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REVIEW KONFERENZ: Partizipation und Nachhaltigkeit in der Digitalität, 7.-8.Dezember 2022

(Letzte Änderung: 4.Januar 2023)

Kontext

Dieser Text ist Teil des Review Bereichs von Citizen Science 2.0.

Inhalt

Im folgenden handelt es sich um einen Bericht und einen Kommentar zu einer Konferenz. Dieser Bericht repräsentiert eine Einzelmeinung. Sollten sich weitere Beteiligte explizit äußern, so könnte man den Bericht und den Kommentar entsprechend erweitern.

  1. Die Konferenz
  2. EINLEITUNG
    • Begrifflicher Kontext
    • Konzept Intelligenz
    • Konzept Nachhaltigkeit
    • Kontext Gesellschaft
    • Partizipation
  3. KONFERENZBEITRÄGE (Letzte Änderung: 4.Januar 2023)
    • Teil 1: Verwaltungen und die Herausforderung von Bürger:innenbeteiligung für Sozial- und Umweltverträglichkeit. Moderation: Prof‘in Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe-Universität Frankfurt am Main
    • Dr. Michael Zschiesche, Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UFU): Digitalisierung in der Öffentlichkeitsbeteiligung – Stand und Perspektiven
    • Überleitender Kommentar
    • Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim Digitalisierung mit Bürger:innenbeteiligung / Bürger:innenbeteiligung mit digitalen Instrumenten
    • Podiumsdiskussion: Prof‘in Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Jörn Lamla, Universität Kassel, Prof. Dr. Christian Schrader, Hochschule Fulda
    • Überleitung zu Teil 2
    • Teil 2: Citizen Science, Sustainability and Digitality
      Moderation: Prof. Dr. Matthias Söllner, Universität Kassel
    • Dr. Katrin Vohland, Naturhistorisches Museum Wien
      Citizen Science and Sustainability – Large expectations and Some Challenges
    • Prof. Dr. Yen-Chia Hsu, University of Amsterdam
      Empowering Local Communities Using Artificial Intelligence
    • Podiumsdiskussion: Prof. Dr. Gerd Döben-Henisch, Frankfurt University of Applied Sciences, Franziska Ohde, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Matthias Söllner, Universität Kassel
  4. DISKUSSION NACH DER KONFERENZ
  5. AUSBLICK
  6. KOMMENTARE

Die Konferenz

Wie man aus der Programmankündigung ersehen kann, wurde diese Konferenz organisiert von der Projektgruppe „Nachhaltige Intelligenz –
Intelligente Nachhaltigkeit [NI-IN]“
des Zentrums für verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI). Es war die zweite Konferenz, die von dieser Forschungsgruppe organisiert worden ist. Der Autor dieses Textes ist Mitglied dieser Projektgruppe.

I. EINLEITUNG

Begrifflicher Kontext

Wie man aus dem Projektthema der NI-IN Projektgruppe ersehen kann, Enthält die Aufgabenstellung ein ‚Oberthema‘ mit „Nachhaltiger Intelligenz – Intelligenter Nachhaltigkeit“ und dazu eine Reihe von ‚Teilaspekten‘, die sich diesem Oberthema zuordnen lassen. Das Konferenzthema „Partizipation und Nachhaltigkeit in der
Digitalität“ kommt dabei mit diesem Wortlaut weder im Oberthema der Projektaufgabenstellung explizit vor noch in den aufgezählten Teilaspekten. Dies hat seinen Grund darin, dass während der Forschungsarbeit seit Juli 2021 die nicht ganz einfachen Begriffsfelder schrittweise analysiert worden sind und aufgrund dieser Analyse verschiedene strukturelle Bedeutungsfelder mit wichtigen strukturellen Beziehungen sichtbar geworden sind. Eine grobe Skizze der analysierten Begriffen mit Bedeutungsfeldern könnte man so umschreiben (Sicht des Autors; in den Augen der anderen Projektmitgliedern möglicherweise anders akzentuiert):

BILD: Begriffsfeld ‚Nachhaltigkeit – Intelligenz‘ mit Teilbereich ‚Fokus der Tagung‘

Schon die beiden Leitbegriffe ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Intelligenz‘ lassen sich ‚jeder für sich‘ nicht so ohne weiteres analysieren. Noch gewagter wird es, wenn man das ‚Zusammenspiel‘ betrachten will. Liebhaber der ‚klaren Verhältnisse‘ dürften an dieser Stelle dahin tendieren, die ‚Büchse der Pandora‘ erst gar nicht zu öffnen. Leidenschaftliche Forscher mit eingebauter Neugier und ein gewisser Risikobereitschaft fühlen sich aber vielleicht ‚angelockt‘. Fakt ist, dass die Projektgruppe versucht hat, sich diesem konzeptuellen ‚Dickicht‘ ein wenig zu nähern. Aufgrund der disziplinären Vielfalt der Projektgruppe gab es viele interessante Perspektiven, die zueinander finden mussten. Solch ein ‚zueinander finden‘, das zudem idealerweise in dem heute so modischen Format der ‚Transdisziplinarität‘ stattfinden sollte, braucht allerdings naturgemäß erheblich mehr Zeit, als wenn nur Fachkollegen einen Austausch pflegen. Im heutigen Professorendasein ist angesichts der vielfältigen Verpflichtungen Zeit aber Mangelware. Die Suche war somit von Beginn her endlich dimensioniert.

Konzept Intelligenz

Das Konzept Intelligenz ist bis heute weder im Bereich der biologischen Systeme noch im Bereich der nicht-biologischen Systeme, hier den Maschinen, hinreichend erklärt. Dies ist sehr misslich.

Während die Wissenschaften in den letzten 120 Jahren für biologische Systeme erste Konzepte entwickelt haben, die über alle biologische Systeme hinweg empirische anwendbar sind wie auch begrenzte Vergleiche zwischen biologischen Systeme hinsichtlich von definierten Intelligenzeigenschaften zulassen, kann man dies für die maschinellen Systeme nicht behaupten. Hier gibt es weder einen einheitlichen Intelligenzbegriff noch lassen die verschiedenen Begriffe einen einheitlichen Vergleich über alle Systeme hinweg zu. Die maschinellen Intelligenzbegriffe sind sehr speziell. Ein Vergleich zwischen biologischer und maschineller Intelligenz ist von daher in der Regel nicht einfach möglich.

Erschwerend kommt hinzu, dass nahezu alle Intelligenzbegriffe — für biologische wie auch maschinelle Systeme — Eigenschaften ‚individueller‘ Systeme beschreiben, niemals ‚kollektive Intelligenzleistungen‘! Im Falle von biologischen Systemen, die überwiegend in Populationen bzw. hochspezialisierten ‚Gesellschaften‘ auftreten, nützen diese individuellen Intelligenzbegriffe wenig. Eine irgendwie bizarre Situation: angekommen im ‚Anthropozän‘ in einer sogenannten ‚Wissenschaftsgesellschaft‘ weiß der Mensch bislang nicht so recht, was es mit seiner ‚Kollektiven Intelligenz‘ auf sich hat. Ein interessanter Ausgangspunkt auf dem Weg in eine unbekannte Zukunft.

Andererseits haben führende Forscher der maschinellen Intelligenz mittlerweile erkannt, dass maschinelle Intelligenz in der Zukunft nur dann für die menschliche Population von Nutzen sein kann, wenn besser verstanden wird, was genau diese kollektive menschliche Intelligenz ist, und wie in diesem — bislang noch wenig erforschten — Raum kollektiver Intelligenz maschinelle Intelligenz von Nutzen sein kann, um eine globale nachhaltige Biosphäre mit den Menschen als Teil davon zu ermöglichen. [3]

In diesem Zusammenhang muss man auch nochmals darauf hinweisen, dass das neue Konzept ‚Digitalität‘ in den Gesellschaftswissenschaften sich großer Beliebtheit erfreut, dass es aber in seinem Gehalt schwer bis gar nicht erläutert werden kann. Naheliegend ist, dass man die ‚Bedeutung‘ des Konzepts ‚Digitalität‘ im Interaktionsfeld von menschlicher Gesellschaft und jener ‚Technologie‘ ansiedelt, die oft ‚digitale Technologie‘ genannt wird. Der Begriff der ‚digitalen Technologie‘ ist aber ebenfalls ein ‚Bedeutungsmonster‘, da hier zunächst mal alles drunter fällt, was irgendwie in Beziehung gesetzt werden kann zu einer ‚Hardware‘, in der ‚digitale Baueinheiten‘ benutzt werden. Das reicht dann von einfachsten ‚Chips‘ zu komplexen Chips mit unterschiedlichsten Funktionalitäten, die in mehr oder weniger komplexen größeren Einheiten ‚verbaut‘ sind: diverse Maschinen, Maschinenaggregationen, Computernetzwerke, komplexe Rechenzentren, Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeuge, Gebäude, medizinische Geräte, Waffensysteme, Gebrauchsgegenstände und vieles mehr. Jedes dieser technische System beinhaltet unterschiedlich Algorithmen von bis zu vielen Millionen Zeilen Code, die unfassbar viele verschiedene ‚Verhaltensweisen‘ dieser technische Systeme ermöglichen. Ein Versuch, die Vielzahl dieser Systeme — sowohl bzgl. der Hardware wie auch bzgl. der Software und dann auch bzgl. der daraus resultierenden Verhaltensdynamik — in ihrer Gesamtheit zu beschreiben ist schon im Ansatz gnadenlos zum Scheitern verurteilt. Dieses ‚Mega-Bedeutungsmonster‘ mit einem Konzept wie ‚Digitalität‘ ‚einzufangen‘, ihm dadurch seine ‚Ungeheuerlichkeit‘ zu nehmen, ist psychologisch verständlich, gaukelt aber eine Klarheit und Einfachheit vor, die es real schlicht nicht gibt. Tatsächlich haben wir als Gesellschaft ein akutes Problem, das sich durch ’schöne Worte‘ allein nicht befrieden lässt.

Konzept Nachhaltigkeit

Eine Analyse des Bedeutungsraumes des Konzepts ‚Nachhaltigkeit‘ ist — falls man den Vergleich überhaupt wagen will — um Dimensionen schwieriger als der Bedeutungsraum zum Konzept ‚Intelligenz‘.

Eine mögliche Strategie der ‚Begrenzung‘ des Bedeutungsraums ist der Blick auf die Konferenzen und Dokumente der Vereinten Nationen seit ca. den 1980iger Jahren, ein Ansatz, den die Projektgruppe zunächst gewählt hatte.

Am ‚populärsten‘ sind die 17 Entwicklungsziele der Agenda 2030. [1a,b] Wie aber schon mehrfach beobachtet, ist die Bedeutungsfestlegung der einzelnen Entwicklungsziele eher schwierig; ihre Beziehungen untereinander zeigen viele Konflikte; der tatsächliche Bezug zum Konzept ‚Nachhaltigkeit‘ ist nicht ganz klar: welche Art von Nachhaltigkeit ist gemein?

Folgt man der Entwicklung des UN-Konzepts zur ‚Nachhaltigkeit‘ rückwärts zu den ‚Anfängen‘, dann stößt man auf den sogenannten ‚Brundtland Report‘ von 1987. In ihm ringen die Verfasser um die grundlegende Idee, was Nachhaltigkeit bedeuten kann. [2]

Im Brundtland Report steht der Mensch im Zentrum der Überlegungen: letztlich ist es das ‚Verhalten‘ der Menschen, das ‚Auswirkungen‘ auf den Planet Erde wie auch auf die gesamte ‚Biosphäre‘ hat, von der die Menschen einen kleinen Teil bilden. Und beim Menschen wird das Verhalten entscheidend von seinem ‚Wissen‘ im allgemeinsten Sinne geprägt. Wissen kann ein differenziertes Verhalten ermöglichen, ob dies aber tatsächlich geschieht und wie genau, das entscheiden dann die aktuellen Emotionen mit all ihren Facetten.

Für das Konzept des Wissens ist zu beachten, dass es für eine minimale Beschäftigung mit einer möglichen Zukunft unabdingbar ist, dass das verfügbare Wissen sich in einem Zustand befindet, der nachvollziehbare und belastbare ‚Prognosen‘ möglich macht, andernfalls paralysiert sich das Wissen selbst: die Menschen taumeln dann gleichsam ‚in einer Wolke von Möglichkeiten‘ dahin, ohne klare Ziele, ohne brauchbare Abstimmungen.

Das einzige Format in der bisherigen Kulturgeschichte der Menschheit, das über diese Eigenschaft ’nachvollziehbarer und belastbarer Prognosen‘ bietet, ist das Konzept der ‚empirischen Wissenschaften‘.[4]

Kontext Gesellschaft

Die abstrakten Konzepte ‚Intelligenz‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ können auf bestimmte ‚Strukturen‘ hindeuten, die ‚Realisierung‘ dieser Strukturen findet aber in konkreten gesellschaftlichen Systemen statt, deren Realitäten letztlich festlegen, was wie wann und wo real stattfinden kann.

Autoritäre Gesellschaftssysteme bieten andere Realisierungsbedingungen als ‚demokratisch verfasste‘ Systeme. ‚Verfassungen‘ präzisieren die ‚Rahmenbedingungen‘ für mögliches ‚legales Handeln‘ weiter, dazu Verfassungsorgane, eine Vielzahl von Verwaltungseinheiten, und vieles mehr . Die entsprechenden Text-Dokumente beschreiben mit mehr oder weniger ‚abstrakten Konzepten‘, was möglicherweise ‚konkret‘ stattfinden kann/ sollte oder auch nicht.

Eigentlich ist die Gesamtheit der Akteure einer Gesellschaft, die Gesamtheit der Bürger, der grundlegende ‚Souverän‘ für all diese ‚Festlegungen‘. Sobald aber dieser primäre Souverän dieses ‚System von Regeln‘ verabschiedet hat, hat er sich quasi ’selbst verpflichtet‘ und ist fortan auf diese Weise ein ‚kontrollierter primärer Souverän‘, dessen ‚Macht‘ — der regelbasierten Intention nach — nur noch innerhalb der vereinbarten Regeln wirksam werden sollte.

Ein fundamentales Charakteristikum einer regelbasierten Machtausübung — zumindest wie sie in Deutschland verstanden und praktiziert wird — besteht darin, dass der Bürger als Entscheider — ausgenommen von politischen Wahlen — praktisch eliminiert ist. Was immer ein Bürger fühlt, denkt, tut, es hat keinen offiziellen Einfluss mehr auf die ‚legalen Entscheider‘ auf allen Ebenen.

Im Idealfall sind die ‚legalen Entscheider‘ (i) offen für die Bedürfnisse der Bürger, für die Notwendigkeiten der Gestaltung von Kommunen, Landkreise usw., sie besitzen (ii) hinreichende Kompetenzen, um die jeweiligen Situationen angemessen beurteilen zu können, und (iii) sie sind fähig, in den vielfältigen Gremien Emotionen beiseite zu lassen und entscheiden nach dem verfügbaren Wissen. Falls diese Forderungen nicht angemessen erfüllt werden, hat die Gesellschaft beliebig viele Probleme.

Ohne Bezugnahme auf viele hier relevante Details kann man mit Sicherheit voraussagen, dass eine Nichterfüllung der Anforderungen (i) – (iii) — nennen wir diese Anforderungsliste das ‚Legalistische Entscheider Profil‘ — sich unmittelbar auf den Zustand einer ‚legal regulierten Gesellschaft‘ auswirken wird. So können z.B. aktuell gegebene Problemstellungen zu wenig erkannt werden, dementsprechend werden sie nicht bearbeitet, und können frühestens im zeitlichen Takt der ‚politischen Wahlen‘ neu angestoßen werden; und dann ist nicht sicher, dass die neu Gewählten die ungelösten Probleme dann aufgreifen werden. Für Problemstellungen mit einer Wirkgeschichte von vielen Jahren erscheint die Lage sogar tendenziell hoffnungslos.

Wer mit der Brille dieser kurzen Bemerkungen auf die aktuelle Situation der Bundesrepublik Deutschland schaut, und die lange Liste ungelöster Probleme der letzten Jahre anschaut, der kann möglicherweise den Eindruck gewinnen, dass …

Partizipation

Mit Blick auf das ‚legalistische Entscheider Profil‘ kann man — unter Berücksichtigung der Erfahrung von ca. 77 Jahren demokratische Gesellschaft in Deutschland — feststellen, dass keine der drei Anforderungen voll erfüllt wird. Eher muss man sagen, dass alle drei Anforderungen vielfach nicht erfüllt werden. Diese Nichterfüllung liegt nicht daran, dass die legalen Entscheider möglicherweise ‚unlautere Absichten‘ verfolgen (was im Einzelfall natürlich nicht ausgeschlossen werden kann und auch schon nachgewiesen wurde), sondern daran, dass die zahlenmäßig verschwindet geringe Menge der legalen Entscheider verglichen mit der ungeheure Menge der Bürger und der unfassbar vielen komplexen Problemstellungen objektiv nicht in der Lage ist, die Anforderungen (i) – (iii) auch nur annähernd zu erfüllen, selbst wenn die legalen Entscheider es ernsthaft wollten.

In dieser Situation bieten sich viele Antworten an. Die Skala reicht von ‚totaler Abschaffung dieses Systems‘ bis hin zu unterschiedlich moderierten Formen der ‚Partizipation‘ der Bürger.

Während die ‚totale Abschaffung‘ kurzfristig ein ‚relatives Übel‘ beseitigen würde (was möglicherweise aber gar nicht so rein ‚Übel‘ ist, wie man es unterstellt), würden wir uns im nächsten Moment im ‚totalen Chaos‘ wiederfinden, in dem eher nichts mehr gehen würde. Komplexität löst man nicht durch grobe Vereinfachungen.

Im Falle der Aktivierung von ‚unterschiedlich moderierten Formen der Partizipation‘ würde das System der ‚legalen Entscheider‘ im Prinzip erhalten bleiben, die einzelnen Anforderungen des ‚legalistischen Entscheider Profils‘ könnten aber deutlich besser als ohne Partizipation erfüllt werden.

An dieser Stelle setzt die Konferenz ein. Siehe dazu Teil 2:

II. KONFERENZBEITRÄGE

III. DISKUSSION NACH DER KONFERENZ

IV. AUSBLICK

KOMMENTARE

[1a] Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2015: https://de.wikipedia.org/wiki/Weltgipfel_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung_2015

[1b] Entwurf des Ergebnisdokuments des Gipfeltreffens der
Vereinten Nationen zur Verabschiedung der Post-2015-
Entwicklungsagenda
: https://www.un.org/depts/german/gv-69/band3/ar69315.pdf

[2] UN. Secretary-General;World Commission on Environment and Development, 1987, Report of the World Commission on Environment and Development : note / by the Secretary-General., https://digitallibrary.un.org/record/139811 (accessed: July 20, 2022) (In einem besser lesbaren Format:  https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf) Anmerkung: Gro Harlem Brundtland (ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen) war die Koordinatorin von diesem Report.(Dieser Text enthält die grundlegenden Ideen für alle weiteren UN-Texte)

[3] Michael L. Littman, Ifeoma Ajunwa, Guy Berger, Craig Boutilier, Morgan Currie, Finale Doshi-Velez, Gillian Hadfield, Michael C. Horowitz, Charles Isbell, Hiroaki Kitano, Karen Levy, Terah Lyons, Melanie Mitchell, Julie Shah, Steven Sloman, Shannon Vallor, and Toby Walsh. “Gathering Strength, Gathering Storms: The One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100) 2021 Study Panel Report.” Stanford University, Stanford, CA, September 2021. Doc: http://ai100.stanford.edu/2021-report.

[4] Neben der ‚empirischen Wissenschaft‘ selbst, die in Europa grob im 16.Jahrhundert begann, gibt es auch von Anfang an eine philosophische Beschäftigung mit dem Thema, das gegen Ende des 19.Jahrhunderts, Anfang des 20.Jahrhunderts unter der Bezeichnung ‚Wissenschafts-Philosophie‘ bekannt wurde (in Deutschland auch gerne ‚Wissenschaftstheorie‘ genannt).

Noch nicht fertig,

es wird dran gearbeitet 🙂

Theoretischer Ansatz zur Erforschung Kollektiver Mensch: Maschine Intelligenz

Eine zentrale Konfliktlinie im Diskurs über Künstliche Intelligenz liegt in der Präzision des Begriffs „Intelligenz“. Konfliktpotenzial hat dieser Begriff, weil noch nicht klar definiert ist, was Intelligenz meint und vor allem meinen soll. Im Teilbereich des maschinellen Lernens und hier wiederum im Bereich des deep learnings werden, verkürzt gesprochen, die Möglichkeiten ausgelotet, inwiefern Systeme und Programme selbst lernen und darauf aufbauend „handeln“ (oder auch „ausführen“) können. Empfohlen wird hier, sich bei der Weiterentwicklung solch sogenannter „starker KI“ vor allem an der menschlichen Kognition, sprich den Erkenntnissen aus den Kognitionswissenschaften, zu orientieren. Das dem Menschen eigene flexible Lernen, die Fähigkeit sich innerhalb kürzester Zeit und mit wenigen Daten/Referenzen neue Eigenschaften und neues Wissen anzueignen, wird als zentraler Bestandteil menschlicher Intelligenz bewertet. Ein Ziel aktueller Forschung ist es, eben diese Flexibilität der maschinellen „Intelligenz“ von Systemen, Programmen und Maschinen zu ermöglichen (Lenzen 2020)1. Die Streitpunkte im Diskurs um den Begriff „Intelligenz“ berühren, wie bereits angedeutet, die Frage was Intelligenz sein soll und was sie (noch) nicht sein soll. Was macht uns zum Menschen? Was macht uns besonders? Diese Fragen könnte man angesichts der im Diskurs diskutierten Deutungshoheiten vermuten.

Die Maßstäbe unserer theoretischen Arbeit sind von dem Zweck der Software oksimo beeinflusst. Das Team um die Software hat im aktuellen Prozess bereits eine grundlegende Entscheidung getroffen: die sogenannte maschinelle „Intelligenz“ soll nicht in den kreativen, „schöpferischen“ Prozess des Menschen eingreifen, sondern lediglich die quantitativen Rechenleistungen übernehmen, die bei zunehmendem Datenaufkommen von Einzelpersonen oder auch Gruppen nicht mehr durchgeführt werden können. Beschäftigen wir uns im Rahmen unseres Projektes also mit dem Begriff der Intelligenz – der maschinellen, menschlichen und der kollektiven – so ist es angesichts unserer bereits getroffenen Entscheidung, die maschinelle „Intelligenz“ auf unterstützende Tätigkeiten reduzieren zu wollen, nicht von Interesse, den Diskurs darum was maschinelle Intelligenz alles sein und werden kann zu bedienen. Ich sehe unseren Ansatzpunkt vor allem im Diskurs darum, was die menschliche (kollektive) Intelligenz sein und leisten kann und welche Herausforderungen diese durch das Aufkommen digitaler vernetzter Technologien zu bewältigen hat. Mein Forschungsschwerpunkt wird dabei nicht auf biologischen Untersuchungen zum Thema Intelligenz liegen, sondern auf politikwissenschaftlicher und kulturanthropologischer Arbeit über Kollektivität. Es muss a) eine realistische Einschätzung des menschlichen Handlungssprektrums im digitalen Raum getroffen werden. Was und wie (ver)handelt der Mensch (gemeinsam) mithilfe vernetzter digitaler Technologien und in den „Räumen“, welche diese Technologien kreieren?

B) Es soll ein wissenschaftlicher Beitrag zu der Frage geleistet werden, inwiefern digitale Technologien dem Menschen beim gemeinsamen Handeln tatsächlich „dienen“ können. Bei diesem politisierten Satz wird oftmals vergessen, dass der Mensch selbst erst einmal entscheiden muss, wobei ihm eigentlich geholfen, oder „gedient“ werden soll. Deswegen wird sich c) abseits von Literatur über digitale Räume mit den Begriffen Kollektivität und Kollektives Handeln und ihren Bestimmungen kritisch auseinandergesetzt 2.

Ziel ist es, mit oksimo einen digitalen (Spiel)Raum zu schaffen, welcher zum einen mit Blick auf Herausforderungen und Einschränkungen durch aktuelle digitale Netzwerke und Technologien entwickelt wird und in der Benutzung und Architektur Unterschiede zu kommerziellen digitalen Plattformen aufweist. Zum anderen soll sich oksimo nicht schlichtweg vom kommerziellen Nutzen unterscheiden, sondern gleichzeitig angesichts des derzeitigen Forschungsstandes um Kollektive Intelligenz und Kollektivität ein Experimentierraum für kollektives, menschliches Handeln im digitalen Raum sein. Mensch-Maschine-Interaktionen können hinsichtlich vieler verschiedener Fragestellungen und verschiedenen Forschungsproblemen untersucht werden. Wir konzentrieren uns auf die Frage nach einer kollektiven Intelligenz.

1Lenzen, Manuela (2020): Künstliche Intelligenz. Fakten, Chancen, Risiken. München: C.H.Beck.

2Vgl. Léy, Pierre (1997): Collective Intelligence. Mankind´s Emerging World in Cyberspace.

Süß, Rahel Sophia (2015): Kollektive Handlungsfähigkeit. Gramsci – Holzkamp – Laclau/Mouffe. Wien/Berlin: Turia+Kant

Schmid, Hans Bernhard u. Schweikard, David P. (Hg.) (2009): Kollektive Intentionalität. Eine Debatte über die Grundlagen des Sozialen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

OKSIMO PARADIGMA und DEMOKRATIE – Wie belastbar ist die Demokratie – Vorländer, FAZ, 9.Aug.2021, S.6

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
10.Aug 2021 – 12.Aug 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenknotens DEMOKRATIE innerhalb des BEGRIFFLICHEN RAHMENS ZUM OKSIMO PARADIGMA innerhalb des oksimo.org Blogs.

POSITION VON VORLÄNDER

Die Position von Prof. Dr. Hans Vorländer — u.a. Direktor, Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden — soll hier in kurzen Thesen angeleuchtet werden. Daran sollen sich Überlegungen anschließen, die speziell den möglichen Zusammenhang mit dem oksimo Paradigma thematisieren.

Hermeneutik: Wenn eine Person A den Text von anderen Personen liest, dann wird die Person A diesen Text immer (es gibt kein Entkommen) im Lichte ihrer aktuellen Wissensvoraussetzungen lesen. Diese resultieren aus einer individuellen Lerngeschichte und dieses Wissen kann sich kontinuierlich weiter ändern, z.B. schon durch die Lektüre und die aktive Auseinandersetzung mit dem Text. Wer also wissen will, was der Autor (hier Herr Vorländer) selbst geschrieben hat, muss diesen Text selbst lesen. Sollten Sie dies tun, wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie diesen Text ganz anders verstehen sollten wie der Autor in diesem Blog … es gibt nicht zwei Gehirne auf dieser Welt, die ‚gleich‘ sind. Diese Verschiedenheit ist unser Glück; gäbe es sie nicht, würden wir aufgrund von Monotonie in einer sich ständig rasant ändernden Welt alsbald schlicht untergehen …

ARTIKEL VORLÄNDER

(1) Der Grundtenor des Artikels von Hans Vorländer ist — und dies in Übereinstimmung mit dem schwedischen Forschungsinstitut Varieties of Democracies [V-Dem][1] –, dass die liberalen Demokratien unter einem starken Druck stehen, den man sehr wohl als besorgniserregend einstufen kann.

(2) Jenseits der nackten Zahlen, die das V-Dem vorlegt, nach denen es 1990 weltweit nur 41 Staaten gab, die man als liberaler Demokratien bezeichnen könnte, und dass seit 1990 sich diese Zahl auf nur noch 32 reduziert hat — also alle ca. 3 Jahre eine liberale Demokratie weniger –, sind die konkreten Umstände, unter denen heute liberale Demokratien existieren, sehr wohl ein möglicher Weckruf für alle, die mit dem Konzept der liberalen Demokratie wichtige Wertvorstellungen verknüpfen.

(3) Den Unterschied zwischen einer liberalen Demokratie und einer bloßen Wahl-Demokratie sieht Vorländer im Vorhandensein und Funktionieren von Elementen wie z.B. Gewaltenteilung, Unabhängigkeit von Justiz und Medien, Freiheit der Meinungsäußerung, diskriminierungsfreie Umgang mit Minderheiten, Anerkennung soziokultureller Vielfalt, Schutz von Grund- und Menschenrechten, und fairer politischer Wettbewerb.

(4) Aber selbst in den noch liberalen Demokratien geraten diese Elemente — und noch weitere — zunehmend unter Druck und es ist eine offene Frage, wie resilient (widerstandsfähig) liberale Demokratien sind, um diesen Druck zu überstehen.

(5) Mit Blick auf Prof. Przeworski von der New York University [2] stellt er — fast beruhigend — fest, dass sich bislang kein festes Muster erkennen lässt, wann und wie Demokratien sich auflösen und zerfallen; es gibt allerdings viele einzelne Faktoren, deren Funktionsuntüchtigkeit einen möglichen Niedergang begünstigen könnten.

(6) Krisen sind besondere gesellschaftliche Zustände (z.B. Bankenkrise, Finanzkrise, Migrationskrise, Eurokrise, Stabilisierungsmechanismen des Internationalen Währungsfonds, Corona Pandemie, Flutkatastrophen, …), in denen staatliches Handeln gefordert ist und wo es das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen stärken kann. Die Art und Weise der Kommunikation mit den Bürgern spielt dabei eine wichtige Rolle.

(7) Spätestens die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es viel Missmut und Kritik gegeben hat. Die Tendenz zum Unterlaufen der üblichen demokratischen Verfahren durch Rückgriff auf anonyme Expertenrunden war einer der kritischen Punkte in der aktuellen Corona Pandeemie. Dazu wurden zahlreiche extremistische Strömungen sichtbar, die nicht erst seit Corona existieren, sondern schon viele Jahre Europaweit und in den USA unüberhörbar von sich reden machen. Für solche eher extremistische Gruppierungen, die Demokratien grundsätzlich in Frage stellen, sind Krisen — wie z.B. Corona oder Flutkatastrophen — und die unglückliche Handhabung demokratischer Verfahren eine willkommene Gelegenheit sich in Szene zu setzen.

(8) Doch darf man sich durch die Einmischung radikaler Gruppierungen nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass auch normale Bürger berechtigte Sorgen haben, Zweifel hegen, ja sogar wütend sind auf die Art und Weise, wie politische Repräsentanten und Institutionen agieren.

(9) Diese Kritik hat schon seit Jahren zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen, ihren Parlamenten, ja sogar zu den Parteien geführt, die doch eigentlich die unmittelbare Verbindung von Bürgern und demokratischen politischen Institutionen ermöglichen sollten. So hat der Parlamentarismus und die politischen Parteien am meisten an Anerkennung und Akzeptanz verloren. Bürger fühlen sich immer weniger durch die Parteien vertreten. Es gibt deutliche Zeichen von Entfremdung in der gefühlten Distanz zwischen Regierenden und Regierten. Viele bislang üblichen sozialen Infrastrukturen zur Vermittlung zwischen Bürger und Politikern sind heute deutlich geschwächt oder ganz weg.

(10) Doch gibt es neben den politischen Parteien nicht Nichts; es gibt das neue Phänomen von ‚Bewegungen‘, die außerhalb der Parteien ihre Interessen zu vertreten suchen. Diese Bewegungen mit oft starken Führungsfiguren deuten einen Wandel der liberalen Demokratien an, wenngleich bislang in konstitutionellen Bahnen. Damit einhergehend meint Vorländer die Tendenz zu einer Hyperpersonalisierung zu erkennen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass dieses Phänomen der vielen neuen Bewegungen parallel auftritt zur neuen Allgegenwart des Internets mit all seinen vielfältigen sozialen Medien (Twitter, messenger Dienste, …). Empörungen, Erregungen, und Stimmungen wirken direkter und können schneller und stärker die Meinungen beeinflussen. Diese Meinungen spielen sich außerhalb der Institutionen ab; es fehlen vermittelnde Räume. Am Beispiel des Trumpismus (aber nicht nur da) kann man sehen, wie der direkte Zusammenschluss zwischen populistischen Strömungen und ihrer Führer gesucht wird, um damit die kritisierten demokratischen Institutionen einfach zu umgehen.

GEDANKEN ZUM ARTIKEL

  1. Die obigen Punkte bilden nur einen Ausschnitt aus dem breiten Bild, das Hans Vorländer zeichnet, ein Ausschnitt dessen Auswahl und Zuschnitt auf den Autor dieses Diskurses zurückgeht (siehe den einleitenden Punkt ‚Hermeneutik‘).
  2. Für die weiterführenden Überlegungen soll auch — mit einem Seitenblick — der interessante Beitrag von Wolfgang Schäuble nicht unberücksichtigt bleiben.
  3. Aus der Sicht des oksimo Paradigmas richtet sich der Fokus der Überlegungen auf die Akteure in diesem Feld der liberalen Demokratie, auf jene, die staatliche Institutionen vertreten, politische Gremien, die politischen Parteien, und jene, die allgemein als Bürger gelten, die in diesem Staat leben, z.T. auch wählen dürfen, aber zwischen den Wahlen nahezu keine ’normalen‘ Mitwirkungsmöglichkeiten haben.
  4. In einer liberalen Demokratie ist die staatliche Gewalt an die gewählten Parlamente delegiert, die von unterschiedlichen Institutionen unterstützt werden. Idealerweise sollen die Parlamente die Aufgaben der Gesellschaft mit Blick auf die Zukunft und die unterschiedlichen Lebensverhältnisse im Land erkennen und in möglichst optimaler Weise, speziell auch nachhaltig, zukunftsfähig machen. Jede Gegenwart ist ein Ausschnitt aus der möglichen Zukunft von Gestern. Wurde gestern mit Blick auf die mögliche Zukunft schlecht gehandelt, dann ist die aktuelle Gegenwart das Ergebnis solcher Versäumnisse.
  5. Für die Frage nach einer nachhaltigen Zukunft für eine liberale Demokratie sind daher weniger Einzelereignisse interessant, weniger Ausnahmesituationen, weniger individuelle Skandale, sondern eher der alltägliche Prozess, in dem alle involviert sind, und der geeignet ist, alle Bürger in ihrer Vielfalt auf nachhaltige Weise für eine entsprechend nachhaltige Zukunft vorzubereiten, zu befähigen, und zu begeistern. Womit sich die Frage stellt, wie denn das Format des alltäglichen Prozesses in einer liberalen Demokratie beschaffen sein sollte, damit eine nachhaltige Zukunft zumindest wahrscheinlich sein könnte, wenngleich ohne eine 100%-tige Garantie, dass es auch tatsächlich gelingt.
  6. Hans Vorländer lässt in seinem Beitrag viele Aspekte aufblitzen. Hier möchte ich nur zwei Aspekte herausgreifen, die aus Sicht des oksimo Paradigmas von besonderem Interesse sind: das ist einmal (i) die große Entfremdung der Bürger von den politischen Parteien (und umgekehrt!), und zum anderen (ii) die unübersehbare Entstehung und Erstarkung von außerparlamentarischen Bewegungen aller Art.
  7. Würden die politischen Parteien diese Bewegungen aufgreifen, würden die Parlamente eine neue, intensive Kommunikation mit diesen Bewegungen suchen, dann könnten diese neuen dynamischen Bewegungen möglicherweise zu einer Verlebendigung der bestehenden Parteien und Parlamente führen; vielleicht. Bislang überwiegt aber der Eindruck einer bestehenden und zunehmenden Entfremdung zwischen neuen Bewegungen und etablierten Parteien und Parlamenten. Würde es bei diesen Tendenzen bleiben, wäre ein ernster Konflikt zwischen gegebenen konstitutionellen Formen der Demokratie und einem wachsenden Teil der Bevölkerung vorgezeichnet.
  8. Fragt man sich, woher denn diese wachsende Entfremdung komme, dann gibt es mindestens zwei Faktoren, die sich abzeichnen: (i) Die reale Kommunikation zwischen Bevölkerung und etablierten Parteien und Parlamenten ist real schwach, gestört, und wird aktuell eher schwächer; (ii) Die inhaltlichen Anschauungen der verschiedenen Gruppen divergieren vielfach sehr stark. Dies wird durch die Aufsplitterung der Öffentlichkeit in immer mehr Teilöffentlichkeiten mit jeweils immer weniger innerer Pluralität begünstigt. Es entstehen kognitive Weltbilder weitgehend unabhängig voneinander. Da diese Weltbilder für jede Gruppe eine gruppenspezifische Handlungsbasis bieten, stehen sich zunehmend Weltbilder als Alltagsvorstellungen gegenüber, die immer weniger kompatibel sind; zusätzlich scheinen die ‚Inhaber dieser spezifischen Weltbilder‘ immer weniger fähig und willens zu sein, ihre eigenen Weltbilder irgendwie in Frage zu stellen. Das Ergebnis sind Verteufelungen der anderen, eine immer stärkere Bereitschaft zu Gewaltaktionen, weil man die Fähigkeit verloren hat, über Weltbilder zu reden, so dass man diese im gemeinsamen Diskurs unterschiedlich beleuchtet, anders bewertet, und möglicherweise modifiziert.
  9. Die Erstarrung im Umgang mit kognitiven Bildern der Welt ist eine Form von ‚Systemstörung‘: es ist eine grundlegenden Eigenschaft von biologischen Systemen auf der Erde, dass sie mehr als 3 Mrd.Jahre auf diesem Planeten nur überlebt haben, weil sie extrem anpassungsfähig waren, wandlungsfähig, grundlegend lernfähig. Besonders der homo sapiens verfügt über sehr außerordentliche Fähigkeiten, zu lernen und sich durch Kommunikation mit anderen zu koordinieren. Jedoch gehört es zur Eigenheit hochentwickelter lernender Systeme, dass sie nicht deterministisch sind: sie können, aber sie müssen nicht. Das ist ihr Geheimnis. Wenn sie sich aber ihrem realen Lernen grundsätzlich verweigern durch starres Festhalten an nur wenigen Aspekten ihrer dynamischen Umwelt, dann schreiben sie ihren Untergang fest. In einer dynamischen Welt kann kein statisches System auf Dauer überleben.
  10. Was in dieser Situation hilfreich wäre, das wären neue Formen einer gruppenübergreifenden Kommunikation, die nicht nur die unterschiedlichen Anschauungen sichtbar macht, sondern zusätzlich auch grundlegende Strukturen von Weltbildern.
  11. Das oksimo Paradigma wendet sich generell an Gruppen, und zwar beliebige Gruppen von Menschen (Bürgern). Jeder einzelne gilt als ein Experte; vorab wird kein Unterschied gemacht. Für die Kommunikation ist nur die eigene Sprache notwendig (Deutsch, Englisch, …). Von allen Beteiligten wird erwartet, dass sie in der Lage sind, sich zu einigen, welche Aspekte in einer bestimmten Situation sie als real gegeben annehmen. Ferner wird erwartet, dass sie in der Lage sind, jene Situation in der Zukunft zu beschreiben, die sie aktuell anstreben wollen. Und dann besteht die gemeinsame Kommunikation darin, zu beschreiben, wie man in einzelnen Schritten von der aktuellen Situation zur zukünftigen Situation kommen kann. Man kann diesen Prozess auch so sehen, dass alle zusammen eine Art Drehbuch schreiben mit einzelnen Szenen (Situationen), mit den beteiligten Akteuren und den gewählten Aktionen, die unterschiedliche viel weitere Ressourcen benötigen (Zeit, Geld, Material, Wechselwirkung mit anderen, …). Zusätzlich bietet oksimo die Möglichkeit, das Drehbuch jederzeit auch als Simulation ablaufen zu lassen, oder gar während der Simulation eine aktive Rolle als Spieler zu übernehmen; einfach die bis dahin gegebenen Regeln anwenden oder ad hoc neue Regeln zu generieren, indem man das Drehbuch abändert. Simulation und Spielen bietet eine sehr intensive Form, sich mit den Ideen des Drehbuchs und den anderen auseinander zu setzen. Mit oksimo kann man zusätzlich auch Künstliche Intelligenz [KI] einsetzen. Diese ist aber nur insoweit interessant, als die menschlichen Akteure selbst Ziele und Konzepte haben, denen sie folgen wollen.
  12. In der Theorie könnte eine für alle verfügbare oksimo Umgebung also nicht nur grundlegend zu einer verbesserten Verständigung unter allen Bürgern beitragen (falls diese überhaupt lernen wollen!), es könnte mit der Zeit auch das Wissen um die Welt dramatisch verbessert werden, und zwar für alle, jederzeit, auch für die Politiker. Die heute vielfach zu beobachtenden ‚Sololäufe‘ jenseits einer demokratischen Öffentlichkeit wären dann weder notwendig noch langfristig möglich.

ANMERKUNGEN

[1] Homepage: Varieties of Democracies [V-Dem], https://www.v-dem.net/en/

[2] Adam Przeworski (Professor of Politics, New York University): https://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Przeworskihttps://as.nyu.edu/content; Private Webseite: https://as.nyu.edu/content/nyu-as/as/faculty/adam-przeworski.html