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ANFANGEN: Sprache und Strukturen – Die Fiktion eines ‚Seins‘

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 6.November 2022 – 27.Februar 2023, 03:40h)

Email: gerd@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Man kann diesen Text lesen als Fortsetzung des Textes ‚Die Innenseite der Außenseite. Teil 2‘.

‚Transiente‘ Ereignisse und Sprache

Nachdem wir uns in der biologischen Zell-Galaxie ‚Mensch‘ soweit vorgearbeitet haben, dass wir ihre ‚Strukturiertheit‘ feststellen können (ohne ihre Entstehung und genaues Funktionieren bislang wirklich zu verstehen), und uns selbst als Zell-Galaxie dann doch — dem Augenschein nach — als ‚konkreten Körper‘ vorfinden, der mit der ‚Umgebung des eigenen Körpers‘ (oft auch ‚Außenwelt‘ genannt) zweifach ‚kommunizieren‘ kann: Wir können auf verschiedene Weise ‚Wahrnehmen‘ und wir können auf verschiedene Weise ‚Wirkungen‘ in er Außenwelt hervorbringen.

Für die ‚Koordinierung‘ mit anderen menschlichen Körpern, insbesondere zwischen den ‚Gehirnen‘ in diesen Körpern, scheint die Fähigkeit zu ‚Sprechen-Hören‘ bzw. dann auch zu ‚Schreiben-Lesen‘ von höchster Bedeutung zu sein. Schon als Kinder finden wir uns in Umgebungen vor, in denen Sprache sich ereignet und wir ‚lernen‘ sehr schnell, dass ’sprachliche Ausdrücke‘ sich nicht nur auf ‚Gegenstände‘ und deren ‚Eigenschaften‘ beziehen können, sondern auch auf flüchtige ‚Handlungen‘ (‚Peter steht vom Tisch auf‘) und auch sonstige ‚flüchtige‘ Ereignisse (‚die Sonne geht auf‘; ‚die Ampel wurde gerade rot‘). Es gibt auch sprachliche Ausdrücke, die sich nur partiell auf etwas Wahrnehmbares beziehen wie z.B. ‚der Vater von Hans‘ (der gar nicht im Raum ist), ‚das Essen von gestern‘ (was nicht da ist), ‚ich hasse Dich‘ (‚hassen‘ ist kein Gegenstand), ‚die Summe von 3+5‘ (ohne dass es irgendetwas gibt, was wie ‚3‘ oder ‚5‘ aussieht), und vieles mehr.

Wenn man versucht, diese ‚Phänomene unseres Alltags‘ ‚mehr‘ zu verstehen, kann man auf viele spannende Sachverhalte stoßen, die u.U. mehr Fragen erzeugen als sie Antworten liefern. Alle Phänomene, die ‚Fragen‘ hervorrufen können, dienen eigentlich der ‚Befreiung unseres Denkens‘ von aktuell falschen Bildern. Dennoch sind Fragen wenig beliebt; sie beunruhigen, strengen an, …

Wie kann man diesen vielfältigen Phänomenen näher kommen?

Schauen wir uns einfach einige Ausdrücke der ’normalen Sprache‘ an, die wir in unserem ‚Alltag‘ benutzen.[1] Im Alltag gibt es vielfältige Situationen, in denen wir uns   hinsetzen (Frühstück, Büro, Restaurant, Schule, Uni, Empfangshalle, Bus, U-Bahn, …). In einigen dieser Situationen sprechen wir z.B. von ‚Stühlen‘, in anderen von ‚Sesseln‘, wieder in anderen Situationen von ‚Bänken‘, oder auch einfach von ‚Sitzgelegenheiten‘. Vor einer Veranstaltung fragt vielleicht einer „Gibt es genügend Stühle?“ oder „Haben wir genügend Sessel?“ oder … In der jeweiligen konkreten Situation können es ganz unterschiedliche Gegenstände sein, die z.B. als ‚Stuhl‘ durchgehen würden oder als ‚Sessel‘ oder … Dies deutet darauf hin dass die ‚Ausdrücke der Sprache‘ (die ‚Laute‘, die ‚geschriebenen/ gedruckten Zeichen‘) sich mit ganz unterschiedlichen Dingen verknüpfen können. Es gibt hier keine 1-zu-1 Zuordnung. Bei anderen Gegenständen wie z.B. ‚Tassen‘, ‚Gläsern‘, ‚Tischen‘, ‚Flaschen‘, ‚Tellern‘ usw. ist es nicht anders.

Diese Beispiele deuten darauf hin, dass es hier  eine ‚Struktur‘ zu geben scheint, die sich in den konkreten Beispielen zwar ‚manifestiert‘, selbst aber ‚jenseits der Ereignisse‘ verortet ist.[2]

Versucht man dies ‚gedanklich zu sortieren‘, dann deuten sich hier mindestens zwei, eher drei ‚Dimensionen‘ an, die ineinander spielen:

  1. Es gibt konkrete sprachliche Ausdrücke — jene, die wir als ‚Worte‘ bezeichnen –, die ein ‚Sprecher-Hörer‘ benutzt.
  2. Es gibt unabhängig von den sprachlichen Ausdrücken ‚irgendein Phänomen‘ im Alltag, auf das sich der ‚Sprecher-Hörer‘ mit seinem sprachlichen Ausdruck bezieht (das können ‚Gegenstände‘
    sein, ‚Eigenschaften‘ von Gegenständen, …)[3]
  3. Der jeweilige ‚Sprecher‘ bzw. ‚Hörer‘ hat ‚gelernt‘, zwischen dem ’sprachlichem Ausdruck‘ und dem ‚Anderen  zum sprachlichen Ausdruck‘ eine ‚Beziehung herzustellen‘.

Da wir wissen, dass die gleichen Gegenstände und Ereignisse im Alltag in den ‚verschiedenen Sprachen‘ ganz ‚unterschiedlich benannt‘ werden können, deutet sich an, dass die jeweils von ‚Sprecher-Hörer‘ angenommenen Beziehung nicht ‚angeboren‘ sind, sondern in jeder ‚Sprachgemeinschaft‘ eher ‚beliebig‘ erscheinen.[4] Dies deutet darauf hin, dass die im Alltag vorfindlichen ‚Beziehungen‘ zwischen sprachlichen Ausdrücken und alltäglichen Gegebenheiten von jedem Sprecher-Hörer einzeln ‚gelernt‘ werden müssen, und dies durch direkten Kontakt mit Sprecher-Hörer der jeweiligen Sprachgemeinschaft.

ABSTRAKTE STRUKTUREN

(Letzte Änderungen: 29.Januar 2023)

Körper-Externe Gegebenheiten

Transformtion reale Objekte in wahrgenommene und abstrahierte Objekte plus Bedeutungs-Beziehung
BILD 1: Transformtion reale Objekte in wahrgenommene und abstrahierte Objekte plus Bedeutungs-Beziehung

Die bisherigen Überlegungen lassen die Bildung einer ‚Arbeitshypothese‘  dahingehend zu, dass ein Sprecher-Hörer ‚außerhalb seines Körpers‘ auf einzelne Objekte treffen kann (z.B. einen Gegenstand  ‚Tasse‘, ein Wort  ‚Tasse‘), die als solche keine direkte Beziehung miteinander haben. 

Im Sprecher-Hörer können sich zu den wahrgenommenen konkreten Ereignissen dann ‚abstrakte Konzepte‘ bilden,  die aus den variierenden Vorkommnissen einen ‚gemeinsamen Kern abstrahieren‘, der dann das eigentliche ‚abstrakte Konzept‘ repräsentiert.

Unter Voraussetzung solcher abstrakter Konzepte können sich dann im  Sprecher-Hörer  ‚Bedeutungsbeziehungen‘ derart bilden, dass ein Sprecher ‚lernen‘ kann, die beiden einzelnen Objekte ‚Tasse‘  (als Gegenstand) und ‚Tasse‘ (als gehörtes/ geschriebenes Wort) ‚gedanklich zu verknüpfen‘, und zwar so, dass künftig das Wort ‚Tasse‘ eine Assoziation mit dem Gegenstand ‚Tasse‘ hervorruft und umgekehrt. Diese Bedeutungsbeziehung (Objekt ‚Tasse‘, Wort ‚Tasse‘) basiert auf ’neuronalen Prozessen‘ der Wahrnehmung und des Gedächtnisses. Sie können sich bilden, müssen aber nicht. Wenn solche neuronalen Prozesse verfügbar sind, dann kann der Sprecher-Hörer das kognitive Element ‚Objekt Tasse‘ auch dann aktualisieren, wenn es gar nicht außerhalb des Körpers als reales Objekt vorliegt;  letzteres würde  sich daran zeigen, dass kein ‚Wahrnehmungselement‘ vorliegt, das dem ‚Gedächtniselement‘ Objekt Tasse ‚entspricht‘.

Man kann diese erste Arbeitshypothese erweitern zu zwei ‚weiteren  Arbeitshypothesen‘:

(i) Arbeitshypothese: der Mechanismus der ‚abstrakten Konzeptbildung‘ funktioniert nicht nur unter Voraussetzung von konkreten Wahrnehmungsereignissen, sondern auch unter Voraussetzung von schon vorhandenen abstrakten Konzepten. Wenn ich schon abstrakte Konzepte wie ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘ habe, dann kann ich z.B. ein abstraktes Konzept ‚Möbel‘ bilden als ‚Oberbegriff‘ zu den drei zuvor genannten Konzepten. Nennt man abstrakte Konzepte, die sich direkt auf virtuell-konkrete Konzepte beziehen, Level 1-Konzepte, dann könnte man abstrakte Konzepte, die mindestens ein Konzept von Level n voraussetzen, Level n+1 Konzepte nennen. Wie viele Level im Bereich der abstrakten Konzepte von ‚Nutzen‘ sind, ist offen.  Generell gilt, je ‚höher der Level‘ ist, umso schwieriger wird eine Rückbindung an Level-0 Konzepte.

(ii) Arbeitshypothese: der ‚Mechanismus der Bildung von Bedeutungsbeziehungen‘ funktioniert auch mit Bezug auf beliebige abstrakte Konzepte.

Wenn Hans zu Anna sagt: „Unsere Möbel wirken mittlerweile irgendwie abgenutzt“, dann würde die interne Beziehung Möbel := { ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘ } vom Konzept Möbel zu den anderen untergeordneten Konzepten führen und Anna wüsste (bei gleichem Sprachverstehen), dass Hans eigentlich sagt: „Unsere Möbel in Gestalt von ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘   wirken mittlerweile irgendwie abgenutzt“.

Körper-Interne Gegebenheiten

Signalquellen sowohl von körper-externen Gegebenheiten wie auch von körper-internen Gegebenheiten, die dem Gehirn 'extern' sind
BILD 2: Signalquellen sowohl von körper-externen Gegebenheiten wie auch von körper-internen Gegebenheiten, die beide für das Gehirn ‚extern‘ sind.

Im BILD 1 wurde der Zusammenhang zwischen ‚körper-externen‘ Gegebenheiten und dem empfangenden ‚Gehirn‘ skizziert. Aus Sicht des Gehirns sind aber ‚körper-interne Prozesse‘ (verschiedene Körperorgane, vielfältige ‚Sensoren‘, und mehr) auch ‚extern‘ (siehe BILD 2)! Das Gehirn weiß von diesen körper-internen Gegebenheiten auch nur, insofern ihm entsprechende ‚Signale‘ übermittelt werden. Diese können aufgrund ihres ‚individuellen Eigenschaftsprofils‘ vom Gedächtnis  unterschiedlichen ‚abstrakten Konzepten‘  zugeordnet werden, und damit werden sie auch ‚Kandidaten für eine semantische Beziehung‘. Allerdings nur dann, wenn diese Abstraktionen auf körper-internen Signalereignissen beruhen, die im ‚aktuellen Gedächtnis‘ so repräsentiert werden, dass sie ‚uns‘ ‚bewusst‘ werden. [7]

Der ‚körper-interne Ereignisraum‘, der  im aktuellen Gedächtnis ‚bemerkbar‘ wird setzt sich aus sehr vielen unterschiedlichen Ereignissen zusammen. Neben ‚organ-spezifischen‘ Signalen, die sich bisweilen sogar im Körperinnern einigermaßen ‚lokalisieren‘ lassen (‚mein linker Backenzahn tut weh‘, ‚mein Hals juckt‘, ‚ich bin hungrig‘, usw. ), gibt es sehr viele ‚Stimmungen’/ ‚Gefühle’/ ‚Emotionen‘, die sich schwer bis gar nicht lokalisieren lassen, die aber dennoch ‚bewusst‘ sind, und denen man unterschiedliche ‚Intensitäten‘ zuordnen kann (‚Ich bin sehr traurig‘, ‚Das macht mich wütend‘, ‚Die Lage ist hoffnungslos‘, ‚Ich liebe dich sehr‘, ‚Ich glaube Dir nicht‘, …).

Wenn man solchen ‚körper-internen‘ Eigenschaften ‚Worte zuordnet‘, dann entsteht auch eine ‚Bedeutungsbeziehung‘, allerdings ist es zwischen zwei menschlichen Akteuren dann unterschiedlich schwer bis fast unlösbar, jeweils ‚für sich‘ zu klären, was ‚der andere‘ wohl ‚meint‘, wenn er einen bestimmten sprachlichen Ausdruck benutzt. Bei ‚lokalisierbaren‘ sprachlichen Ausdrücken kann man aufgrund eines  ähnlichen Körperbaus eventuell nachvollziehen, was gemeint ist (‚mein linker Backenzahn tut weh‘, ‚mein Hals juckt‘, ‚ich bin hungrig‘). Bei anderen, nicht-lokalisierbaren sprachlichen Ausdrücken (‚Ich bin sehr traurig‘, ‚Das macht mich wütend‘, ‚Die Lage ist hoffnungslos‘, ‚Ich liebe dich sehr‘, ‚Ich glaube Dir nicht‘, …) wird es schwierig. Oft kann man nur ‚raten‘; falsche Interpretationen sind sehr wahrscheinlich.

Spannend wird es, wenn Sprecher-Hörer in ihren sprachlichen Ausdrücken neben solchen Konzepten, die sich von körper-externen Wahrnehmungsereignissen herleiten, auch solche Konzepte benutzen, die sich  von körper-internen Wahrnehmungsereignissen herleiten. Wenn z.B. jemand sagt „Das rote Auto da drüben, da habe ich kein gutes Gefühl“ oder „Die Leute dort mit ihren Mützen machen mir Angst“ oder „Wenn ich dieses Fischbrötchen sehe, dann krieg ich richtig Appetit“ oder „Ach, diese tolle Luft“, usw.  Solche Aussagen machen wir ständig. Sie manifestieren eine durchgängige ‚Dualität unserer Welterfahrung‘: mit unsrem Körper sind wir ‚in‘ einer externen Körperwelt, die wir spezifisch wahrnehmen können, und zeitgleich erleben wir fragmentarisch das ‚Innere unseres Körpers‘, wie es in der aktuellen Situation reagiert. Man kann es auch so sehen: Unser Körper spricht mittels der ‚körper-internen Signale‘ mit uns darüber, wie er eine aktuelle ‚externe Situation‘ erlebt/ empfindet/ fühlt.

Raumstrukturen

In den Bildern 1+2 werden die Wahrnehmungen und die aktuellen Erinnerungen  ‚einzeln‘ dargestellt. Tatsächlich aber verarbeitet das Gehirn alle Signale der ‚gleichen Zeitscheibe‘ [10] so, als ob sie ‚Elemente eines drei-dimensionalen Raumes‘ wären. Dies hat zur Folge, dass zwischen den Elementen ‚räumliche Beziehungen‘ bestehen, ohne dass die Elemente selbst solche Beziehungen erzeugen können. Im Fall von körper-externen Wahrnehmungen gibt es ein klares ’neben‘, ‚vor‘, ‚unter‘ usw. Im Fall von körper-internen Wahrnehmungen bildet der Körper einen Bezugspunkt, aber der Körper als Bezugspunkt ist unterschiedlich konkret (‚Mein linker Zeh…‘, ‚Ich bin müde‘, ‚Mein Magen knurrt‘, …).

Benutzen die Sprecher-Hörer zusätzlich zu ihrer ’normalen‘ angeborenen Wahrnehmung im Fall von körper-externen Gegebenheiten ‚Messoperationen‘, dann kann man den ‚Gegebenheiten im Raum‘ verschiedene Messwerte zuordnen (Längen, Volumen, Lage in einem Koordinatensystem, usw.).

Im Fall von  ‚körper-internen‘ Gegebenheiten  kann man zwar den Körper selbst samt Prozesseigenschaften ‚messen‘ — was z.B. experimentelle Psychologen und Gehirnforscher oft tun –, aber der Zusammenhang mit den körper-internen Wahrnehmungen ist je nach Art der ‚körper-internen Wahrnehmung‘  entweder nur ‚einigermaßen‘ herstellbar (‚Mein linker Zahn schmerzt‘), oder ‚eher nicht‘ (‚Ich fühle mich heute so matt‘, ‚Gerade schoß mir dieser Gedanke durch den Kopf‘).

Zeit: Jetzt, Vorher, ‚Möglich‘

Aus dem Alltag kennen wir das Phänomen, dass wir ‚Veränderungen‘ wahrnehmen können: ‚Die Ampel geht auf rot‘, ‚Der Motor springt an‘, ‚Die Sonne geht auf‘, … Dies ist uns so selbstverständlich, dass wir kaum darüber nachdenken.

Dieses Konzept von ‚Veränderung‘ setzt ein ‚Jetzt‘ und ein ‚Vorher‘ voraus und die Fähigkeit, ‚Unterschiede‘ zwischen dem ‚Jetzt‘ und dem ‚Vorher‘ ‚erkennen zu können‘.

Als Arbeitshypothese [12] für diese Eigenschaft des Erkennens von ‚Veränderungen werden hier folgende Annahmen getroffen:

  1. Ereignisse als Teil von räumlichen Anordnungen werden als ‚Situationen‘ im ‚potentiellen Gedächtnis‘ hinterlegt, und zwar so, dass ‚aktuelle Wahrnehmungen‘, die sich von ‚hinterlegten (vorher)‘ Situationen unterscheiden, durch unbewusste Vergleichsoperationen ‚auffallen‘: wir merken, ohne es zu wollen, dass die Ampel von Orange auf Grün schaltet. Solche ‚Veränderungen‘ können wir dadurch beschreiben, dass wir den Zustand ‚vorher‘ und ‚jetzt‘ nebeneinander stellen können.
  2. In einem ‚Vergleich‘ im Kontext von ‚Veränderungen‘ benutzen wir ‚abstrakte erinnerte‘ Konzepte in Verbindung mit ‚abstrakten wahrgenommenen‘ Konzepten, z.B. der Zustand der Ampel ‚vorher‘ und ‚jetzt‘.
  3. ‚Aktuelle‘ Wahrnehmungen gehen schnell in ‚erinnerte‘ Wahrnehmungen über (Der Übergang der Ampel von Orange auf Grün ist ‚eben‘ passiert).
  4. Wir können die abstrakten Konzepte erinnerter Wahrnehmungen ‚in einer Folge/ Reihe‘ anordnen‘ derart, dass ein Element in der Reihe als ‚zeitlich‘ vorher‘ zu einem nachfolgenden Element angesehen werden kann oder ‚zeitlich nachher‘. Durch Abbildung in ’sprachliche Ausdrücke‘ kann man diese Sachverhalte ‚mehr explizit‘ machen.
  5. Durch die Verfügbarkeit von ‚zeitlichen Relationen‘ (‚x ist zeitlich  vor y‘, ‚y ist zeitlich nach x‘, ‚y ist zeitgleich mit y‘, …) gewinnt man einen Ausgangspunkt für die Betrachtung von ‚Häufigkeiten‘ in diesen Beziehungen, z.B. „Ist y zeitlich ‚immer‘ nach y“ oder nur ‚manchmal‘? Ist dieses zeitliche Muster ‚zufällig‘ oder irgendwie ’signifikant‘?
  6. Sofern die beobachteten ‚Muster zeitlichen Auftretens‘ ’nicht rein zufällig‘ sind sondern sich hierin signifikante Wahrscheinlichkeiten andeuten, dann kann man auf dieser Basis ‚Hypothesen für solche Situationen‘ formulieren, die ’nicht vergangen und nicht gegenwärtig sind‘, aber im Licht der Wahrscheinlichkeiten als ‚künftig möglich‘ erscheinen.

Zeit: faktisch und analytisch

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

Die vorausgehenden Überlegungen zur Zeit gehen davon aus, dass das ‚Erkennen von Veränderungen‘ auf einer ‚automatischen Wahrnehmung‘ beruht: dass sich etwas in unserem Wahrnehmungsraum  ‚verändert‘, beruht auf ‚unbewussten neuronalen Prozessen‘, die diese Veränderung ‚automatisch erfassen‘ und ‚automatisch zur Kenntnis‘ bringen, ohne dass wir dies ‚bewusst‘ tun müssten. In allen Sprachen finden sich dazu sprachliche Ausdrücke, die dies reflektieren: ‚fahren‘, ‚wechseln‘, ‚wachsen‘, ‚fliegen‘, ’schmelzen‘, ‚erhitzen‘, ‚altern‘, … Wir können mit einer gewissen ‚Leichtigkeit‘ von Veränderungen Notiz nehmen, mehr aber auch nicht. Es ist das ‚pure Faktum‘ von Veränderung, was sich uns bemerkbar macht; daher die Formulierung ‚faktische Zeit‘.

Wenn wir ‚verstehen‘ wollen, was denn genau passiert bei einer Veränderung, warum, unter welchen  Bedingungen, wie oft, in welchem Zeitraum usw., dann müssen wir uns die Mühe machen, solche Veränderungen genauer zu ‚analysieren‘. Dies bedeutet, wir müssen den ‚gesamten Veränderungsprozess‘ anschauen und versuchen, an ihm so viele ‚einzelne Momente‘ zu identifizieren, dass wir dann — eventuell — Hinweise finden, was genau wie und warum passiert ist.

Solch eine Analyse kann nur gelingen, wenn man folgende Fragen beantworten kann:

  1. Wie kann man die Situation ‚vor‘ der Änderung beschreiben?
  2. Wie kann man die Situation ’nach‘ der Änderung beschreiben?
  3. Worin genau bestehen die ‚Unterschiede‘?
  4. Wie kann man eine Wenn-Dann-Regel formulieren, die besagt, bei welcher ‚Voraussetzung‘ welche ‚Veränderung‘ so angewendet werden sollen, dass sich der gewünschte ’neue Zustand‘ mit allen ‚Veränderungen‘ ergibt?

Beispiel: Ein Passant beobachtet, dass eine Ampel von Orange auf Grün wechselt. Eine (einfache) Analyse könnte wie folgt funktionieren:

Veränderungsregel (einfach):

VORAUSSETZUNGEN

  1. Vorher: Die Ampel ist orange.
  2. Nachher: Die Ampel ist grün.
  3. Unterschied: Die Eigenschaft ‚orange‘ wurde durch die Eigenschaft ‚grün‘ ersetzt.

REGEL-TEXT

Veränderungsregel: Wenn: ‚Eine Ampel ist orange‘. Dann: (i) Entferne ‚Eine Ampel ist orange‘, (ii) Füge hinzu: ‚Eine Ampel ist grün‘

Will man diesen Gedanken vertiefen, dann stößt man schnell auf viele Fragen eine einzelne Veränderungsregel betreffend:

  1. Was an einer ‚Situation vorher‘ ist wichtig? Muss man ‚alles‘ aufschreiben oder nur ‚Teilaspekte‘? Wie bestimmt eine Gruppe von menschlichen Akteuren die ‚Grenze‘ von der Situation zur weiteren Umgebung? Falls nur eine teilweise Beschreibung: wie bestimmt man, was wichtig ist?
  2. Entsprechende Fragen stellen sich auch für die Beschreibung der ‚Situation nachher‘.
  3. Spannend ist auch die Frage nach dem ‚Wenn-Teil‘ der Veränderungs-Regel: Wie viele der Sachverhalte der Situation vorher sind wichtig? Sind alle wichtig oder nur einige? Wenn ich z.B. drei Sachverhalte unterscheiden kann: müssen sie alle ‚gleichzeitig‘ erfüllt sein oder nur ‚alternativ‘?
  4. Interessant ist auch der ‚Zusammenhang‘ zwischen der Situation vorher und nachher: Ist diese beobachtbare Veränderung (i) ‚ganz zufällig‘ oder (ii) kommt diesem Zusammenhang eine ‚gewisse Häufigkeit‘ (ein gewisser ‚Wahrscheinlichkeitswert‘) zu, oder (iii) tritt dieser Zusammenhang ‚immer‘ auf?

Schaut man sich mit diesen Fragen im Hinterkopf konkrete Beispiele der normalen Sprache zur ‚faktischen Zeit‘ an, dann kann man gut erkennen, wie ‚minimalistisch‘ Veränderung im Alltag sprachlich praktiziert wird:

  1. Peter geht nach oben.
  2. Kommst Du?
  3. Er trank das Glas aus.
  4. Sie öffnete die Tür.
  5. Wir aßen schweigend.

Alle diese Ausdrücke (1) – (5) thematisieren nur knapp die Art der Veränderung, deuten beteiligte Personen und Gegenstände an, und lassen den Raum, in dem dies geschieht, unerwähnt. Die genaue Zeitdauer wird auch nicht explizit angegeben. Die Sprecher-Hörer in diesen Situationen setzen offensichtlich voraus, dass jeder aufgrund der sprachlichen Äußerungen ’sich selbst die zugehörige Bedeutung erschließen‘ kann, einmal durch das ‚allgemeine Sprachwissen‘, zum anderen durch das ‚konkrete Involviert‘ sein in der jeweiligen konkreten Situation.

Einen ganz anderen Aspekt liefert im Fall einer ‚analytischen Zeit‘ die Frage nach der ‚Beschreibung selbst‘, der ‚Regel-Text‘:

Veränderungsregel: Wenn: ‚Eine Ampel ist orange‘. Dann: (i) Entferne ‚Eine Ampel ist orange‘, (ii) Füge hinzu: ‚Eine Ampel ist grün‘

Dieser Text enthält sprachliche Ausdrücke ‚Eine Ampel ist orange‘ sowie ‚Eine Ampel ist grün‘. Diese sprachlichen Ausdrücke haben in der normalen Sprache meistens eine bestimmte ’sprachliche Bedeutung‘, die sich in diesem Fall auf ‚Erinnerungen‘ beziehen, die aufgrund von ‚Wahrnehmungen‘ gebildet worden sind. Es geht um das abstrakte Objekt ‚Ampel‘, dem die abstrakten Eigenschaften ‚orange‘ bzw. ‚grün‘ zu- bzw. abgesprochen werden. Normalerweise haben Sprecher-Hörer des Deutschen gelernt, diese abstrakten Bedeutung anlässlich einer ‚konkreten Wahrnehmung‘ auf solche konkreten Gegebenheiten (reale Ampeln) zu beziehen, die sie im Rahmen ihres Sprach-Lernens als ‚zugehörig‘ gelernt haben. Ohne eine aktuelle konkrete Wahrnehmung handelt es sich nur um abstrakte Bedeutungen mittels abstrakter Erinnerungen, deren ‚Wirklichkeitsbezug‘ nur ‚potentiell‘ ist. Erst beim Auftreten einer konkreten Wahrnehmung mit den ‚passenden Eigenschaften‘ wird aus der ‚potentiellen‘ Bedeutung eine ‚real gegebene‘ (empirische) Bedeutung.

Der Text einer Veränderungs-Regel beschreibt also abstrakt einen möglichen Übergang von einer abstrakt geschilderten Situation zu einer abstrakt möglichen anderen Situation. Ob aus dieser abstrakten Möglichkeit jemals eine konkrete reale Bedeutung wird, ist offen. Die Verdichtung von ‚mehrmaligen Ereignissen‘ gleicher Art in der Vergangenheit (gespeichert als Erinnerung) im Konzept der ‚Häufigkeit‘ oder dann im Konzept einer ‚Wahrscheinlichkeit‘ kann zwar die ‚Erwartung eines Akteurs‘ dahingehend beeinflussen, dass er in seinem Verhalten ‚berücksichtigt‘, dass die Veränderung eintreten kann, wenn er die ‚auslösende Situation‘ wieder ‚herstellt‘, aber eine vollständige Sicherheit dafür gäbe es nur dann, wenn die beschriebene Veränderung auf einem vollständig deterministischen Zusammenhang beruhen würde.

Was in dieser einfachen Betrachtung nicht vorkommt, das ist der zeitlichen Aspekt: ob eine Veränderung sich im Millisekunden Bereich abspielt oder in Stunden, Tagen, Monaten Jahren, das markiert gewaltige Unterschiede.

Desgleichen die Bezugnahme auf einen Raum: Wo findet der statt? Wie?

Arbeitshypothese KONTEXT

Sprachlich Beschreibungen von Veränderungen geschehen als ‚abstrakte Formulierungen‘ und setzen in der Regel folgendes voraus:

  1. Ein gemeinsames sprachliches Bedeutungswissen in den Köpfen der Beteiligten.
  2. Eine Kenntnis der räumlichen Situation, in der die Veränderung stattfindet.
  3. Eine Kenntnis der beteiligten Personen und Gegenstände.
  4. Eine Kenntnis der zeitlichen Dimension.
  5. Optional: Eine Kenntnis von erfahrungsbasierter Wahrscheinlichkeit.

Veränderungs-Beschreibungen, die abstrakt abgefasst sind, müssen — je nach Fall und Anforderung — die Kontext-Aspekte (1) – (5) explizit machen, um ‚verständlich‘ sein zu können.

Die Forderung nach ‚Verständlichkeit‘ ist aber prinzipiell ‚vage‘, da die jeweiligen Kontexte beliebig komplex und beliebig unterschiedlich sein können.

ABSTRAKTE STRUKTUREN II = DENKEN

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023, 19:15h)

Die bisher eingeführten abstrakten Elemente sind zwar noch wenige, aber sie erlauben schon jetzt, einen gewissen ‚abstrakten Raum‘ abzustecken. So gibt es bislang

  1. Abstrakte Elemente im aktuellen Gedächtnis (auch ‚Bewusstsein‘) auf der Basis von konkreter Wahrnehmung,
  2. die dann übergehen können in gespeicherte abstrakte — und dynamische — Elemente des potentiellen Gedächtnisses,
  3. weiterhin abstrakte Konzepte n-ter Ordnung im aktuellen wie auch im potentiellen Gedächtnis,
  4. Abstrakte Elemente im aktuellen Gedächtnis (auch ‚Bewusstsein‘) auf der Basis von konkreter Wahrnehmung, die als sprachliche Elemente fungieren,
  5. die dann ebenfalls übergehen können in gespeicherte abstrakte — und dynamische — Elemente des potentiellen (Sprach-)Gedächtnisses,
  6. ebenso abstrakte sprachlicher Konzepte n-ter Ordnung im aktuellen wie auch im potentiellen Gedächtnis,
  7. abstrakte Beziehungen zwischen abstrakten sprachlichen Elementen und abstrakten anderen Elementen des aktuellen wie potentiellen Gedächtnisses.
  8. sprachliche Ausdrücke für die Beschreibung von faktischen Veränderungen und
  9. sprachliche Ausdrücke für die Beschreibung von analytischen Veränderungen.

Die Generierung von abstrakten sprachlichen Elementen erlaubt also auf vielfache Weise die Beschreibung von Veränderungen von etwas Gegebenem, das (i) entweder als ‚bedingungsloses‘ Geschehen nur ‚geschildert‘ wird oder aber (ii) mit ‚Veränderungs-Regeln‘ arbeitet, die klar zwischen ‚Bedingung‘ und ‚Wirkung‘ unterscheidet. Dieser zweite Fall mit Veränderungsregeln lässt sich mit vielen Spielarten von ‚logischen Folgerungen‘ in Beziehung setzen. Tatsächlich kann man jede bekannte Form von ‚Logik‘ mit diesem allgemeinen Konzept von Veränderungsregeln ‚emulieren‘.

Diese hier nur angedeutete Idee wird im weiteren Verlauf etwas genauer untersucht und in verschiedenen Anwendungen demonstriert werden.

SEIN: ‚Fiktiv (Virtuell)‘ und ‚Real‘

(Letzte Änderung: 27.Februar 2023, 03:40h)

Schon diese wenigen Überlegungen lassen erkennen, dass es unterschiedliche Formen von ‚Sein‘ gibt.[5]

Im Schema von BILD 1 gibt es jene Gegebenheiten in der realen Außenwelt, die zum Auslöser von Wahrnehmungen werden können. Unser Gehirn kann diese ‚realen Gegebenheiten‘ aber nicht direkt erkennen, nur ihre ‚Wirkungen im Nervensystem‘: zuerst (i) als ‚Wahrnehmungsereignis‘, dann (ii) als ‚Gedächtniskonstrukt‘ unterschieden nach (ii.1) ‚aktuellem Gedächtnis (Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, …) und (ii.2) ‚potentiellem Gedächtnis‘ (Langzeitgedächtnis, verschiedene funktionelle Klassifikationen, ..).[6]

Nennt man die ‚Inhalte‘ von Wahrnehmung und aktuellem Gedächtnis ‚bewusst‘ [7], dann wäre die primäre Form von ‚Sein‘, deren wir direkt habhaft werden können, jene ‚bewussten Inhalte‘, die unser Gehirn uns aus all seinen neuronalen Berechnungen ‚aufbereitet präsentiert‘. Unsere ‚aktuelle Wahrnemungen‘ stehen dann für die ‚Realität da draußen‘, obgleich wir tatsächlich ‚die Realität da draußen‘ nicht ‚direkt, unmittelbar‘ erfassen können, sondern nur ‚vermittelt, indirekt‘.

Sofern wir uns ‚aktueller Inhalte‘ ‚bewusst‘ sind, die das ‚potentielle Gedächtnis‘ uns ‚zur Verfügung‘ stellt (im Alltag meist  ‚erinnern‘ genannt; im Ergebnis eine ‚Erinnerung‘),  haben wir auch eine Form von ‚primärem Sein‘ zur Verfügung, dieses primäre Sein muss aber aktuell keine Entsprechung in der Wahrnehmung haben; daher klassifizieren wir es als  ’nur erinnert‘ oder ’nur gedacht‘ oder ‚abstrakt‘ ohne ‚konkreten‘ Wahrnehmungsbezug.

Für die Frage der inhaltlichen Übereinstimmung zwischen ‚realer Gegebenheit‘ und ‚wahrgenommener Gegebenheit‘ sowie zwischen ‚wahrgenommener Gegebenheit‘ und ‚erinnerter Gegebenheit‘ gibt es zahllose Erkenntnisse, die allesamt darauf hindeuten, dass diese beiden Beziehungen unter dem Aspekt der ‚Abbildungsähnlichkeit‘ keine ‚1-zu-1‘ Abbildungen darstellen. Dies hat vielfache Ursachen.

Im Fall der Wahrnehmungsähnlichkeit mit den auslösenden realen Gegebenheiten spielt schon die Interaktion zwischen realer Gegebenheit und den jeweiligen Sinnesorganen eine Rolle, dann die Verarbeitung der primären Sinnesdaten durch das Sinnesorgan selbst sowie durch das nachfolgende Nervensystem. Das Gehirn arbeitet mit ‚Zeitscheiben‘, mit ‚Selektion/ Verdichtung‘ und mit ‚Interpretation‘. Letztere resultiert aus dem ‚Echo‘ aus dem potentiellen Gedächtnis, das aktuelle neuronale Ereignisse ‚kommentiert‘. Zusätzlich können unterschiedliche ‚Emotionen‘ den Wahrnehmungsprozess beeinflussen. [8]  Das ‚finale‘ Produkt aus Übertragung, Verarbeitung, Selektion, Interpretation und Emotionen  ist dann das, was wir als ‚Wahrnehmungsinhalt‘ bezeichnen.[6]

Im Fall der ‚Erinnerungs-Ähnlichkeit‘ deuten die Verarbeitungsprozesse des ‚Abstrahierens‘ und ‚Speicherns‘, der kontinuierlichen ‚Aktivierungen‘ von Gedächtnisinhalten sowie der ‚Wechselwirkungen‘ zwischen Erinnertem darauf hin, dass sich ‚Gedächtnisinhalte‘ im Laufe der Zeit deutlich verändern können, ohne dass der betreffende Mensch, der gerade erinnert, dies am Gedächtnisinhalt selbst  ablesen kann. Um diese Veränderungen erkennen zu können braucht man ‚Aufzeichnungen‘ von vorausgehenden Zeitpunkten (Fotos, Filme, Protokolle, …), die Anhaltspunkte für die realen Gegebenheiten liefern können, mit denen man seine Erinnerungen vergleichen kann.[9]

Wie man aus diesen Überlegungen erkennen kann, ist die Frage nach dem ‚Sein‘ keine triviale Frage. Einzelne Fragmente von Wahrnehmungen oder Erinnerungen sind tendenziell keine 1-zu-1 ‚Repräsentanten‘ möglicher realen Gegebenheiten. Dazu kommt die hohe ‚Veränderungsrate‘ der realen Welt, nicht zuletzt auch durch die Aktivitäten des Menschen selbst.

KOMMENTARE

wkp := Wikipedia

[1] Statt von ’normaler Sprache‘ im ‚Alltag‘ spreche ich hier auch einfach von ‚Alltagssprache‘

[2] Ein Denker, der sich mit diesem Phänomen des ‚alltäglich Konkretem‘ und gleichzeitig doch auch ‚alltäglich — irgendwie — Abstraktem‘ beschäftigt hat, ist Ludwig Wittgenstein (siehe [2a,b]). Er führte dazu den Begriff des ‚Sprachspiels‘ ein, ohne dass er im eigentlichen Sinne zu all diesen Überlegungen eine eigentliche ‚(empirische) Theorie‘ einführte.

[2b] Wittgenstein, L.; Tractatus Logico-Philosophicus, 1921/1922 /* Während des Ersten Weltkriegs geschrieben, wurde das Werk 1918 vollendet. Es erschien mit Unterstützung von Bertrand Russell zunächst 1921 in Wilhelm Ostwalds Annalen der Naturphilosophie. Diese von Wittgenstein nicht gegengelesene Fassung enthielt grobe Fehler. Eine korrigierte, zweisprachige Ausgabe (deutsch/englisch) erschien 1922 bei Kegan Paul, Trench, Trubner und Co. in London und gilt als die offizielle Fassung. Die englische Übersetzung stammte von C. K. Ogden und Frank Ramsey. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Tractatus logicophilosophicus*/

[2c] Wittgenstein, L.; Philosophische Untersuchungen,1936-1946, publiziert 1953 /* Die Philosophischen Untersuchungen sind Ludwig Wittgensteins spätes, zweites Hauptwerk. Es übten einen außerordentlichen Einfluss auf die Philosophie der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts aus; zu erwähnen ist die Sprechakttheorie von Austin und Searle sowie der Erlanger Konstruktivismus (Paul Lorenzen, Kuno Lorenz). Das Buch richtet sich gegen das Ideal einer logik-orientierten Sprache, die neben Russell und Carnap Wittgenstein selbst in seinem ersten Hauptwerk vertreten hatte. Das Buch ist in den Jahren 1936-1946 entstanden, wurde aber erst 1953, nach dem Tod des Autors, veröffentlicht. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophische Untersuchungen*/

[3] Im Grenzfall sind diese ‚anderen‘ Phänomene des Alltags auch sprachliche Ausdrücke (wenn man ‚über‘ einen Text oder sprachliche Äußerungen‘ spricht).

[4] wkp [DE]: Sprachfamilien der Welt, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachfamilien_der_Welt . Anmerkung: Aufgrund von ‚räumlicher Nähe‘ oder zeitlichem Zusammenhang (oder beidem) kann es unterschiedlich viele Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Sprache geben.

[5] Das Wort ‚Sein‘ ist eines der ältesten und beliebtesten Konzepte in der Philosophie. Im Fall der europäischen Philosophie tritt das Konzept ‚Sein‘ im Kontext der klassischen Griechischen Philosophie auf, und verbreitet sich durch die Jahrhunderte und Jahrtausende in ganz Europa und dann in jenen Kulturen, die mit der Europäischen Kultur einen gedanklichen Austausch hatten/ haben. Die systematische Beschäftigung mit dem Konzept ‚Sein‘ nannten und nennen  die Philosophen ‚Ontologie‘. Siehe dazu überblicksmäßig den Artikel ‚Ontologie‘ in der Deutschen Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ontologie

[6] Zum Thema ‚Wahrnehmung‘ und ‚Gedächtnis‘ gibt es eine riesige Literatur in verschiedenen empirischen Disziplinen. Die wichtigsten dürfen wohl die ‚Biologie‘, die ‚experimentelle Pschologie‘ und die ‚Gehirnwissenschaften‘ sein; diese ergänzt um die philosophische ‚Phänomenologie‘, und dann Kombinationen von diesen wie z.B. ‚Neuro-Psychologie‘ oder ‚Neuro-Phänomenologie‘ usw. Dazu gibt es unzählige weitere spezielle Disziplinen wie z.B. die ‚Linguistik‘ und die ‚Neuro-Linguistik‘.

[7] Eine weiterhin offene Frage ist, wie das im Alltag geläufige Konzept ‚Bewusstsein‘ in diesem Kontext einzuordnen ist. Wie auch der Begriff ‚Sein‘ war und ist der  Begriff ‚Bewusstsein‘  in der neueren Europäischen Philosophie  sehr prominent, hat aber auch starke Beachtung in vielen empirischen Disziplinen gefunden;  besonders im Spannungsfeld von philosophischer Phänomenologie, Psychologie und Gehirnforschung gibt es eine lange und intensive Debatte darüber, was man denn jetzt unter ‚Bewusstsein‘ verstehen soll. Aktuell (2023) gibt es kein klares, allseits akzeptiertes Ergebnis dieser Diskussionen.  Von den vielen verfügbaren Arbeitshypothesen erscheint dem Autor dieses Textes die Anknüpfung an die empirischen Modelle zum ‚aktuellem Gedächtnis‘ in enger Verknüpfung mit den Modellen zur ‚Wahrnehmung‘ bislang am ehesten nachvollziehbar. In diesem Kontext wäre auch das Konzept des ‚Unbewussten‘ einfach erklärbar. Für einen Überblick siehe den Eintrag ‚Bewusstsein‘ in der Deutschen Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein

[8] Im Alltag erleben wir ständig, dass verschiedene Menschen die gleichen realen Ereignisse unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem in welcher ‚Stimmung‘ sie sich befinden, welche aktuellen Bedürfnisse sie gerade haben, über welches ‚Vor-Wissen‘ sie verfügen, und wie ihre reale Position zur realen Gegebenheit beschaffen ist, um nur einige Faktoren zu bennen, die eine Rolle spielen können.

[9] Klassische Beispiele für die mangelnde Qualität von Erinnerungen bilden seit jeher ‚Zeugenaussagen‘ zu bestimmten Vorgängen.  Zeugenaussagen stimmen fast nie ‚1-zu-1′ überein, bestenfalls ’strukturell‘, und selbst darin kann es ‚Abweichungen‘ unterschiedlicher Stärke geben.

[10] Die Erkenntnis über die ‚Zeitscheiben‘ bei der Verarbeitung von  körper-externen Gegebenheiten findet sich in vielen Arbeiten der experimentellen Psychologie und der Gehirnforschung. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel, wie dieser Faktor sich im Verhalten des Menschen auswirkt, bietet das Buch von Card, Moran und Newell (1983), siehe [11].

[11] Stuart K.Card, Thomas P.Moran, Allen Newell, (1983),The Psychology of Human-Computer Interaction, CRC-Press (Taylor & Francis Group), Boca Raton – London – New York. Anmerkung: Aus Sicht des Autors dieses Textes war  dieses Buch ein Meilenstein in der Entwicklung der Disziplin  der  Mensch-Maschine Interaktion. 

[12] Zur Frage des Gedächtnisses, speziell zur Frage der Mechanismen, die für die Speicherung von Inhalten und deren weitere Verarbeitung (z.B. auch ‚Vergleiche‘) zuständig sind, gibt es viel Literatur, aber noch keine endgültige Klarheit. Es wird hier wieder der Weg einer ‚hypothetischen Strukturbildung‘ gewählt: explizite Annahme einer Struktur, die die verfügbaren Phänomene ‚einigermaßen erklärt‘ bei Offenheit für weitere Modifikationen.

OKSIMO.R – DIE INNENSEITE DER AUSSENSEITE – Teil 2

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“.

Die Innenseite der Außenseite

(Dieser Text ist eine unmittelbare Fortsetzung des Textes ‚Die Innenseite der Außenseite‘, Teil 1, Grundbausteine …)

Teil 2

Einrichtung Erster Strukturen

Auf den ersten Blick liefert der zuvor beschrieben galaktische Zellverband eines menschlichen Körpers keinen natürlichen Anhaltspunkt für ein irgendwie geartetes ‚Zentrum‘. Welche Zelle sollte wichtiger sein als eine andere? Jede ist aktiv, jede macht ihren ‚Job‘. Viele ‚reden‘ mit vielen. Es werden chemische Stoffe ausgetauscht oder mittels chemischem Stoffaustausch werden ‚elektrische Potentiale‘ erzeugt, die ’schneller‘ wandern können und die ‚impulsartige Ereignisse‘ erzeugen können, die dann wiederum chemische Stoffe aktivieren. Würde man dieses ‚Reden mit chemischen Stoffen und elektrischen Potentialen‘ künstlich hörbar machen, hätten wir eine Symphonie von 127 Billionen (127 x 10^12) Einzelstimmen …

Und doch, wenn wir unsere menschlichen Körper im Alltag erleben, dann sehen wir keine riesige Wolke galaktischen Ausmaßes von einzelnen Zellen, dann sehen wir ein ‚abgegrenztes Objekt‘ mit einer Oberfläche, die ’sichtbar‘ ist; ein Objekt, das ‚Geräusche‘ erzeugen kann, das ‚riecht‘, das ‚anfassbar‘ ist, das sich ‚verändern‘ und ‚bewegen‘ kann. Außerdem kann es ‚Dinge in sich hineinstopfen‘, und es kommen auch ‚Gase‘, ‚Flüssigkeiten‘ und ‚festere Bestandteile‘ aus ihm heraus. Ferner ist bei längerer Betrachtung offensichtlich, dass es Bereiche am Körper gibt, die auf ‚Licht‘ (Augen) reagieren, auf ‚Geräusche‘ (Ohren), auf ‚Gerüche‘ (Nase), auf ‚Berührung‘ (Haut), auf ‚Körperstellungen‘ (u.a. Gleichgewichtssinn), auf ‚Temperatur‘ (Haut), auf ‚chemische Zusammensetzungen von Stoffen im Mund‘ (Geschmacksorgane im Mund) und einiges mehr.

Diese alltägliche ‚Erfahrung‘ legt die Annahme nahe, dass sich die Zellen unseres menschlichen Körpers räumlich zu ’speziellen Netzwerken‘ verabredet haben [1], die einen hohen ‚Organisationsgrad‘ aufweisen, so ausgeprägt, dass diese Netzwerke wie ‚eine Einheit‘ erscheinen, wie ein ‚einziges System‘ mit ‚Input‘ und ‚Output‘, und wo zwischen Input und Output komplexe Prozesse ablaufen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, den galaktischen Raum der autonomen Zellen eines menschlichen Körpers als ein ‚Kollektiv von organisierten Systemen‘ zu betrachten, die untereinander in regem Austausch zu stehen scheinen.[2], [5],[6]

Bei modernen technischen Systemen wie z.B. einem Auto, einem Flugzeug, einem Computer gibt es eine ‚Meta-Ebene‘, von er aus das ganze System ‚gesteuert‘ werden kann. Im Auto das Lenkrad, die Bremse, die Gangschaltung usw., ähnlich im Flugzeug das Cockpit mit einer Vielzahl von Instrumenten, oder beim Computer die Eingabe-Geräte (Tastatur, Maus, Zeichenbrett, Mikrophon, …). Allerdings zeichnet sich seit Jahren eine immer weiter gehende ‚Autonomie‘ dieser technischen Geräte ab insoweit viele Steurungsentscheidungen des Menschen in ‚Subsysteme‘ verlagert werden, die dadurch immer mehr klassische Steuerungsleistung des Menschen ‚übernehmen‘.[7]

In einem menschlichen Körper gibt es ‚parallel‘ zu den vorhandenen Körpersysteme u.a. das ‚Nervensystem‘ mit dem ‚Gehirn‘ als zentralem Bereich, in dem viele ‚Signale von den Körpersystemen‘ zusammen laufen und von dem aus wiederum ‚Signale zu den Körpersystemen‘ ausgesendet werden. Das Gehirn mit dem Nervensystem scheint also ein eigenes System zu bilden, das die einlaufenden Signale in verschiedenen ’neuronalen Prozessen‘ verarbeitet und gleichfalls Signale aussendet, die ‚Wirkungen in den Körpersystemen‘ hervorrufen können.[8a],[8b] Aus der Sicht des ‚Funktionierens‘ kann man das Gehirn mit dem Nervensystem von daher als eine Art ‚Meta-System‘ verstehen, in dem sich Eigenschaften aller anderen ‚Körpersysteme‘ ‚abbilden‘, eine ‚prozesshafte Deutung‘ finden, und mit Hilfe dieser Abbildungen und Deutungen bis zu einem gewissen Grad beeinflusst (= ‚gesteuert‘) werden können.

Wie die modernen empirischen Wissenschaften immer mehr durch ihre Untersuchungen und anschließenden ‚Deutungen‘ ansatzweise ’sichtbar machen‘ (z.B. [5],[6]), haben die unterscheidbaren Körpersysteme selbst eine sehr hohe Komplexität mit einer ihnen eigenen ‚Autonomie‘ (Magen, Leber, Niere, Herz, …), die nur bedingt vom Gehirn beeinflussbar sind, die umgekehrt aber auch das Gehirn beeinflussen können. Dazu kommt ein kaum überschaubare Menge an wechselseitigen Beeinflussungen über die ungeheuren ‚Stoffströme‘ im Blutkreislauf und in den Körperflüssigkeiten.

Für den Kontext dieses Buches interessieren hier vor allem jene Strukturen, die wichtig sind für die ‚Koordinierung der verschiedenen Gehirne‘ mittels ‚Sprache‘ und eng damit verknüpft die ‚kognitiven‘ und ‚emotionalen‘ Prozesse im Gehirn, die dafür verantwortlich sind, welche ‚kognitiven Bilder im Kopf‘ entstehen, mit denen ein Gehirn ’sich selbst‘ und ‚alles andere‘ ‚interpretiert‘.

Wie den Menschen beschreiben?

Die Beschreibung der menschlichen Zell-Galaxie in der Art von ‚Subsystemen‘ mit ihrem eigenen ‚Input‘ und ‚Output‘ und dazu gehörigen ‚inneren Prozessen‘ — hier einfach ‚Systemfunktion‘ genannt — kann auf den ersten Blick ‚einfach‘ erscheinen, ’normal‘, oder auch nicht. Wir betreten mit dieser Frage die grundsätzliche Frage, wie wir überhaupt die menschliche Zell-Galaxie — also ‚uns selbst‘! — beschreiben können und darüberhinaus vielleicht beschreiben ’sollten‘: gibt es irgendwelche Kriterien, aufgrund deren wir eine ‚bestimmte Beschreibungsweise‘ bevorzugen sollten?

Wenn wir im Fall der Beschreibung der ‚Natur‘, der ‚realen Welt‘ vielleicht noch unterscheiden können zwischen ‚uns‘ und der ‚Natur‘ (was aber, wie sich später zeigen wird, ein nicht unerheblicher Trugschluss ist)), wird es bei der ‚Beschreibung von uns selbst‘ etwas schwieriger. Wenn man etwas beschreiben will, benötigt man bestimmte Voraussetzungen, um eine Beschreibung vornehmen zu können. Wie ist aber die Lage, wenn wir uns — mit noch zu klärenden Voraussetzungen — selbst beschreiben wollen? Beißt sich da nicht die berühmte ‚Katze in den eigenen Schwanz‘?

Im ’normalen Alltag‘ [9] sind typische Formen, mit denen wir ‚etwas anderes‘ beschreiben neben z.B. ‚Bildern‘, ‚Fotografien‘, ‚Videos‘, ‚Musik‘, ‚Körperbewegungen‘ und anderem, vor allem aber sprachliche Ausdrücke (gesprochen, geschrieben; Alltagssprache, Fachsprache; …).

Bleiben wir für einen Moment bei der ‚Alltagssprache (Deutsch, Englisch, Italienisch, …).

Als Kinder werden wir in eine bestimmte, schon bestehende Welt mit einem jeweiligen ‚Alltag‘ hinein geboren. In der Umgebung wird mindestens eine Sprache gesprochen. Wenn die Eltern zweisprachig sind sogar zwei Sprachen parallel. Wenn die Umgebung sich von der Sprache der Eltern unterscheidet dann vielleicht sogar drei Sprachen. Und heute, wo auch die Umgebung immer ‚inter-kultureller‘ wird, vielleicht sogar noch mehr als drei Sprachen …

Wie viele Sprachen auch immer gleichzeitig für einen Menschen auftreten, jede Sprache hat ihre eigenen ‚Regeln‘, ihr eigene ‚Aussprache‘, ihren eigenen ‚Kontextbezug‘, ihre eigenen ‚Bedeutungen‘. Diese Kontexte können sich ändern; die Sprache selbst kann sich ändern. Und wenn jemand nicht nur mit einer Sprache aufwächst, sondern mit mehr als einer, dann kann es ‚im Menschen‘, im ‚Sprecher-Hörer‘, natürlich zu vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sprache kommen. Da dies heute an vielen Orten gleichzeitig mit immer mehr Menschen geschieht, gibt es noch kaum ausreichende Forschungsergebnisse, die diese Vielfalt in ihren Besonderheiten ausreichend beschreiben.

Wollen wir also ‚uns selbst‘ als ‚Teil der realen Welt‘ beschreiben, sollten wir zunächst mal akzeptieren und ‚bewusst annehmen‘, dass wir im Moment des Beschreibens nicht bei ‚Punkt Null‘ anfangen, nicht als ‚unbeschriebenes Blatt‘, sondern als ein biologisches System, das einen mehr oder weniger langen ‚Lernprozess‘ hinter sich hat. Dabei ist das Wort ‚Lernprozess‘ als Teil der Sprache, die der Autor benutzt, natürlich keine ’neutrale Buchstabenreihe‘, sondern ebenfalls ein ‚Wort‘ seiner Sprache, die er mit vielen anderen Sprechern des ‚Deutschen‘ teilt, und man muss davon ausgehen, dass jeder ‚Sprecher des Deutschen‘ mit dem Wort ‚Lernprozess‘ seine eigenen ‚individuellen Vorstellungen‘ verbindet. Und auch dieses Wort ‚Vorstellungen‘ ist so ein Wort, das als Teil der gesprochenen (und geschriebenen) Sprache normalerweise nicht ‚Bedeutungsfrei‘ daher kommt. Kurzum, sobald wir sprechen, sobald wir Worte in größeren Einheiten zu Aussagen verknüpfen, aktivieren wir eine Menge von ‚Wissen und Fertigkeiten‘, die ‚in uns‘ irgendwie ‚vorhanden‘ sind, die wir ‚automatisch‘ benutzen, und deren Nutzung im Normalfall weitgehend ‚unbewusst‘ ist.[10]

Wenn ich als Autor dieses Textes jetzt Aussagen in der Deutschen Sprache hinschreibe, lasse ich mich quasi von einer ‚Welle tragen‘, deren genaue Beschaffenheit und Wirksamkeit ich im Moment des Gebrauchs nicht vollständig erfassen kann (und das geht jedem Sprachbenutzer so). Ich kann allerdings, wenn ich mich geäußert habe, das Geäußerte anschauen (anhören), und dann schauen, ob und wie ich das in mir bekannte Kontexte einordnen kann. Da allerdings auch das ‚mir Bekannte‘ weitgehend ‚unbewusst‘ ist und nur bei geeigneten ‚Anregungen‘ vom ‚unbewussten Wissen‘ ins ‚bewusste‘ Wissen übergeht, ist die Aufgabe einer ‚Klärung des Redens‘ und der damit verknüpften ‚Bedeutung‘ immer nur fragmentarisch, partiell möglich. Das ‚bewusste Auge des Wissens‘ ist daher eher vergleichbar einer ‚leuchtenden Wissensblase‘ im schwarzen Meer des ‚unbewussten Wissens‘ oder des ‚Nicht-Wissens‘.

Fortsetzung

Sprache und Strukturen – Die Fiktion eines ‚Seins‘

KOMMENTARE

wkp := Wikipedia

[1] In der Mikrobiologie als Teil der Evolutionsbiologie hat man ansatzweise erkannt, wie die einzelnen Zellen während des ‚Wachstumsprozesses‘ mögliche Kooperationen mit anderen Zellen über chemische Stoffe ‚kommunizieren‘, die von ihrem jeweiligen individuellen ‚genetischen Programm‘ ‚kontrolliert‘ werden. Diese Prozesse kann man sehr wohl als ‚Austausch von Signalen‘ beschreiben, wobei diese ‚Signale‘ nicht isoliert auftreten, sondern durch das genetische Programm ‚in Beziehung gesetzt‘ werden zu anderen chemischen Stoffen und Prozessschritten. Durch dieses ‚In-Beziehung-Setzen‘ werden die an sich isolierten chemischen Signalträger in einen ‚Raum von Bedeutungen‘ eingebettet, aus dem heraus sie eine ‚Zuordnung‘ finden. Dieser Gesamtprozess erfüllt alle Anforderungen an eine ‚Kommunikation‘. Insofern erscheint es gerechtfertigt, von einer ‚Verabredung‘ zwischen den einzelnen Zellen zu reden, einer ‚Verständigung‘ darüber, ob und wie sie miteinander ‚kooperieren‘ wollen.

[2] Bei komplexen Verbindungen zwischen Zellen denkt man möglicherweise zuerst an die Zellen im Gehirn (‚Neuronen‘), von denen bestimmte Typen an die 1000 Dendriten (:= dies sind Fortsätze auf einem ‚Axon‘ und ein Axon ist der ‚Ausgang‘ an einem Neuron) haben können, wobei jeder Dendrit mehrere Synapsen beherbergen kann.[3] Da jede Synapse Endpunkt einer Verbindung zu einer anderen Synapsen sein kann, deutet sich an, dass hier ein komplexes Netzwerk in der Größenordnung von Billionen (10^12) Verbindungen in einem Gehirn existieren kann. Daneben gibt es aber auch das System der Blutgefäße, die den ganzen Körper durchziehen und die die ca. 36 Billionen (10^12) Körperzellen mit unterschiedlichen chemischen Stoffen versorgen.

[3] wkp [EN], Neuron, URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Neuron, Abschnitt ‚Connectivity‘, Zitat: „The human brain has some 8.6 x 1010 (eighty six billion (DE: Milliarden)) neurons.[25] Each neuron has on average 7,000 synaptic connections to other neurons. It has been estimated that the brain of a three-year-old child has about 1015 synapses (1 quadrillion (DE: Billiarden)). This number declines with age, stabilizing by adulthood. Estimates vary for an adult, ranging from 1014 to 5 x 1014 synapses (100 to 500 trillion (DE: Billionen)).[26]

[4] wkp [DE], Wissenschaftliche Notation, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftliche_Notation. z.B. ’10^12 = Billion, 10^15 = Billiarde).

[5] Robert F.Schmidt, Gerhard Thews (Hrsg.), 1995, Physiologie des Menschen, 25.Auflage, Springer Verlag

[6] Niels Birbaumer, Robert F.Schmidt, 2006, Biologische Psychologie, 6.Aufl., Springer Verlag

[7] Berühmt das Beispiel des ‚Auto-Piloten‘ im Flugzeug, eine Software, die das gesamte Flugzeug ohne menschliches Zutun ’steuern‘ kann.

[8a] So wird die Stellung der Gelenke kontinuierlich zum Gehirn gesendet und für den Fall einer ‚gezielten Bewegung‘ wird die Menge der aktuellen Gelenkstellungen benutzt, um eine ‚geeignete Bewegung‘ anzustoßen, indem entsprechende Signale ‚vom Gehirn an die Muskeln‘ gesendet werden.

[8b] Wie neuere Forschungen zeigen, ist das Wechselspiel zwischen dem Gehirn un den übrigen Zellen im Körper aber möglicherweise noch dichter und umfassender, als man lange Zeit gedacht hat. Dies entdeckten Forscher, die einem Wechselspiel zwischen Tumorzellen und dem Gehirn auf die Spur gekommen sind: LINA ZELDOVICH, (12.Aug.2022), Cancer’s Got a Lot of Nerve. Tumors recruit the nervous system to help them spread. Scientists are looking for ways to stop it, in: NAUTILUS: SCIENCE CONNECTED, URL: https://nautil.us/cancer-has-got-a-lot-of-nerve-238530/?_sp=bfc8e1c5-77f0-4b75-b806-dd5c2fb84451.1675160065693

[9] Natürlich auch eine gewisse Fiktion, weil jeder letztlich bis zu einem gewissen Grad ’seinen Alltag‘ erlebt, der sich mit dem ‚Alltag eines anderen‘ nur teilweise überschneidet.

[10] Wenn Kinder in der Schule zum ersten Mal mit dem Konzept einer ‚Grammatik‘ konfrontiert werden, mit ‚grammatischen Regeln‘, werden Sie nicht verstehen, was das denn ist. Anhand von konkreten Sprachbeispielen werden sie zwar den einen oder anderen ‚grammatischen Ausdruck‘ mit sprachlichen Phänomenen ‚verknüpfen‘ können, aber wirklich verstehen werden sie das Konzept der Grammatik nicht. Dies liegt daran, dass die gesamten Prozesse, die sich im ‚Innern eines Menschen‘ abspielen, bis heute nur sehr rudimentär erforscht sind. Für die Formulierung einer alltagsnahen Grammatik reicht es auf keinen Fall.

[11] Karl Erich Heidoplh, Walter Flämig, Wolfgang Motsch (Hrdg.),(1980), Grundzüge einer Deutschen Grammatik, Akademie-Verlag, Berlin. Anmerkung: Die wohl bislang am weitesten systematisierte Grammatik des Deutschen, die von einem Deutschen Autorenkollektiv (damals noch DDR) erarbeitet worden ist. Gerade weil der Ansatz sehr systematisch war konnten die Autoren klar erkennen, dass die Grammatik als Beschreibung der ‚regelhaften Formen‘ dort ihre Grenzen erreicht, wo die ‚Bedeutung‘ der Ausdrücke in Spiel kommen. Da ‚Bedeutung‘ einen Sachverhalt umschreibt, der sich im ‚Innern des Menschen‘ abspielt (natürlich in intensiver Wechselwirkung mit Interaktionen des Körpers mit der Umgebung), ist eine umfassende objektive Beschreibung des Faktors Bedeutung in Interaktion mit den Formen immer nur partiell möglich.

oksimo.R – ERKLÄRUNGS-BOX: Welt, Raum, Zeit

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 24.November 2022 – 25.November 2022, 09:55h)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil der einführenden Beispiele des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Dieser Teil ist eine Erklärungsbox im Anschluss an das Beispiel „Essen gehen. Teil 1+2“ dar.

INHALT

Im Beispiel (Teil 1+2) wird schon ein wenig die Besonderheiten eines ‚oksimo.R Textes‘ sichtbar. Diese beziehen sich auf Aspekte des Raumes und der Zeit in unserer sprachlichen Kommunikation mit Texten. Dazu hier erste Kommentare. Mehr später in der abschließenden theoretischen Gesamtdarstellung.

Welt, Raum, Zeit

In unserem Alltag setzen wir — normalerweise — die Existenz einer Körperwelt voraus, zu der auch unser eigener Körper gehört. Wir wissen von dieser — zum Gehirn — externen Körperwelt nur etwas über die Sinnesorgane unseres Körpers und insoweit, als unser Gehirn diese Signale der Sinnesorgane — im Kontext vieler anderer Signale vom eigenen Körper –, zu unterschiedlichen internen Ereignis-Strukturen ‚verarbeitet‘. Vorstellungen von sogenannten ‚Gegenständen‘ wie Tassen, Stühle, Tische, Autos, auch Tiere und andere Menschen, sind solche ‚Verarbeitungsprodukte‘; die ‚auslösenden Dinge der externen Körperwelt‘ selbst können wir niemals direkt wahrnehmen. Unser Gehirn erzeugt eine ‚virtuelle Welt‘ in unserem Kopf, die für uns aber die ‚primäre reale Welt‘ ist. Als Kind lernt man mühsam zu unterscheiden zwischen ‚bloßen Vorstellungen (in unserem Kopf)‘ und solchen Vorstellungen, die auch mit unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmung ‚korrespondieren‘ und sich zusätzlich mit vielerlei ‚konkreten (= sinnlichen)‘ Eigenschaften verknüpfen. Wenn ein Kind seinen Spielzeug-Teddybär in der ‚roten Kiste‘ sucht und er ist nicht da, dann ist dies eine der vielen Erfahrungen zum Thema, dass die ‚Vorstellung im Kopf‘ nicht automatisch gleich gesetzt werden sollte mit einer ‚realen Sachlage‘.

Wenn unser Gehirn in engster Kooperation mit unserem Körper kontinuierlich eine ‚virtuelle Welt‘ der ‚angenommenen externen realen Welt‘ generiert, dann ist es schon eine interessante Frage, welche der vielen Eigenschaften der realen Welt (die wir nur aufgrund von ‚Erfahrungen‘ und ‚wissenschaftlichen Rekonstruktionen‘ kennen), sich denn in den virtuellen Modellen des Gehirns wiederfinden? Noch spannender wird die Frage, wenn wir auf die ’sprachliche Kommunikation zwischen Menschen‘ schauen: es ist eine Sache, dass unser Gehirn uns mit virtuellen Konstrukten (Vorstellungen) ‚befüllt‘, es ist eine ganz andere Frage, welche dieser Vorstellungen sich zwischen Gehirnen (Menschen) mittels Sprache kommunizieren lassen.

Das ‚Raum-Zeit-Problem‘ haben bisher sehr viele Philosophen und Wissenschaftler thematisiert. Einer der prominentesten Vertreter, der die Diskussion im europäischen Denken zu Beginn stark beeinflusst hatte, ist sicher Immanuel Kant, der mit seinem Buch „Kritik der reinen Vernunft“ 1781 (1787 2.Auflage) heraus zu arbeiten versuchte, dass die Vorstellungen von ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ in unserem menschlichen Denken so angelegt sind, dass wir Gegenständliches immer als ‚Teil eines Raumes‘ ‚vorstellen‘ und ‚denken‘; Entsprechendes nahm er auch für die Vorstellung der Zeit an. Genauere Analysen dieses seines Standpunkts sind aus vielerlei Gründen schwierig. Für die folgenden Überlegungen kann man sich durch die Position Kants dahingehend ’sensibilisieren‘ lassen, dass sowohl in unserem ’normalen Wahrnehmen und Denken‘ wie auch dann speziell in unserer sprachlichen Kommunikation mit Eigenschaften zu rechnen ist, die mit Vorstellungen von Raum und Zeit zu tun haben.

oksimo.R Text als eine ‚Menge‘

Wenn wir der Frage nachgehen wollen, ob und wie sich ‚Vorstellungen von Raum und Zeit‘ innerhalb der normalen sprachlichen Kommunikation bemerkbar machen, empfiehlt es sich vielleicht mit dem Format von oksimo.R Texten zu beginnen, da diese dem Schreiber und Leser ‚weniger Freiräume‘ geben als ein ’normaler‘ deutscher Text.[1]

Die Eigenart von oksimo.R Texten lässt sich relativ einfach beschreiben:

  1. Ein oksimo.R Text ist eine ‚Menge‘ (‚Ansammlung‘) von ’sprachlichen Ausdrücken‘ einer ’normalen Sprache‘ (z.B. Deutsch, Englisch, Russisch, Spanisch, …)
  2. Als ‚Teil der Menge Text‘ ist jeder sprachlicher Ausdruck ein ‚Element‘ der Menge Text.
  3. Die ‚Anordnung‘ dieser Elemente im Text folgt keiner bestimmten Struktur. Dies bedeutet, die ‚Abfolge‘ der Elemente in der geschriebenen Form besitzt keine eigene Bedeutung. Wie in einer üblichen Menge des mathematischen Konzepts einer Menge können die Elemente untereinander ‚umgruppiert‘ werden, ohne dass sich dadurch ein oksimo.R Text ‚verändert‘.
  4. Die Elemente einer ‚Menge oksimo.R Text‘ haben als solche keine spezifische Bedeutung. Eine ‚Bedeutung‘ kommt den Elementen eines oksimo.R Textes nur zu, wenn die Schreiber-Leser von oksimo.R Texten die Sprache dieser Elemente (z.B. Deutsch) kennen und kraft ihrer Sprachkompetenz den Elementen ‚vereinbarte Bedeutungen‘ zuordnen. Diese Bedeutung existiert aber ausschließlich ‚in den Köpfen‘ der Schreiber-Leser, nicht explizit im Text selbst.

Mit diesen ersten Beobachtungen zur Eigenart von oksimo.R Texten kann man einen ersten Vergleich zu Texten einer normalen Sprache (hier: Deutsch) vornehmen.

Normaler Text, keine bloße Menge

Wenn wir den Text einer normalen Sprache (hier: Deutsch) betrachten, dann verknüpfen wir beim Lesen die geschriebenen Ausdrücke ‚automatisch‘ (spontan, …) mit unterschiedlichen ‚(sprachlich induzierten) Bedeutungen‘. Diese sind einerseits stark abhängig von der ‚individuellen Lerngeschichte‘ mit spezifischen ‚individuellen Voraussetzungen‘, andererseits aber auch von den ‚kulturellen Muster der gesellschaftlichen Umgebung‘, innerhalb deren ein Mensch seine Sprachkompetenz erwirbt/ aufbaut/ entwickelt.

Während die sprachlichen Ausdrücke als solche keinerlei bestimmte ‚Ordnung‘ induzieren, können aber die ‚zugeschalteten‘ sprachlichen Bedeutungsstrukturen durch die in ihnen enthaltenen sachlichen Strukturen mit ihren gelernten Eigenschaften unterschiedliche ‚Beziehungen‘ artikulieren, die wechselseitig aufeinander verweisen. Wenn also beispielsweise von einer ‚Tasse auf einem Tisch‘ die Rede ist, dann impliziert dies eine ‚räumliche Struktur‘ mit einer ’steht-auf-Beziehung‘ bzw. ‚befindet-sich-darunter‘ Beziehung. Außerdem ‚weiß‘ der Schreiber-Leser eines Textes, dass normalerweise eine Tasse nicht auf einem Tisch steht, sondern nur dann, wenn jemand die Tasse explizit dahin gestellt hat. Eine Abfolge von Ausdrücken wie ‚Gerd stellte die Tasse auf den Tisch. Als Peter hereinkommt sieht er, dass eine Tasse auf dem Tisch steht‘ erscheint dann ’normal/ üblich/ gewohnt‘. Würde im Text aber stehen ‚Als Peter hereinkommt sieht er, dass eine Tasse auf dem Tisch steht. Gerd stellte die Tasse auf den Tisch‘, dann würde ein normaler Leser stutzen und sich fragen, was der Text sagen will: Die Tasse steht auf dem Tisch und dann erst wird sie auf den Tisch gestellt?

Dieses einfache Beispiel demonstriert neben einer ‚impliziten Raumstruktur‘ außerdem auch eine ‚implizite zeitliche Struktur: In der Alltagserfahrung, eingebettet in eine externe Körperwelt, ist es normal, dass sich Eigenschaften — und damit eine ganze Situation — ändern können. Diese Änderungen ereignen sich aber nicht (!) in der sinnlichen Wahrnehmung (die Gegenwart als solche ist ‚absolut‘), sondern erschließen sich erst in der ’nachgeordneten Verarbeitung‘ durch das Gehirn, das in der Lage ist, Teilaspekte einer aktuellen sinnlichen Wahrnehmung so ‚abzuspeichern‘ (ein höchst komplexes neuronales Geschehen), dass es diese ‚gespeicherten Strukturen‘ wieder ‚erinnern‘ (ebenfalls ein höchst komplexes neuronales Geschehen) und zusätzlich mit ‚anderen Erinnerungsinhalten‘ so ‚vergleichen‘ kann (ebenfalls ein höchst komplexes neuronales Geschehen), dass unser Gehirn dadurch sowohl eine ‚Abfolge‘ rekonstruieren wie auch mögliche ‚Änderungen zwischen einzelnen Elementen der Abfolge‘ ‚identifizieren‘ kann. Aufgrund dieses hochkomplexen Mechanismus kann das Gehirn die ‚Absolutheit der Gegenwart‘ durch ‚Erinnern und Vergleichen‘ aufbrechen, überwinden.

Ein ’normaler Text‘ hat noch viele weitere besondere Eigenschaften. Hier ist zunächst nur mal wichtig, dass man sieht, dass es die Dimension der ’sprachlichen Bedeutung‘ ist, die ‚in‘ einem menschlichen Schreiber-Leser lokalisiert ist, durch die eine Menge von sprachlichen Ausdrücken ein komplexes ‚Netzwerk von Eigenschaften‘ induzieren kann, die ihre ‚eigene sprachlich induzierte Logik‘ haben.

Sprachliche Kommunikation

Wiederum, es soll hier nicht das gesamte Spektrum der möglichen Eigenschaften von ’sprachlicher Kommunikation‘ beschrieben werden — ein ‚Meer‘ von Artikeln und Bücher wäre hier zu zitieren –, sondern es sollen nur ein paar Aspekte thematisiert werden, die sich aus den bisherigen Überlegungen zu Texten nahelegen.

Wenn die bisherige ‚Arbeitshypothese zur sprachlichen Bedeutung‘ stimmt, dann haben geschriebene sprachliche Ausdrücke die Funktion, ‚zwischen zwei Gehirnen‘ als ein ‚Medium‘ zu funktionieren, das geeignet ist, aus den ’sprachlichen Ausdrücken‘ sogenannte ‚Zeichen‘ zu machen. [2] Ein Zeichen ist ein sinnlich wahrnehmbares Material, das von den ‚Zeichenbenutzern‘ in Beziehung gesetzt werden kann zu einem ‚vereinbarten Raum von Zeichenbedeutungen‘. Diese vereinbarten Zeichenbedeutungen sind zwar als solche ‚im Kopf‘ der jeweiligen Zeichenbenutzer lokalisiert, haben aber die Besonderheit, dass die verschiedene Zeichenbenutzer durch gemeinsames ‚Training‘ ‚gelernt‘ haben, welche ’sinnlich wahrnehmbaren Gegebenheiten der externen Körperwelt‘ mit bestimmtem Zeichen(material) verknüpft werden sollen. Sofern eine solche ‚Koordinierung‘ von Zeichen(material) und Zeichen-Bedeutung gelingt (alle Kinder dieser Welt praktizieren diese Form von Training beim spontanen Sprachen Lernen), kann ein einzelner Zeichenbenutzer bestimmte ‚Elemente seines Bedeutungsraumes‘ mittels Praktizierung bestimmter Zeichenverbindungen einem anderen trainierten Zeichenbenutzer ‚andeuten‘. Durch ein ‚Hin und Her‘ von Aussagen, Fragen, eventuell auch deutenden Gesten in einer realen Situation, lässt sich dann — für gewöhnlich — eine gewisse ‚Verständigung‘ herstellen. Je komplexer die Sachverhalte sind, je weiter man von einer konkreten Situation entfernt ist, um so schwieriger wird es, das ‚Gemeinte‘ hinreichend klar zu ‚vermitteln‘.

Was heißt all dies konkret?

Dazu betrachten wir weitere Beispiele realisiert mit oksimo.R Texten.

KOMMENTARE

[1] Auch im Bereich der ’normalen‘ Deutschen Texte gibt es eine große Vielfalt von Texten, die sehr spezielle Anforderungen an das ‚Ausfüllen‘ stellen.

[2] Es gibt im akademischen Bereich zahlreiche Disziplinen, die sich mehr oder weniger ‚allgemein‘ mit Eigenschaften von ’normalen‘ Sprachen und Kommunikation mit normalen Sprachen beschäftigen. Jene Disziplin, die das eigentlich am ‚allgemeinsten‘ tut, die ‚Semiotik‘, führt aber bis heute weltweit eher ein ‚Schattendasein‘ neben den ‚etablierten‘ anderen Disziplinen. Auch hier gibt es eine Unzahl von Artikeln und Büchern zum Thema.

Weiterlesen

Empfohlen wird als nächstes der Abschnitt über zeitliche Markierungen in einer Theorie: HIER.