oksimo.R – Alltagsszenen – Essen gehen – Teil 2

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 18.November 2022 – 24.November 2022)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil der einführenden Beispiele des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Dieser Teil 2 bildet eine Fortsetzung zum Teil 1.

INHALT

In Teil 1 wurde der Beginn eines einfachen Beispiels vorgestellt, bei dem ein Akteur (hier: ‚Gerd‘) im Büro sitzt, Hunger verspürt, und sich vorstellt, dass er keinen Hunger haben möchte. Im Teil 1 beschließt er sein Büro zu verlassen und Essen zu gehen. Eingebettet in die Mini-Theorie dieses Beispiels werden verschiedene Begriffe erläutert: Textsorten (IST-Beschreibung, ZIEL-Beschreibung, VERÄNDERUNGS-Beschreibung), Regel-Anwendung, oksimo.R Software oksimo.R Software Kontextualisierung, Theorie testen, Folgerungen testen, Zielerfüllung testen, Simulation starten, und Logischer Folgerungsbegriff.

In Teil 2 wird die Minitheorie vervollständigt. Die Geschichte endet damit, dass der Akteur Gerd keinen Hunger mehr verspürt (zumindest nicht für den Moment :-)).

Fortsetzung der Geschichte

Eine oksimo.R Theorie kann man auch einfach als eine ‚Geschichte‘ verstehen, als eine Art ‚Drehbuch‘, obwohl diese Geschichte über alle Eigenschaften einer vollständigen empirischen Theorie verfügt (zu Theorie mehr weiter unten).

Die bisherige Geschichte ist einfach erzählt:

Ausgangspunkt (Szene 1):
Gerd sitzt in seinem Büro.Gerd ist hungrig.
Ziel:
Gerd ist nicht hungrig.

Szene 2:
Gerd verlässt sein Büro.Gerd ist hungrig.
Zielerfüllung bislang: 0%

Der Übergang von Szene 1 zu Szene 2 war nur möglich, weil eine Veränderungsregel angenommen wurde, die besagt, dass die Szene 1 verändert werden kann, wenn die Bedingung ‚Gerd ist hungrig‘ gilt. Da dies der Fall ist, wurde die Eigenschaft ‚Gerd sitzt im Büro‘ entfernt und die neue Eigenschaft ‚Gerd verlässt sein Büro‘ hinzugefügt.

Für eine weitere Fortsetzung fehlt im Moment eine Regel. Allerdings kann die bisherig einzige Veränderungsregel immer wieder neu angewendet werden, so dass die Szene 2 beliebig oft wiederholt wird (wie bei einem Plattenspieler, der auf eine kaputte Rille in der Platte trifft, so dass der Plattenspieler diese Spur endlos wiederholt, bis wir ihn abstellen).

Diese ‚Wiederholbarkeit kann zu einem Problem werden, wenn man nicht aufpasst. Hier ein Beispiel für unerwünschte Wiederholung (was wir letztlich dann nicht wollen!).

Unerwünschte Wiederholung(en)

Da es ‚links um die Ecke‘ einen ‚Griechen‘ gibt, bei dem Gerd eine Kleinigkeit essen könnte, schreiben wir folgende neue Veränderungsregel auf:

VERÄNDERUNGS-Beschreibung 2:

WENN:

Gerd ist hungrig.

DANN:

Füge als Eigenschaft zur IST-Situation hinzu: Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Entferne als Eigenschaft aus der IST-Situation: — Nichts —

ANWENDUNG der Veränderungs-Beschreibung:

Da die Bedingung ‚Gerd ist hungrig.‘ erfüllt ist, könnte die Regel angewendet werden, und wir würden folgendes Ergebnis mit dieser Regel erhalten:

DANN:

NEUE IST-Situation (mit Regel 2):

Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen. Gerd ist hungrig.

Allerdings gibt es ja immer noch Regel 1, die nicht verschwindet (als Option ist ein ‚Verschwinden dieser Regel denkbar). Diese Regel hat die gleiche Bedingung wie Regel 2 und kann daher auch angewendet werden. Sie würde folgendes Ergebnis erzeugen:

NEUE IST-Situation (mit Regel 1):

Gerd verlässt sein Büro. Gerd ist hungrig.

Eine ‚Vereinigung‘ der Fortsetzung nach Regel 1 und der Fortsetzung nach Regel 2 führt zu folgendem Ergebnis:

Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen. Gerd ist hungrig. Gerd verlässt sein Büro.

Mit der oksimo.R Software (Level 2) würde dies so aussehen:

VERÄNDERUNGS-Regel eingeben

Rule: Essen1-Ziel1
Conditions:
Gerd ist hungrig.

Positive Effects:
Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Negative Effects:

Neue Simulation Starten

Selected visions:
Essen1-v1
Selected states:
Essen1
Selected rules:
Essen1-Ziel1
Essen1-Wollen1

Protokoll der Simulation (einfache Version)

Your vision:
Gerd ist nicht hungrig.

Initial states: 
Gerd sitzt in seinem Büro.,Gerd ist hungrig.

Round 1

Current states: Gerd verlässt sein Büro.,Gerd ist hungrig.,Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

Current states: Gerd ist hungrig.,Gerd verlässt sein Büro.,Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Schon nach zwei Simulationszyklen erkennt man, dass sich alles wiederholt. Und bei Kenntnis der Veränderungsregeln weiß man, dass beide solange immer wieder ‚aktiviert‘ werden, solange ihre Bedingung erfüllt ist. Im konkreten Beispiel ist dies der Fall. Dies verweist auf eine generelle Struktur von regel-gesteuerten Veränderungen mit Situationsbezug.

Zur Meta-Logik von situationsbezogenen Veränderungsregeln

An dieser Stelle sollte man sich nochmals daran erinnern, dass eine IST-Beschreibung nichts anderes ist als eine ‚Menge von sprachlichen Ausdrücken‘ der jeweils gewählten Sprache. Hier wird die Deutsche Sprache benutzt. Im parallelen uffmm.org-Blog ist es die Englische Sprache. Jede andere ist auch möglich.

Aus Sicht des jeweiligen Akteurs, der mit solchen IST-Beschreibungen arbeitet, hat aber jeder benutzte sprachliche Ausdruck im Raum seines ‚Sprachverständnisses‘ zusätzlich eine ’spezielle Bedeutung‘, die partiell mit ‚Eigenschaften der externen Körperwelt‘ auf eine ’spezifische Weise korrelieren‘ kann. Also, wenn jemand den Ausdruck ‚Gerd‘ liest, wird er damit meistens die Vorstellung verbinden, dass es sich um den ‚Namen einer Einzelperson‘ handelt. Und wenn man den sprachlichen Ausdruck liest ‚… sitzt in seinem Büro‘, dann wird man normalerweise an einen ‚Raum‘ in einem Gebäude‘ denken. Beide Vorstellungen ‚Namen einer Einzelperson‘ sowie ‚Raum in einem Gebäude‘ haben — normalerweise — die Eigenschaft, dass man dazu konkrete ‚Objekte der externen Körperwelt‘ über die ‚individuelle Wahrnehmung‘ ‚in Verbindung bringen kann‘. Dies kann auf vielfache Weise geschehen, z.B. indem jemand anderes zu mir sagt „Schau (und er zeigt auf eine Person), dies ist der Gerd“, oder ich komme in den Raum 204 im Gebäude 1 der Frankfurt University of Applied Sciences und jemand sagt zu mir „Schau, dies ist das Büro von Gerd“. In beiden Fällen kann sich dann eine konkrete Wahrnehmung mit einer ‚gedachten Vorstellung‘ so verbinden, dass sich die an sich ‚abstrakte‘ Vorstellung einer individuellen Person in einem Raum mit einem Bündel von sinnliche wahrgenommenen Eigenschaften verknüpft (assoziiert).

Mit diesem Hintergrund-Wissen kann man dann verstehen, warum eine IST-Beschreibung als Menge von sprachlichen Ausdrücken ‚zwei Gesichter‘ hat: (i) Auf den ersten Blick nur eine Menge von sprachlichen Ausdrücken ohne jede erkennbare weiter Eigenschaft, und (ii) , ausgehend von den sprachlichen Ausdrücken, vermittelt über das sprachliche Bedeutungswissen eines Sprecher-Hörers der jeweiligen Sprache, eine Menge von Bedeutungen, die im Falle einer IST-Beschreibung nach Vereinbarung alle mindestens einen konkreten Bezug zur externen Körperwelt aufweisen müssen. Grob kann man an dieser Stelle daher sagen, dass jeder sprachliche Ausdruck einer normalen Sprache mit einer ‚Eigenschaft‘ der externen Körperwelt verknüpft (assoziiert) werden kann. In diesem zweiten Sinne repräsentiert eine IST-Beschreibung dann nicht nur eine ‚Menge von sprachlichen Ausdrücken‘ sondern zugleich auch (Sprachverstehen im Akteur vorausgesetzt) eine ‚Menge von Körperwelt-Eigenschaften‘. Das Entfernen eines sprachlichen Ausdrucks bedeutet dann zugleich auch das Entfernen einer Eigenschaft, und das Hinzufügen eines sprachlichen Ausdrucks das Hinzufügen einer Eigenschaft.

Aufgrund dieser generell unterstellten ’sprachlichen Bedeutungsdimension‘ in jedem beteiligten Akteur stellen also IST-Beschreibungen potentiell eine Verbindung zwischen den virtuellen Bildern im Gehirn eines Akteurs zu möglichen sinnlich wahrnehmbaren Korrelaten einer damit verknüpften externen Körperwelt dar, für die eine ‚Eigendynamik‘ unterstellt wird. Damit ist gemeint, dass sich die Welt unserer sinnlichen Wahrnehmung (verknüpft mit unserem Gedächtnis!), augenscheinlich beständig irgendwie ‚partiell verändert‘ bei gleichzeitiger ‚partieller Konstanz‘. Die ‚Ausdehnung‘ der ‚Menge der Eigenschaften der externen Körperwelt‘ erscheint nahezu ‚unendlich‘ zu sein und gleichzeitig auch das Ausmaß der möglichen Veränderungen.

Vor diesem Hintergrund (weitgehend immer hypothetisch) erscheint jede IST-Beschreibung immer als eine ’sehr kleine Auswahl‘ dieser Körperwelt-Eigenschaftsmenge und eine konkrete IST-Beschreibung bildet eine Art ‚Momentaufnahme‘ eines kontinuierlich dynamischen Geschehens, das über die explizit formulierten Veränderungsregeln nur stark vereinfachend ’nachgezeichnet‘ werden kann. Insbesondere besteht ein Problem darin, wie man eine IST-Beschreibung ‚aktuell‘ halten kann, wenn die externe Körperwelt sich aufgrund ihrer ‚Eigendynamik‘ kontinuierlich verändert, ohne dass ein oksimo.R Theorie-Akteur eine einzige Veränderungsregel formuliert hat. Anders ausgedrückt: Eine IST-Beschreibung ‚veraltet‘ von alleine, wenn die ‚Ankopplung‘ der IST-Beschreibung an die externe Körperwelt nicht mit ‚passenden‘ Veränderungsregeln immer wieder neu gewährleistet wird. Um dies tun zu können benötigt man einen ‚Übersetzer‘, der kontinuierlich die Veränderungen der externen Körperwelt in den sprachlichen Bedeutungsraum der Akteure ‚abbildet‘ und diese dann entsprechende sprachliche Ausdrucksmengen generieren.

Weitere mögliche Anforderungen an einen Ablauf

Nach diesen metalogischen Überlegungen zur Funktion von IST-Beschreibungen im Wechselspiel mit einer angenommen externen Körperwelt mit Eigendynamik sollen hier einige weitere Aspekte zur Sprache gebracht werden, die für die Erstellung eines ‚Plans‘ bedeutsam sind/ sein können.

Bisher hat die kleine oksimo.R Theorie – die aktuelle Story — folgendes Format:

Ausgangspunkt (Szene 0)
Gerd sitzt in seinem Büro. Gerd ist hungrig.

Vision
Gerd ist nicht hungrig.

Szene 1
Gerd verlässt sein Büro.Gerd ist hungrig.Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Erfolg: 0%

Szene 2
Gerd ist hungrig.Gerd verlässt sein Büro.Gerd beschließt, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Erfolg: 0%

Ziel ist es immer noch, dass der Akteur Gerd sein Ziel, den ‚Griechen um die Ecke‘, erreicht, damit er etwa essen kann, damit sein Hungergefühl verschwindet.

Dazu muss es einerseits Regeln geben, die den Akteur ‚durch den Raum‘ bewegen bis zum ‚Griechen um die Ecke‘, andererseits müssen die Regeln so sein, dass sie nicht Eigenschaften aktivieren können, die im Prozess gar nicht mehr vorkommen sollten.

Eine Regel wie ‚Essen1-Ziel1′, die dafür sorgt, dass Gerd sein Büro verlässt, sollte zu einem ’späteren Zeitpunkt‘ nicht nochmals angewendet werden, desgleichen die Regel ‚Essen1-Wollen1‘, die den Beschluss beschreibt, dass Gerd zum ‚Griechen um die Ecke‘ gehen will.

Da die Aktivierung einer Veränderungs-Regel von der jeweiligen ‚Bedingung‘ abhängt, bedeutet dies, dass die Bedingung für eine Regel so beschaffen sein sollte, dass die ‚auslösende Eigenschaft‘ möglichst ‚prozessspezifisch‘ ist. Für die Eigenschaft ‚Gerd ist hungrig‘, die die ganze Geschichte bis zum eigentlichen Essen hindurch gültig ist, trifft dies eher nicht zu. Da alle Regeln mit diesem ‚unspezifischen Auslöser‘ immer wieder neu aktiviert werden würden, bis irgendwann das Essen die neue Eigenschaft produziert ‚Gerd ist nicht hungrig‘.

Damit stellt sich die Frage, wie eine IST-Beschreibung so beschaffen sein kann, dass es neben ‚langlebigen‘ Eigenschaften auch ‚kurzlebige‘ Eigenschaften gibt, die tatsächlich punktuell als ‚Auslöser für eine Regelaktivierung‘ dienen können.

Zeitangaben reichen oft nicht

Im Alltag sind wir gewohnt — die Existenz von Uhren vorausgesetzt, die weltweit synchronisiert sind –, Ereignisse an eine bestimmte Uhrzeit zu koppeln; oder das Ganze erweitert um einen Kalender mit Tagen, Wochen, Monaten und Jahren. Ein solches Hilfsmittel kann man in eine oksimo.R Theorie leicht einführen. Dies löst das Problem aber nur bedingt. Bei vielen Ereignissen weiß man vorab weder, ‚ob‘ sie überhaupt eintreten, noch ‚wann‘ dies geschieht. Hier bleibt dann nur die Möglichkeit, ein ‚Folgeereignis‘ direkt an ein bestimmtes ‚vorausgehendes‘ Ereignis zu koppeln: So macht es z.B. nur Sinn, den Regenschirm aufzuspannen, wenn es tatsächlich regnet. Einen genauen Termin, wann dieses Ereignis eintreten wird, gibt es normalerweise nicht.

Gestaltungsperspektiven: Ziel und Genauigkeit

Was nützen diese Überlegungen im konkreten Beispiel, wo eine ‚Abfolge‘ gesucht wird, die dazu führt, dass Gerd erlebt, dass sein Hungergefühl verschwindet?

Zwei allgemeine Überlegungen können hier vielleicht hilfreich sein:

  1. Vom Ende (Ziel) her denken
  2. Welche ‚Genauigkeit‘ ist gefordert/ gewünscht?

Falls man ein Ziel kennt (was nicht selbstverständlich ist; oft muss man erst mal herausfinden, was ein sinnvolles Ziel sein könnte), dann kann man vom Ziel ausgehend versuchen ‚rückwärts‘ zu denken, indem man sich von der Frage leiten lässt, ‚Welche Aktion A muss ich tun, um das Ergebnis B zu erreichen?‘. Im Fall des gewünschten Zielzustands ‚Gerd ist nicht hungrig‘ wäre die übliche Erfahrung die, dass man etwas ‚Geeignetes‘ isst, was zum ‚Verschwinden des Hungergefühls‘ führt (meistens). Dann muss man wissen, was das für ein ‚Nahrungsmittel‘ sein könnte, wo man es bekommt, und was man tun müsste, um dorthin zu kommen (sehen wir mal von dem Fall ab, dass jemand sich einfach etwas von zu Hause zum Essen mitbringt). Aus solchem ‚Rückwärts-Denken‘ kann sich dann eine hypothetischer Handlungsabfolge ergeben, die zur Grundlage für einen ‚Plan‘ werden kann, den der Akteur sich ‚in seinem Kopf‘ zurecht legt und dann stückweise durch entsprechende ‚reale Handlungen‘ umsetzt.

Die Frage nach der ‚Genauigkeit der Darstellung‘ (der Geschichte, der Theorie) ist nicht einfach zu beantworten. Wenn Ingenieure einen Roboter programmieren müssen, der bestimmte Arbeitsvorgänge ausführen können soll, dann wird dies im Normalfall eine geradezu erbarmungslose Genauigkeit erfordern (sieht man von dem Fall ab, dass es schon viele fertige Module gibt, die ‚Kleinkram‘ abnehmen können (wie z.B. sogenanntes ‚maschinelles Lernen‘ nach erfolgreichem Training)). Handelt es sich um den Autor eines Krimis oder um die Autorin eines Drehbuchs, dann müssen neben ’sachlichen Aspekten‘ sehr viel auch die ‚Wirkung auf die Leser/ Zuschauer‘ beachtet werden. Im Fall der Erreichung eines konkreten Zieles in einer konkreten Welt hängt der potentielle Erfolg der Umsetzung einer Beschreibung vollständig davon ab, ob den konkreten Anforderungen der Welt — hier der Alltagswelt — vollständig Genüge getan wird. Dabei spielt natürlich auch der Leser/ Zuhörer/ Anwender einer Beschreibung eine große Rolle: Kann man voraussetzen, dass wir es mit ‚Experten‘ zu tun haben, die den zu leistenden Prozess gut ‚kennen‘, kann man sich vielleicht mit Andeutungen begnügen; handelt es sich eher um ‚Neulinge‘, dann muss man sehr ausführlich informieren. Bisweilen reicht dann eine rein textbasierte Beschreibungen nicht aus; man benötigt dann mehr: Bilder, Videos oder gar eine eigene Schulung.

Mit einem Ziel und mit ‚alltagsnaher‘ Genauigkeit

Im konkreten Fall gibt es eine Zielvorgabe und es soll die ‚Alltagserfahrung‘ als Maßstab für die Genauigkeit genommen werden; letzteres lässt natürlich viel ‚Interpretationsspielraum‘.

Vom Ziel ausgehend ‚rückwärts gedacht‘ erscheint folgende Handlungskette als ‚hypothetischer Plan‘ plausibel:

  1. Gerd ist nicht hungrig‘, weil:
  2. ‚Gerd isst seinen Eintopf‘, weil:
  3. ‚Gerd bekommt seine Bestellung‘, weil:
  4. ‚Gerd bestellt einen Eintopf‘, weil:
  5. ‚Gerd steht vor der Theke‘, weil:
  6. ‚Gerd betritt das Bistro‘, weil:
  7. ‚Gerd geht zum Griechen um die Ecke‘, weil:
  8. ‚Gerd beschließt zum Griechen um die Ecke zu gehen‘, weil:
  9. ‚Gerd ist hungrig‘, ‚Gerd ist in seinem Büro‘, weil:
  10. … hier gibt es einen ‚Schnitt‘: willkürliche Entscheidung, wo die Geschichte/ die Theorie beginnen soll …

Tatsächlich gibt es in jedem Moment nicht nur eine Wahlmöglichkeit, und es kann während der ‚Ausführung‘ dieses ‚Plans‘ vieles passieren, was eine Änderung des Plans zur Folge haben kann. Und, natürlich, es gibt noch viele weitere mögliche Aspekte, die für die Ausführung dieses Plans relevant sein könnten (oder müssten).

Konstante und veränderliche Eigenschaften

Wie zuvor schon beobachtet, gibt es Eigenschaften, die ‚eher konstant‘ sind und solche, die ‚kurzlebig‘ sind. Im Kontext des obigen ‚Plans‘ ist z.B. die Eigenschaft ‚Gerd ist hungrig‘ von Beginn bis zum Ereignis ‚Gerd ist nicht hungrig‘ konstant. Eine andere Eigenschaft wie ‚Gerd verlässt sein Büro‘ ist eher kurzlebig.

Nehmen wir den obigen hypothetischen Plan als Bezugspunkt, dann legt sich folgende Verteilung von ‚eher konstanten‘ und ‚eher kurzlebigen‘ Eigenschaften nahe (linke Spalte ‚eher konstant‘, rechte Spalte ‚eher kurzlebig‘):

Gerd ist hungrigGerd ist in seinem Büro
Gerd ist hungrigGerd beschließt …
Gerd ist hungrigGerd geht …
Gerd ist hungrigGerd betritt …
Gerd ist hungrigGerd steht vor ..
Gerd ist hungrigGerd bestellt …
Gerd ist hungrigGerd bekommt …
Gerd ist hungrigGerd isst …
Gerd ist nicht hungrig

Eine einfache Strategie zur Vermeidung von unangemessenen Wiederholungen wäre jene, in der die Bedingung einer Veränderungs-Regel sich auf eine ‚eher kurzlebige‘ Eigenschaft bezieht, die mit der Umsetzung einer Veränderungsregel ‚automatisch‘ wieder verschwindet. Beispiel (Kurzform):

  1. Wenn: ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd ist in seinem Büro‘, Dann: ‚Gerd beschließt…‘
  2. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd beschließt…‘, dann hinzu: ‚Gerd geht…‘, löschen: ‚Gerd im Büro…‘
  3. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd geht…‘, dann hinzu: ‚Gerd betritt…‘, löschen: ‚Gerd geht…‘
  4. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd betritt …‘, dann hinzu: ‚Gerd steht vor …‘, löschen: ‚Gerd betritt …‘
  5. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd steht vor…‘, dann hinzu: ‚Gerd bestellt …‘, löschen: ‚Gerd steht vor …‘
  6. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd bestellt …‘, dann hinzu: ‚Gerd bekommt …‘, löschen: ‚Gerd bestellt …‘
  7. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd bekommt …‘, dann hinzu: ‚Gerd isst…‘, löschen: ‚Gerd bekommt‘
  8. Wenn ‚Gerd ist hungrig‘ und ‚Gerd isst‘, dann hinzu: ‚Gerd ist nicht hungrig‘, löschen: ‚Gerd isst…‘.

Dieses kleine Beispiel zeigt schon sehr klar die ‚Doppelnatur‘ unserer alltäglichen Wirklichkeit: das eine ist das, was wir selbst tun, und das andere sind die ‚Wirkungen‘ unseres Tuns in der externen Körperwelt. Wenn jemand vorhat ‚zu gehen‘ und dann tatsächlich geht, dann bewegt man seinen Körper, der ‚automatisch‘ seine Position in der externen Körperwelt verändert. Normalerweise beschreibt man diese ‚Wirkungen‘ nicht eigens, weil jeder Mensch aufgrund seiner Erfahrung weiß, dass dies so ist. Will man aber eine ‚Beschreibung‘ der externen Körperwelt mit ihren Eigenschaften erstellen, die so ist, dass diese IST-Beschreibung alles enthält, was für die Beschreibung eines Prozesses wichtig ist, dann muss man auch einige der ‚impliziten Eigenschaften‘ ‚explizit‘ machen, indem man sie in die Beschreibung aufnimmt. Am wichtigsten ist dabei die Beachtung von ‚eher kurzlebigen‘ (temporären) Eigenschaften, deren Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein für viele Aktionen entscheidend ist.

Erweiterung der Simulation

Die erweiterte Simulation übernimmt die Handlungsskizze aus dem ‚Rückwärts-Denken‘ (siehe oben). Dazu werden neue Veränderungs-Regeln formuliert.

Beibehalten wird die bisherige IST-Beschreibung:

Essen1

Gerd sitzt in seinem Büro.
Gerd ist hungrig.

Beibehalten wird die bisherige ZIEL-Beschreibung:

Essen1-v1

Gerd ist nicht hungrig.

Folgende Veränderungs-Regeln werden neu formuliert:

Essen1-Beschluss1

Rule: Essen1-Beschluss1

Conditions:

Gerd ist hungrig.

Gerd sitzt in seinem Büro.

Positive Effects:

Gerd beschliesst, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Essen1-Gehen1

Rule: Essen1-Gehen1

Conditions:

Gerd ist hungrig.

Gerd beschliesst, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Positive Effects:

Gerd geht zum Griechen.

Effects minus:

Gerd beschliesst, zum Griechen um die Ecke zu gehen.

Gerd sitzt in seinem Büro.

Essen1-Betreten1

Rule name: Essen1-Betreten1

Conditions:

Gerd geht zum Griechen.

Effects plus:

Gerd betritt das Bistro.

Gerd ist im Bistro.

Effects minus:

Gerd geht zum Griechen.

Essen1-Stehen-Vor1

Rule: Essen1-Stehen-Vor1

Conditions:

Gerd betritt das Bistro.

Positive Effects:

Gerd steht vor der Theke.

Negative Effects:

Gerd betritt das Bistro.

Essen1-Bestellen1

Rule:Essen1-Bestellen1

Conditions:

Gerd steht vor der Theke.

Positive Effects:

Gerd bestellt einen Eintopf.

Negative Effects:

Gerd steht vor der Theke.

Essen1-Bekommen1

Rule: Essen1-Bekommen1

Conditions:

Gerd bestellt einen Eintopf.

Positive Effects:

Gerd bekommt seinen Eintopf.

Negative Effects:

Gerd bestellt einen Eintopf.

Essen1-Essen1

Rule name: Essen1-Essen1

Conditions:

Gerd bekommt seinen Eintopf.

Effects plus:

Gerd isst seinen Eintopf.

Effects minus:

Gerd bekommt seinen Eintopf.

Essen1-Nicht-hungrig1

Rule: Essen1-Nicht-hungrig1

Conditions:

Gerd isst seinen Eintopf.

Positive Effects:

Gerd ist nicht hungrig.

Negative Effects:

Gerd isst seinen Eintopf.

Gerd ist hungrig.

Zusammenfassung einzelner Regeln in einem Regel-Dokument

Wollte man jetzt wieder eine neue Simulation starten, dann müsste man im Normalfall jede Regel einzeln eingeben. Beim Experimentieren kann dies sehr schnell sehr lästig werden. Stattdessen kann man alle Regel, die ‚thematisch‘ ‚zusammen gehören‘ in einem ‚Regel-Dokument‘ zusammenfassen. Dann braucht man künftig immer nur den einen Namen des Regel-Dokuments angeben.

Im vorliegenden Fall wird ein Regel-Dokument mit dem Namen ‚Essen1-RMenge1‚ angelegt. Dieses Dokument umfasst dann die folgenden Regeln:

Essen1-Beschluss1

Essen1-Gehen1

Essen1-Betreten1

Essen1-Stehen-Vor1

Essen1-Bestellen1

Essen1-Bekommen1

Essen1-Essen1

Essen1-Nicht-hungrig1

Zum Starten einer neuen Simulation muss man dann nur noch das Folgende eingeben:

Selected visions:
Essen1-v1
Selected states:
Essen1
Selected rules:
doc Essen1-RMenge1

Wenn man dann als maximale Rundenzahl 8 eingibt, erhält man folgendes Protokoll:

SIMULATIONS PROTOKOLL (mit Regel-Anwendungen)

Your vision:
Gerd ist nicht hungrig.

Initial states: 
Gerd sitzt in seinem Büro.,Gerd ist hungrig.

Round 1

State rules:
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 applied  (Prob: 100 Rand: 77/100)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd beschliesst, zum Griechen um die Ecke zu gehen.,Gerd sitzt in seinem Büro.,Gerd ist hungrig.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 2

State rules:
Essen1-Beschluss1 applied  (Prob: 100 Rand: 28/100)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Gehen1 applied  (Prob: 100 Rand: 22/100)

Current states: Gerd ist hungrig.,Gerd geht zum Griechen.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 3

State rules:
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 applied  (Prob: 100 Rand: 0/100)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd betritt das Bistro.,Gerd ist im Bistro.,Gerd ist hungrig.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 4

State rules:
Essen1-Stehen-Vor1 applied  (Prob: 100 Rand: 45/100)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd ist im Bistro.,Gerd steht vor der Theke.,Gerd ist hungrig.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 5

State rules:
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 applied  (Prob: 100 Rand: 22/100)
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd ist im Bistro.,Gerd ist hungrig.,Gerd bestellt einen Eintopf.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 6

State rules:
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 applied  (Prob: 100 Rand: 13/100)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd ist im Bistro.,Gerd bekommt seinen Eintopf.,Gerd ist hungrig.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.
Current values:

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 7

State rules:
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)
Essen1-Nicht-hungrig1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 applied  (Prob: 100 Rand: 15/100)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)

Current states: Gerd ist im Bistro.,Gerd ist hungrig.,Gerd isst seinen Eintopf.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.

0.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
None

Round 8

State rules:
Essen1-Gehen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Betreten1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bekommen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Essen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Beschluss1 not applied (conditions not met)
Essen1-Stehen-Vor1 not applied (conditions not met)
Essen1-Bestellen1 not applied (conditions not met)
Essen1-Nicht-hungrig1 applied  (Prob: 100 Rand: 95/100)

Current states: Gerd ist im Bistro.,Gerd ist nicht hungrig.
Current visions: Gerd ist nicht hungrig.
Current values:

100.00 percent of your vision was achieved by reaching the following states:
Gerd ist nicht hungrig.

WEITERLESEN

Zum Weiterlesen empfiehlt sich an dieser Stelle die Erklärungsbox „Welt, Raum, Zeit“