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oksimo.R – Alltagsszenen – Tagesablauf (Zeitliche Struktur(en), Irrlichter Ziele) – Teil 2

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 5.Dezember 2022 – 5.Dezember 2022, 09:50h)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil der einführenden Beispiele des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Dieser Teil bildet eine Fortsetzung zum Teil 1 „Tagesablauf (Zeitliche und ethische Struktur(en)) „.

INHALT

Im Kontext der Beschreibung eines Tagesablaufs treten ‚ZIEL-Beschreibungen‘ auf, die ‚global‘ oder ‚lokal‘ sein können. Sie können zudem ‚kontextualisiert‘ werden in dem Sinne, dass das ‚Auftreten‘ eines Zieles bzw. sein ‚Verschwinden‘ von konkreten Eigenschaften einer Situation gesteuert (getriggert) wird. Ferner ist zu beachten, dass ‚Ziele‘ als solche kein Bestandteil einer ‚empirischen Theorie‘ sind sondern auf einer ‚Meta-Ebene‘ liegen: Im Kontext möglicher ‚Prognosen‘ einer empirischen Theorie müssen die ‚Theorie-Anwender‘ (die Bürger) entscheiden, welche der möglichen Prognosen sie für eine ’nachhaltige Zukunft‘ für erstrebenswert halten. Diese zielbezogene Entscheidungsdimension wird oft ‚ethisch‘ genannt und die Akteure, die solche ‚ethischen Überlegungen‘ anstellen nennt man ‚Ethiker:innen‘. Man sollte aber beachten, dass ‚Ethik‘ bis heute weder eine ausreichende empirische Begründung noch eine wirkliche philosophische Begründung besitzt.

ZIELE ’nach Bedarf‘ (on demand)

Das Experiment besteht darin, dass das bisherige Beispiel zu Beginn überhaupt kein Ziel hat, und dann — schrittweise — ’nach Bedarf‘ einzelne lokale Ziele hinzugefügt werden.

Ohne ein bestimmtes Ziel

Da die Software grundsätzlich auf die Angabe eines Zieles besteht, muss man sie ‚beruhigen‘, indem man ein ‚fake Ziel‘ eingibt: es sieht aus wie eine ZIEL-Beschreibung, enthält aber kein e verwertbaren Angaben.

Name: z-DummyVis
none

Führt man einen Test mit diesem fake-Ziel aus, dann ergibt sich folgendes:

Name der gespeicherten Simulation: feierabend1-sim0

Bestandteile der Simulation:

Selected visions:
z-DummyVis
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
vr-nachhause1
vr-zuhause1

Your vision:
none

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: none
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: none
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 3

Current states: Gerd geht nach Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: none
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 4

Current states: Gerd macht Musik.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,Es ist 23:00h.
Current visions: none
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Ziel als mögliches Irrlicht

Man erkennt sofort, dass der Test den gleichen Simulationsverlauf zeigt wie zuvor mit konkreten Zielen, nur fehlen hier irgendwelche Informationen zu einem Erfolgt größer 0%. Die Angabe von Zielen verändert also nicht die Simulation selbst, vielmehr kann man die Angabe von Zielen dazu nutzen, um verfügbare Simulationsverläufe im Sinn einer Zielbeschreibung zu ‚bewerten‘. Die Menge der potentiellen Simulationsverläufe kann man also grundsätzlich einteilen in solche, die bezogen auf ein Ziel X entweder 0% Relevanz für dieses Ziel X besitzen oder ‚größer 0%‘.

Natürlich hängt die ‚Qualität‘ einer Bewertung davon ab, wie ‚gut‘ oder ’schlecht‘ eine Zielangabe ist. Wenn eine Zielangabe im Extremfall einer ‚Wahnvorstellung‘ entspringt, die mit der Realität wenig zu tun hat, dann würde eine 100%-Erfüllung eines erreichten Zustands mit einem gegebenen Ziel X zwar auf den ersten Blick sehr gut aussehen, aber auf den zweiten Blick — wenn der dann noch möglich ist — wäre es eher eine Katastrophe: 100% Übereinstimmung mit einer Schrott-Idee.

Bild: Schema einer ‚empirischen Theorie‘ als Teil einer ’nachhaltigen empirischen Theorie‘

Dieser Sachverhalt verweist auf eine tiefer liegende Problematik: Die ‚Gesamtstruktur‘ bestehend aus ‚IST-Situation(en) und ‚Veränderungs-Beschreibungen‘ mit einem ‚Folgerungsbegriff‘ konstituieren eine Struktur, die dem gewöhnlichen Verständnis einer ‚empirischen Theorie‘ entspricht (siehe Bild oben).

Empirische Theorien sind — werden sie methodengerecht konstruiert — maximal empirische zutreffend und auf dieser Basis ‚minimal unsinnig‘. Sie können zwar prinzipiell auch falsch sein, aber der Ausgangspunkt einer empirischen Theorie ist — bei sorgfältigem Vorgehen — ‚maximal nahe an der gemeinsamen Erfahrbarkeit‘. ‚Maximal‘ heißt in diesem Zusammenhang, soweit die handelnden Akteure mit ihrer Erkenntnisfähigkeit ‚gemeinsame Erfahrungen‘ organisieren und sprachlich beschreiben können. Die Kulturgeschichte der Menschheit zeigt, dass es hier gravierende Unterschiede gegeben hat und auch in der gleichen Zeitspanne regional Unterschiede immer noch gibt.

‚Wahnideen‘ sind dann solche, die relativ zur möglichen Erfahrbarkeit kaum bis gar keine Bezüge zur gemeinsam erfahrbaren Welt aufweisen.

Während also empirische Theorien im Rahmen der gemeinsamen Erfahrbarkeit nur solche ‚Folgerungen‘ (Prognosen, Voraussagen, …) zulassen, die durch gemeinsame Erfahrung belegt sind, enthalten sich empirische Theorien weitergehender ‚Bewertungen‘: welche der vielen möglichen Prognosen nun für die ‚gerade lebenden‘ und/ oder für die ’später lebenden‘ Menschen ‚günstig’/ ‚gut’/ ‚erstrebenswert‘ sind, das müssen die lebenden Menschen in einer ‚zusätzlichen (Meta-)Reflexion‘ untereinander klären. Solche ‚Zielorientierten Reflexionen‘ [3] sind für ein ’nachhaltiges Denken und Handeln‘ wichtig, aber ihre ‚absolute Qualität‘ ist nicht garantiert. Letztlich sind es ‚Deutungs-Versuche‘ von ‚Lebenden‘ mit einem extrem begrenzten ‚Wissen‘ inmitten eines nahezu ‚unendlich komplexen Geschehens‘ genannt ‚Welt‘.

Kontextsensitive Ziele

Das erste Ziel, das bislang benutzt wurde, wurde wie folgt beschrieben:

Name: z-einkaufen1

Es ist Arbeitsende.
Gerd hat eingekauft.

Dieses Ziel bindet sich an die Eigenschaft einer IST-Situation, dass es für Gerd ein ‚Arbeitsende‘ gibt. Es liegt also nahe, dieses erste Ziel durch solch eine Eigenschaft zu aktivieren.

Mit der Option 7 ‚New Rule‘ und der Variante ‚V‘ für ‚Vision Rule‘ kann man mit der oksimo.R Software folgende Visions-Regel eingeben, die dann akut ein neues Ziel erzeugt:

Rule: bz-einkaufen1
Conditions:
Es ist Arbeitsende.
Positive Effects:
Gerd hat eingekauft.

Test mit einer Simulation (gespeichert mit Namen: einkaufen1-dynamisch1-sim1 )

Selected visions:
z-DummyVis
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
bz-einkaufen1 <—– Regel, um ein ‚bedingtes Ziel‘ zu aktivieren

Your vision:
none

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,none
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,none
Current values:

50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.

Wie man sehen kann, wird kontextsensitiv ein Ziel aktiviert, das dann automatisch zur Bewertung einer IST-Beschreibung herangezogen wird. Irritierend ist nur noch, dass nur 50% vom Ziel erfüllt worden sind während es doch 100% sein sollten. Der Störfaktor ist der Ausdruck ’none‘, der vom Dummy-Ziel herrührt. Während Programmierer in ‚klassischen‘ Programmiersprache gerne ’none‘ schreiben, um anzudeuten, dass hier ’nichts‘ geschehen soll, wirkt der Ausdruck ’none‘ hier störend. Also sollten wir ihn weglassen und bei dem Dummy-Ziel gar nichts reinschreiben, also

Name: z-DummyVisZero

… Kein Inhalt zu sehen …

Neuer Test (Simulation wurde mit Namen ‚einkaufen1-dynamisch1-sim1‚ abgespeichert.

Selected visions:
z-DummyVisZero
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
bz-einkaufen1 <—– Regel, um ein ‚bedingtes Ziel‘ zu aktivieren

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.<----- Neue Vision
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.

Mit der vorgenommenen Änderung zeigt der Simulationsverlauf jetzt, was erwartet wurde: 100% Ziel-Erfüllung.

Damit kann man nun auch die weiteren Ziele einbauen. Ziel 2 könnte man wie folgt formulieren:

Rule name: bz-zuhausemusik1
Gerd geht nach Hause.
Effects plus:
Gerd macht Musik.

Test mit einer Simulation (abgespeichert als ‚tag1-dynamisch1-sim3‘)

Selected visions:
z-DummyVisZero
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
doc rd-zuhause1
bz-einkaufen1
bz-zuhausemusik1

Your vision:

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.
Initial math states

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.

Round 3

State rules:
Vision rules:
Current states: Gerd geht nach Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 4

State rules:
Vision rules:
Current states: Gerd macht Musik.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,Es ist 23:00h.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd macht Musik.
Current values:

50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd macht Musik.

Man kann erkennen, dass die Aktivierung des zweiten Ziels funktioniert; störend ist, dass das vorausgehende Zeil 1 noch aktiv bleibt und damit das Ergebnis von 100% Zielerfüllung blockiert. Um diese Störung zu verhindern, müsste man das vorausgehende Ziel wieder deaktivieren können. Dies ist möglich.

Dazu erweitert man die bisherige bedingte Ziel-Regel … mit neuem Namen … zu

Rule name: bz-zuhausemusik2
Conditions:
Gerd geht nach Hause.
Effects plus:
Gerd macht Musik.
Effects minus:
Gerd hat eingekauft.

Test mit einer Simulation (abgespeichert als ‚tag1-dynamisch1-sim5‘)

Selected visions:
z-DummyVisZero
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
doc rd-zuhause1
bz-einkaufen1
bz-zuhausemusik2

Your vision:

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.
Initial math states

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None
And the following math visions:
None

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.,

Round 3

Current states: Gerd geht nach Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 4

Current states: Gerd macht Musik.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,Es ist 23:00h.
Current visions: Gerd macht Musik.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd macht Musik.,

Round 5

Current states: Gerd macht Musik.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,Es ist 23:00h.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd macht Musik.
Current values:

50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd macht Musik.

Man kann erkennen, dass die Aktivierung des neuen Ziels funktioniert bei gleichzeitiger Deaktivierung des vorherigen Teil-Ziels, aber im Anschluss wird das vorausgehende Ziel 1 wieder neu aktiviert, weil die auslösende Eigenschaft ‚Es ist Arbeitsende.‘ noch immer Teil der IST-Beschreibung ist. Dies kann man natürlich ändern, wenn man die auslösende Veränderungs-Regel präzisiert …

KOMMENTARE

[3] ETHIK: Die Bewertung von ‚Zielen‘ wird oft als ‚ethisch‘ bezeichnet, als ’normativ‘, doch sind diese Begriffe letztlich ’nicht genormt‘. Es ist völlig unklar, was dies für eine Art ‚Reflexion‘ sein soll; noch weniger ist klar, warum diese sogenannten ‚ethischen‘ Reflexionen einen höheren Erkenntnis- und Qualitätsstandard verkörpern sollen als die grundlegend empirischen Erkenntnisprozesse. Die gesamte Geschichte der Philosophie einschließlich der Erweiterungen durch die empirischen Wissenschaften bleibt bis heute eine klare Antwort darauf schuldig. Die sogenannten ‚Religionen‘ bleiben hier ebenfalls notorisch ‚vage‘. Die sogenannten ‚Worte Gottes‘ sind in allen bis heute bekannten Fälle letztlich Worte, die Menschen aufgeschrieben haben. Die ‚Spur‘ des Religiösen verliert sich damit in der Dimension des ‚Subjektiven‘, was sich einer objektiven Klärung prinzipiell entzieht. Die Formel vom ‚individuellen Glauben‘ war durchgehend — nicht notwendigerweise — zu allen Zeiten ein williges Instrument willkürlicher und brutaler Machtausübung, wo Menschen ‚aus dem Nichts heraus‘ zu Feinden , zu Todfeinden, erklärt werden konnte, deren Unterdrückung, Folterung und Abschlachtung ganz OK war. Das ist heute in vielen Ländern immer noch OK.

oksimo.R – Alltagsszenen – Tagesablauf (Zeitliche und ethische Struktur(en))

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 26.November 2022 – 5.Dezember 2022, 09:25h)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil der einführenden Beispiele des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Dieser Teil bildet eine Fortsetzung sowohl zum Teil 2 von ‚Essen gehen (mit Absicht))‘ wie auch der Erklärungsbox ‚Welt, Raum, Zeit‘.

INHALT

In diesem Text geht es einmal darum, bei der Beschreibung eines Prozesses im Alltag neben der ‚impliziten Zeitstruktur‘ auch eine ‚explizite Zeitstruktur‘ zu verwenden. Ferner zeigen sich neue Aspekte im Kontext einer ‚IST-Beschreibung‘; diese können ‚elementar‘ sein oder ‚zusammengesetzt‘. Ein anderer Aspekt sind die ‚ZIELE‘, die im Rahmen eines Prozesses auftreten können. Diese repräsentieren neben der primär erfahrbaren ‚empirischen Welt‘ eine zusätzliche ‚ethische‘ Dimension, deren Beschaffenheit bis heute als ‚eher ungesichert‘ anzusehen ist.

Eine ‚implizite‘ Beschreibung von Zeit liegt vor, wenn man verschiedene Ereignisse im Erzählen hintereinander anordnet, ohne explizit Zeitangaben zu machen (Peter steht vor der Tür. Er öffnet die Tür und geht hinein.) Eine ‚explizite‘ Zeitangabe benutzt solche Ausdrücke, die als vereinbarte ‚Zeitmarken‘ gelten (Es ist früh am Morgen. Peter wacht auf. Nach 15 Minuten geht er ins Badezimmer. Um 12:00h muss er im Geschäft sein….). ‚Zusammengesetzte‘ IST-Beschreibungen vereinigen eine endliche Menge von ‚elementaren‘ IST-Beschreibungen. ‚ZIELE‘ können ‚global‘ oder ‚lokal‘ sein, ja, sie können sich auch ‚verändern‘! Sie müssen von den handelnden Menschen separat zur erfahrbaren Weltbeschreibung gesetzt und formuliert werden. Diese — oft ‚ethisch‘ genannte — Vorgehensweise ist im Lichte der bisherigen Geschichte extrem Fehleranfällig.

Ein Tagesablauf

Im bisherigen Beispiel wird ein Prozess beschrieben (Essen gehen), den man als ‚Teil eines Tages‘ verstehen kann: Als ein ‚Tag‘ wird normalerweise die ‚Zeit‘ zwischen dem Aufstehen am ‚Morgen‘ und dem ‚zu Bett gehen‘ am ‚Abend‘ verstanden, wobei ‚Abend‘ fließend ist; bei vielen erstreckt sich die Zeit bis zum ‚Schlafen gehen‘ bis ‚Mitternacht‘ oder gar später. Während die Aktivitäten ‚Aufstehen‘ und ‚Schlafen gehen‘ als solche eine einigermaßen konkrete Bedeutung haben, ist es mit ‚Morgen‘ und ‚Abend‘ schon schwieriger. Ursprünglich war ‚Morgen‘ die Zeit, wenn die ‚Sonne aufgeht‘, und ‚Abend‘, wenn die ‚Sonne untergeht‘. Mit dem Fortschreiten der ‚Verstädterung‘ und der ‚Technisierung‘ der Lebenswelt findet eine immer stärkere Abkopplung des Tagesablaufs von ‚periodischen Naturereignissen‘ (Sonne, Mond, …) statt und stattdessen eine immer stärkere Ankopplung an ‚künstliche Umgebungen‘, zu der auch ‚Zeitmaschinen‘ (Uhren) gehören. Die ‚periodischen Signale‘ dieser Zeitmaschinen dienen dann immer mehr als Ersatz für natürlich periodische Vorgänge. Mein ‚Morgen‘ ist dann vielleicht nicht mehr der ‚Sonnenaufgang‘ sondern das ‚Klingeln meines Weckers‘ um z.B. 7:00h. Die ‚Mittagszeit‘ ist dann nicht mehr der höchste Sonnenstand sondern z.B. 12:30h bis 13:30h als ‚offizielle Mittagspause‘ der jeweiligen Institution. usw.

Will man in einem oksimo.R Text mit expliziten Zeitangaben arbeiten, dann müssen diese als ‚Eigenschaft einer Situation‘ auftreten. Ein einfaches Beispiel:

Gerd sitzt in seinem Büro. Es ist 12:30h. Gerd ist hungrig.

Man könnte dann z.B. fortsetzen mit:

Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen. Gerd geht zum Griechen. Es ist 12:40h, als er sein Büro verlässt.

Auf diese Weise kann man eine Uhr — oder andere typische Zeitangaben — den ganzen Tag mitlaufen lassen bis zu dem Zeitpunkt, wo Gerd schlafen geht.

Es ist 23:35h. Gerd schläft ein. Um 7:00h klingelt der Wecker.

Nehmen wir mal den einfachen Fall an, dass der Tagesablauf durch ‚Fixpunkte‘ weitgehend geregelt ist. Dann könnte man mit wenigen Regeln beliebig viele Tagesabläufe hintereinander beschreiben.

Ein erstes Demo-Beispiel

Folgender einfacher Tagesablauf soll beispielhaft angenommen werden [1]:

  • Morgen, Aufwachen
  • Die Wohnung verlassen
  • Vormittag, Büro
  • Mittag, Imbiss
  • Nachmittag, Büro
  • Arbeitsende
  • Abends Einkaufen
  • Spät am Abend Freizeit
  • Nachts Schlafen

Erste Teilsimulation: Arbeitsende und Einkaufen

IST-Beschreibung

Eine Ausgangslage könnte zu jedem Zeitpunkt ansetzen, z.B. am Arbeitsende:

IST-BESCHREIBUNG (Arbeitsende)

Name: arbeitsende1
Es ist Arbeitsende.
Gerd verlässt das Büro.

ZIEL-Beschreibung(en)

Der Akteur kann viele Ziele gleichzeitig haben, z.B.:

ZIEL-BESCHREIBUNG(en) [2]

ZIEL 1 (Einkaufen)

Name: z-einkaufen1

Es ist Arbeitsende.
Gerd hat eingekauft.

ZIEL 2

Name: z-zuhausemusik1

Gerd ist zu Hause.
Gerd hat Musik gemacht.

ZIEL 3

Es ist nach 23:00h. Gerd hat sich schlafen gelegt.

Veränderungs-Regeln

Jetzt muss man sich überlegen, mit Hilfe von welchen Veränderungsregeln man — ausgehend von der IST-Beschreibung — die verschiedenen Ziele erreichen kann.

… für Ziel 1

Um ZIEL 1 zu erreichen, könnte man vielleicht folgende Veränderungs-Regel(n) annehmen:

VR-Einkaufen

WENN

Es ist Arbeitsende. Gerd verlässt das Büro.

DANN

Hinzu: Gerd geht zum Laden um die Ecke.

Wegnehmen: Gerd verlässt das Büro.

Regel im oksimo.R Format:

Rule: vr-laden1
Conditions:
Es ist Arbeitsende.
Gerd verlässt das Büro.
Positive Effects:
Gerd geht zum Laden um die Ecke.

Negative Effects:
Gerd verlässt das Büro.

Rule name: vr-laden2

Conditions:
Es ist Arbeitsende.
Gerd geht zum Laden um die Ecke.

Effects plus:
Gerd ist im Laden.
Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.
Gerd geht zur Kasse und zahlt.
Gerd hat eingekauft.
Effects minus:
Gerd geht zum Laden um die Ecke.

Zusammengefasst in einem Regel-Dokument ergibt sich:

rd-einkaufen1

vr-laden1
vr-laden2

Name der gespeicherten Simulation: einkaufen1-sim1

Your vision:
Gerd hat eingekauft.,Es ist Arbeitsende.

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Es ist Arbeitsende.
Current values:
50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Es ist Arbeitsende.

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Es ist Arbeitsende.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.,Es ist Arbeitsende.

Differenzierung des Konzepts ‚IST-Beschreibung‘

Man kann an der IST-Beschreibung von Runde 2 erkennen, dass in dieser IST-Beschreibung eigentlich ‚mehrere Zustandsbeschreibungen‘ zusammengefasst wurden. Denn die einzelnen Aussagen {Gerd geht zur Kasse und zahlt., Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht., Es ist Arbeitsende., Gerd ist im Laden.} sind so, dass jede für sich eine IST-Situation beschreibt, die für sich alleine stehen kann . Im Alltag setzen diese einzelnen Situationen eine gewisse ‚Abfolge voraus‘:

  1. Es ist Arbeitsende.
  2. Gerd ist im Laden.
  3. Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.
  4. Gerd geht zur Kasse und zahlt.

Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob eine solche ‚Zusammenfassung‘ von einzelnen IST-Beschreibungen noch eine IST-Beschreibung darstellt, die folgende Anforderungen einer IST-Beschreibung erfüllt : (i) Eine Menge von Eigenschaften, die innerhalb eines Zeitintervalls unverändert sind. (ii) Alle in der Situation beteiligten Akteure können die Aussagen bestätigen. Führt man die Unterscheidung zwischen ‚Elementaren IST-Beschreibungen‘ und ‚Zusammengesetzten-IST-Beschreibungen‘ ein, dann könnte man vereinbaren:

  1. Def: Eine ‚elementare IST-Beschreibung ist ein IST-Beschreibung
  2. Def: Eine ‚zusammengesetzte IST-Beschreibung‚ stellt eine ‚Sammlung‘ von elementaren IST-Beschreibungen‘ dar.
  3. Wahrheitskriterium: Die Beteiligten einer gemeinsamen Situation müssen entscheiden, ob sie die elementaren/ zusammengesetzten IST-Beschreibungen akzeptieren.

Zweite Teilsimulation: Spät Freizeit und Schlafen

Die vorausgehende Teil-Simulation zum Thema ‚Arbeitsende und Einkaufen‘ endet mit folgender IST-Beschreibung:

Es ist Arbeitsende. Gerd ist im Laden, Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht. Gerd geht zur Kasse und zahlt. Gerd hat eingekauft.

Es gibt jetzt zwei Ziele, die noch nicht erreicht wurden:

ZIEL 2

Es ist spät am Abend. Gerd hat Musik gemacht.

ZIEL 3

Es ist nach 23:00h. Gerd hat sich schlafen gelegt.

Veränderungs-Regeln

Jetzt muss man sich wieder überlegen, mit Hilfe von welchen Veränderungsregeln man — ausgehend von der aktuellen IST-Beschreibung — die verschiedenen Ziele erreichen kann.

… für Ziel 2

Um ZIEL 2 zu erreichen, könnte man vielleicht folgende Veränderungs-Regel(n) annehmen:

VR-Nach Hause

WENN

Es ist Arbeitsende. Gerd hat eingekauft.

DANN

Hinzu: Gerd geht nach Hause.

Wegnehmen: Gerd ist im Laden., Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht. Gerd geht zur Kasse und zahlt. Gerd hat eingekauft.

Regel im oksimo.

Rule name: vr-nachhause1

Conditions:
Es ist Arbeitsende.
Gerd hat eingekauft.

Effects plus:
Gerd geht nach Hause.
Effects minus:
Gerd ist im Laden.
Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.
Gerd geht zur Kasse und zahlt.
Gerd hat eingekauft.

Rule: vr-zuhause1
Conditions:
Gerd geht nach Hause.
Positive Effects:
Gerd ist zu Hause.
Gerd macht Musik.
Es ist 23:00h.

Negative Effects:
Gerd geht nach Hause.

Test der Teiltheorie durch Simulation

Name gespeicherte Simulation: feierabend1-sim1

Bestandteile:

Selected visions:
z-einkaufen1
z-zuhausemusik1
Selected states:
arbeitsende1
Selected rules:
doc rd-einkaufen1
vr-nachhause1
vr-zuhause1

Your vision:
Gerd hat eingekauft.,Gerd hat Musik gemacht.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.

Initial states: 
Es ist Arbeitsende.,Gerd verlässt das Büro.

Round 1

Current states: Gerd geht zum Laden um die Ecke.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd hat Musik gemacht.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current values:

25.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Es ist Arbeitsende.

Round 2

Current states: Gerd hat eingekauft.,Gerd geht zur Kasse und zahlt.,Gerd sucht sich alles zusammen, was er braucht.,Es ist Arbeitsende.,Gerd ist im Laden.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd hat Musik gemacht.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current values:

50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd hat eingekauft.,Es ist Arbeitsende.,

Round 3

Current states: Gerd geht nach Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd hat Musik gemacht.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current values:

25.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Es ist Arbeitsende.

Round 4

Current states: Gerd macht Musik.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,Es ist 23:00h.
Current visions: Gerd hat eingekauft.,Gerd hat Musik gemacht.,Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.
Current values:

50.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd ist zu Hause.,Es ist Arbeitsende.,

Differenzierung des Begriffs ZIELE

An diesem kleinen Beispiel kann man u.a. folgendes beobachten:

  1. Wenn es mehr als eine ZIEL-Beschreibung gibt, dann werden die Inhalte der verschiedenen ZIEL-Beschreibungen automatisch zu einer ZIEL-Beschreibung zusammen gefasst. Dies bedeutet, sollte es unterschiedliche Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Zielen geben, werden diese automatisch vereinigt, sofern man diese in einem Test zusammen führt. Dies führt dann dazu, dass die ‚Anzeige‘ einer ‚Zielerfüllung‘ sich immer mehr ‚verfeinert‘: jeder einzelne Aspekt eines Zieles wird berücksichtigt.
  2. Wenn die Ziele keine ‚globalen‘ Ziele sind, die für den ganzen Prozess gelten sollen, sondern nur ‚lokale‘ Ziele, die im Verlauf eines längeren Prozesses quasi ‚durchlaufen‘ werden, dann kann es passieren, dass keine 100%-Zielerfüllung mehr angezeigt wird, obgleich jedes Teilziel zu 100% erreicht wurde. Man könnte diese Wechselwirkung zwischen Teilzielen mit dem Begriff ‚Zielabschattung‘ benennen.

Der Effekt einer ‚Zielabschattung‘ ist nicht sehr hilfreich.

Die ‚Logik hinter den Teilzielen‘ besteht ja darin, dass ein längerer Prozess ja tatsächlich verschiedene ‚lokale‘ Ziele umfassen kann. In einer bestimmten IST-Situation kann es ein lokales Ziel geben (nach Arbeitsende noch kurz einkaufen), das für eine kurze Zeitspanne den Akteur ‚dominiert‘, aber wenn dieses lokale Ziel dann erfüllt wurde (‚Gerd hat eingekauft‘), dann hat sich dieses Ziel ‚erledigt‘. Dann kann ein ’neues lokales Ziel‘ aktiv werden (’nach Hause gehen‘).

Um solch einen Zielabschattungs-Effekt zu verhindern, wäre es besser, man kann Ziele ’situationsabhängig aktivieren und deaktivieren‘. Dies ist möglich. Schauen wir uns dies an, indem wir die bisherige Theorie entsprechend abändern.

Lese die Fortsetzung HIER.

KOMMENTARE

[1] TAGESBLAUF: Dieser Tagesablauf ist einerseits höchst einfach, zugleich beschreibt er dennoch in seiner Einfachheit einen Tagesablauf, der bei vielen anderen Menschen völlig anders aussieht. Es wäre sicher interessant, einen Tagesablauf als ‚Baustein‘ eines alltäglichen Lebensprozesses zu sehen, durch den für den handelnden Akteur zu großen Teilen festgelegt wird, was er so ‚erlebt‘, was er so ‚tut‘, welche sozialen und gesellschaftlichen Interaktionen er/sie/x erlebt, usw.

[2] ZIEL-BESCHREIBUNGEN: Normalerweise formulieren wir Zielbeschreibungen als Wünsche, in einer Form, in der wir ausdrücken, was wir positiv wollen, ohne dass es schon eingetreten ist: „Ich möchte nachher noch einkaufen“, „Ich will nach dem Einkaufen noch Musik machen“, „Spätestens nach 23:00h werde ich ins Bett gehen“. Im Rahmen eines oksimo.R Textes muss man Wünsche in einer Form formulieren, in der das ‚Ergebnis des Wunsches‘ beschrieben wird, z.B. statt „Ich möchte nachher noch einkaufen“ muss man schreiben: „Ich habe eingekauft“ oder statt „Ich will nach dem Einkaufen noch Musik machen“ muss man schreiben „Ich habe nach dem Einkaufen Musik gemacht“, usw. Die ‚Logik‘ dahinter ist, dass ein oksimo.R Text eine ‚Theorie‘ ist, die sich auf eine IST-Situation bezieht (z.B.: „Es ist Arbeitsende. Gerd verlässt das Büro,“), und innerhalb dieser Theorie wird dann auf eine gegebene IST-Situation eine mögliche ‚Veränderungs-Regeln‘ anwendet. Durch diese Anwendung von Veränderungsregeln auf eine IST-Situation entsteht dann eine ’neue‘ IST-Situation. Und dann kann es passieren, dass nach einer bestimmten Folge von IST-Situationen eine IST-Situation eintritt, in der der ursprüngliche Wunsch, einzukaufen, stattgefunden hat, d.h. in der IST-Situation kann dann die Eigenschaft vorliegen „Gerd hat eingekauft“. Wenn es dann eine ZIEL-Beschreibung gibt, in der es heißt „Gerd hat eingekauft“, dann kann das System sofort feststellen, dass dieses Ziel erreicht wurde. Würde es in der ZIEL-Beschreibung aber heißen „Gerd will einkaufen“, dann könnte dieses Ziel niemals erreicht werden, weil nicht klar ist, wann es dann erfüllt wäre.