Archiv der Kategorie: Kommunale Planung

DEMOKRATIE – Eine Anleitung zur Selbsthilfe

(Letzter Eintrag: 4.Oktober 2024)

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: info@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themas ‚Demokratie @ Work‘ im Rahmen des Themas ‚Demokratie‘.

Eine Anleitung zur Selbsthilfe

Demokratische Lebensform

Dieser Text handelt von Menschen, die in einer Demokratie leben, und die mit möglichst vielen anderen eine möglichst gute Politik für die Zukunft machen wollen, für unsere Zukunft, zusammen mit möglichst vielen anderen, die mit uns diesen Planeten teilen.

Ausgangspunkt ist die Demokratie in Deutschland, die ihren ‚genetischen Code‘ im Grundgesetz abgelegt hat. Ein genetischer Code kann sich ändern, so auch das Grundgesetz. Aber wir arbeiten erst mal mit dem, was wir haben.

In unserem Fall leben wir in einem konkreten Ort im Bundesland Hessen, im Main-Kinzig Kreis (MKK), in 61137 Schöneck. Alle Menschen in Deutschland haben so einen Ort, ihren Ort, ihre Gemeinde. Und da das Leben in einer Gemeinde viele Gemeinsamkeiten mit anderen Gemeinden aufweist, kann man voneinander lernen, wenn man will 🙂

Das Grundgesetz GG gilt für die ganze Bundesrepublik. Die Gesetze eines Bundeslandes sind dem GG untergeordnet; sie können viele speziellen Sachverhalte enthalten, dürfen aber in keinem Punkt dem GG zuwiderlaufen. Entsprechendes gilt für die gesetzlichen Regelungen für die einzelnen Kommunen. Dennoch gibt es mindestens einen inhaltlichen Unterschied: die jeweiligen gewählten Vertreter auf Bundes- Landes- und kommunaler Ebene behandeln auf jeder Ebene die hier ‚typischen‘ Themen. Auf kommunaler Ebene finden sich beispielsweise Themen wie:

  • Stadtplanung und Bauwesen
  • Schulangelegenheiten (z. B. Bau und Instandhaltung von Schulen)
  • Öffentliche Infrastruktur (Straßen, Abwasser, Parks)
  • Örtliche Verkehrspolitik
  • Müllabfuhr und Abfallmanagement
  • Lokale Sicherheitsfragen (zum Beispiel über die kommunale Polizei oder Ordnungsämter)
  • Kulturelle Angebote und Sporteinrichtungen.

Keine Kommune lebt im ‚luftleeren Raum‘ sondern ist immer Teil einer größeren Einheit. Daher muss sie in ihren Planungen — speziell mit ihrer ‚Zukunftsplanung‘ — überörtliche Gegebenheiten berücksichtigen. Dazu gehören Aspekte wie z.B. Bauleitplanung, Bürgerbeteiligung, Klimaschutz, demographischer Wandel und die Finanzplanung.

Akteure der Macht

Im Rahmen von Demokratien ist es eher nicht üblich, über ‚Macht‘ zu sprechen. Doch durch die Festsetzung der Entscheidungsstrukturen im Sinne des GG wird letztlich aber genau dies geregelt: Wer darf Wann Welche Anforderungen festlegen?

Jene, die das können, sind in der Perspektive des GG die ‚gewählten Vertreter‘.Diese gibt es auf allen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene. Ihre Rolle als Gemeindevertreter in einer Kommune ist von zentraler Bedeutung für die lokale demokratische Ordnung und die Verwaltung des öffentlichen Lebens. Die Gemeindevertretung ist das Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltung. Neben der Aufgabe, das Gemeindeleben durch Beschlüsse zu gestalten, kommt ihnen auch die Aufgabe zu, die Umsetzung der Beschlüsse durch den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin und die Verwaltung zu überwachen. Im Gegensatz zur Bundes- oder Landesebene haben Gemeindevertreter die Chance, im direkten Kontakt die Bürger in ihre Überlegungen einzubeziehen. Durch ihre Verantwortung auch für die langfristige Entwicklung der Gemeinde hat die Tätigkeit der Gemeindevertreter immer auch direkte Auswirkungen auf zukünftige Generationen.

Für jene Bürger, die gewählt werden, ist das ‚Mandat‘ (der Auftrag) charakteristisch, welches der gewählte Vertreter durch die Wahl erhält. Durch dieses Mandat haben sie im Sinne der repräsentativen Idee des Grundgesetzes die Befugnis, Entscheidungen eigenständig zu treffen, ohne dass sie ständig die Zustimmung der gesamten Bevölkerung einholen müssen. Zugleich sind sie verpflichtet, ihre Entscheidungen transparent zu machen und im Interesse der Allgemeinheit zu handeln.


Rolle des Wissens

Die bisherigen Punkte charakterisieren die Rolle der gewählten Vertreter hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der ‚Macht‘: Wann darf Wer Welche Entscheidungen verbindlich fällen. Nun ist es aber so, dass jedwede Art von Entscheidung ein ‚geeignetes Wissen’ voraus setzt, mittels dessen man wissen kann, welches Ziel mit welchen Mitteln durch welche Aktionen erreicht werden kann.

Der Anteil der Gemeindevertreter an der Gesamtbevölkerung ihrer Kommune beträgt in Deutschland im Schnitt zwischen 0.6% bei kleinen Gemeinden und 0.05% bei großen Gemeinden.

Auch wenn es jetzt im Rahmen der Gemeinde eine Vielzahl von Mitteln gibt, durch welche die Gemeindevertretung sich Wissen beschaffen kann (z.B. von der Verwaltung, von externen Gutachtern und Experten, durch Ortsbeiräte, durch Weiterbildung und vieles mehr), so müssen letztlich doch die einzelnen Gemeindevertreter selbst all dieses Wissen einordnen und bewerten. Da jeder Gemeindevertreter ‚als Mensch‘ deutlich begrenzt ist in der Verarbeitung der Menge und der Komplexität von Wissen, folgt aus diesem Sachverhalt, dass die Problemlösungskompetenz einer Gemeindevertretung objektive Grenzen aufweist. Diese Grenzen sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur. Aufgrund der nicht vermeidbaren Vielzahl der Themen, die begrenzte Zeit und die kognitiven Kapazitäten der Vertreter kann dies dazu führen, dass Entscheidungen suboptimal sind. Dies ist weniger eine Frage von fehlendem Engagement oder schlechten Absichten, sondern eine strukturelle Herausforderung, die auf die Komplexität moderner Verwaltung und die Begrenzungen menschlicher Entscheidungsfindung zurückzuführen ist.

Es stellt sich angesichts dieser Sachlage die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, diesen immer deutlicher werdenden ‚Flaschenhals‘ der angemessenen Wissensverarbeitung zu verbessern?

Der ganze übrige Text handelt von dem Versuch, diese Engstelle der Wissensverarbeitung innerhalb der demokratischen Prozesse in der Kommune zu analysieren, nach möglichen Lösungen zu suchen, und diese dann auch – zumindest ansatzweise – auszuprobieren.

Jenseits von Macht und Wissen …

Aus dem Alltag weiß jeder, dass ‚Macht‘ und ‚Wissen‘ alleine nicht ausreichen, unser Verhalten zu erklären.

Für einen einzelnen Bürger kann z.B. auch die körperliche Verfasstheit eine Rolle spielen, unterschiedliche Emotionen, Beziehungen zu anderen Menschen, die persönlichen Finanzen, ein aktuelles Arbeitsverhältnis, die Umgebung in der man lebt, die Technologien welche wir nutzen, unbewusste Vorurteile, Gewohnheiten, wichtige Ziele und Erwartungen, …. die Liste ließe sich leicht erweitern.

Ergänzend zu dieser individuellen Perspektive verfügen wir Menschen aber auch über Methoden und Strategien, um viele Menschen auf einmal zu beeinflussen, und dies alles ohne direkte Gewalt. Jeder weiß um den Einsatz von Werbung, um das Kaufverhalten zu beeinflussen. Sehr subtil auch die Manipulation von Medien und die Verbreitung von falschen Geschichten (‚fake news‘). Der gezielte Einsatz von PR (‚Public Relations‘), um die Wahrnehmung von Firmen und Geschäftsinteressen gezielt zu manipulieren. Die Umsetzung einer ‚kulturellen Hegemonie‘, durch die Vielfalt unterdrückt wird. Oder auch der Einsatz von ‚hybrider Kriegsführung‘ landesweit, in ganzen Erdteilen, um komplette Gesellschaften zu destabilisieren. … auch hier ist die Aufzählung leicht erweiterbar.

Diese Themen sollen andeuten, dass eine umfassende Beschreibung des Geschehens in einer Kommune sich nicht auf Macht und Wissen alleine reduzieren lässt. Warum dann diese Fokussierung auf Macht und Wissen?

Herausforderung Zukunft

Die gewählte Fokussierung ergibt sich aus der Perspektive einer möglichen Zukunft… falls wir überhaupt an einer Zukunft für möglichst viele Menschen interessiert sind, zusammen mit all dem anderen Leben, mit dem wir uns diesen Planeten teilen..

Wenn wir nicht einfach nur abwarten wollen, was vielleicht geschieht, geschehen wird, dann müssen wir uns in die Lage versetzen, ein solches ‚Wissen‘ zu entwickeln, das es uns erlaubt, aufgrund der Erfahrungen der Gegenwart und Vergangenheit ‚belastbare Prognosen‘ für eine mögliche Zukunft zu generieren, mittels deren wir unser alltägliches Handeln entsprechend ausrichten können.

Für diese Fähigkeit der Generierung belastbarer Prognosen für eine mögliche Zukunft spielt ‚Wissen‘ eine zentrale Rolle. Was immer wir auch an unterschiedlichen Gefühlen, Bedürfnissen, Beeinflussungen, persönlichen Beziehungen oder Machtverhältnisse gerade haben, ohne ein geeignetes Wissen können wir uns quasi nur ‚im Kreis drehen‘, werden wir ‚die Zeit verstreichen lassen’, ohne dass wir gezielt Schritte für eine mögliche lebbare Zukunft unternehmen können.

Da der Planet Erde, auf dem wir aktuell leben, ein physikalisches System ist, das seinen eigenen Gesetzen folgt unabhängig von unseren Plänen, und ebenso auch das übrige Leben auf dem Planeten ohne uns, täglich, stündlich seinen eigenes Überleben sucht, kann ein ‚planloses weiter so‘ von uns mögliche Katastrophen nicht verhindern; eher werden diese durch ‚Planlosigkeit‘ noch beschleunigt.

Bei aller Vielfalt der möglichen Faktoren, die unser Verhalten beeinflussen können und tatsächlich ja auch täglich beeinflussen, besteht als zentrale Herausforderung eines gemeinsamen Überlebens auf diesem Planeten die zentrale Notwendigkeit, uns jenes Wissen zu beschaffen, das alleine uns in die Lage versetzen kann, über belastbare Prognosen ein wenig Orientierung für mögliche Zukünfte erlangen zu können.

Die Umsetzung eines solchen – letztlich sehr kostbaren — ‚Zukunftswissens‘ in geeignete Handlungen wird alles von uns fordern: alle unsere Emotionen, unsere sozialen Fähigkeiten, eine leistungsfähige Technologie und … eben alles. Niemand ist auf diesem Planeten dazu da, für sich alleine glücklich zu sein. Ein solches ‚Alleine‘ erscheint im Blick ‚auf das große Ganze‘ eher als ein sehr verhängnisvoller Irrtum.

DAS OKSIMO PARADIGMA UND KOMMUNEN – Bürgerbeteiligung und Politische Parteien

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
13.Juni 2021 – 3. Juli 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenbereichs UNIVERSELLE PROZESSE PLANEN – Aus Sicht der Kommunen im oksimo.org Blog.

BÜRGERBETEILIGUNG und POLITISCHE PARTEIEN

Politische Grundstrukturen

In der deutschen Verfassung ist festgelegt, dass die Bürger in vereinbarten Zeiträumen per Wahl Mitglieder einer anerkannten Partei für ein Vertretungsgremien (in Kommunen, im Landkreis, im Bundesland, im Bund …) wählen können. Es wird angenommen, dass die gewählten politischen Vertreter ‚den Willen des Wählers‘ angemessen in ihrem politischen Handeln vertreten. Die gewählten Vertreter wiederum können in den entsprechenden Handlungsgremien (Gemeindevertretung, Kreistag, Landtag, Bundestag) dann Maßnahmen zur Gestaltung der jeweiligen Gestaltungsbereiche (Kommune, Landkreis, Land, Bund) im Rahmen der geltenden Gesetze beschließen. Zur Unterstützung des politisch motivierten Handelns gibt es auf allen Ebenen Verwaltungseinheiten, die bei der Umsetzung von Maßnahmen unterstützen.

Qualitative Anforderungen und Grenzen

Die politische Grundstruktur soll als Rahmen dienen, damit die Bürger eines Landes auf ein geordnetes Verfahren zurückgreifen können, mit dem sie ihre unterschiedlichen Interessen und ihr unterschiedliches Wissen so organisieren können, dass eine gemeinsame demokratische und nachhaltige Zukunft im Grundsatz möglich ist.

Vom einzelnen Bürger ist bekannt, dass sein individuelles Handeln von seinen inneren Zuständen abhängig ist, die wiederum zwar nicht vollständig, aber zu einem großen Teil, von seiner Lebenswelt beeinflusst werden. Diese Lebenswelt ist ein hybrides System aus objektiv gegebenen gesellschaftlichen Tatbeständen und kulturellen Normen, die in den inneren Zuständen der gesellschaftlichen Akteure verankert sind und wo Inneres und Äußeres grundsätzlich miteinander in Wechselwirkung stehen..

Die verankerten politischen Strukturen müssen also daran gemessen werden, ob, wie und wieweit sie geeignet sind, das Wissen und die Interessen der Bürger so zu unterstützen, dass eine demokratische nachhaltige Zukunft für alle möglich ist.

Die letzten Jahrzehnte zeigen immer mehr, dass die großen Herausforderungen der Gegenwart sich sowohl global wie auch lokal manifestieren (z.B. Klima, Biodiversität, Bevölkerungsentwicklung, Rohstoffe, Trinkwasser, Energieversorgung, Ernährung und Landwirtschaft, Land Grapping (mit Wasser Grapping), Müll (mit Plastik), Migrationsströme, ausgrenzende Weltanschauungen, Technologieentwicklung (insbesondere die Digitalisierung), Pandemien, organisierte Kriminalität, ….) und dass ihre Komplexität alle bestehenden politischen Systeme kontinuierlich überfordert.

Auf der Ebene der Kommunen repräsentieren die gewählten politischen Vertreter einen Anteil von ca. 0.3% (oder, je nach Größe, weit weniger, 0.007%, 0.001% …) aller Bürger. Die einzige Gestaltungsmöglichkeit der Bürger sind laut Verfassung die Wahlen (alle ca. 4-6 Jahre). Die geringe Zahl an gewählten politischen Vertretern ist in keiner Weise kognitiv in der Lage, weder die komplexen Anforderungen einer Kommune angemessen verstehen noch angemessen entscheiden zu können. Die heute üblichen politischen Konkurrenzen zwischen gewählten Parteien engt die Entscheidungskompetenzen weiter ein. Die Kenntnis der eigenen Verwaltung in großen Kommunen scheint bei den gewählten politischen Vertretern weitgehend unzulänglich zu sein. Die Verwaltungen selbst erwecken den Eindruck, dass sie in ihrer Verfasstheit kaum den zu leistenden Aufgaben entsprechen können. Dazu kommt, dass die zeitliche Dimension vieler zu lösenden Aufgaben von 10, 20 und mehr Jahren die in Legislaturperioden agierenden gewählten politischen Vertreter — und damit oft auch den von ihnen abhängigen Verwaltungen — überfordern.

Planfeststellungsverfahren

Zur Frage, ob und wie man Bürger auch zwischen den Wahlen einbeziehen kann oder einbeziehen muss, gibt es ein interessantes Beispiel, das sogenannten Planfeststellungsverfahren [1]. Für den Bereich von raumverändernden Maßnahmen wird festgelegt, auf welche Weise u.a. die Bürger Einsprüche zu einem Maßnahmenentwurf vorbringen können.

Charakteristisch ist hierbei, dass die Bürger erst einbezogen werden, wenn die grundlegenden Überlegungen zuvor schon abgeschlossen sind, ohne dass es eine nennenswerte Zusammenwirkung (Kollaboration) zwischen den handelnden politischen Vertretern und den Bürgern gegeben hat.

Das Verfahren selbst ist meistens extrem langwierig und die Vergangenheit legt den Eindruck nahe, dass diese Verfahren tendenziell eher partikuläre Interessen befördern als begründete Gesamtsichten. Dies verweist auf das grundlegende Problem, dass bei jeder Entscheidung das aktuell verfügbare Wissen und die aktuell gegebene Interessenlage entscheidend ist, dass dieses aktuelle Wissen ohne entsprechendes Training aber gerade nicht über jene prozessuralen [3] Gesamtsichten verfügen kann, die notwendig wären, um real nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.

Bürgerentscheid

Seit 2005 gibt es in jedem Bundesland auch das Instrument des Bürgerentscheids [2]. In diesem Verfahren können Bürger mit entsprechender Beteiligung über einen Sachverhalt mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ abstimmen. Die gewählten politischen Vertreter können einen Gegenvorschlag aufstellen. Wird der Bürgerentscheid positiv entschieden gilt er formal als gleichwertig mit einer Entscheidung von gewählten politischen Vertretern.

Das Verfahren des Bürgerentscheids deutet an, dass den Bürgern als dem eigentlichen Souverän grundsätzlich das Recht zugestanden wird, eine eigene rechtskräftige Entscheidung parallel zu den gewählten politischen Vertretern fällen zu dürfen. Dies ist im Rahmen einer Demokratie und der herrschenden Komplexität in allen Entscheidungsbereichen ein positives Signal.

Dabei sollte man aber nicht übersehen, dass das Verfahren des Bürgerentscheids als solches das grundlegenden Problem einer nachhaltigen Entscheidung nicht automatisch löst. Im Lichte des Wissens um die konkreten Herausforderungen, nachhaltige Entscheidungen unter Berücksichtigung der zeitlichen Horizonte wie auch der starken Wechselwirkungen zwischen vielen Themen zu treffen, scheint das Verfahren des Bürgerentscheids ein weitgehend unbefriedigendes Instrument zu sein. Es kann zwar punktuell im Prinzip mehr Kompetenzen aufrufen als jene, über die die kleine Gruppe der gewählten politischen Vertreter verfügt, aber die kontinuierliche wechselseitige Behandlung von Problemen erscheint hier auch nicht gegeben (abgesehen auch von dem extrem hohen logistischen Aufwand, der den Bürgern in solch einem Verfahren abverlangt wird).

Bürger als Partner?

Angesichts der inhärenten Grenzen im Entscheiden der politischen Vertreter einerseits wie auch der Bürger im Bürgerentscheid andererseits stellt sich die Frage, warum sich nicht die politischen Vertreter auf ihre eigentliche Rolle besinnen, die daraus resultiert, dass die Bürger ihre Auftraggeber sind und als Bürger den primären Kompetenzpool bilden. Statt also die Bürger eher als ‚Feinde‘ zu behandeln, die ihre ‚Arbeit stören oder gar bedrohen‘, würde sich ein kollaboratives, partnerschaftliches Modell empfehlen, in dem die Bürger frei und offen, idealerweise parteiübergreifend, ihre Kompetenzen in nachhaltiger Weise organisieren, und zwar so, dass die gewählten politischen Vertreter darauf kontinuierlich zurückgreifen und sich selbst aktiv an den Orientierungsprozessen beteiligen können, so dass auf nachhaltige Weise damit die verfügbaren Kompetenzen optimal genutzt werden.

Nachhaltiges Wissen

Die sehr gute Kollaboration auf praktischer Ebene alleine garantiert aber auch noch keinen Erfolg, da konkretes Handeln immer abhängig ist von den verfügbaren kognitiven Prozess-Modellen in den Köpfen der Handelnden, und zwar nicht nur in den Köpfen der einzelnen, sondern in den Köpfen aller Beteiligten! Bekanntermaßen kann solch ein gemeinsam geteiltes Prozesswissen nur durch eine kontinuierliche Kommunikation zwischen allen Beteiligten zustande kommen, in der die Prozesse selbst thematisiert werden. Und alles spricht dafür, dass es ferner nicht ausreicht, dass Prozesswissen nur aktuell, punktuell in der jeweiligen Gruppe existiert, sondern es muss auch in einer permanenten Form vorliegen, die speicherbar ist, nachlesbar, hörbar, visuell anschaulich, als simulierter Prozess, als spielbarer Prozess, als interaktiv gestaltbarer Prozess, als evaluierbarer Prozess, und dies alles ausschließlich in der Alltagssprache der Handelnden, um nur die wichtigsten Anforderungen zu benennen.

Oksimo Paradigma

Ein solches multimodales Prozesswissen ist das Ergebnis, wenn Menschen das oksimo Paradigma anwenden. Dies ist möglich, weil das oksimo Paradigma das Ergebnis solcher Reflexionen ist, wie sie im vorausgehenden Text am Beispiel von mehr Bürgerbeteiligung vorgestellt wurden.

DISKUSSION

Hier werden in loser Folge einzelne Beiträge aufgelistet, die sich im Umfeld des Themas ‚Bürgerbeteiligung und politische Parteien‘ bewegen.

  1. Anmerkungen zu Wolfgang Schäuble „Das Prinzip der Repräsentation“, FAZ Nr.149, 1.Juli 2021, S.6 (Letzte Änderung: 3.Juli 2021)

ANMERKUNGEN

[1] Planfeststellungsverfahren, siehe Wikipedia [DE]: https://de.wikipedia.org/wiki/Planfeststellung

[2] Bürgerentscheid, siehe Wikipedia [DE]: https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerentscheid

[3] Mit ‚prozessural‘ ist gemeint, dass die Gesamtsicht mit Sachverhalten zu tun hat, die Prozesse darstellen, und dass das Herstellen der Gesamtsicht ebenso an einen Prozess geknüpft ist, weil alle Beteiligten selbst laufende Prozesse darstellen. Es gibt in diesem Zusammenhang keine absolut festen Punkte, sondern nur intermediäre Zustände innerhalb der beteiligten, miteinander verschränkten Prozessen.

UNIVERSELLE PROZESSE PLANEN – Aus Sicht der Kommunen – Ein minimales Modell

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
3.Juni 2021 – 4.Juni2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

Letzte Korrekturen: 4.Juni 2021

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenbereichs UNIVERSELLE PROZESSE PLANEN – Aus Sicht der Kommunen im oksimo.org Blog.

Kommunen – Ein minimales Modell (*)

Wenn man das Thema Kommunen eingrenzen und so konkretisieren will, dass man gezielt handeln kann, dann stellt sich die Frage nach einem passenden begrifflichen Rahmen; man kann solch einen begrifflichen Rahmen auch als Strukturmodell sehen oder einfach als ein Modell.

Als überall gegenwärtigen äußeren Rahmen kann man das Konzept einer Gesellschaft voraussetzen, deren Mitglieder — die Bürger — sich mental über ein vielschichtiges Konzept von Kultur definieren. Will man das äußerlich beobachtbare Verhalten der Bürger verstehen, dann muss man diese handlungswirksame mentale Struktur verstehen, die sich in kontinuierlicher Wechselwirkung mit der jeweiligen Umgebung befinden.

Will man genauer, konkreter verstehen, was es heißt, als Bürger (als kultureller Akteur) in einer Gesellschaft, im engeren Bereich einer Kommune zu handeln, dann kann man die elaborierten Konzepte des Projektmanagements — oder noch allgemeiner eines systemtheoretischen Prozessmanagements — quasi als Referenzpunkt wählen, um abzuschätzen, was notwendig ist, um erfolgreiche Prozesse zu ermöglichen oder — im negativen Fall — genau dies zu erschweren bzw. sogar zu verhindern.

Zwischen diesen beiden Polen — einem komplexen dynamischen Kulturbegriff und Gesellschaftsbegriff einerseits und einem konkreten Handlungsbezogenen und Entscheidungsbezogenen Projektmanagement andererseits — öffnet sich der Raum kommunaler Politik, in dem in einer räumlich und juristisch definierten Kommune gewählte Vertreter von Bürgern versuchen, den Lebensraum der Bürger mit Blick auf eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Neben den juristisch vorgegebenen Strukturen und Abläufen gibt es ein offenes Feld möglicher Aktivitäten von den Bürgern, die direkt oder indirekt das explizit politische Verhalten der gewählten Vertreter*innen und der nachgeordneten Institutionen beeinflussen können.

Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass auf dem Boden der aktuell gültigen demokratischen Verfassung die Hoheit des politischen Handelns strikt bei den gewählten Vertretern einer Kommune — entsprechend auch im Landkreis, im Regierungsbezirk, im Land und dann im Bund — liegt. Dies bedeutet, tatsächlich politisch direkt können die Bürger nur im Turnus der offiziellen Wahlen Einfluss nehmen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die gewählten Vertreter den Willen ihrer Wähler angemessen umsetzen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, das können politisch verbindlich immer nur die Wahlen zeigen: Wiederwahl oder Abwahl.

Bei näherer Betrachtung der vielfältigen komplexen Themen, die wöchentlich, ja nahezu täglich, in einer Kommune anfallen, die zu ihrer angemessenen Behandlung eigentlich viel Erfahrung und Wissen benötigen, die durch ihre zeitliche lang gestreckten Wirkungen (und Wechselwirkungen) eine sehr aufwendige Analyse und Nachprüfung nach vielen Seiten erfordern, kann man in Frage stellen, ob die kleine Schar der gewählten Vertretern diese Aufgaben alleine überhaupt angemessen leisten können. Beliebig viele konkrete Beispiele aus realen Kommunen können zeigen, dass dem tatsächlich so ist: die aktuell installierten Mechanismen kommunaler Politik erweisen sich als unzulänglich, umso mehr, als die Welt in ihrem Gesamtprozess komplexer und dynamischer wird. [1] Die sich verstärkenden Phänomene von Demokratieverdrossenheit und Radikalisierungen sind kein Zufall, und man kann sie nicht dadurch ‚heilen‘, dass man sie immer wieder nur durch ‚Worte‘ zu beschwören versucht. Wenn kommunale Politik es nicht schaffen wird, sich konkret und qualitativ anfassbarer, partizipativer zu machen, dann wird sie sich selbst abschaffen. Sie braucht keine expliziten Feinde; sie selbst ist ihr eigener Feind.

EINSTIEG: WIE?

BILD: Extrem vereinfachtes Bild der politischen Struktur in einer nicht zu großen Kommune. Es reicht aber für einen Start.

Schon eine Kommune mit ca. 10.000 – 15.000 Einwohner hat eine Komplexität, die kaum noch angemessen in einem einzigen Bild zu beschreiben ist. An dieser Stelle soll auch keine erschöpfende (statische) Beschreibung bereit gestellt werden. Es geh vielmehr um die praktische Frage, ob es im Bereich Kommune konkrete Prozesse gibt, die man mit dem oksimo Paradigma gewinnbringend beschreiben könnte.

Als leitende Perspektive bei der Suche nach einer Antwort soll dabei die Perspektive von Bürgern angenommen werden, die sich dem Phänomen ihrer Kommune, der darin ablaufenden Prozesse, verstehend nähern wollen, und dies nicht alleine, sondern zusammen mit anderen.

Eine Beschreibung innerhalb des oksimo Paradigmas stellt letztlich die Erarbeitung einer Minitheorie von jenem Prozess dar, innerhalb dessen Gemeinde stattfindet: (i) zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es einen bestimmten objektiv beschreibbaren Zustand der Gemeinde (Bürger, Objekte, Konstellationen der Objekte und Bürger, …), (ii) Es gibt möglicherweise eine Vielzahl von Zielen, die die Bürger in ihrem Kopf haben, und schließlich (iii) eine Vielzahl von Veränderungen, die beständig stattfinden, ab und zu, zufällig oder regelmäßig, mit klar erkennbaren Ursachen oder eher unbekannt, usw.

Versucht man den Prozess, innerhalb dessen Gemeinde stattfindet, von seiner erwartbaren, gewünschten oder schwer bestimmbaren Zukunft her zu verstehen, und dies im Lichte von verfügbaren Bewertungen, dann kann dies Anhaltspunkte dafür liefern, welche Momente am Prozess man sich mal näher anschauen sollte, um klar unerwünschte Zukunftsszenarien zu vermeiden.

Ein solches von möglichen gewünschten und unerwünschten Zukunftsvorstellungen her motivierte Erarbeiten einer Prozessbeschreibung hätte den Vorteil einer gewissen Fokussierung, und man müsste die kaum überschaubare Komplexität einer Gegenwart erst nach und nach, und zwar nur nach Bedarf, analysieren.

Ob man der Nachfrage zum Bau eines neuen Rechenzentrums in der Kommune nachgeben sollte, oder der Erschließung eines neuen Baugebiets ohne spezielle Auflagen, oder ob die vorhandene Verkehrsinfrastruktur ausreicht, oder ob die Trinkwasserversorgung … oder … oder … Ob man solche — meist komplexen und finanziell aufwendigen — Fragestellungen angehen soll, und, falls ja, wie, das hängt letztlich von der Verfügbarkeit einer transparenten und evaluierten Zukunftsplanung ab. Wenn die Zukunftsplanung vage, unklar ist, dann ist es eigentlich egal, was man tut. Die Wirkung eines überdimensionierten Rechenzentrums in einer kleinen Gemeinde ist so lange egal, so lange keine bekannten und als nachhaltig eingestuften Ziele bekannt sind und eine klare Ursachenkette von einem Ereignis oder einer Maßnahme aufzeigbar ist.

Ausgehend von diesen Überlegungen sollen schrittweise Fallbeispiele von solchen Prozessbeschreibungen mit klar definierten Zielen und Bewertungen exemplarisch erarbeitet werden.

ANMERKUNGEN

[*] Viele entscheidende Impulse für die hier ausgeführten Gedanken verdanke ich dem viel zu früh verstorbenen Manfred Faßler (+ 17.4.2021), mit dem ich jahrelang die Gelegenheit hatte, in vielen, meist vielstündigen Diskussionen, diese Themen zu erörtern.

[1] Hier spielt natürlich auch die Verfasstheit und die personelle Ausstattung der jeweiligen Verwaltungen eine nicht unerhebliche Rolle. Im Jahr 2021 herrscht der Eindruck vor, dass die aktuellen Verwaltungen bundesweit den Anforderungen hinterher hinklen. Die interessanten Fragen sind: (1) Warum ist das so? (2) Was könnte/ müsste man tun, um dies zu verbessern?

UNIVERSELLE PROZESSE PLANEN – Aus Sicht der Kommunen

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
12.Mai 2021 – 3.Juli
Email: info@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des oksimo.org Blogs. Die folgenden Beiträge behandeln in losere Folge allgemeine Aspekte des Themas UNIVERSELLE PROZESSE PLANEN – Aus Sicht der Kommunen.

IDEE

Wenn man von Politik redet, dann denken viele zuerst an die ‚große‘ Politik: große Staatslenker, politisch-wirtschaftliche Blöcke. Bundesländer werden auch noch wahrgenommen, aber doch eher sehr grob, und Landkreise und Kommunen … die gibt es, da wohnt man, die vergeben die Nummernschilder … die schreiben Bauland aus, … kümmern sich um Müll …Schulen, ach ja, Kindergärten, …Dort, wo wir alle wohnen, gemeldet sind, wo wir eine lokale kommunale Verfassung haben, dort, wo jeder sich direkt politisch aktivieren kann, dort wissen die meisten Menschen am wenigsten. Alle paar Jahre wird eine kleine Schar von ‚Repräsentanten‘ gewählt, die nur ca. 0.3%, oder gar nur 0,03 — oder noch viel weniger — der Bevölkerung ausmachen. Diese Repräsentanten müssen sich mit dem laufenden Betrieb einer Gemeinde und ihrer Zukunft auseinander setzen. Schon kleine Gemeinden umfassen ein Füllhorn von Prozessen, die es zu gestalten gibt, und zwar überwiegend komplexe Prozesse. Schaut man in den Alltag einer Gemeindeplanung hinein, dann wird man schnell sehen, dass es sehr, sehr viele Details, Kleinigkeiten, konkrete Ereignisse gibt, aber eher weniger bis selten werden Zusammenhänge sichtbar, werden Zusammenhänge ernsthaft thematisiert, werden Einzelfragen in solchen Zusammenhängen bewusst bedacht. Das normale Denken und die bisherigen Methoden sind dafür nicht wirklich ausgelegt. In diesem Themenbereich soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie das oksimo Paradigma für die Herausforderungen von Kommunen, von kommunaler Planung und Politik einen Beitrag leisten kann.

LISTE DER BEITRÄGE