels dessen man wissen kann, welches Ziel mit welchen Mitteln durch welche Aktionen erreicht werden kann.

Der Anteil der Gemeindevertreter an der Gesamtbevölkerung ihrer Kommune beträgt in Deutschland im Schnitt zwischen 0.6% bei kleinen Gemeinden und 0.05% bei großen Gemeinden.

Auch wenn es jetzt im Rahmen der Gemeinde eine Vielzahl von Mitteln gibt, durch welche die Gemeindevertretung sich Wissen beschaffen kann (z.B. von der Verwaltung, von externen Gutachtern und Experten, durch Ortsbeiräte, durch Weiterbildung und vieles mehr), so müssen letztlich doch die einzelnen Gemeindevertreter selbst all dieses Wissen einordnen und bewerten. Da jeder Gemeindevertreter ‚als Mensch‘ deutlich begrenzt ist in der Verarbeitung der Menge und der Komplexität von Wissen, folgt aus diesem Sachverhalt, dass die Problemlösungskompetenz einer Gemeindevertretung objektive Grenzen aufweist. Diese Grenzen sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur. Aufgrund der nicht vermeidbaren Vielzahl der Themen, die begrenzte Zeit und die kognitiven Kapazitäten der Vertreter kann dies dazu führen, dass Entscheidungen suboptimal sind. Dies ist weniger eine Frage von fehlendem Engagement oder schlechten Absichten, sondern eine strukturelle Herausforderung, die auf die Komplexität moderner Verwaltung und die Begrenzungen menschlicher Entscheidungsfindung zurückzuführen ist.

Es stellt sich angesichts dieser Sachlage die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, diesen immer deutlicher werdenden ‚Flaschenhals‘ der angemessenen Wissensverarbeitung zu verbessern?

Der ganze übrige Text handelt von dem Versuch, diese Engstelle der Wissensverarbeitung innerhalb der demokratischen Prozesse in der Kommune zu analysieren, nach möglichen Lösungen zu suchen, und diese dann auch – zumindest ansatzweise – auszuprobieren.

Jenseits von Macht und Wissen …

Aus dem Alltag weiß jeder, dass ‚Macht‘ und ‚Wissen‘ alleine nicht ausreichen, unser Verhalten zu erklären.

Für einen einzelnen Bürger kann z.B. auch die körperliche Verfasstheit eine Rolle spielen, unterschiedliche Emotionen, Beziehungen zu anderen Menschen, die persönlichen Finanzen, ein aktuelles Arbeitsverhältnis, die Umgebung in der man lebt, die Technologien welche wir nutzen, unbewusste Vorurteile, Gewohnheiten, wichtige Ziele und Erwartungen, …. die Liste ließe sich leicht erweitern.

Ergänzend zu dieser individuellen Perspektive verfügen wir Menschen aber auch über Methoden und Strategien, um viele Menschen auf einmal zu beeinflussen, und dies alles ohne direkte Gewalt. Jeder weiß um den Einsatz von Werbung, um das Kaufverhalten zu beeinflussen. Sehr subtil auch die Manipulation von Medien und die Verbreitung von falschen Geschichten (‚fake news‘). Der gezielte Einsatz von PR (‚Public Relations‘), um die Wahrnehmung von Firmen und Geschäftsinteressen gezielt zu manipulieren. Die Umsetzung einer ‚kulturellen Hegemonie‘, durch die Vielfalt unterdrückt wird. Oder auch der Einsatz von ‚hybrider Kriegsführung‘ landesweit, in ganzen Erdteilen, um komplette Gesellschaften zu destabilisieren. … auch hier ist die Aufzählung leicht erweiterbar.

Diese Themen sollen andeuten, dass eine umfassende Beschreibung des Geschehens in einer Kommune sich nicht auf Macht und Wissen alleine reduzieren lässt. Warum dann diese Fokussierung auf Macht und Wissen?

Herausforderung Zukunft

Die gewählte Fokussierung ergibt sich aus der Perspektive einer möglichen Zukunft… falls wir überhaupt an einer Zukunft für möglichst viele Menschen interessiert sind, zusammen mit all dem anderen Leben, mit dem wir uns diesen Planeten teilen..

Wenn wir nicht einfach nur abwarten wollen, was vielleicht geschieht, geschehen wird, dann müssen wir uns in die Lage versetzen, ein solches ‚Wissen‘ zu entwickeln, das es uns erlaubt, aufgrund der Erfahrungen der Gegenwart und Vergangenheit ‚belastbare Prognosen‘ für eine mögliche Zukunft zu generieren, mittels deren wir unser alltägliches Handeln entsprechend ausrichten können.

Für diese Fähigkeit der Generierung belastbarer Prognosen für eine mögliche Zukunft spielt ‚Wissen‘ eine zentrale Rolle. Was immer wir auch an unterschiedlichen Gefühlen, Bedürfnissen, Beeinflussungen, persönlichen Beziehungen oder Machtverhältnisse gerade haben, ohne ein geeignetes Wissen können wir uns quasi nur ‚im Kreis drehen‘, werden wir ‚die Zeit verstreichen lassen’, ohne dass wir gezielt Schritte für eine mögliche lebbare Zukunft unternehmen können.

Da der Planet Erde, auf dem wir aktuell leben, ein physikalisches System ist, das seinen eigenen Gesetzen folgt unabhängig von unseren Plänen, und ebenso auch das übrige Leben auf dem Planeten ohne uns, täglich, stündlich seinen eigenes Überleben sucht, kann ein ‚planloses weiter so‘ von uns mögliche Katastrophen nicht verhindern; eher werden diese durch ‚Planlosigkeit‘ noch beschleunigt.

Bei aller Vielfalt der möglichen Faktoren, die unser Verhalten beeinflussen können und tatsächlich ja auch täglich beeinflussen, besteht als zentrale Herausforderung eines gemeinsamen Überlebens auf diesem Planeten die zentrale Notwendigkeit, uns jenes Wissen zu beschaffen, das alleine uns in die Lage versetzen kann, über belastbare Prognosen ein wenig Orientierung für mögliche Zukünfte erlangen zu können.

Die Umsetzung eines solchen – letztlich sehr kostbaren — ‚Zukunftswissens‘ in geeignete Handlungen wird alles von uns fordern: alle unsere Emotionen, unsere sozialen Fähigkeiten, eine leistungsfähige Technologie und … eben alles. Niemand ist auf diesem Planeten dazu da, für sich alleine glücklich zu sein. Ein solches ‚Alleine‘ erscheint im Blick ‚auf das große Ganze‘ eher als ein sehr verhängnisvoller Irrtum.

GRUNDBEGRIFFE: Nachhaltige Entwicklung – Empirische Theorie – Kommune – Spielen

(11.April 2023 – 16.Mai 2023)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Lehrprojektes ‚Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung‘ im Sommersemester 2023.

GRUNDBEGRIFFE

Mit ‚Grundbegriffen‘ sind hier jene begrifflichen Kontexte gemeint, die für den ‚Verstehenshorizont‘ des Lehrprojekts wichtig sind. In ihnen bündeln sich eine Vielzahl von Annahmen, die ihre Wurzeln in unterschiedlichen Lebens- und Denkbereichen haben.

ZUSAMENFASSUNG

Mit Bezug auf die ‚Biologie‘, hier besonders mit Bezug auf die ‚Entwicklungs-Biologie‘, werden anhand der dynamischen Struktur des Phänomens ‚Leben‘ auf dem Planet Erde jene Eigenschaften hervorgehoben, die sich für ein zukunftsfähiges Leben auf der Erde als wichtig erwiesen haben. Zentral war lange Zeit die Fähigkeit, die biologischen Strukturen materiell so verändern zu können, dass die ‚Passung‘ einer Population zur jeweiligen Umgebung einen für einen ‚Fortbestand hinreichend gut‘ war. Mit dem — evolutionsgeschichtlich — erst ‚kürzlichem‘ Auftreten der Teilpopulation homo sapiens vor ca. 300.000 Jahren wurde eine neue Fähigkeit verfügbar: ’sprachbasierte Kommunikation‘. Diese neue Fähigkeit veränderte das Format der Anpassung an eine mögliche Zukunft radikal. Das Leben auf der Erde konnte sich ansatzweise aus der ‚Gefangenschaft der rein materiellen Strukturänderungen‘ befreien. Mit der Entdeckung des sprachbasierten Konzepts von ‚fiktiver Theorie‘ und dann ‚empirischer Theorie‘ erlangte das Leben auf der Erde über die Teilpopulation homo sapiens die neue Fähigkeit, erfahrungsbasiert komplexe mögliche zukünftige Szenarien des Lebens im Denken und Handeln vorweg zu nehmen. Im Fortschreiten der kulturellen Musterbildungen entstand in den letzten ca. 50 Jahren im Rahmen der Völkergemeinschaft der Vereinten Nationen ein erstes weltweites Bewusstsein über den Sachverhalt globaler Vernetzungen, globaler Entwicklungen, deren Verstehen und Gestaltung das Zusammenwirken aller Menschen weltweit bedarf. Bei aller Globalität benötigt solch ein Zusammenwirken aber auch die ‚konkreten Orte‘, wo jeder einzelne ‚verortet‘ ist: Regionen und Kommunen. Im Konkreten entscheidet sich, was global geschieht, wie auch das Lokale nicht unabhängig vom Globalen ist. Das, was alle Ebenen ansatzweise verknüpfen kann, das ist eine geeignete nachhaltige Theorie. Das Medium, in dem Menschen zusammen all das lernen und ausprobieren können, was die Inhalte einer Theorie ausmacht, ist das ‚Format Spiel‘ in Korrespondenz zur Theorie.

LEBEN ALS GRUND-MODELL NACHHALTIGER ENTWICKLUNG

In den letzten Jahren gewinnt der Begriff ‚Nachhaltig‘ und ‚Nachhaltige Entwicklung‘ innerhalb der Gesellschaft immer mehr Bekanntheit, vielleicht sogar ‚Popularität‘, ja, auch, eine ‚Bedeutung‘ für unser tatsächliches Planen und Handeln.

Was für manche wie eine Art ‚Neuentdeckung‘ wirken mag, gar eine wirkliche ‚Innovation‘ zu sein scheint, ist aber — so lehrt uns die Wissenschaft — eine Eigenschaft, die für das ‚Leben‘ auf diesem Planeten Erde von den frühesten Anfängen an ein ‚Standard‘ war, der wesentlich zum Begriff des Lebens dazu gehört.

Da sich das Phänomen ‚Leben‘ vielen verschiedenen Wissenschaften darbietet und jede Wissenschaft ‚ihr Bild‘ davon zeichnet, ist es schwer, einen gemeinsamen ‚Bedeutungskern‘ zu ermitteln, aber es gibt so eine Art ‚Kernbestand‘, den die meisten akzeptieren (siehe. [4], [5]).

Danach gibt es ‚Leben‘ seit mindestens 3.5 Mrd Jahren auf dem Planet Erde, eher sogar noch früher (vgl. [3a]).

Wie die Biologie mit ihren vielen Teildisziplinen seit mehr als 100 Jahren herausarbeiten konnte [18], unterscheidet man grob zwischen dem ‚Genotyp‘ und dem ‚Phänotyp‘ [17], wobei der Genotyp für einen Pool jener ‚Informationen‘ steht, die bei der Reproduktion einer Zelle wesentlich dafür sind, welches Ergebnis die Hervorbringung einer neuen Zelle in ihrer konkreten Ausprägung (Phänotyp) hat. Aufgrund dieser flexiblen Grundstruktur war das Leben zu allen Zeiten in der Lage, ’sich selbst‘ kontinuierlich zu ‚verändern‘. Die vielen Faktoren, die bei diesem dynamischen Veränderungsprozess mitwirken, bilden ein komplexes Netzwerk von kausalen Beziehungen, das zwar immer besser verstanden wird, aber das bei weitem noch nicht völlig geklärt ist.

Wichtig ist allerdings der Aspekt, dass das sich ‚Reproduzieren‘ und das in einer sich permanent ändernden Umgebung ‚im Spiel halten‘ nicht verstanden werden kann, wenn man nur die einzelnen Exemplare einer Lebensform betrachtet, sondern immer nur das einzelne Exemplar als Teil einer Population, innerhalb der die einzelnen Exemplare auf vielfältige Weise miteinander interagieren! Es trifft hier das harte ‚Paradox‘ zu, das sich mit den Worten umschreiben lässt: „Einer alleine ist nichts, aber das Ganze gibt es nur, weil es jeden einzelnen gibt!“

Diese ‚Interaktionen‘ findet man sowohl auf der Ebene des Genotyps wie auch auf der Ebene des Phänotyps.

Fragt man sich, was denn die zentrale Eigenschaft im Rahmen einer Reproduktion ist, die für das Ganze der Population den entscheidenden Faktor für eine nachhaltige Entwicklung bildet, dann wird man ins Leere laufen, solange man nicht die ‚übergreifende Funktionalität‘ versteht, die in dem Gesamtprozess ‚eingebettet‘ ist und die ein Lebewesen dazu befähigt, die ‚Bedeutungslosigkeit einer Gegenwart‘ in eine ‚potentiell bedeutungsvolle Zukunft‘ zu verwandeln.

FUNDAMENTAL: DIE ÜBERWINDUNG DER GEGENWART

Dazu ist es wichtig, dass man sich klar macht, dass ‚Zukunft‘ kein ‚Objekt‘ ist, das irgendwie konkret in einer jeweiligen Umgebung vorkommt. Es kann zwar — vielleicht — irgendwann eine konkrete Situation geben, die für ein Lebewesen etwas repräsentiert, was in seiner Struktur und in seinen Prozessen ‚potentiell vorhanden war‘, aber dieses ‚potentiell Vorhandensein‘ ist kein reales Objekt, sondern dieses sind ‚bestimmte interne Zustände‘ des Lebewesens, die geeignet sind, dass ein Lebewesen durch sie sein Verhalten so steuern kann, dass es mit dazu beiträgt, dass irgendwann in der realen Umgebung eine Umgebungssituation entsteht, die dann als ‚Realisierung jener internen Zustände‘ gesehen werden kann, die eine ‚potentielle Situation‘ repräsentiert haben.

Im einfachsten Fall sind diese ‚internen Zustände‘ molekulare Eigenschaften des genetischen Informationspools, die sich ergeben haben, und deren ‚Übersetzung‘ in ‚Prozesse‘ und neue ‚Zellstrukturen‘ zu einem individuellen Lebewesen führen, das so vorher noch nicht da war. Einige ’neue Verhaltensweisen‘ werden dadurch evtl. möglich und diese sind — im positiven Fall — dafür geeignet, dass das Lebewesen in der jeweiligen Umgebung ‚überlebt‘ oder gar ‚besser‘ leben kann.

In der Regel nützen solche ’neue Eigenschaften‘ aber nur dann etwas, wenn das jeweilige Lebewesen zusammen mit den Artgenossen in der aktuellen Umgebung ‚gemeinsam besser‘ leben kann.

Diese internen Eigenschaften, die potentiell neue Strukturen repräsentieren, bilden die ‚Gegenwart‘ nicht 1-zu-1 ab, sondern sie ‚repräsentieren‘ die jeweilige Gegenwart in bestimmten Eigenschaften auf meist recht allgemeine Art. Und sie bilden nicht ‚die‘ Gegenwart ab, sondern ‚ganz viele verschiedene Gegenwarten‘, die ‚aufeinander folgen‘ und die sich als ‚veränderlich‘ zeigen. So kann aus einem Repräsentanten einer Gegenwart G1 der Repräsentant einer Vergangenheit V1 werden, und in der Menge der verschiedenen Repräsentanten können ‚Beziehungen sichtbar‘ werden, die in einer ‚Vorher-Nachher‘ Beziehung ‚Veränderungen‘ aufleuchten lassen können.

Wieweit sich im molekularen Detail der genetischen Informationsstrukturen zeitliche Veränderungsbeziehungen tatsächlich auswirken und wie genau, das dürfte aktuell in der Forschung noch nicht völlig geklärt sein. Klar ist nur, dass die Dynamik des molekularen Repräsentations- und Kombinationssystems das Potential besitzt, eine gegenwärtige Struktur durch Veränderung in eine ’neue‘ Struktur zu überführen.

ZUKUNFTS-VERSTÄRKER SPRACHE

Während sich die einfachen Lebensformen ihre mögliche ’neue Zukunft‘ nur durch Strukturveränderungen im Bereich ihrer molekularen Strukturen erkämpfen können (was vielfältige Formen von Interaktionen zwischen den internen molekularen Strukturen und sie umgebende Prozesse mit einschließt), können komplexe Lebensformen — am intensivsten bislang der Homo sapiens (wir Menschen) — durch das System einer ‚Sprache‘ sowohl die ‚Ausdrucksstärke‘ ‚potentieller Strukturen‘ gewaltig vergrößern, wie aber auch die ‚Geschwindigkeit ihrer Erzeugung‘.

Die Sprache ist ein recht junges ‚Subsystem des Gehirns‘ [3c], das es einem Lebewesen ermöglicht, eine Reihe von ‚internen Zuständen‘, die normalerweise einem anderen Lebewesen nicht direkt zugänglich sind, durch Zwischenschaltung des Systems Sprache in solche Elemente ‚abbilden‘ zu können, die äußerlich wahrnehmbar sind (Laute, Zeichen, Gesten, …). Und da alle Mitglieder einer Lebensform, die über das Subsystem Sprache verfügbar, über das gleiche Subsystem verfügen, können Lebewesen mit dem Subsystem Sprache sich nicht nur über das vorliegen eines internen Zustands ‚austauschen‘ (‚Kommunikation‘), sie können sich darüber hinaus aufgrund solcher sprachlicher Austauschprozesse auch begrenzt ‚koordinieren‘. Dies ermöglicht einen radikalen Evolutionsschub, wie wir ihn in der Geschichte des Lebens seit dem Auftreten des Homo sapiens beobachten können.({2],S.454f, [3c])

Durch diese ‚Sichtbarmachung‘ interner Zustände eines Lebewesens für Kommunikation und Koordination ergaben sich bahnbrechende Entwicklungen wie die Erfindung der ‚Schrift‘, des ‚Buches‘, der ‚Bibliothek‘ oder dann die weitere Erfindung ‚digitaler Medien‘, wodurch nicht nur die ‚Speicherung‘ und die ‚Vervielfältigung‘ von sprachlichem Ausdruck einen gewaltigen Schub bekam, sondern mit ‚digitalen Maschinen‘ wurden auch neue Formen der ‚automatisierten Bearbeitung‘ von Sprache möglich. Allerdings geht mit der ‚digitalen Revolution‘ eine zunehmende ‚Verwirrung‘ einher, da die neuen digitalen Technologien die ‚Wurzel der Sprache‘, ihre ‚Schnittstellenfunktion‘ zwischen ‚Innerem‘ und ‚Äußerem‘ immer mehr aus dem Blick gerät. Dies kann zu einer Art ‚Entfremdung des Menschen von sich selbst‘ führen, was dann kontraproduktiv wäre.

ZUKUNFTS-VERSTÄRKER THEORIE

Die Sprache ermöglicht die Bildung ganz neuartiger Strukturen in alle Richtungen. Allerdings weiß jeder, dass nicht jeder Gedanke automatisch ‚brauchbar‘ ist für die Beschreibung einer ‚möglichen Konstellation‘ für einen zukünftigen Zeitpunkt. Auf der einen Seite ist die Menge möglicher Zustände in einer möglichen Zukunft zwar generell viel größer als alles, was wir mit dem Wissen einer bestimmten Zeit bewusst ‚denken‘ können, aber die Menschheit hat in den letzten 500 Jahren schrittweise gelernt, dass es eine Reihe von Phänomenen in dieser Welt gibt, denen eine gewisse ‚Regelhaftigkeit‘ zukommt. Und wenn man diese Regelhaftigkeit ‚entdecken‘ kann, dann kann man diese Beobachtungen in Form von ‚Veränderungs-Regeln‘ mittels Sprache festhalten und sie bis zu einem gewissen Grad als ‚Handlungsanleitungen‘ benutzen. Dieses ‚Beobachten‘ der Welt mit Blick auf ‚Regelhaftigkeiten‘ und deren Nutzung für ‚Voraussagen‘ wahrscheinlicher zukünftiger Zustände hat sich zu einem ‚kulturellen Muster‘ verdichtet, das wir ‚Empirische Wissenschaft‘ nennen.

Das vorausgehende Schaubild macht die Kernelemente einer empirischen Theorie deutlich:

  1. Man muss sich auf eine ‚Ausgangssituation‘ einigen, die man gemeinsam so beschreibt, dass alle zustimmen können, dass der Text einer tatsächlichen Situation entspricht.
  2. Man braucht eine Menge von Veränderungs-Regeln, die beschreiben, wie bei einer bestimmten Menge von Eigenschaften, die vorliegen, diese sich so verändern können, dass bestimmte Eigenschaften ’neu‘ dazu kommen und andere — möglicherweise — verschwinden.
  3. Man braucht dann eine ‚Vereinbarung‘, wie man Veränderungs-Regeln so ‚anwendet‘, dass genau dieser erhoffte Effekt eintritt (Logiker sprechen hier von einem ‚Folgerungsbegriff‘).
  4. Der neue Zustand, der durch Anwendung von Veränderungs-Regeln neu entsteht, wird dann zum neuen Ausgangspunkt für eine mögliche weitere Anwendung von Veränderungs-Regeln.
  5. Auf diese Weise kann eine ganze ‚Folge‘ (‚Serie’/ ‚Reihe‘ …) von Zuständen zustande kommen, die zusammen einen ‚Prozess‘ repräsentieren, der — im idealen Fall – zu einem neuen Zustand führt, der nach bestimmten Kriterien als ‚besser‘ gewertet wird als der Ausgangszustand; im negativen Fall tritt der ‚erwartete neue Zustand‘ ’nicht ein‘.

An dieser Stelle ist wichtig, den Unterschied zwischen einer ‚Empirischen Theorie (ET)‘ und einer ‚Nachhaltigen Empirischen Theorie (NET)‘ zu verdeutlichen. Eine empirische Theorie umfasst eigentlich ’nur‘ Veränderungs-Regeln, die das Erzeugen eines bestimmten Nachfolge-Zustands erlauben. Ob dieser Zustand ‚gut‘ oder ’nicht gut‘ ist ist nicht Gegenstand einer empirischen Theorie. In der Alltagswelt der Menschen braucht man aber Anhaltspunkte, ob ein bestimmter Zustand nun ‚eher besser‘ oder ‚eher schlechter‘ ist, da man ansonsten nicht weiß, in welche Richtung man sich weiter engagieren sollte.

Um solche ‚Bewertungen‘ wie ‚eher besser‘ oder ‚eher schlechter‘ vornehmen zu können, benötigt man ‚Präferenz-Regeln‘ durch die eine Gesellschaft sich festlegt, was sie ‚besser‘ oder ’schlechter‘ findet.

Kombiniert man eine empirische Theorie mit solchen Präferenz-Regeln, dann kann man eine empirische Theorie (ET) in eine nachhaltige empirische Theorie (NET) verwandeln. Man kombiniert dann das empirische ‚Veränderungswissen‘ mit einem normativen ‚Präferenz-Wissen‘ so, dass man jederzeit entscheiden kann, ob ein Prozess in einem ‚erstrebenswerten‘ Zustand geendet hat oder nicht.

An diesem Beispiel kann man auch sehen, dass Wissen ‚kein Selbstzweck‘ ist sondern ein Instrument ist, um die Menschen zu unterstützen, eher jene Zustände zu finden, die ‚erstrebenswert‘ sind oder eben nicht.

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG UND MENSCHLICHE ZIVILISATION – DIE STIMME DER VEREINTEN NATIONEN

Wie schon eingangs erwähnt ist das Leben auf diesem Planeten schon immer grundsätzlich ’nachhaltig‘, so sehr, dass es mehr als 3.5 Mrd Jahre in der Lage war, die teilweise dramatischen Änderungen der Verhältnisse auf dem Planet Erde zu überstehen.

Wir Menschen als Lebensform ‚Homo sapiens‘ haben einerseits von dieser Überlebensform profitiert, andererseits verfügt die Lebensform ‚Homo sapiens‘ über einige dramatisch neue und leistungsfähige Eigenschaften, die ihn in die Lage versetzen, anders, schneller und radikaler die Verhältnis auf dem Planeten Erde zu verändern, so, dass sich die Anzeichen verdichten, dass der Mensch die Grundlagen des gesamten Lebens, insbesondere seines eigenen Lebens, schrittweise irreparabel zerstört.

Allerdings, man muss nüchtern sehen, dass die Lebensform Homo sapiens überhaupt ‚lernen‘ musste, wie sie ist, was sie kann, und wie sie mit dem übrigen Leben eigentlich zusammenhängt. Grob gesprochen kann man sagen, dass der Homo sapiens ca. 300.000 Jahre gebraucht hat, um jetzt ansatzweise zu verstehen, wer er ist, was er tut, und welche unfassbaren Wirkungen er erzeugt hat und permanent erzeugt. Vor diesem Hintergrund kann man die Geschichte der Vereinten Nationen mit ihren Konferenzen zur Nachhaltigkeit verstehen als ein langsames ‚kulturelles Bewusst werden‘ seiner selbst und seiner Wechselwirkung mit der Umwelt, mit dem Planeten Erde.

Die Einschätzung der Texte der Konferenzen — hier beginnend mit dem sogenannten Brundtland Reporrt von 1987 [9] — variiert stark. Diese Texte bilden auch keine ‚Theorie‘ im klassischen Sinne, sie sind nicht unbedingt einheitlich, nicht konsistent, aber man kann sich bei ihrer Lektüre nicht des Eindrucks entziehen, dass hier Menschen, Völker, Nationen darum ringen, wie man die Lage einzuschätzen hat und was zu tun ist. Dabei wird auch ganz deutlich, dass hier nicht alle Beteiligten nur darauf warten, los zu legen oder genau das zu tun, wovon die Dokumente sprechen. Zu unterschiedlich sind die Ausgangslagen der verschiedenen Nationen, Völker, Kulturen, Menschen.

Der Autor dieses Textes versteht den sogenannten Brundtland-Report als den aufschlussreichsten Text für das Gesamtprojekt. Die sehr populären ’17 Entwicklungsziele‘ [10,11] wirken zwar vielfältig, aber man tut sich schwer in ihnen eine klare Linie, ein klares Gesamtkonzept zu erkennen.

17 TEILZIELE NACHHALTIGER ENTWICKLUNG. ES GIBT MEHR …

Zudem kann man unschwer erkennen, dass viele andere Ziele, die eigentlich wichtig sind, unter diesen 17 Entwicklungs-Zielen nicht vorkommen. Ganz zentral z.B. das Thema ‚Bevölkerung‘: alle anderen Ziele hängen von der Größe Bevölkerung ab; allein die Beschaffenheit der Bevölkerungsstrukturen kann darüber entscheiden, ob ganze Regionen oder gar Kontinente in unlebbaren Zuständen versinken. Diesen zentralen Begriff nicht gemeinsam zu reflektieren und entsprechende Modelle zu erarbeiten, entzieht fast allen anderen Begriffen die konkrete Grundlage!

ZIELE BRAUCHEN EINEN ORT UND AKTEURE: DIE KOMMUNE

Das Reden von ‚Zielen‘ und deren ‚Einlösung‘ verlangt nach ‚Akteuren‘, die sich um die Einlösung der Ziele kümmern. Wo findet man diese Akteure?

Letztlich sind es wir alle, und wir alle haben irgendwo auf diesem Planeten einen Ort (bisweilen auch mehrere), wo wir ‚im Alltag‘ leben. Diese alltäglichen Orte sind die Kommunen, die Dörfer und Städte.

In einem Deutschen Bundesland — hier Hessen — gibt es als ‚Menge von Spielregeln‘ für die Organisation einer Gemeinde die ‚Gemeindeordnung (HGO)‘ [13], die dann durch zahlreiche andere Verordnungen noch ergänzt wird bzw. ergänzt werden kann (z.B. die ‚Hauptsatzung‘ [14] oder die ‚Geschäftsordnung‘ für die gewählte ‚Gemeindevertretung‘ [15]).

Die Basis jeder Gemeinde (Kommune) sind die ‚Einwohner‘, jene Menschen, die in der Gemeinde eine Wohnung haben, bzw. die ‚Bürger‘, das sind jene Einwohner, die auch ‚wählen‘ dürfen.

In regelmäßigen Wahlen wird eine bestimmte Anzahl von ‚Gemeindevertretern‘ gewählt, die die ‚Gemeindevertretung‘ bilden, und parallel wird separat der ‚Bürgermeister‘ gewählt. Mitglieder der Gemeindevertretung und der Bürgermeister bilden zusammen den ‚Gemeindevorstand‘. Wahlunabhängig gibt es die ‚Gemeindeverwaltung‘, die von allen drei Gremien auf unterschiedliche Weise bestimmt oder geleitet wird.

Die ‚Schnittstellen‘ zwischen Einwohnern und den politisch gewählten Vertretungen (samt Verwaltung) sind sehr vielfältig.

Ein ungelöstes Problem ist heute die Herausforderung, dass die Welt nicht nur ’schneller‘, sondern auch ‚komplexer‘ geworden ist und dass die zahlenmäßig kleine Gruppe der gewählten Gemeindevertreter mit ihren Kompetenzen alleine kaum in der Lage sind, die täglichen Aufgaben umfassend gut bewältigen zu können, speziell dann nicht, wenn diese Aufgaben — was nicht selten ist — für ihre Umsetzung 10 und mehr Jahre benötigen.

Auf der anderen Seite repräsentiert die Menge aller Einwohner ein großes Reservoir an Erfahrung und Wissen. Allein durch aktives Wählen wird dieser Schatz an Erfahrung und Wissen nicht angemessen genutzt. Es fragt sich, wie ein neues konstruktives Verhältnis zwischen Bürgern und ihren gewählten Vertretern aussehen könnte?

GEGENWART ÜBERWINDEN durch ‚THEORIE‘ und ‚SPIEL‘

Nach all diesen Vorüberlegungen stellt sich die praktische Frage, was denn eine Gruppe von Bürgern — eventuell zusammen mit gewählten politischen Vertretern — konkret tun könnte, um in ihrer Kommune konkrete Zukunftsarbeit zu leisten.

Wenn diese Arbeit auf eine Entwicklung abzielt, die wirklich nachhaltig sein soll, tatsächlich wichtige mögliche Zustände einer möglichen Zukunft adressieren möchte, dann gilt nach den bisherigen Vorüberlegungen, dass die Vorgehensweise dieser Bürger die ‚Form einer empirischen Theorie‘ haben sollte. Nur so wäre die größt mögliche Garantie gegeben, dass man sich mit Entwicklungsprozessen beschäftigt, die auf begründete Veränderungs-Regeln gründen. Zusätzlich gilt — das folgt aus der Evolution und aus dem Brundtland-Report — dass ‚Vielfalt (‚Diversity‘) von hoher Bedeutung ist; denn neben dem Wissen, das versucht sich im Rahmen einer empirischen Theorie abzusichern, gibt es auch die objektive ‚Begrenztheit‘ allen verfügbaren Wissens. Um nicht ‚Opfer der eigenen Begrenztheit‘ zu werden bedarf es daher eine ‚Vielfalt‘ an Menschen aus möglichst vielen Lebenssituationen, die Erfahrungen, Gedanken und Emotionen mit ins Spiel bringen, die vielleicht die ‚gewohnten Denkmuster‘ aufbrechen können.

Aus der Geschichte des menschlichen Lernens wissen wir, dass die älteste und erfolgreichste Form des Lernens das ‚Spielen‘ ist. Hier spielt Kreativität und spielen Emotionen neben dem Wissen immer eine wichtige Rolle.

Es ist von daher letztlich nicht überraschend, dass sich aufzeigen lässt, dass die Struktur einer empirischen Theorie — sogar in der erweiterten Form einer ’nachhaltigen empirischen Theorie‘ –sich Struktur-äquivalent zur Form des ‚Spielens‘ verhält.[19]

Im vorausgehenden Schaubild wird dies selbsterklärend verdeutlicht. Auf der Basis dieser Erkenntnis kann man daher im Alltag einer Kommune und auch im Alltag von Forschung und Lehre als Grundform das Format des ‚Spielens‘ wählen und es dazu benutzen, um in beliebig vielfältigen Formen gemeinsam ’nachhaltige empirische Theorien‘ zu all jenen Problemen zu entwickeln, die sich im Alltag für einer Kommune stellen.

AUSBLICK

Die zuvor geäußerten Gedanken werden aktuell sowohl im Rahmen der universitären Lehre angewendet wie auch im Rahmen von Experimenten mit neuen Formen der Bürgerbeteiligungen, die durchweg offen sind für eine direkte Kooperation mit den gewählten politischen Vertretern und der Verwaltung der Gemeinde.

Kritik und Anregungen zu diesen Gedanken sind willkommen: info@oksimo.org

ANMERKUNGEN

wkp := Wikipedia, de := Deutsch, en := Englisch

[1] Siehe ‚Universum‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Universum, Zitat: Das Alter des Universums ist aufgrund von Präzisionsmessungen durch das Weltraumteleskop Plancksehr genau gemessen: 13,81 ± 0,04 Milliarden Jahre.“

[2] Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink, Evolutionsbiologie, 3.rev.Aufl., Springer Spektrum, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2013

[3] Peter Sitte, Symbiogenese in der Zell- und Lebensevolution, Exkurs 3.1. in [1], SS.234 – 245,

[3a] Zitat: „Es hat demnach schon vor mehr als 3,5 (vermutlich sogar 4) Mrd Jahren Leben auf unserem Planeten gegeben.“(S.234)

[3b] Wichtige Arbeitshypothese: Als wichtiger Motor der Evolution wird angenommen: stabile intertaxonomische Kombinationen, Mutation, Genetische Rekombination und horizontaler Gentransfer (vgl. [1],S.245)

[3c] Uwe Jürgens, Sprache, in: [2], SS.456-460.Jürgens grenzt die Entstehung von Sprache im modernen Sinn ein auf das Zeitfenster nach 2.6 Mio und 50.000 Jahen vor uns.

[4] Siehe ‚Leben‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Leben , Zitat: Leben ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl materieller Erscheinungen (Systeme) in der Natur, die sich in einem ständigen, geregelten Austausch von Energie, Materie und Informationen befinden. Diese Prozesse werden je nach Betrachtungsweise als unterschiedliche reale oder zugeschriebene Eigenschaften beschrieben, die sich unverwechselbar von der unbelebten Umwelt unterscheiden. Über diese Eigenschaften und ihre Entstehung oder ihren Umfang – ob selbst erhaltend und organisierend oder von göttlichen Kräften geschaffen und gelenkt – besteht allerdings keine Einigkeit, weder innerhalb der Wissenschaften noch unter Philosophen oder in den Religionen. 1999 führte der israelische Chemiker Noam Lahav 48 verschiedene Definitionen von Experten der letzten 100 Jahre auf.

[5] Siehe ‚Lebewesen‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Lebewesen , Zitat: Lebewesen sind organisierte Einheiten, die unter anderem zu Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit, Wachstum und Evolution fähig sind. Lebewesen prägen entscheidend das Bild der Erde und die Zusammensetzung der Erdatmosphäre (Biosphäre). Neuere Schätzungen lassen vermuten, dass 30 Prozent der gesamten Biomasse der Erde auf unterirdisch lebende Mikroorganismen entfallen. Rezente Lebewesen stammen immer von anderen Lebewesen ab (Abstammungstheorie). Über die Entstehung von Lebewesen aus abiogenen Vorformen wird intensiv geforscht. Zu den ältesten Spuren irdischer Lebewesen gehören insbesondere die Stromatolithen. Die Biologie untersucht die heute bekannten Lebewesen und ihre Evolution sowie die Grenzformen des Lebens (z. B. Viren) mit naturwissenschaftlichen Methoden.“

[6] Siehe ‚System‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/System , Zitat: Als System (altgriechisch sýstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird etwas bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und damit von anderem abgrenzbar sind.

Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs, da die Bedeutungszuweisung je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich ist. Demnach ist auch der vorhergehende Satz eine Abstraktion im Sinne eines größten gemeinsamen Nenners. … In unterschiedlichen Fachgebieten werden spezifische Begriffsverwendungen vorgeschlagen, diskutiert und angewendet. Viele Systeme haben völlig andersartige Eigenschaften als die Komponenten, aus denen sie bestehen. Wenn sich diese neuen Qualitäten nicht allein aus dem funktionalen Zusammenwirken der Teile – „von unten“ betrachtet – erklären beziehungsweise vorausberechnen lassen, handelt es sich um emergente Eigenschaften. Sofern keine Beziehungen der genannten Art zwischen den Teilen eines Ganzen bestehen, handelt es sich nicht um ein System, sondern um bloße Mengen, Haufen oder Stoffgemische; auch wenn die konstruierte Anordnung der Teile einer bestimmten Systematik unterliegt und als „System“ bezeichnet wird (Beispiele: biologische Systematik, Periodensystem der Elemente).“

[7] Siehe ‚Evolution‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution , Zitat Unter Evolution (von lateinisch evolvere „herausrollen“, „auswickeln“, „entwickeln“) versteht man im deutschsprachigen Raum in erster Linie die biologische Evolution. Darunter wird die von Generation zu Generation stattfindende allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen und von anderen organischen Strukturen (z. B. Viren) verstanden. Das Lehr- und Forschungsgebiet der Evolution wird als Evolutionsbiologie bezeichnet und unterliegt, wie viele andere Wissenschaften, einem kontinuierlichen Erkenntnisfortschritt. Hierzu können insbesondere neue Einsichten durch die Entdeckung neuer Fossilien oder die Anwendung neuer Forschungsmethoden beitragen. Das Themenfeld der Evolution wurde zuweilen unterteilt in die Evolutionsgeschichte, in der die Veränderungen der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte beschrieben werden und bei dem es Überlappungen mit der Paläontologie gibt, sowie in die Evolutionstheorie, die naturwissenschaftliche Erklärungen (Hypothesen und Theorien) für das Gesamtphänomen der Evolution entwickelt. Die beiden Ansätze sind heutzutage in der Wissenschaft innig miteinander verwoben und befruchten sich wechselseitig. Wissenschaftler beschäftigen sich ebenfalls im Rahmen der theoretischen Biologie mit der biologischen Evolution. Die theoretische Biologie als interdisziplinäres Teilgebiet der Biologie entwickelt mathematische Modelle und führt statistische Hypothesentests und Laborexperimente durch, um den Erkenntnisgewinn zu fördern.

[8] Siehe ‚Evolutionsbiologie‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolutionsbiologie , Zitat: Die Evolutionsbiologie ist ein Teilbereich der Biowissenschaften. Sie untersucht das Evolutionsgeschehen im Laufe der Erdgeschichte bis heute sowie die Evolutionsfaktoren. Zentrale Problemstellungen moderner Evolutionsbiologie sind

  • die Rekonstruktion der stammesgeschichtlichen Abläufe der Organismen,
  • das Zusammenspiel der Evolutionsfaktoren untereinander und mit der Umwelt
  • sowie die Evolution der Genomsysteme, die in enger Wechselbeziehung zu den jeweiligen Trägerorganismen stehen.

Die Evolutionsbiologie ist eng mit anderen Wissenschaftsdisziplinen verknüpft, z. B. Geologie, Paläontologie, Ökologie, Biogeographie, Anatomie/Morphologie, Physiologie, Biochemie, Verhaltensbiologie, Molekularbiologie und Genetik.

[9] UN. Secretary-General;World Commission on Environment and Development, 1987, Report of the World Commission on Environment and Development : note / by the Secretary General., https://digitallibrary.un.org/record/139811 (accessed: July 20, 2022) (In einem besser lesbaren Format: https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf) Anmerkung: Gro Harlem Brundtland (ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen) war die Koordinatorin von diesem Report. 1983 erhielt sie den Auftrag vom Generalsekretär der UN einen solchen Report zu erstellen, 1986 wurde er übergeben und 1987 veröffentlicht. Dieser Text enthält die grundlegenden Ideen für alle weiteren UN-Texte.

Zitat aus dem Vorwort: The fact that we all became wiser, learnt to look across cultural and historical barriers, was essential. There were moments of deep concern and potential crisis, moments of gratitude and achievement, moments of success in building a common analysis and perspective. The result is clearly more global, more realistic, more forward looking than any one of us alone could have created. We joined the Commission with different views and perspectives, different values and beliefs, and very different experiences and insights. After these three years of working together, travelling, listening, and discussing, we present a unanimous report.“ und „Unless we are able to translate our words into a language that can reach the minds and hearts of people young and old, we shall not be able to undertake the extensive social changes needed to correct the course of development.

Zitat aus dem Abschnitt ‚Sustainable Development‘:

„27. Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. The concept of sustainable development does imply limits – not absolute limits but limitations imposed by the present state of technology and social organization on environmental resources and by the ability of the biosphere to absorb the effects of human activities. But technology and social organization can be both managed and improved to make
way for a new era of economic growth. The Commission believes that widespread poverty is no longer inevitable. Poverty is not only an evil in itself, but sustainable development requires meeting the basic needs of all and extending to all the opportunity to fulfil their aspirations for a better life. …

28. Meeting essential needs requires not only a new era of economic growth for nations in which the majority are poor, but an assurance that those poor get their fair share of the resources required to sustain that growth. Such equity would be aided by political systems that secure effective citizen participation in decision making and by greater democracy in international decision making.
29. Sustainable global development requires that those who are more affluent adopt life-styles within the planet’s ecological means – in their use of energy, for example. Further, rapidly growing populations can increase the pressure on resources and slow any rise in living standards; thus sustainable development can only be pursued if population size and growth are in harmony with the changing productive potential of the ecosystem.
30. Yet in the end, sustainable development is not a fixed state of harmony, but rather a process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development, and institutional change are made consistent with future as well as present needs. We do not pretend that the process is easy or straightforward. Painful choices have to be made. Thus, in the final analysis, sustainable development must rest on political will.“

[10] Die 17 Entwicklungsziele der Vereinigten Nationen (2015): https://sdgs.un.org/goals, Zitat: The 2030 Agenda for Sustainable Development, adopted by all United Nations Member States in 2015, provides a shared blueprint for peace and prosperity for people and the planet, now and into the future. At its heart are the 17 Sustainable Development Goals (SDGs), which are an urgent call for action by all countries – developed and developing – in a global partnership. They recognize that ending poverty and other deprivations must go hand-in-hand with strategies that improve health and education, reduce inequality, and spur economic growth – all while tackling climate change and working to preserve our oceans and forests.

The SDGs build on decades of work by countries and the UN, including the UN Department of Economic and Social Affairs

[11] UN, Transforming our world: the 2030 Agenda for
Sustainable Development: https://sdgs.un.org/2030agenda, Zitat: This Agenda is a plan of action for people, planet and prosperity. It also seeks to strengthen universal peace in larger freedom. We recognise that eradicating poverty in all its forms and dimensions, including extreme poverty, is the greatest global challenge and an indispensable requirement for sustainable development. All countries and all stakeholders, acting in collaborative partnership, will implement this plan. We are resolved to free the human race from the tyranny of poverty and want and to heal and secure our planet. We are determined to take the bold and transformative steps which are urgently needed to shift the world onto a sustainable and resilient path. As we embark on this collective journey, we pledge that no one will be left behind. The 17 Sustainable Development Goals and 169 targets which we are announcing today demonstrate the scale and ambition of this new universal Agenda. They seek to build on the Millennium Development Goals and complete what these did not achieve. They seek to realize the human rights of all and to achieve gender equality and the empowerment of all women and girls. They are integrated and indivisible and balance the three dimensions of sustainable development: the economic, social and environmental.“ (Zuletzt: 8.April 2023)

[12] UN, Transforming our world: the 2030 Agenda for
Sustainable Development, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N15/291/89/PDF/N1529189.pdf?OpenElement (Zuletzt: 8.April 2023)

[13] Hessische Gemeindeverordnung (HGO), siehe: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-GemOHE2005V9IVZ (zuletzt: 11.April 2023)

[14] Gemeinde 61137 Schöneck: Hauptsatzung von 2021: https://www.schoeneck.de/rathaus-politik/aktuelles/amtliche-bekanntmachungen/2021/hauptsatzung-der-gemeinde-schoeneck/

[15] Gemeinde 61137 Schöneck, Gemeindevertretung – Geschäftsordnung (GO): https://www.schoeneck.de/rathaus-politik/service/satzungen/geschaeftsordnung-fuer-die-gemeindevertretung-und-die-ausschuesse.pdf?cid=321

[16] Gerd Doeben-Henisch, Dez.2022, NACHHALTIGE EMPIRISCHE THEORIE – VERSCHIEDENE FORMATE: THEORIE – SPIEL – THEATERSTÜCK, https://www.oksimo.org/2022/12/14/nachhaltige-empirische-theorie-verschiedene-formate/

[17] Siehe ‚Phänotyp‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Ph%C3%A4notyp , Zitat: „Der Phänotyp (von altgriechisch φαίνω phaíno „ich erscheine“ und τύπος týpos „Gestalt“) oder das Erscheinungsbild ist in der Genetik die Menge aller Merkmale eines Organismus. Er bezieht sich nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und ggfs. auf Verhaltensmerkmale. In der Vererbungslehre wurde der Begriff Phaenotypus erstmals von Wilhelm L. Johannsen aufgestellt. Phänotypen und phänotypische Variationen werden durch das Zusammenwirken von Erbanlagen und Umweltfaktoren (Modifikation) bestimmt. Inwieweit der Phänotyp durch Umwelteinflüsse beeinflussbar ist, hängt von der Reaktionsnorm ab. Diese Möglichkeit, auf Umwelteinflüsse zu reagieren, ist durch den Genotyp genetisch festgelegt. Verfahren, mit denen Rückschlüsse vom Erbgut, d. h. der individuellen Desoxyribonukleinsäure (DNS), auf den Phänotyp eines Individuums geschlossen werden, werden DNA-Phänotypisierung genannt.“

[18] Siehe ‚Biologie‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Biologie , Zitat: „Biologie (von altgriechisch βίος bíosLeben“ und λόγος lógos hier: „Lehre“, siehe auch -logie) oder historisch auch Lebenskunde ist die Wissenschaft von der belebten Materie, den Lebewesen. Sie ist ein Teilgebiet der Naturwissenschaften und befasst sich sowohl mit den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Lebendigen als auch mit den Besonderheiten der einzelnen Lebewesen: zum Beispiel mit ihrer Entwicklung, ihrem Bauplan und den physikalischen und biochemischen Vorgängen in ihrem Inneren. Im Fach Biologie wird in zahlreichen Teilgebieten geforscht. Zu den ganz allgemein auf das Verständnis des Lebendigen ausgerichteten Teilgebieten gehören insbesondere Biophysik, Genetik, Molekularbiologie, Ökologie, Physiologie, Theoretische Biologie und Zellbiologie. Mit großen Gruppen der Lebewesen befassen sich die Botanik (Pflanzen), die Zoologie (Tiere) und die Mikrobiologie (Kleinstlebewesen und Viren). Die Betrachtungsobjekte der Biologie umfassen u. a. Moleküle, Organellen, Zellen und Zellverbände, Gewebe und Organe, aber auch das Verhalten einzelner Organismen sowie deren Zusammenspiel mit anderen Organismen in ihrer Umwelt. Diese Vielfalt an Betrachtungsobjekten hat zur Folge, dass im Fach Biologie eine Vielfalt an Methoden, Theorien und Modellen angewandt und gelehrt wird. Die Ausbildung von Biologen erfolgt an Universitäten im Rahmen eines Biologiestudiums, von Biologie-Lehramtsstudierenden zumindest zeitweise auch im Rahmen der Biologiedidaktik.In neuerer Zeit haben sich infolge der fließenden Übergänge in andere Wissenschaftsbereiche (z. B. Medizin, Psychologie und Ernährungswissenschaften) sowie wegen des interdisziplinären Charakters der Forschung neben der Bezeichnung Biologie weitere Bezeichnungen für die biologischen Forschungsrichtungen und Ausbildungsgänge etabliert wie zum Beispiel Biowissenschaften, Life Sciences und Lebenswissenschaften.“

[19] Anmerkung: Den Begriff ‚Empirische Theorie‘ gibt es weder in der wkp-de noch in der wkp-en! Da der Begriff der ‚empirischen Theorie‘ der harte Kern des modernen Wissenschaftsbegriffs ist (eng verbunden mit moderner Logik und Mathematik) kann man sich fragen, was es heißt, dass über ‚Wissenschaft‘ geredet wird, ohne dass man den Begriff ‚empirische Theorie‘ benutzt (und dies gilt nahezu für die gesamte Wissenschaftswelt, nicht nur für die Welt-Enzyklopädie Wikipedia).

Buchprojekt: oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien. Ein philosophischer Essay

(Letzte Änderung: 6.November 2022 – 31.Januar 2023)

Email: gerd@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Autoren sind Gerd Doeben-Henisch, unterstützt von Tobias Schmitt, und andere. Für Details siehe die jeweiligen Textabschnitte.

STRUKTUR DES BUCHES

(Letzte Änderung: 24.Januar 2023)

Während des Schreibens wird deutlich, dass es schwierig ist, den konkreten Inhalt zu Beginn des Schreibens vorweg zu nehmen! Die ‚Wissenswolke‘, aus der heraus dieses Buch geschrieben wird, ist kein statisches Objekt, sondern ein Raum von ‚flüchtigen (‚transienten‘) Ereignissen‘, die – im ersten Moment, aus der Nähe betrachtet – wie ‚feste Inhalte‘ erscheinen, aber sie sind nur momentane Gleichgewichtszustände in einem vielfältigen Netzwerk von Denkprozessen, die alle gleichzeitig, weitgehend unbewusst (so wie unser Gehirn arbeitet), ablaufen und sich ‚gegenseitig‘ beeinflussen. So kann es passieren, dass sich in einem ‚lebendigen Denken‘ diese flüchtigen Zustände immer wieder ’neu schreiben‘. Die ‚Wahrheit‘ ist dann der Gesamtprozess, der sich mit einzelnen empirischen Ereignissen ‚verbinden‘ kann. Manche mögen sich durch diesen Zustand ‚beunruhigt‘ fühlen, andere dagegen fühlen sich ‚befreit‘, weil sie zu ahnen beginnen, dass Erkennen, Verstehen, Wahrheit einer ganz anderen Dimension angehören als die scheinbar ‚klaren, abgegrenzten, festen Tatsachen‘.

An dieser Stelle könnte man versucht sein, den jahrtausendealten philosophischen Begriff ‚Geist‘ (griechisch: ‚pneuma‘, ‚πνευμα‘) zu verwenden, um dieses schwer fassbare ‚Mehr‘ an Wissen zu bezeichnen, aber das würde nicht viel helfen, den ganzen Sachverhalt vielleicht sogar verkomplizieren, da man dann mit einem ‚bekannten Wort‘ etwas in Beziehung setzt, das dem klassischen griechischen Denken, das damals den ‚Kontext seines eigenen Denkens‘ nicht kannte und nicht kennen konnte, ’nicht verständlich‘ war.

Anmerkung: Dieser ’strukturelle Mangel‘ ändert nichts an der Tatsache, dass die klassischen griechischen Autoren mit einer geistigen Brillanz glänzen, die jeden berühren kann, der versucht, selbst zu denken. Ich selbst bin unter anderem sehr beeindruckt von den Texten, die Aristoteles zugeschrieben werden. Jede Minute, die man sich in seine Texte vertiefen kann, ist ein ‚Geschenk an das Denken‘.

IDEE DES BUCHES

(Letzte Änderung: 3.Januar 2023)

ANFANGEN

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

(1) Was man für ein minimales Szenario annehmen muss.

Ausgangspunkt Alltag – Damit Menschen gemeinsam beliebige Probleme beschreiben können …

(2) Die ‚Innenseite‘ der ‚Außenseite‘ – ein paar Hinweise (Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

Hinter der Oberfläche (Außenseite) unseres Körpers befindet sich eine Galaxie von Zellen – Sie sind Zeugen einer Entwicklung von ca. 3.5 Milliarden Jahren auf dem Planet Erde – Sie sind unser Bindeglied zu allem anderen Leben auf der Erde …

(3) Die ‚Innenseite der Außenseite‘, Teil 2 – weitere Überlegungen (Letzte Änderung: 18.Januar 2023)

Die menschliche Zell-Galaxie ist nicht formlos: hinter der ‚Oberfläche‘ kann man im ‚Innern‘ zahllose Strukturen mit unterschiedlichen Funktionen erkennen – Dies alles zu beschreiben verlangt nach einer gemeinsamen Sprache, deren wahre Natur uns selbst während des Sprechens nicht wirklich ‚bewusst‘ ist …

(4) Sprache und Strukturen – Die Fiktion eines ‚Seins‘ (Letze Änderung: 31.Januar 2023)

Zentrale Rolle der Kommunikation für die Koordinierung einzelner Gehirne – eine Hauptrolle spielt die sprachliche Kommunikation – die Phänomenen unserer Sprache lassen viele Strukturen erkennen, die sich im Sprechen-Hören manifestieren: Wahrnehmungen, abstrakte Strukturen, Bedeutungsbeziehungen – Das Körperinnere als ‚Außenwelt‘ für das Gehirn – Stimmungen, Gefühle, Emotionen – Empirische und subjektive Bedeutungen – Dreidimensionaler Raum – Zeit: Vorher, Nachher, faktisch, analytisch – Veränderungsbeschreibungen – Kontext von Veränderungsbeschreibungen – Sein: real und virtuell

EINFÜHRENDE BEISPIELE mit ersten Reflexionen

ALLTAGSSZENEN

(Letzte Änderung: 5.Dezember 2022)

VERNETZTE SYSTEME

(Letzte Änderung: 15.November 2022)

  • Bevölkerung
  • Wasser
  • Vernetzung von Bevölkerung und Wasser (Welt 1)
  • Ernährung
  • Vernetzung Welt 1 mit Ernährung (Welt 2)
  • Rohstoffe
  • Vernetzung von Welt 2 mit Rohstoffe (Welt 3)
  • Energie
  • Vernetzung von Welt 3 mit Energie (Welt 4)

ERKLÄRUNGSBOXEN

(Letzte Änderung: 24.November 2022)

  • Welt, Raum, Zeit (Letzte Änderung: 24.Nov 22)
  • Zeichensysteme
  • Alltagssprache
  • Formale Sprachen
  • Akteure
  • Metasprache
  • Logik
  • Formale Theorien
  • Empirische Theorien
  • System
  • Dynamisches System
  • Vernetzte Systeme
  • Eingebettete Systeme

OKSIMO.R PHILOSOPHIE

(Letzte Änderung: 15.November 2022)

  • Reale Welt und sprachliche Beschreibung
  • Wahr, falsch, unbestimmt
  • Akteure: Menschliche und andere
  • Kommunikative Prozesse
  • Virtualisierung von Welt im Akteur
  • Wettbewerb der ‚Träume‘
  • Emotionen regieren den Verstand
  • ‚Locked In‘ – Eingeschlossen sein
  • Rettung nur durch Fehler und Katastrophen?
  • Evolution findet statt
  • Die ‚geistige Materie‘
  • Epilog
  •  

ANWENDUNG – LEHRE

(4.November 2022 – 2.Februar 2023)

KONTEXT

Diese LEHR-Anwendung ist Teil des Themas Anwendungen.

Zum Konzept ‚Citizen Science für Nachhaltigkeit‘

Nach 5 Semestern Vorlauf unter dem Titel ‚Kommunalplanung & Gamification. Labor für mehr Bürgerbeteiligung‘ hat das Dozenten-Team Gerd Doeben-Henisch, Hans-Jürgen Schmitz und Tobias Schmitt von der Frankfurt University of Applied Sciences (FUAS) im Wintersemester 2022/23 die Lehrveranstaltung umbenannt in ‚Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung‘. Dies erfolgte unter dem Einfluss einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema ‚Nachhaltigkeit‘ und dem Wechselspiel mit der gesellschaftlichen Situation unter besonderer Berücksichtigung einer zunehmenden Digitalisierung gepaart mit einem stärker werdenden Einfluß von ‚Maschineller Intelligenz‘.[0]

Anwendungsperspektive

(Letzte Änderung: 2.Februar 2023)

Das Modul ‚Citizen Science für Nachhaltigkeit‘ versucht, aktuelle Strömungen der Weltgesellschaft aufzugreifen, und sie für eine Lehrveranstaltung nutzbar zu machen.

Für eine erste Orientierung sind die folgenden Begriffe von zentraler Bedeutung: ‚Nachhaltigkeit‘, ‚Empirische Theorie‘, ‚Nachhaltige Empirische Theorie‘, ‚Spiel‘ sowie ‚Citizen Science‘ (Bürgerwissenschaft).

Diese Themen werden in experimenteller Weise auf regionale Szenarien projiziert.

Nachhaltigkeit

Der Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ hat nicht zuletzt durch eine Serie von Konferenzen der Vereinten Nationen eine größere Bekanntheit bekommen. Am Beginn dieser Konferenzserie steht der — mittlerweile berühmte — ‚Brundtland Report‘ von 1987.[1] Im Brundtland Report hat eine internationale Kommission unter Leitung der damaligen Ministerpräsidentin Brundtland von Norwegen herausgearbeitet, unter welchen Bedingungen die Menschheit besser erkennen kann, wie eine mögliche zukünftige Welt aussehen müsste, die für alle Menschen lebenswert ist. Ein zentraler Punkt war darin, dass für die Klärung einer ‚Zukunft für alle‘ tatsächlich auch ‚alle Menschen‘ (die Bürger, Citizens) einbezogen werden müssen, da das vielfältige Wissen in der kleinen Schar der ‚institutionellen Experten‘ nicht ausreichend abgebildet wird. Hier liegt auch die Wurzel der Bedeutung des Begriffs ‚Diversity‘ (Vielfalt).[2]

Neben der ‚Diversity‘ (Vielfalt) erfordert ein ’nachhaltiges Denken‘ aber auch die Schlüsselkompetenz, auf der Basis des aktuellen Wissens ‚Voraussagen‘ (‚Prognosen‘) generieren zu können, anhand deren die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Stück weit in die ‚Zukunft‘ ‚voraus denken‘ können. Eine ‚mögliche Zukunft‘ existiert ja nicht als ein ‚Gegenstand‘, sondern nur in ‚unserem Denken‘ als ‚Möglichkeit‘. Denkerische Möglichkeiten sind mehr oder weniger vage, d.h. die ‚voraus gedachte Zukunft‘ muss durch den Gang der Ereignisse ‚bestätigt werden‘. ‚Vorausgesagte’/ ‚prognostizierte’/ ‚erhoffte‘ Zukunft ist daher immer mit einer gewissen ‚Unsicherheit‘ verknüpft.

(Nachhaltige) Empirische Theorie

Wenn man sich die Frage stellt, wie genau man sich das ‚Generieren einer Voraussage‘ vorzustellen hat, dann wird man auf das Konzept der modernen ‚Wissenschaft‘ verwiesen, das historisch in der Entwicklung der ‚empirischen Wissenschaft‘ gründet. Neben der ‚empirischen Wissenschaft‘ selbst, die in Europa grob im 16.Jahrhundert begann, gibt es auch von Anfang an eine philosophische Beschäftigung mit dem Thema, das gegen Ende des 19.Jahrhunderts, Anfang des 20.Jahrhunderts unter der Bezeichnung ‚Wissenschafts-Philosophie‘ bekannt wurde (in Deutschland auch gerne ‚Wissenschaftstheorie‘ genannt).

Von den vielen Namen, die hier zu nennen wären, gilt Karl Popper (1902 – 1994) als einer der populärsten Vertreter, wenngleich er von dem ‚Main Stream‘ in Wissenschaftsphilosophie deutlich abweicht. Besonders interessant ist sein ‚Spätwerk‘.[3],[4]. Einige Analysen zu Popper von Gerd Doeben-Henisch und dem Konzept einer empirischen Theorie finden sich in [5a-e].

Im Kern leistet eine empirische Theorie genau das, was man von ihr erwartet: Wenn eine Gruppe von Experten (Bürgern (Citizens)) in einem bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Raumgebiet Beobachtungen (Messungen) vorgenommen haben, dann kann es passieren, dass sie in der Menge der Beobachtungen typische Muster (Beziehungen) identifizieren können, die sich als ‚Veränderungen‘ interpretieren lassen. Wenn solche entdeckten ‚Veränderungs-Muster‘ stabil genug sind, kann man mit diesen ‚Voraussagen’/ ‚Prognosen generieren. Diese Voraussagen müssen nach einem bestimmten transparenten Schema erfolgen. Bis zu einem gewissen Grad kann man solche Veränderungs-Muster dann auch auf die erfolgten Prognosen selbst wieder anwenden. Eine solche wiederholte Anwendung von Veränderungs-Mustern nennt man dann eine ‚Simulation.‘

Im Kontext der Nachhaltigkeit ist solch eine empirische Theorie von unschätzbarem Wert, befähigt sie doch die Bürger, zumindest eine dunkle Ahnung von der herannahenden Zukunft zu gewinnen. Allerdings, was eine empirische Theorie nicht leisten kann: sie sagt den Bürgern nicht, welche der vielen erkennbaren Möglichkeiten nun ‚erstrebenswert‘ ist und welche nicht. An dieser Stelle sind die Bürger herausgefordert, miteinander zu klären, welche der erkennbaren prognostizierten möglichen Zukünfte für sie ‚erstrebenswert‘ sind.[6]

Diese Kombination von ‚empirischer Theorie‘ und zusätzlicher Qualifikation von ‚erstrebenswerten Prognosen‘ soll hier ‚Nachhaltige Empirische Theorie‘ genannt werden.

Spiel(en) als Modell einer nachhaltigen Empirischen Theorie

Wer den Überlegungen zu ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Empirischer Theorie‘ soweit gefolgt ist, und wer jemals in seinem Leben ‚gespielt‘ hat, der wird sofort verstehen, dass ‚ein Spiel spielen‘ nichts anderes ist, als eine ’nachhaltige empirische Theorie‘ beispielhaft zu praktizieren. Dies sei hier kurz verdeutlicht. (Siehe auch: [11])

  1. Als Ausgangslage (IST-Situation) dienen einer empirischen Theorie empirische Daten aus einem empirischen Szenario. Im Fall eines Spiels kann dies auch ein reales Szenario sein (Übungsplatz, Fußballplatz,…), es kann aber auch ein ‚Spielbrett‘ mit ‚Spielmaterial‘ sein, oder eine Menge von Karten, oder …
  2. Als Veränderungsregel dienen in einer empirischen Theorie ‚Gesetze‚, die sprachliche Beschreibungen von Formen von Veränderungen darstellen, die bei der Erforschung von realen Szenarien gefunden wurden. Im Spiel sind dies die Spielregeln, die festlegen, wie man eine vorgegebene Spielsituation verändern darf.
  3. Die ‚Anwendung von Gesetzen‘ im Rahmen einer empirischen Theorie wird durch spezielle ‚Anwendungsvorschriften geregelt, zu der auch ein ‚logisches Folgerungsverfahren‚ gehört. Im Rahmen eines Spiels wird die Anwendung der Spielregeln im Spiel in einer Spielanleitung geregelt. Diese legt fest, wann man welche Regel wie anwenden darf, um eine aktuelle Spielsituation verändern zu dürfen.
  4. Während im Fall einer empirischen Theorie der ‚zeitliche Ablauf‘ durch die ‚empirische Realität‘ selbst geregelt ist (die empirische Welt verändert sich unabhängig von der Theorie von alleine), muss im Fall eines Spiels ein zeitlicher Ablauf künstlich hergestellt werden. Normalerweise geschieht dies durch Spielrunden, in denen alle beteiligten Akteure (die Spieler) durch Befolgung der Spielregeln im Sinne der Spielanleitung geordnet handeln. Aufgrund der Anwendung der Spielregeln wird eine neue Anordnung von Spielmaterial auf dem Spielbrett erzeugt. Dadurch entsteht eine ‚Folge von aufeinander folgenden Spielsituationen, die den Spielverlauf verkörpern. Ein Spielverlauf entspricht im Kontext einer Theorie einer Simulation (= eine wiederholte Anwendung der Gesetze).
  5. Während in einer normalen empirischen Theorie nur ‚mögliche Prognosen‘ generiert werden können ohne ‚Bewertungen‘, können Bürger mit Hilfe von möglichen Prognosen versuchen, diese zu bewerten im Sinne von ‚eher vermeiden‘ oder ‚eher anstreben‘. In dem Moment, wo Bürger eine solche ‚Klassifikation‘ von ‚möglichen prognostizierten Zukünften‘ vornehmen, versuchen sie, sich für ein nachhaltiges Verhalten zu entscheiden. In einem ‚Spiel‘ liegt genau das vor: Neben Startsituation, Spielregeln und Spielanleitung sind bestimmte ‚mögliche Zukünfte‘ als ‚Gewinnsituation‘ ausgezeichnet. Insofern eignet sich das Spielformat hervorragend zur Simulation von Nachhaltigkeitskonzepten.

Citizen Science (Bürgerwissenschaft)

Bleibt noch kurz zu erläutern, warum der Begriff ‚Citizen Science (Bürgerwissenschaft)‘ in diesem Kontext benutzt wird. Wie schon die Erläuterungen zum Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ anklingen lassen, ist Nachhaltigkeit nur einlösbar, wenn ‚alle‘ Bürger mit ihren Erfahrungen und Wünschen beteiligt werden. Diese Beteiligung muss zusätzlich verknüpft sein mit der Anforderung, aus dem Wissen der Gegenwart ‚begründete Prognosen‘ ‚generieren zu können‘. Dies führt zum Konzept der empirischen Wissenschaft, das um die Dimension ‚Bewertung‘ ergänzt wird. Diese Kombination legt nahe, den Begriff der ‚Bürgerwissenschaft (Citizen Science)‘ neu zu prägen.

Von diesem umfassenden Konzept einer modernen Bürgerwissenschaft muss man jenes Konzept von Citizen Science abgrenzen, in dem die etablierten wissenschaftlichen Disziplinen sich der ‚Bürger‘ bedienen, um ihre Daten besser sammeln zu können.[7],[8]

Anwendung in einem Semesterkonzept

Es fragt sich, wie sich die zuvor eingeführten Konzepte ‚Nachhaltigkeit‘, ‚Empirische Theorie‘, ‚Nachhaltige Empirische Theorie‘, ‚Spiel‘ sowie ‚Citizen Science‘ (Bürgerwissenschaft) im Rahmen eines interdisziplinären Semesterprojekts praktisch nutzen lassen.[10]

Möglicher Semesteraufbau

Ein Semesteraufbau kann etwa wie folgt aussehen (Angenommen werden 8 Sitzungen mit jeweils zwei Doppelstunden):

  1. Bekanntwerden mit einem Thema (Sitzung 1)
  2. Vertraut werden mit dem Konzept ‚Theorie im Spielformat(Sitzung 2-3)
  3. Anwendung des Konzepts Spiel auf das eigene Thema (Sitzung 4-6)
  4. Testen des eigenen Spielentwurfs mit Hilfe anderer Teams (Sitzung 7)
  5. Bericht von den Ergebnissen mit Dokumentation des Spiels (Sitzung 8)

Überlegungen für eine mögliche Ausführung

In einem Kurs zur Nachhaltigkeit, in dem Teams lernen sollen, wie sie gemeinsam ein Thema nachhaltig angehen können, kommt es nicht darauf an, einen umfassenden Wissensstand zu entwickeln — was aufgrund der begrenzten Ressource Zeit praktisch nicht möglich ist — , sondern zu üben, wie ein Thema im Sinne der Nachhaltigkeit für einen nachhaltigen Handlungsprozess ‚aufgearbeitet‘ werden kann.

Dazu muss man sich klar machen, dass für ein nachhaltiges Verhalten folgende Schlüsselaufgaben gelöst werden müssen:

  1. Das Team muss sich einigen, in welchem räumlichen Bereich (Global, Kontinental, …) und für welchen Zeitraum es das vorgegebene Thema bearbeiten möchte.
  2. Das Team muss sich einigen, welche Ausgangslage (Startsituation) es für seine Analyse annehmen will.
  3. Das Team, muss sich einigen, welche Zielsituation es am Ende der gesetzten Zeitspanne ansetzen möchte.
  4. Das Team muss sich einigen, welche Art von Veränderungen es für seine Analyse akzeptiert.
  5. Das Team muss plausibel machen können, wie die angenommenen Veränderungen die Ausgangslage schrittweise in die Zielsituation überführt/ transformieren.

…. und Umsetzung in ein Spiel

Für die Umsetzung von aktuellem Wissen in ein Spiel empfiehlt sich dann ein inkrementelles Ausarbeiten. Man beginnt mit einem möglichst einfachen Szenario, das alle Elemente enthält: Ausgangslage, Spielregeln, Spielanleitung und ‚Gewinnkriterien‘ (= Ziel). Dann probiert man aus, wie diese Version Nr.0 funktioniert. Wenn man dann noch Zeit ‚übrig‘ hat und über weitere Informationen zum Thema verfügt, kann man diese erste Version Nr.0 erweitern zu Version 1. Und dies immer weiter, bis die verfügbare Zeit aufgebraucht ist.

Für potentielle ‚Spieler‘ des Spiels spielt es natürlich auch eine Rolle, ob das Spiel irgendwie ‚Spaß‘ macht, über ein Minimum an ‚Spannung‘ verfügt, und — natürlich — auch die Besonderheit des Themas erkenne lässt; letzteres verkörpert den Aspekt des Lernens.

und Testen

Für ein entwickelndes Team ist es wichtig, ein Feedback von ‚Anwendern‘ (Bürgern) zu bekommen. Im Idealfall schafft ein Team bis zur Sitzung 7 die Erstellung eines ersten spielbaren Prototyps ihres Spiels. Dann kann das Entwicklerteam sein Spiel von den anderen Teams testen lassen. Reicht die Zeit nicht aus, dann sollte mindestens ein ausgearbeitetes Konzept vorliegen, anhand dessen man abschätzen kann, wie das Spiel funktionieren würde. Dann würden die anderen Teams dieses Konzept bewerten. Mit solch einer qualifizierten Rückmeldung von ‚Anwendern‘ kann das Entwicklerteam sein Konzept/ sein Spiele-Prototyp weiter verbessern.

… Form einer Prüfung

In der Prüfung stellt das Team sein Spielkonzept vor und berichtet von seinem Lernprozess. Dazu gehört wesentlich ein Aufweis, wie die vorgegebene Problemsituation mit dem Spielkonzept und dem realisierten Spiel zusammen hängt.

Kommentare

[0] Siehe den Konferenzbericht von Gerd Doeben-Henisch (2023), REVIEW KONFERENZ: Partizipation und Nachhaltigkeit in der Digitalität, Zevedi-Konferenz des Projekts ‚Nachhaltige Intelligenz – Intelligenten Nachhaltigkeit‘, 7.-8.Dezember 2022, Fulda. URL: https://www.oksimo.org/2022/12/09/review-konferenz-partizipation-und-nachhaltigkeit-in-der-digitalitaet-7-8-dezember-2022/.

[1] UN. Secretary-General;World Commission on Environment and Development, 1987, Report of the World Commission on Environment and Development : note / by the Secretary-General., https://digitallibrary.un.org/record/139811 (accessed: July 20, 2022) (In einem besser lesbaren Format:  https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf) Anmerkung: Gro Harlem Brundtland (ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen) war die Koordinatorin von diesem Report.(Dieser Text enthält die grundlegenden Ideen für alle weiteren UN-Texte)

[2] Der Aspekt ‚Diversity‘ spiel außerdem seit ca. 3.5 Milliarden Jahre eine fundamentaler Rolle bei der Entwicklung des Lebens auf dem Planet Erde.

[3] Karl Popper, „A World of Propensities“,(1988) sowie „Towards an Evolutionary Theory of Knowledge“, (1989) in: Karl Popper, „A World of Propensities“, Thoemmes Press, Bristol, (1990, repr. 1995)

[4] Karl Popper, „All Life is Problem Solving“, Artikel, ursprünglich ein Vortrag 1991 auf Deutsch, erstmalig publiziert in dem Buch (auf Deutsch) „Alles Leben ist Problemlösen“ (1994), dann in dem Buch (auf Englisch) „All Life is Problem Solving“, 1999, Routledge, Taylor & Francis Group, London – New York

[5a] Gerd Doeben-Henisch, „WISSENSCHAFT IM ALLTAG. Popper 1988/1990“, Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.Februar 2022, URL: https://www.cognitiveagent.org/2022/02/16/wissenschaft-im-alltag-popper-1988-1990/

[5b] Gerd Doeben-Henisch, „WISSENSCHAFT IM ALLTAG. Popper 1989/1990“, Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.Februar 2022, URL: https://www.cognitiveagent.org/2022/02/19/wissenschaft-im-alltag-popper-1989-1990/

[5c] Gerd Doeben-Henisch, „WISSENSCHAFT IM ALLTAG. Popper 1991/1994 (1999)“, Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.Februar 2022, URL: https://www.cognitiveagent.org/2022/02/21/wissenschaft-im-alltag-popper-1991-1994-1999/

[5d] Gerd Doeben-Henisch, „POPPER – Objective Knowledge (1971). Summary, Comments, how to develope further“, eJournal: uffmm.org, ISSN 2567-6458, 07.March 22 – 12.March 2022, https://www.uffmm.org/2022/03/09/popper-objective-knowledge-1971-summary-comments-how-to-develope-further/

[5e] Gerd Doeben-Henisch, „POPPER and EMPIRICAL THEORY. A conceptual Experiment“, URL: eJournal: uffmm.org, ISSN 2567-6458, 12.March 22 – 16.March 2022, URL: https://www.uffmm.org/2022/03/12/popper-and-empirical-theory-a-conceptual-experiment/

[6] Im Jahr 2022 gilt es z.B. als erstrebenswert, die allgemeine Erhöhung der Erderwärmung unter 1.5 oC zu halten, oder die Biodiversität zu schützen, oder …

[7] Aya H.Kimura and Abby Kinchy (2016), Citizen Science: Probing the Virtues and Contexts of Participatory Research. In: Engaging Science, Technology, and Society 2 (2016), 331-361, DOI:10.17351/ests2016.099 (Den Hinweis auf diesen Artikel bekam ich von Athene Sorokowski)

[8] Warren Weaver, Science and the Citizens, Bulletin of the Atomic Scientists, 1957, Vol 13, pp.361-365. (Den Hinweis auf diesen Artikel bekam ich von Philipp Westermeier) Warren Weaver — einer der führenden Wissenschaftspromotoren in den USA der 50iger Jahre — hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Ursprünge der modernen Wissenschaft in einer quasi ‚Bürgerbewegung‘ im England des 16.Jahrhunderts zu finden sind. Die Aktivitäten dieser Bürgerbewegung führte dann zur späteren ‚Royal Society‘, gegründet 1660 in London; mittlerweile ist diese die älteste wissenschaftliche Gesellschaft der Welt. Weaver macht weiterhin darauf aufmerksam, dass wir in der Gegenwart eine ‚Entfremdung‘ zwischen den sich immer mehr vereinzelnden wissenschaftlichen Disziplinen (man spricht sogar schon von ‚Wissenschafts-Silos‘) und den Bürgern einer Gesellschaft feststellen kann. Eine lebendige Demokratie braucht aber eine lebendige interaktive Beziehung zwischen den Bürgern und der Wissenschaft. Dies erfordert neue Kommunikations- und Wissensformen.

[9] Gerd Doeben-Henisch, (2023), REVIEW KONFERENZ: PARTIZIPATION UND NACHHALTIGKEIT IN DER DIGITALITÄT, 7.-8.DEZEMBER 2022, URL: https://www.oksimo.org/2022/12/09/review-konferenz-partizipation-und-nachhaltigkeit-in-der-digitalitaet-7-8-dezember-2022/

[10] Neuauflage des Moduls ‚Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung‘ im SS2023 an der Frankfurt University of Applied Sciences.

[11] Hinweis auf eine Strukturelle Äquivalenz zwischen den Konzepten ‚Nachhaltige Empirische Theorie‘, ‚Spiel‘, und ‚Theaterstück‘ von Gerd Doeben-Henisch, 2023, NACHHALTIGE EMPIRISCHE THEORIE – VERSCHIEDENE FORMATE: THEORIE – SPIEL – THEATERSTÜCK, URL: https://www.oksimo.org/2022/12/14/nachhaltige-empirische-theorie-verschiedene-formate/ .

TEMPORÄRE VERDICHTUNG VON ZIELORIENTIERTER DIVERSER GEMEINSAMKEIT

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
24.Aug 2021 – 25.Aug 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themas OKSIMO WELTMODELL im oksimo.org Blog.

TEMPORÄRE VERDICHTUNG VON ZIELORIENTIERTER DIVERSER GEMEINSAMKEIT

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird zunächst der gesellschaftliche Anwendungskontext von oksimo umrissen. Dann folgt eine Charakterisierung des möglichen Outputs eines oksimo Kommunikationsprozesses: letztlich generiert ein oksimo Kommunikationsprozess ‚by design‘ eine empirische Theorie, die man simulieren (=testen), spielen und evaluieren kann. Durch die freie Wahl an Zielen, Abstraktionen und Konkretheiten bietet sich ein oksimo Kommunikationsprozess als ideales Werkzeug für eine experimentelle Zukunftsgestaltung an.

Vorbemerkung

Da das oksimo Projekt recht komplex ist, wundert es nicht, dass trotz all der schon geschriebenen Texte und der vielen Bilder und Videos immer wieder noch Fragen aufkommen, was denn oksimo genau ist. Bei der Vielzahl von Perspektiven kann es nicht nur eine Antwort geben, deswegen sei hier eine neue Antwort hinzugefügt, deren Gedanken sich unterschiedlichen Gesprächen verdanken.[1]

Forschungsprozesse/ Planungsprozesse

Typische Grundelemente von Planungsprozessen sind im Bild 1 angedeutet: ausgehend von einem Problem muss ein mögliches Ziel ermittelt werden, und dann muss ein Weg gefunden werden, auf dem es innerhalb gesetzter Eckwerte möglich ist, das Ziel real einzulösen.

BILD 1: Grundelemente eines Planungsprozesses

Ist die Bestimmung eines Zieles zu einer gegebenen Ausgangslage bzw. eines Weges eher Neuland, hat der ganze Prozess eher den Charakter von Forschung. Existieren schon praktisch verwertbare Erkenntnisse, hat das Ganze eher den Charakter eines normalen Planungsprozesses.

Ein eingeschränkte Blick nur auf den Planungsprozess kann dazu führen, dass man leicht übersieht, in welchem Umfeld solche Planungs- bzw. Forschungsprozesse stattfinden.

BILD 2: Im Netzwerk der vielen Weltbilder

Wie Bild 2 andeutet, reden wir zwar gerne von der realen Welt, vom realen Alltag, aber die wichtigsten Akteure des Alltags, wir Menschen, erleben den Alltag nur im Medium unserer Gehirnzustände, die zu jedem Zeitpunkt ein bestimmtes individuelles mentales Bild der Welt um uns herum zur Verfügung haben, hervorgegangen aus einer individuellen Lerngeschichte. Und schaut man sich die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an, dann hat jede von diesen ihr fachspezifisches Weltbild. Wie die Alltagserfahrung lehrt, ist eine Kommunikation zwischen oder über den verschiedenen Disziplinen eher schwierig wenn nicht gar weitgehend unmöglich. Zusätzlich gibt es im Alltag eine Vielzahl von gesellschaftlichen Institutionen (Ämter, Behörden, Kommunen, Landkreise, Bundesländer, …, Gerichte, Krankenhäuser, Pflegeheime, Bildungseinrichtungen, … Vereine, Firmen, …), wobei jede einzelne durch eine Vielzahl von Regeln definiert ist, die sich zudem in vielfältigen Rollen verdichten. Jede Institution repräsentiert eine bestimmte Form von sich selbst erschaffender Realität die sich wiederum in den mentalen Modellen der Beteiligten widerspiegeln.

Wenn also Menschen zusammen kommen, um Probleme in Lösungen zu überführen, Probleme zu erforschen oder Lösungen zu planen, dann bringen sie alle diese individuellen und fachspezifischen Weltbilder mit, dazu noch — je nach Zugehörigkeit zu einer Institution — spezifische Rollenmuster aus eben diesen Institutionen. Die tägliche Praxis des Planens und Forschens zeigt, dass bei Zunahme der Vielfalt (Diversität) ein Prozess an seiner Vielfalt ersticken kann.

BILD 3: Der oksimo Prozess als temporäre Verdichtung von zielorientierter diverser Gemeinsamkeit

Bild 3 deutet an, wo und wie sich ein durch die oksimo Software gestützter Handlungsraum in diesem Geflecht einordnen kann und sollte. Hier einige Punkte:

  1. Damit die Barriere für eine gemeinsame Kommunikation möglichst niedrig ist, sollte eine gemeinsame Sprache benutzt werden. Mit oksimo kann man die normale Sprache benutzen. Da oksimo nahezu jede normale Sprache erlaubt [2], können also Menschen aller Nationen direkt miteinander sprechen. Jede normale Sprache kann durch fachsprachliche Ausdrücke erweitert werden, z.B. auch durch Zahlausdrücke und Formeln. Diese Erweiterungen sind prinzipiell auch innerhalb von oksimo möglich, brauchen aber zusätzliche Entwicklungszeit.
  2. Damit die reale Vielfalt von Meinungen möglichst weitgehend in einen oksimo Diskurs Eingang finden kann, ist jeder Teilnehmer an einem oksimo Diskurs gleichberechtigt.
  3. Da ein wirkliches Vertrauen in einer Gruppe nur entstehen kann, wenn es völlige Transparenz gibt, sind alle Informationen einer Kommunikation allen Beteiligten zugänglich.
  4. Damit die gemeinsame Entwicklung einer Idee von möglichst wenig Strukturen behindert wird, kann das aktuelle Ergebnis der Kommunikation im Prozess an jeder Stelle und zu jedem Zeitpunkt getestet (= simuliert), gespielt und geändert werden. Im Spielmodus heißt dies, dass ein Teilnehmer während des Spielens beantragen kann, eine bestehende ‚Regel‘ zu ändern. Wird dies übernommen, spielen alle mit der veränderten ‚Regel‘ weiter, wenn nicht, dann können ab diesem Zeitpunkt zwei Gruppen weiter spielen: jede Gruppe testet dann die jeweilige Variante aus. Selbst Teile des anfänglichen Ziels (der Vision) können sich kontextabhängig ändern.
  5. Sofern innerhalb des Kommunikationsprozesses ein Problemraum hinreichend definiert ist, kann man zur weiteren Erkundung beliebige intelligente Algorithmen einsetzen. Ihre genaue interne Funktionsweise spielt keine Rolle. Sie werden über ihr Verhalten evaluiert.

Mögliche Ergebnisse einer oksimo Kommunikation

Die bisherige Beschreibung schildert die Rahmenbedingungen und die Form einer oksimo Kommunikation. Das eigentliche Ziel einer solchen Kommunikation ist aber letztlich ein Text, der einen Prozess beschreibt, mit dem man von einer gegebenen Situation zu einer zukünftigen Situation kommen kann. oksimo verwandelt den primären Text, der als Drehbuch eingegeben wird, in folgende Elemente:

  1. Eine Reihe von Texten, die zusammen eine Ausgangssituation beschreiben.
  2. Eine Reihe von Texten, die zusammen ein gewünschtes Ziel (Vision) beschreiben.
  3. Eine Menge von Veränderungsregeln, die für eine bestimmte aktuelle Situation festlegen, in welchem Sinne diese aktuelle Situation in eine Nachfolgesituation abgeändert werden soll.

oksimo produziert Theorien

Wenn man nun berücksichtigt, dass der Kern des oksimo Programms ein Simulator ist, der für eine gegebene aktuelle Situation prüfen kann, welche der verfügbaren Veränderungsregeln auf diese anwendbar sind, um eine Nachfolgesituation zu erzeugen, dann wird klar, dass das oksimo Programm letztlich die minimale Struktur einer Theorie bereitstellt:

< Ausgangslage [S0] Ziel [V0], Regeln [R], Simulator [Σ]>

Der Simulator funktioniert in diesem Kontext als ein Folgerungsbegriff, der festlegt, welche Ergebnisse bei einer bestimmten Vorgabe möglich sind. Drei Haupttypen werden unterschieden:

(0) S,V ⊩ ∑ R V‘

(1) S ⊩ ∑ R S‘

(2) S ⊩ ∑ V %Goal

Im Fall (0) kann der Simulator Σ nach vorgegebenen Veränderungsregeln R aus einer gegebenen Situation S und einem gegebenen Ziel V das Ziel V in ein abgeändertes Ziel V‘ verändern.

Im Fall (1) kann der Simulator Σ nach vorgegebenen Veränderungsregeln R aus einer gegebenen Situation S eine neue, abgeänderte Situation S‘ generieren.

Im Fall (2) kann der Simulator Σ mit einem vorgegebenen Ziel V für eine gegebenen Situation S berechnen, zu wie viel % das gegebene Ziel in der aktuellen Situation enthalten ist.

Eine Anfangssituation S0 mit Regeln R kann man dann als einen Theoriekern verstehen, und der Folgerungsmechanismus im Format des Simulators Σ generiert aus diesem Theoriekern <S0, R > eine — möglicherweise endlich unendliche — Menge von möglichen Nachfolgesituationen. Ein Teil von diesen Nachfolgesituation enthält das formulierte Ziel nicht, andere mehr oder weniger stark.

Auf der Ebene der Ausdrücke alleine entspricht dieses Schema einer normalen formalen Theorie mit Folgerungsbegriff. Innerhalb dieses Schemas könnte man die bekannte formale Logik simulieren.

Bedeutung: empirisch – abstrakt

Dadurch, dass die Ausdrücke aber Ausdrücke einer normalen Sprache L sind und die Teilnehmer an einer oksimo Kommunikation Menschen sind, die jeweils individuell und doch auch bis zu einem gewissen Grad gemeinsam in ihren Gehirnen eine Bedeutungsfunktion [μ] zur Sprache L gelernt haben, können die Teilnehmer der oksimo Kommunikation in jedem einzelnen Fall feststellen, ob sie den formalen Ausdrücken mit Hilfe ihres Bedeutungswissens im Lichte der Bedeutungsfunktion μ eine Bedeutung zuordnen können. Hier kann man grob folgende Fälle unterscheiden:

  1. Die verstandene Bedeutung hat hinreichende Korrespondenzen in der aktuellen gemeinsamen beobachtbaren Körperwelt des Alltags, so dass sich alle Kommunikationsteilnehmer darüber verständigen können, ob ein bestimmter empirischer Sachverhalt aktuell (jetzt) ‚zutrifft‚ (‚wahr ist‚) oder nicht.
  2. Eine verstandene Bedeutung muss aber keine hinreichende Korrespondenzen in der aktuellen gemeinsamen beobachtbaren Körperwelt des Alltags haben. (Wenn z.B. gesagt wird, dass hinter der weißen Tür ein roter Tisch steht, oder dass morgen Bill ankommen wird oder …). Aufgrund des Alltagswissen nehmen die meisten dann an, dass es so sein könnte.
  3. Eine verstandene Bedeutung ohne eine hinreichende Korrespondenzen in der aktuellen gemeinsamen beobachtbaren Körperwelt des Alltags kann aber beliebig abstrakt sein, so dass die Frage, ob eine denkbare Bedeutung irgendwie Sinn macht, also unter bestimmten zukünftigen Bedingungen doch empirisch real werden könnte, in vielen Fällen nur schwer oder gar nicht beantwortbar ist. Trotzdem können selbst solche aktuell nicht entscheidbaren Bedeutungen unter veränderten Bedingungen plötzlich doch ’sinnvoll‘ werden.
  4. Ein spezieller Fall von Abstraktheit liegt vor, wenn Ausdrücke eingeführt werden, deren Bedeutung nicht selbst empirisch ist, sondern Bezug nimmt auf andere Ausdrücke, deren Bedeutung eine empirische Bedeutung haben können. Solche Beziehungen zwischen Ausdrücken können beliebig lang sein: ‚Spielsteine -> Schach -> weiße Dame‘ oder ‚Holz -> Figuren -> Spielsteine -> Schach -> weiße Dame‘ usw. Bezeichnet man Ausdrücke mit einer direkt zuordenbaren empirischen Bedeutung als zur Abstraktheitsstufe 0 gehörig, dann würden die Abstraktheitsstufen immer höher werden, je weiter ‚entfernt‘ ein Ausdruck in solch einer Zuordnungskette von einem Ausdruck aus Abstraktheitsstufe 0 ist.

Wege in die Zukunft

Das, was wir ‚Zukunft‘ nennen, existiert bekanntlich nicht als ein ’normales Objekt‘; Zukunft existiert überhaupt nicht. Unser Denken kennt nur stark modifizierte Bilder von Fragmenten aus dem, was wir ‚Vergangenheit‘ nennen und stark modifizierte Bilder von dem, was wir ‚Gegenwart‘ nennen. Aus diesen Quellen kann das, was wir ‚Denken‘ nennen, neuartige Bilder generieren, von denen wir entscheiden müssen, was wir davon halten: ‚Völlig unsinnig‘? ‚Vielleicht möglich?‘ ‚Ziemlich wahrscheinlich!’… Aufgrund von empirischen Erkenntnissen haben wir eine Menge von ‚Regelhaftigkeiten‘ im Kontext der empirischen Welt identifiziert, denen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit zuordnen, und mittels deren wir sowohl den möglichen Prozessverlauf der Erde oder des Universums seit einem theoretisch vermuteten Anfangszeitpunkt als auch hin zu einem in die Zukunft reichenden theoretisch vermuteten Entwicklungspunkt extrapolieren können. Die bis heute bekannten Regelhaftigkeiten, die einigermaßen ‚fest‘ erscheinen, erfassen aber nur einen Teil der real wirkenden Faktoren, und speziell alle Faktoren im Umfeld biologischer Systeme sind mehr oder weniger nicht voraussagbar.

Vor dem Auftreten von uns Menschen — dem homo sapiens — und ähnlichen Lebensformen mit Sprache konnten sich Innovationen nur über die biologische Reproduktion realisieren. Diese war dadurch in gewisser Weise ‚langsam‘, aber — wie sich in der Geschichte zeigt — doch ziemlich robust und stabil. Trotz gewaltiger Katastrophen hat es das biologische Leben geschafft, immerhin ca. 3.5 Milliarden Jahre nicht nur zu überstehen, sondern unfassbar komplexe Organismen und organismische Netzwelten zu entwickeln.

Mit der zunehmenden Abstraktionsfähigkeit von höheren biologischen Lebensformen, dann noch verstärkt durch ein leistungsfähiges Sprachsystem, wie bei uns Menschen, konnte die Innovationskraft sowohl in der Geschwindigkeit wie auch in der Komplexität erheblich gesteigert werden. Die Auswirkungen sind in den letzten Jahrtausenden deutlich spürbar, mit einer rasanten wachsenden Beschleunigung. Was wir aber heute sehen, können ist, dass die Entwicklung von innovativen Strukturen so schnell ist, dass die negativen Auswirkungen erst gemerkt werden, wenn es möglicherweise für die Lebensform des Menschen — wie auch der meisten anderen biologischen Lebensformen — fast schon zu spät ist. Das aktuell umlaufende Wort ‚Klimakrise‘ gibt diese negativen Wirkungen nur bruchstückhaft wieder. Das gesamte biologische System samt der dazu notwendigen Umwelt ist im Mark getroffen.

ANMERKUNGEN

[1] Ganz wichtig zu nennen die Relektüre des Buches ‚Logic. The Theory of Inquiry‘ von John Dewey (1938), dann Gespräche mit Mirko de Paoli, sowie eine längere Diskussion mit Philipp Westermeier.

[2] Die Einschränkung ’nahezu jede‘ normale Sprache hat damit zu tun, dass es Sprachen mit speziellen Notationssystemen gibt un d es nicht absehbar ist, ab wann die Eingabemöglichkeiten von oksimo alle Notationssysteme verarbeiten können. Dies ist kein prinzipielles sondern nur ein praktisches Problem.

MEDIA

Hier ein kurzer Audiotrack mit mündlichem Kommentar zum Post. Fokussierung auf die Kernidee.

OKSIMO PARADIGMA und DEMOKRATIE – Wie belastbar ist die Demokratie – Vorländer, FAZ, 9.Aug.2021, S.6

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
10.Aug 2021 – 12.Aug 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenknotens DEMOKRATIE innerhalb des BEGRIFFLICHEN RAHMENS ZUM OKSIMO PARADIGMA innerhalb des oksimo.org Blogs.

POSITION VON VORLÄNDER

Die Position von Prof. Dr. Hans Vorländer — u.a. Direktor, Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden — soll hier in kurzen Thesen angeleuchtet werden. Daran sollen sich Überlegungen anschließen, die speziell den möglichen Zusammenhang mit dem oksimo Paradigma thematisieren.

Hermeneutik: Wenn eine Person A den Text von anderen Personen liest, dann wird die Person A diesen Text immer (es gibt kein Entkommen) im Lichte ihrer aktuellen Wissensvoraussetzungen lesen. Diese resultieren aus einer individuellen Lerngeschichte und dieses Wissen kann sich kontinuierlich weiter ändern, z.B. schon durch die Lektüre und die aktive Auseinandersetzung mit dem Text. Wer also wissen will, was der Autor (hier Herr Vorländer) selbst geschrieben hat, muss diesen Text selbst lesen. Sollten Sie dies tun, wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie diesen Text ganz anders verstehen sollten wie der Autor in diesem Blog … es gibt nicht zwei Gehirne auf dieser Welt, die ‚gleich‘ sind. Diese Verschiedenheit ist unser Glück; gäbe es sie nicht, würden wir aufgrund von Monotonie in einer sich ständig rasant ändernden Welt alsbald schlicht untergehen …

ARTIKEL VORLÄNDER

(1) Der Grundtenor des Artikels von Hans Vorländer ist — und dies in Übereinstimmung mit dem schwedischen Forschungsinstitut Varieties of Democracies [V-Dem][1] –, dass die liberalen Demokratien unter einem starken Druck stehen, den man sehr wohl als besorgniserregend einstufen kann.

(2) Jenseits der nackten Zahlen, die das V-Dem vorlegt, nach denen es 1990 weltweit nur 41 Staaten gab, die man als liberaler Demokratien bezeichnen könnte, und dass seit 1990 sich diese Zahl auf nur noch 32 reduziert hat — also alle ca. 3 Jahre eine liberale Demokratie weniger –, sind die konkreten Umstände, unter denen heute liberale Demokratien existieren, sehr wohl ein möglicher Weckruf für alle, die mit dem Konzept der liberalen Demokratie wichtige Wertvorstellungen verknüpfen.

(3) Den Unterschied zwischen einer liberalen Demokratie und einer bloßen Wahl-Demokratie sieht Vorländer im Vorhandensein und Funktionieren von Elementen wie z.B. Gewaltenteilung, Unabhängigkeit von Justiz und Medien, Freiheit der Meinungsäußerung, diskriminierungsfreie Umgang mit Minderheiten, Anerkennung soziokultureller Vielfalt, Schutz von Grund- und Menschenrechten, und fairer politischer Wettbewerb.

(4) Aber selbst in den noch liberalen Demokratien geraten diese Elemente — und noch weitere — zunehmend unter Druck und es ist eine offene Frage, wie resilient (widerstandsfähig) liberale Demokratien sind, um diesen Druck zu überstehen.

(5) Mit Blick auf Prof. Przeworski von der New York University [2] stellt er — fast beruhigend — fest, dass sich bislang kein festes Muster erkennen lässt, wann und wie Demokratien sich auflösen und zerfallen; es gibt allerdings viele einzelne Faktoren, deren Funktionsuntüchtigkeit einen möglichen Niedergang begünstigen könnten.

(6) Krisen sind besondere gesellschaftliche Zustände (z.B. Bankenkrise, Finanzkrise, Migrationskrise, Eurokrise, Stabilisierungsmechanismen des Internationalen Währungsfonds, Corona Pandemie, Flutkatastrophen, …), in denen staatliches Handeln gefordert ist und wo es das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen stärken kann. Die Art und Weise der Kommunikation mit den Bürgern spielt dabei eine wichtige Rolle.

(7) Spätestens die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es viel Missmut und Kritik gegeben hat. Die Tendenz zum Unterlaufen der üblichen demokratischen Verfahren durch Rückgriff auf anonyme Expertenrunden war einer der kritischen Punkte in der aktuellen Corona Pandeemie. Dazu wurden zahlreiche extremistische Strömungen sichtbar, die nicht erst seit Corona existieren, sondern schon viele Jahre Europaweit und in den USA unüberhörbar von sich reden machen. Für solche eher extremistische Gruppierungen, die Demokratien grundsätzlich in Frage stellen, sind Krisen — wie z.B. Corona oder Flutkatastrophen — und die unglückliche Handhabung demokratischer Verfahren eine willkommene Gelegenheit sich in Szene zu setzen.

(8) Doch darf man sich durch die Einmischung radikaler Gruppierungen nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass auch normale Bürger berechtigte Sorgen haben, Zweifel hegen, ja sogar wütend sind auf die Art und Weise, wie politische Repräsentanten und Institutionen agieren.

(9) Diese Kritik hat schon seit Jahren zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen, ihren Parlamenten, ja sogar zu den Parteien geführt, die doch eigentlich die unmittelbare Verbindung von Bürgern und demokratischen politischen Institutionen ermöglichen sollten. So hat der Parlamentarismus und die politischen Parteien am meisten an Anerkennung und Akzeptanz verloren. Bürger fühlen sich immer weniger durch die Parteien vertreten. Es gibt deutliche Zeichen von Entfremdung in der gefühlten Distanz zwischen Regierenden und Regierten. Viele bislang üblichen sozialen Infrastrukturen zur Vermittlung zwischen Bürger und Politikern sind heute deutlich geschwächt oder ganz weg.

(10) Doch gibt es neben den politischen Parteien nicht Nichts; es gibt das neue Phänomen von ‚Bewegungen‘, die außerhalb der Parteien ihre Interessen zu vertreten suchen. Diese Bewegungen mit oft starken Führungsfiguren deuten einen Wandel der liberalen Demokratien an, wenngleich bislang in konstitutionellen Bahnen. Damit einhergehend meint Vorländer die Tendenz zu einer Hyperpersonalisierung zu erkennen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass dieses Phänomen der vielen neuen Bewegungen parallel auftritt zur neuen Allgegenwart des Internets mit all seinen vielfältigen sozialen Medien (Twitter, messenger Dienste, …). Empörungen, Erregungen, und Stimmungen wirken direkter und können schneller und stärker die Meinungen beeinflussen. Diese Meinungen spielen sich außerhalb der Institutionen ab; es fehlen vermittelnde Räume. Am Beispiel des Trumpismus (aber nicht nur da) kann man sehen, wie der direkte Zusammenschluss zwischen populistischen Strömungen und ihrer Führer gesucht wird, um damit die kritisierten demokratischen Institutionen einfach zu umgehen.

GEDANKEN ZUM ARTIKEL

  1. Die obigen Punkte bilden nur einen Ausschnitt aus dem breiten Bild, das Hans Vorländer zeichnet, ein Ausschnitt dessen Auswahl und Zuschnitt auf den Autor dieses Diskurses zurückgeht (siehe den einleitenden Punkt ‚Hermeneutik‘).
  2. Für die weiterführenden Überlegungen soll auch — mit einem Seitenblick — der interessante Beitrag von Wolfgang Schäuble nicht unberücksichtigt bleiben.
  3. Aus der Sicht des oksimo Paradigmas richtet sich der Fokus der Überlegungen auf die Akteure in diesem Feld der liberalen Demokratie, auf jene, die staatliche Institutionen vertreten, politische Gremien, die politischen Parteien, und jene, die allgemein als Bürger gelten, die in diesem Staat leben, z.T. auch wählen dürfen, aber zwischen den Wahlen nahezu keine ’normalen‘ Mitwirkungsmöglichkeiten haben.
  4. In einer liberalen Demokratie ist die staatliche Gewalt an die gewählten Parlamente delegiert, die von unterschiedlichen Institutionen unterstützt werden. Idealerweise sollen die Parlamente die Aufgaben der Gesellschaft mit Blick auf die Zukunft und die unterschiedlichen Lebensverhältnisse im Land erkennen und in möglichst optimaler Weise, speziell auch nachhaltig, zukunftsfähig machen. Jede Gegenwart ist ein Ausschnitt aus der möglichen Zukunft von Gestern. Wurde gestern mit Blick auf die mögliche Zukunft schlecht gehandelt, dann ist die aktuelle Gegenwart das Ergebnis solcher Versäumnisse.
  5. Für die Frage nach einer nachhaltigen Zukunft für eine liberale Demokratie sind daher weniger Einzelereignisse interessant, weniger Ausnahmesituationen, weniger individuelle Skandale, sondern eher der alltägliche Prozess, in dem alle involviert sind, und der geeignet ist, alle Bürger in ihrer Vielfalt auf nachhaltige Weise für eine entsprechend nachhaltige Zukunft vorzubereiten, zu befähigen, und zu begeistern. Womit sich die Frage stellt, wie denn das Format des alltäglichen Prozesses in einer liberalen Demokratie beschaffen sein sollte, damit eine nachhaltige Zukunft zumindest wahrscheinlich sein könnte, wenngleich ohne eine 100%-tige Garantie, dass es auch tatsächlich gelingt.
  6. Hans Vorländer lässt in seinem Beitrag viele Aspekte aufblitzen. Hier möchte ich nur zwei Aspekte herausgreifen, die aus Sicht des oksimo Paradigmas von besonderem Interesse sind: das ist einmal (i) die große Entfremdung der Bürger von den politischen Parteien (und umgekehrt!), und zum anderen (ii) die unübersehbare Entstehung und Erstarkung von außerparlamentarischen Bewegungen aller Art.
  7. Würden die politischen Parteien diese Bewegungen aufgreifen, würden die Parlamente eine neue, intensive Kommunikation mit diesen Bewegungen suchen, dann könnten diese neuen dynamischen Bewegungen möglicherweise zu einer Verlebendigung der bestehenden Parteien und Parlamente führen; vielleicht. Bislang überwiegt aber der Eindruck einer bestehenden und zunehmenden Entfremdung zwischen neuen Bewegungen und etablierten Parteien und Parlamenten. Würde es bei diesen Tendenzen bleiben, wäre ein ernster Konflikt zwischen gegebenen konstitutionellen Formen der Demokratie und einem wachsenden Teil der Bevölkerung vorgezeichnet.
  8. Fragt man sich, woher denn diese wachsende Entfremdung komme, dann gibt es mindestens zwei Faktoren, die sich abzeichnen: (i) Die reale Kommunikation zwischen Bevölkerung und etablierten Parteien und Parlamenten ist real schwach, gestört, und wird aktuell eher schwächer; (ii) Die inhaltlichen Anschauungen der verschiedenen Gruppen divergieren vielfach sehr stark. Dies wird durch die Aufsplitterung der Öffentlichkeit in immer mehr Teilöffentlichkeiten mit jeweils immer weniger innerer Pluralität begünstigt. Es entstehen kognitive Weltbilder weitgehend unabhängig voneinander. Da diese Weltbilder für jede Gruppe eine gruppenspezifische Handlungsbasis bieten, stehen sich zunehmend Weltbilder als Alltagsvorstellungen gegenüber, die immer weniger kompatibel sind; zusätzlich scheinen die ‚Inhaber dieser spezifischen Weltbilder‘ immer weniger fähig und willens zu sein, ihre eigenen Weltbilder irgendwie in Frage zu stellen. Das Ergebnis sind Verteufelungen der anderen, eine immer stärkere Bereitschaft zu Gewaltaktionen, weil man die Fähigkeit verloren hat, über Weltbilder zu reden, so dass man diese im gemeinsamen Diskurs unterschiedlich beleuchtet, anders bewertet, und möglicherweise modifiziert.
  9. Die Erstarrung im Umgang mit kognitiven Bildern der Welt ist eine Form von ‚Systemstörung‘: es ist eine grundlegenden Eigenschaft von biologischen Systemen auf der Erde, dass sie mehr als 3 Mrd.Jahre auf diesem Planeten nur überlebt haben, weil sie extrem anpassungsfähig waren, wandlungsfähig, grundlegend lernfähig. Besonders der homo sapiens verfügt über sehr außerordentliche Fähigkeiten, zu lernen und sich durch Kommunikation mit anderen zu koordinieren. Jedoch gehört es zur Eigenheit hochentwickelter lernender Systeme, dass sie nicht deterministisch sind: sie können, aber sie müssen nicht. Das ist ihr Geheimnis. Wenn sie sich aber ihrem realen Lernen grundsätzlich verweigern durch starres Festhalten an nur wenigen Aspekten ihrer dynamischen Umwelt, dann schreiben sie ihren Untergang fest. In einer dynamischen Welt kann kein statisches System auf Dauer überleben.
  10. Was in dieser Situation hilfreich wäre, das wären neue Formen einer gruppenübergreifenden Kommunikation, die nicht nur die unterschiedlichen Anschauungen sichtbar macht, sondern zusätzlich auch grundlegende Strukturen von Weltbildern.
  11. Das oksimo Paradigma wendet sich generell an Gruppen, und zwar beliebige Gruppen von Menschen (Bürgern). Jeder einzelne gilt als ein Experte; vorab wird kein Unterschied gemacht. Für die Kommunikation ist nur die eigene Sprache notwendig (Deutsch, Englisch, …). Von allen Beteiligten wird erwartet, dass sie in der Lage sind, sich zu einigen, welche Aspekte in einer bestimmten Situation sie als real gegeben annehmen. Ferner wird erwartet, dass sie in der Lage sind, jene Situation in der Zukunft zu beschreiben, die sie aktuell anstreben wollen. Und dann besteht die gemeinsame Kommunikation darin, zu beschreiben, wie man in einzelnen Schritten von der aktuellen Situation zur zukünftigen Situation kommen kann. Man kann diesen Prozess auch so sehen, dass alle zusammen eine Art Drehbuch schreiben mit einzelnen Szenen (Situationen), mit den beteiligten Akteuren und den gewählten Aktionen, die unterschiedliche viel weitere Ressourcen benötigen (Zeit, Geld, Material, Wechselwirkung mit anderen, …). Zusätzlich bietet oksimo die Möglichkeit, das Drehbuch jederzeit auch als Simulation ablaufen zu lassen, oder gar während der Simulation eine aktive Rolle als Spieler zu übernehmen; einfach die bis dahin gegebenen Regeln anwenden oder ad hoc neue Regeln zu generieren, indem man das Drehbuch abändert. Simulation und Spielen bietet eine sehr intensive Form, sich mit den Ideen des Drehbuchs und den anderen auseinander zu setzen. Mit oksimo kann man zusätzlich auch Künstliche Intelligenz [KI] einsetzen. Diese ist aber nur insoweit interessant, als die menschlichen Akteure selbst Ziele und Konzepte haben, denen sie folgen wollen.
  12. In der Theorie könnte eine für alle verfügbare oksimo Umgebung also nicht nur grundlegend zu einer verbesserten Verständigung unter allen Bürgern beitragen (falls diese überhaupt lernen wollen!), es könnte mit der Zeit auch das Wissen um die Welt dramatisch verbessert werden, und zwar für alle, jederzeit, auch für die Politiker. Die heute vielfach zu beobachtenden ‚Sololäufe‘ jenseits einer demokratischen Öffentlichkeit wären dann weder notwendig noch langfristig möglich.

ANMERKUNGEN

[1] Homepage: Varieties of Democracies [V-Dem], https://www.v-dem.net/en/

[2] Adam Przeworski (Professor of Politics, New York University): https://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Przeworskihttps://as.nyu.edu/content; Private Webseite: https://as.nyu.edu/content/nyu-as/as/faculty/adam-przeworski.html