(Letzter Eintrag: 4.Oktober 2024)
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Kontakt: info@oksimo.org
KONTEXT
Dieser Text ist Teil des Themas ‚Demokratie @ Work‘ im Rahmen des Themas ‚Demokratie‘.
Eine Anleitung zur Selbsthilfe
Demokratische Lebensform
Dieser Text handelt von Menschen, die in einer Demokratie leben, und die mit möglichst vielen anderen eine möglichst gute Politik für die Zukunft machen wollen, für unsere Zukunft, zusammen mit möglichst vielen anderen, die mit uns diesen Planeten teilen.
Ausgangspunkt ist die Demokratie in Deutschland, die ihren ‚genetischen Code‘ im Grundgesetz abgelegt hat. Ein genetischer Code kann sich ändern, so auch das Grundgesetz. Aber wir arbeiten erst mal mit dem, was wir haben.
In unserem Fall leben wir in einem konkreten Ort im Bundesland Hessen, im Main-Kinzig Kreis (MKK), in 61137 Schöneck. Alle Menschen in Deutschland haben so einen Ort, ihren Ort, ihre Gemeinde. Und da das Leben in einer Gemeinde viele Gemeinsamkeiten mit anderen Gemeinden aufweist, kann man voneinander lernen, wenn man will 🙂
Das Grundgesetz GG gilt für die ganze Bundesrepublik. Die Gesetze eines Bundeslandes sind dem GG untergeordnet; sie können viele speziellen Sachverhalte enthalten, dürfen aber in keinem Punkt dem GG zuwiderlaufen. Entsprechendes gilt für die gesetzlichen Regelungen für die einzelnen Kommunen. Dennoch gibt es mindestens einen inhaltlichen Unterschied: die jeweiligen gewählten Vertreter auf Bundes- Landes- und kommunaler Ebene behandeln auf jeder Ebene die hier ‚typischen‘ Themen. Auf kommunaler Ebene finden sich beispielsweise Themen wie:
- Stadtplanung und Bauwesen
- Schulangelegenheiten (z. B. Bau und Instandhaltung von Schulen)
- Öffentliche Infrastruktur (Straßen, Abwasser, Parks)
- Örtliche Verkehrspolitik
- Müllabfuhr und Abfallmanagement
- Lokale Sicherheitsfragen (zum Beispiel über die kommunale Polizei oder Ordnungsämter)
- Kulturelle Angebote und Sporteinrichtungen.
Keine Kommune lebt im ‚luftleeren Raum‘ sondern ist immer Teil einer größeren Einheit. Daher muss sie in ihren Planungen — speziell mit ihrer ‚Zukunftsplanung‘ — überörtliche Gegebenheiten berücksichtigen. Dazu gehören Aspekte wie z.B. Bauleitplanung, Bürgerbeteiligung, Klimaschutz, demographischer Wandel und die Finanzplanung.
Akteure der Macht
Im Rahmen von Demokratien ist es eher nicht üblich, über ‚Macht‘ zu sprechen. Doch durch die Festsetzung der Entscheidungsstrukturen im Sinne des GG wird letztlich aber genau dies geregelt: Wer darf Wann Welche Anforderungen festlegen?
Jene, die das können, sind in der Perspektive des GG die ‚gewählten Vertreter‘.Diese gibt es auf allen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene. Ihre Rolle als Gemeindevertreter in einer Kommune ist von zentraler Bedeutung für die lokale demokratische Ordnung und die Verwaltung des öffentlichen Lebens. Die Gemeindevertretung ist das Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltung. Neben der Aufgabe, das Gemeindeleben durch Beschlüsse zu gestalten, kommt ihnen auch die Aufgabe zu, die Umsetzung der Beschlüsse durch den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin und die Verwaltung zu überwachen. Im Gegensatz zur Bundes- oder Landesebene haben Gemeindevertreter die Chance, im direkten Kontakt die Bürger in ihre Überlegungen einzubeziehen. Durch ihre Verantwortung auch für die langfristige Entwicklung der Gemeinde hat die Tätigkeit der Gemeindevertreter immer auch direkte Auswirkungen auf zukünftige Generationen.
Für jene Bürger, die gewählt werden, ist das ‚Mandat‘ (der Auftrag) charakteristisch, welches der gewählte Vertreter durch die Wahl erhält. Durch dieses Mandat haben sie im Sinne der repräsentativen Idee des Grundgesetzes die Befugnis, Entscheidungen eigenständig zu treffen, ohne dass sie ständig die Zustimmung der gesamten Bevölkerung einholen müssen. Zugleich sind sie verpflichtet, ihre Entscheidungen transparent zu machen und im Interesse der Allgemeinheit zu handeln.
Rolle des Wissens
Die bisherigen Punkte charakterisieren die Rolle der gewählten Vertreter hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der ‚Macht‘: Wann darf Wer Welche Entscheidungen verbindlich fällen. Nun ist es aber so, dass jedwede Art von Entscheidung ein ‚geeignetes Wissen’ voraus setzt, mittels dessen man wissen kann, welches Ziel mit welchen Mitteln durch welche Aktionen erreicht werden kann.
Der Anteil der Gemeindevertreter an der Gesamtbevölkerung ihrer Kommune beträgt in Deutschland im Schnitt zwischen 0.6% bei kleinen Gemeinden und 0.05% bei großen Gemeinden.
Auch wenn es jetzt im Rahmen der Gemeinde eine Vielzahl von Mitteln gibt, durch welche die Gemeindevertretung sich Wissen beschaffen kann (z.B. von der Verwaltung, von externen Gutachtern und Experten, durch Ortsbeiräte, durch Weiterbildung und vieles mehr), so müssen letztlich doch die einzelnen Gemeindevertreter selbst all dieses Wissen einordnen und bewerten. Da jeder Gemeindevertreter ‚als Mensch‘ deutlich begrenzt ist in der Verarbeitung der Menge und der Komplexität von Wissen, folgt aus diesem Sachverhalt, dass die Problemlösungskompetenz einer Gemeindevertretung objektive Grenzen aufweist. Diese Grenzen sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur. Aufgrund der nicht vermeidbaren Vielzahl der Themen, die begrenzte Zeit und die kognitiven Kapazitäten der Vertreter kann dies dazu führen, dass Entscheidungen suboptimal sind. Dies ist weniger eine Frage von fehlendem Engagement oder schlechten Absichten, sondern eine strukturelle Herausforderung, die auf die Komplexität moderner Verwaltung und die Begrenzungen menschlicher Entscheidungsfindung zurückzuführen ist.
Es stellt sich angesichts dieser Sachlage die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, diesen immer deutlicher werdenden ‚Flaschenhals‘ der angemessenen Wissensverarbeitung zu verbessern?
Der ganze übrige Text handelt von dem Versuch, diese Engstelle der Wissensverarbeitung innerhalb der demokratischen Prozesse in der Kommune zu analysieren, nach möglichen Lösungen zu suchen, und diese dann auch – zumindest ansatzweise – auszuprobieren.
Jenseits von Macht und Wissen …
Aus dem Alltag weiß jeder, dass ‚Macht‘ und ‚Wissen‘ alleine nicht ausreichen, unser Verhalten zu erklären.
Für einen einzelnen Bürger kann z.B. auch die körperliche Verfasstheit eine Rolle spielen, unterschiedliche Emotionen, Beziehungen zu anderen Menschen, die persönlichen Finanzen, ein aktuelles Arbeitsverhältnis, die Umgebung in der man lebt, die Technologien welche wir nutzen, unbewusste Vorurteile, Gewohnheiten, wichtige Ziele und Erwartungen, …. die Liste ließe sich leicht erweitern.
Ergänzend zu dieser individuellen Perspektive verfügen wir Menschen aber auch über Methoden und Strategien, um viele Menschen auf einmal zu beeinflussen, und dies alles ohne direkte Gewalt. Jeder weiß um den Einsatz von Werbung, um das Kaufverhalten zu beeinflussen. Sehr subtil auch die Manipulation von Medien und die Verbreitung von falschen Geschichten (‚fake news‘). Der gezielte Einsatz von PR (‚Public Relations‘), um die Wahrnehmung von Firmen und Geschäftsinteressen gezielt zu manipulieren. Die Umsetzung einer ‚kulturellen Hegemonie‘, durch die Vielfalt unterdrückt wird. Oder auch der Einsatz von ‚hybrider Kriegsführung‘ landesweit, in ganzen Erdteilen, um komplette Gesellschaften zu destabilisieren. … auch hier ist die Aufzählung leicht erweiterbar.
Diese Themen sollen andeuten, dass eine umfassende Beschreibung des Geschehens in einer Kommune sich nicht auf Macht und Wissen alleine reduzieren lässt. Warum dann diese Fokussierung auf Macht und Wissen?
Herausforderung Zukunft
Die gewählte Fokussierung ergibt sich aus der Perspektive einer möglichen Zukunft… falls wir überhaupt an einer Zukunft für möglichst viele Menschen interessiert sind, zusammen mit all dem anderen Leben, mit dem wir uns diesen Planeten teilen..
Wenn wir nicht einfach nur abwarten wollen, was vielleicht geschieht, geschehen wird, dann müssen wir uns in die Lage versetzen, ein solches ‚Wissen‘ zu entwickeln, das es uns erlaubt, aufgrund der Erfahrungen der Gegenwart und Vergangenheit ‚belastbare Prognosen‘ für eine mögliche Zukunft zu generieren, mittels deren wir unser alltägliches Handeln entsprechend ausrichten können.
Für diese Fähigkeit der Generierung belastbarer Prognosen für eine mögliche Zukunft spielt ‚Wissen‘ eine zentrale Rolle. Was immer wir auch an unterschiedlichen Gefühlen, Bedürfnissen, Beeinflussungen, persönlichen Beziehungen oder Machtverhältnisse gerade haben, ohne ein geeignetes Wissen können wir uns quasi nur ‚im Kreis drehen‘, werden wir ‚die Zeit verstreichen lassen’, ohne dass wir gezielt Schritte für eine mögliche lebbare Zukunft unternehmen können.
Da der Planet Erde, auf dem wir aktuell leben, ein physikalisches System ist, das seinen eigenen Gesetzen folgt unabhängig von unseren Plänen, und ebenso auch das übrige Leben auf dem Planeten ohne uns, täglich, stündlich seinen eigenes Überleben sucht, kann ein ‚planloses weiter so‘ von uns mögliche Katastrophen nicht verhindern; eher werden diese durch ‚Planlosigkeit‘ noch beschleunigt.
Bei aller Vielfalt der möglichen Faktoren, die unser Verhalten beeinflussen können und tatsächlich ja auch täglich beeinflussen, besteht als zentrale Herausforderung eines gemeinsamen Überlebens auf diesem Planeten die zentrale Notwendigkeit, uns jenes Wissen zu beschaffen, das alleine uns in die Lage versetzen kann, über belastbare Prognosen ein wenig Orientierung für mögliche Zukünfte erlangen zu können.
Die Umsetzung eines solchen – letztlich sehr kostbaren — ‚Zukunftswissens‘ in geeignete Handlungen wird alles von uns fordern: alle unsere Emotionen, unsere sozialen Fähigkeiten, eine leistungsfähige Technologie und … eben alles. Niemand ist auf diesem Planeten dazu da, für sich alleine glücklich zu sein. Ein solches ‚Alleine‘ erscheint im Blick ‚auf das große Ganze‘ eher als ein sehr verhängnisvoller Irrtum.