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GRUNDBEGRIFFE: Nachhaltige Entwicklung – Empirische Theorie – Kommune – Spielen

(11.April 2023 – 16.Mai 2023)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Lehrprojektes ‚Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung‘ im Sommersemester 2023.

GRUNDBEGRIFFE

Mit ‚Grundbegriffen‘ sind hier jene begrifflichen Kontexte gemeint, die für den ‚Verstehenshorizont‘ des Lehrprojekts wichtig sind. In ihnen bündeln sich eine Vielzahl von Annahmen, die ihre Wurzeln in unterschiedlichen Lebens- und Denkbereichen haben.

ZUSAMENFASSUNG

Mit Bezug auf die ‚Biologie‘, hier besonders mit Bezug auf die ‚Entwicklungs-Biologie‘, werden anhand der dynamischen Struktur des Phänomens ‚Leben‘ auf dem Planet Erde jene Eigenschaften hervorgehoben, die sich für ein zukunftsfähiges Leben auf der Erde als wichtig erwiesen haben. Zentral war lange Zeit die Fähigkeit, die biologischen Strukturen materiell so verändern zu können, dass die ‚Passung‘ einer Population zur jeweiligen Umgebung einen für einen ‚Fortbestand hinreichend gut‘ war. Mit dem — evolutionsgeschichtlich — erst ‚kürzlichem‘ Auftreten der Teilpopulation homo sapiens vor ca. 300.000 Jahren wurde eine neue Fähigkeit verfügbar: ’sprachbasierte Kommunikation‘. Diese neue Fähigkeit veränderte das Format der Anpassung an eine mögliche Zukunft radikal. Das Leben auf der Erde konnte sich ansatzweise aus der ‚Gefangenschaft der rein materiellen Strukturänderungen‘ befreien. Mit der Entdeckung des sprachbasierten Konzepts von ‚fiktiver Theorie‘ und dann ‚empirischer Theorie‘ erlangte das Leben auf der Erde über die Teilpopulation homo sapiens die neue Fähigkeit, erfahrungsbasiert komplexe mögliche zukünftige Szenarien des Lebens im Denken und Handeln vorweg zu nehmen. Im Fortschreiten der kulturellen Musterbildungen entstand in den letzten ca. 50 Jahren im Rahmen der Völkergemeinschaft der Vereinten Nationen ein erstes weltweites Bewusstsein über den Sachverhalt globaler Vernetzungen, globaler Entwicklungen, deren Verstehen und Gestaltung das Zusammenwirken aller Menschen weltweit bedarf. Bei aller Globalität benötigt solch ein Zusammenwirken aber auch die ‚konkreten Orte‘, wo jeder einzelne ‚verortet‘ ist: Regionen und Kommunen. Im Konkreten entscheidet sich, was global geschieht, wie auch das Lokale nicht unabhängig vom Globalen ist. Das, was alle Ebenen ansatzweise verknüpfen kann, das ist eine geeignete nachhaltige Theorie. Das Medium, in dem Menschen zusammen all das lernen und ausprobieren können, was die Inhalte einer Theorie ausmacht, ist das ‚Format Spiel‘ in Korrespondenz zur Theorie.

LEBEN ALS GRUND-MODELL NACHHALTIGER ENTWICKLUNG

In den letzten Jahren gewinnt der Begriff ‚Nachhaltig‘ und ‚Nachhaltige Entwicklung‘ innerhalb der Gesellschaft immer mehr Bekanntheit, vielleicht sogar ‚Popularität‘, ja, auch, eine ‚Bedeutung‘ für unser tatsächliches Planen und Handeln.

Was für manche wie eine Art ‚Neuentdeckung‘ wirken mag, gar eine wirkliche ‚Innovation‘ zu sein scheint, ist aber — so lehrt uns die Wissenschaft — eine Eigenschaft, die für das ‚Leben‘ auf diesem Planeten Erde von den frühesten Anfängen an ein ‚Standard‘ war, der wesentlich zum Begriff des Lebens dazu gehört.

Da sich das Phänomen ‚Leben‘ vielen verschiedenen Wissenschaften darbietet und jede Wissenschaft ‚ihr Bild‘ davon zeichnet, ist es schwer, einen gemeinsamen ‚Bedeutungskern‘ zu ermitteln, aber es gibt so eine Art ‚Kernbestand‘, den die meisten akzeptieren (siehe. [4], [5]).

Danach gibt es ‚Leben‘ seit mindestens 3.5 Mrd Jahren auf dem Planet Erde, eher sogar noch früher (vgl. [3a]).

Wie die Biologie mit ihren vielen Teildisziplinen seit mehr als 100 Jahren herausarbeiten konnte [18], unterscheidet man grob zwischen dem ‚Genotyp‘ und dem ‚Phänotyp‘ [17], wobei der Genotyp für einen Pool jener ‚Informationen‘ steht, die bei der Reproduktion einer Zelle wesentlich dafür sind, welches Ergebnis die Hervorbringung einer neuen Zelle in ihrer konkreten Ausprägung (Phänotyp) hat. Aufgrund dieser flexiblen Grundstruktur war das Leben zu allen Zeiten in der Lage, ’sich selbst‘ kontinuierlich zu ‚verändern‘. Die vielen Faktoren, die bei diesem dynamischen Veränderungsprozess mitwirken, bilden ein komplexes Netzwerk von kausalen Beziehungen, das zwar immer besser verstanden wird, aber das bei weitem noch nicht völlig geklärt ist.

Wichtig ist allerdings der Aspekt, dass das sich ‚Reproduzieren‘ und das in einer sich permanent ändernden Umgebung ‚im Spiel halten‘ nicht verstanden werden kann, wenn man nur die einzelnen Exemplare einer Lebensform betrachtet, sondern immer nur das einzelne Exemplar als Teil einer Population, innerhalb der die einzelnen Exemplare auf vielfältige Weise miteinander interagieren! Es trifft hier das harte ‚Paradox‘ zu, das sich mit den Worten umschreiben lässt: „Einer alleine ist nichts, aber das Ganze gibt es nur, weil es jeden einzelnen gibt!“

Diese ‚Interaktionen‘ findet man sowohl auf der Ebene des Genotyps wie auch auf der Ebene des Phänotyps.

Fragt man sich, was denn die zentrale Eigenschaft im Rahmen einer Reproduktion ist, die für das Ganze der Population den entscheidenden Faktor für eine nachhaltige Entwicklung bildet, dann wird man ins Leere laufen, solange man nicht die ‚übergreifende Funktionalität‘ versteht, die in dem Gesamtprozess ‚eingebettet‘ ist und die ein Lebewesen dazu befähigt, die ‚Bedeutungslosigkeit einer Gegenwart‘ in eine ‚potentiell bedeutungsvolle Zukunft‘ zu verwandeln.

FUNDAMENTAL: DIE ÜBERWINDUNG DER GEGENWART

Dazu ist es wichtig, dass man sich klar macht, dass ‚Zukunft‘ kein ‚Objekt‘ ist, das irgendwie konkret in einer jeweiligen Umgebung vorkommt. Es kann zwar — vielleicht — irgendwann eine konkrete Situation geben, die für ein Lebewesen etwas repräsentiert, was in seiner Struktur und in seinen Prozessen ‚potentiell vorhanden war‘, aber dieses ‚potentiell Vorhandensein‘ ist kein reales Objekt, sondern dieses sind ‚bestimmte interne Zustände‘ des Lebewesens, die geeignet sind, dass ein Lebewesen durch sie sein Verhalten so steuern kann, dass es mit dazu beiträgt, dass irgendwann in der realen Umgebung eine Umgebungssituation entsteht, die dann als ‚Realisierung jener internen Zustände‘ gesehen werden kann, die eine ‚potentielle Situation‘ repräsentiert haben.

Im einfachsten Fall sind diese ‚internen Zustände‘ molekulare Eigenschaften des genetischen Informationspools, die sich ergeben haben, und deren ‚Übersetzung‘ in ‚Prozesse‘ und neue ‚Zellstrukturen‘ zu einem individuellen Lebewesen führen, das so vorher noch nicht da war. Einige ’neue Verhaltensweisen‘ werden dadurch evtl. möglich und diese sind — im positiven Fall — dafür geeignet, dass das Lebewesen in der jeweiligen Umgebung ‚überlebt‘ oder gar ‚besser‘ leben kann.

In der Regel nützen solche ’neue Eigenschaften‘ aber nur dann etwas, wenn das jeweilige Lebewesen zusammen mit den Artgenossen in der aktuellen Umgebung ‚gemeinsam besser‘ leben kann.

Diese internen Eigenschaften, die potentiell neue Strukturen repräsentieren, bilden die ‚Gegenwart‘ nicht 1-zu-1 ab, sondern sie ‚repräsentieren‘ die jeweilige Gegenwart in bestimmten Eigenschaften auf meist recht allgemeine Art. Und sie bilden nicht ‚die‘ Gegenwart ab, sondern ‚ganz viele verschiedene Gegenwarten‘, die ‚aufeinander folgen‘ und die sich als ‚veränderlich‘ zeigen. So kann aus einem Repräsentanten einer Gegenwart G1 der Repräsentant einer Vergangenheit V1 werden, und in der Menge der verschiedenen Repräsentanten können ‚Beziehungen sichtbar‘ werden, die in einer ‚Vorher-Nachher‘ Beziehung ‚Veränderungen‘ aufleuchten lassen können.

Wieweit sich im molekularen Detail der genetischen Informationsstrukturen zeitliche Veränderungsbeziehungen tatsächlich auswirken und wie genau, das dürfte aktuell in der Forschung noch nicht völlig geklärt sein. Klar ist nur, dass die Dynamik des molekularen Repräsentations- und Kombinationssystems das Potential besitzt, eine gegenwärtige Struktur durch Veränderung in eine ’neue‘ Struktur zu überführen.

ZUKUNFTS-VERSTÄRKER SPRACHE

Während sich die einfachen Lebensformen ihre mögliche ’neue Zukunft‘ nur durch Strukturveränderungen im Bereich ihrer molekularen Strukturen erkämpfen können (was vielfältige Formen von Interaktionen zwischen den internen molekularen Strukturen und sie umgebende Prozesse mit einschließt), können komplexe Lebensformen — am intensivsten bislang der Homo sapiens (wir Menschen) — durch das System einer ‚Sprache‘ sowohl die ‚Ausdrucksstärke‘ ‚potentieller Strukturen‘ gewaltig vergrößern, wie aber auch die ‚Geschwindigkeit ihrer Erzeugung‘.

Die Sprache ist ein recht junges ‚Subsystem des Gehirns‘ [3c], das es einem Lebewesen ermöglicht, eine Reihe von ‚internen Zuständen‘, die normalerweise einem anderen Lebewesen nicht direkt zugänglich sind, durch Zwischenschaltung des Systems Sprache in solche Elemente ‚abbilden‘ zu können, die äußerlich wahrnehmbar sind (Laute, Zeichen, Gesten, …). Und da alle Mitglieder einer Lebensform, die über das Subsystem Sprache verfügbar, über das gleiche Subsystem verfügen, können Lebewesen mit dem Subsystem Sprache sich nicht nur über das vorliegen eines internen Zustands ‚austauschen‘ (‚Kommunikation‘), sie können sich darüber hinaus aufgrund solcher sprachlicher Austauschprozesse auch begrenzt ‚koordinieren‘. Dies ermöglicht einen radikalen Evolutionsschub, wie wir ihn in der Geschichte des Lebens seit dem Auftreten des Homo sapiens beobachten können.({2],S.454f, [3c])

Durch diese ‚Sichtbarmachung‘ interner Zustände eines Lebewesens für Kommunikation und Koordination ergaben sich bahnbrechende Entwicklungen wie die Erfindung der ‚Schrift‘, des ‚Buches‘, der ‚Bibliothek‘ oder dann die weitere Erfindung ‚digitaler Medien‘, wodurch nicht nur die ‚Speicherung‘ und die ‚Vervielfältigung‘ von sprachlichem Ausdruck einen gewaltigen Schub bekam, sondern mit ‚digitalen Maschinen‘ wurden auch neue Formen der ‚automatisierten Bearbeitung‘ von Sprache möglich. Allerdings geht mit der ‚digitalen Revolution‘ eine zunehmende ‚Verwirrung‘ einher, da die neuen digitalen Technologien die ‚Wurzel der Sprache‘, ihre ‚Schnittstellenfunktion‘ zwischen ‚Innerem‘ und ‚Äußerem‘ immer mehr aus dem Blick gerät. Dies kann zu einer Art ‚Entfremdung des Menschen von sich selbst‘ führen, was dann kontraproduktiv wäre.

ZUKUNFTS-VERSTÄRKER THEORIE

Die Sprache ermöglicht die Bildung ganz neuartiger Strukturen in alle Richtungen. Allerdings weiß jeder, dass nicht jeder Gedanke automatisch ‚brauchbar‘ ist für die Beschreibung einer ‚möglichen Konstellation‘ für einen zukünftigen Zeitpunkt. Auf der einen Seite ist die Menge möglicher Zustände in einer möglichen Zukunft zwar generell viel größer als alles, was wir mit dem Wissen einer bestimmten Zeit bewusst ‚denken‘ können, aber die Menschheit hat in den letzten 500 Jahren schrittweise gelernt, dass es eine Reihe von Phänomenen in dieser Welt gibt, denen eine gewisse ‚Regelhaftigkeit‘ zukommt. Und wenn man diese Regelhaftigkeit ‚entdecken‘ kann, dann kann man diese Beobachtungen in Form von ‚Veränderungs-Regeln‘ mittels Sprache festhalten und sie bis zu einem gewissen Grad als ‚Handlungsanleitungen‘ benutzen. Dieses ‚Beobachten‘ der Welt mit Blick auf ‚Regelhaftigkeiten‘ und deren Nutzung für ‚Voraussagen‘ wahrscheinlicher zukünftiger Zustände hat sich zu einem ‚kulturellen Muster‘ verdichtet, das wir ‚Empirische Wissenschaft‘ nennen.

Das vorausgehende Schaubild macht die Kernelemente einer empirischen Theorie deutlich:

  1. Man muss sich auf eine ‚Ausgangssituation‘ einigen, die man gemeinsam so beschreibt, dass alle zustimmen können, dass der Text einer tatsächlichen Situation entspricht.
  2. Man braucht eine Menge von Veränderungs-Regeln, die beschreiben, wie bei einer bestimmten Menge von Eigenschaften, die vorliegen, diese sich so verändern können, dass bestimmte Eigenschaften ’neu‘ dazu kommen und andere — möglicherweise — verschwinden.
  3. Man braucht dann eine ‚Vereinbarung‘, wie man Veränderungs-Regeln so ‚anwendet‘, dass genau dieser erhoffte Effekt eintritt (Logiker sprechen hier von einem ‚Folgerungsbegriff‘).
  4. Der neue Zustand, der durch Anwendung von Veränderungs-Regeln neu entsteht, wird dann zum neuen Ausgangspunkt für eine mögliche weitere Anwendung von Veränderungs-Regeln.
  5. Auf diese Weise kann eine ganze ‚Folge‘ (‚Serie’/ ‚Reihe‘ …) von Zuständen zustande kommen, die zusammen einen ‚Prozess‘ repräsentieren, der — im idealen Fall – zu einem neuen Zustand führt, der nach bestimmten Kriterien als ‚besser‘ gewertet wird als der Ausgangszustand; im negativen Fall tritt der ‚erwartete neue Zustand‘ ’nicht ein‘.

An dieser Stelle ist wichtig, den Unterschied zwischen einer ‚Empirischen Theorie (ET)‘ und einer ‚Nachhaltigen Empirischen Theorie (NET)‘ zu verdeutlichen. Eine empirische Theorie umfasst eigentlich ’nur‘ Veränderungs-Regeln, die das Erzeugen eines bestimmten Nachfolge-Zustands erlauben. Ob dieser Zustand ‚gut‘ oder ’nicht gut‘ ist ist nicht Gegenstand einer empirischen Theorie. In der Alltagswelt der Menschen braucht man aber Anhaltspunkte, ob ein bestimmter Zustand nun ‚eher besser‘ oder ‚eher schlechter‘ ist, da man ansonsten nicht weiß, in welche Richtung man sich weiter engagieren sollte.

Um solche ‚Bewertungen‘ wie ‚eher besser‘ oder ‚eher schlechter‘ vornehmen zu können, benötigt man ‚Präferenz-Regeln‘ durch die eine Gesellschaft sich festlegt, was sie ‚besser‘ oder ’schlechter‘ findet.

Kombiniert man eine empirische Theorie mit solchen Präferenz-Regeln, dann kann man eine empirische Theorie (ET) in eine nachhaltige empirische Theorie (NET) verwandeln. Man kombiniert dann das empirische ‚Veränderungswissen‘ mit einem normativen ‚Präferenz-Wissen‘ so, dass man jederzeit entscheiden kann, ob ein Prozess in einem ‚erstrebenswerten‘ Zustand geendet hat oder nicht.

An diesem Beispiel kann man auch sehen, dass Wissen ‚kein Selbstzweck‘ ist sondern ein Instrument ist, um die Menschen zu unterstützen, eher jene Zustände zu finden, die ‚erstrebenswert‘ sind oder eben nicht.

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG UND MENSCHLICHE ZIVILISATION – DIE STIMME DER VEREINTEN NATIONEN

Wie schon eingangs erwähnt ist das Leben auf diesem Planeten schon immer grundsätzlich ’nachhaltig‘, so sehr, dass es mehr als 3.5 Mrd Jahre in der Lage war, die teilweise dramatischen Änderungen der Verhältnisse auf dem Planet Erde zu überstehen.

Wir Menschen als Lebensform ‚Homo sapiens‘ haben einerseits von dieser Überlebensform profitiert, andererseits verfügt die Lebensform ‚Homo sapiens‘ über einige dramatisch neue und leistungsfähige Eigenschaften, die ihn in die Lage versetzen, anders, schneller und radikaler die Verhältnis auf dem Planeten Erde zu verändern, so, dass sich die Anzeichen verdichten, dass der Mensch die Grundlagen des gesamten Lebens, insbesondere seines eigenen Lebens, schrittweise irreparabel zerstört.

Allerdings, man muss nüchtern sehen, dass die Lebensform Homo sapiens überhaupt ‚lernen‘ musste, wie sie ist, was sie kann, und wie sie mit dem übrigen Leben eigentlich zusammenhängt. Grob gesprochen kann man sagen, dass der Homo sapiens ca. 300.000 Jahre gebraucht hat, um jetzt ansatzweise zu verstehen, wer er ist, was er tut, und welche unfassbaren Wirkungen er erzeugt hat und permanent erzeugt. Vor diesem Hintergrund kann man die Geschichte der Vereinten Nationen mit ihren Konferenzen zur Nachhaltigkeit verstehen als ein langsames ‚kulturelles Bewusst werden‘ seiner selbst und seiner Wechselwirkung mit der Umwelt, mit dem Planeten Erde.

Die Einschätzung der Texte der Konferenzen — hier beginnend mit dem sogenannten Brundtland Reporrt von 1987 [9] — variiert stark. Diese Texte bilden auch keine ‚Theorie‘ im klassischen Sinne, sie sind nicht unbedingt einheitlich, nicht konsistent, aber man kann sich bei ihrer Lektüre nicht des Eindrucks entziehen, dass hier Menschen, Völker, Nationen darum ringen, wie man die Lage einzuschätzen hat und was zu tun ist. Dabei wird auch ganz deutlich, dass hier nicht alle Beteiligten nur darauf warten, los zu legen oder genau das zu tun, wovon die Dokumente sprechen. Zu unterschiedlich sind die Ausgangslagen der verschiedenen Nationen, Völker, Kulturen, Menschen.

Der Autor dieses Textes versteht den sogenannten Brundtland-Report als den aufschlussreichsten Text für das Gesamtprojekt. Die sehr populären ’17 Entwicklungsziele‘ [10,11] wirken zwar vielfältig, aber man tut sich schwer in ihnen eine klare Linie, ein klares Gesamtkonzept zu erkennen.

17 TEILZIELE NACHHALTIGER ENTWICKLUNG. ES GIBT MEHR …

Zudem kann man unschwer erkennen, dass viele andere Ziele, die eigentlich wichtig sind, unter diesen 17 Entwicklungs-Zielen nicht vorkommen. Ganz zentral z.B. das Thema ‚Bevölkerung‘: alle anderen Ziele hängen von der Größe Bevölkerung ab; allein die Beschaffenheit der Bevölkerungsstrukturen kann darüber entscheiden, ob ganze Regionen oder gar Kontinente in unlebbaren Zuständen versinken. Diesen zentralen Begriff nicht gemeinsam zu reflektieren und entsprechende Modelle zu erarbeiten, entzieht fast allen anderen Begriffen die konkrete Grundlage!

ZIELE BRAUCHEN EINEN ORT UND AKTEURE: DIE KOMMUNE

Das Reden von ‚Zielen‘ und deren ‚Einlösung‘ verlangt nach ‚Akteuren‘, die sich um die Einlösung der Ziele kümmern. Wo findet man diese Akteure?

Letztlich sind es wir alle, und wir alle haben irgendwo auf diesem Planeten einen Ort (bisweilen auch mehrere), wo wir ‚im Alltag‘ leben. Diese alltäglichen Orte sind die Kommunen, die Dörfer und Städte.

In einem Deutschen Bundesland — hier Hessen — gibt es als ‚Menge von Spielregeln‘ für die Organisation einer Gemeinde die ‚Gemeindeordnung (HGO)‘ [13], die dann durch zahlreiche andere Verordnungen noch ergänzt wird bzw. ergänzt werden kann (z.B. die ‚Hauptsatzung‘ [14] oder die ‚Geschäftsordnung‘ für die gewählte ‚Gemeindevertretung‘ [15]).

Die Basis jeder Gemeinde (Kommune) sind die ‚Einwohner‘, jene Menschen, die in der Gemeinde eine Wohnung haben, bzw. die ‚Bürger‘, das sind jene Einwohner, die auch ‚wählen‘ dürfen.

In regelmäßigen Wahlen wird eine bestimmte Anzahl von ‚Gemeindevertretern‘ gewählt, die die ‚Gemeindevertretung‘ bilden, und parallel wird separat der ‚Bürgermeister‘ gewählt. Mitglieder der Gemeindevertretung und der Bürgermeister bilden zusammen den ‚Gemeindevorstand‘. Wahlunabhängig gibt es die ‚Gemeindeverwaltung‘, die von allen drei Gremien auf unterschiedliche Weise bestimmt oder geleitet wird.

Die ‚Schnittstellen‘ zwischen Einwohnern und den politisch gewählten Vertretungen (samt Verwaltung) sind sehr vielfältig.

Ein ungelöstes Problem ist heute die Herausforderung, dass die Welt nicht nur ’schneller‘, sondern auch ‚komplexer‘ geworden ist und dass die zahlenmäßig kleine Gruppe der gewählten Gemeindevertreter mit ihren Kompetenzen alleine kaum in der Lage sind, die täglichen Aufgaben umfassend gut bewältigen zu können, speziell dann nicht, wenn diese Aufgaben — was nicht selten ist — für ihre Umsetzung 10 und mehr Jahre benötigen.

Auf der anderen Seite repräsentiert die Menge aller Einwohner ein großes Reservoir an Erfahrung und Wissen. Allein durch aktives Wählen wird dieser Schatz an Erfahrung und Wissen nicht angemessen genutzt. Es fragt sich, wie ein neues konstruktives Verhältnis zwischen Bürgern und ihren gewählten Vertretern aussehen könnte?

GEGENWART ÜBERWINDEN durch ‚THEORIE‘ und ‚SPIEL‘

Nach all diesen Vorüberlegungen stellt sich die praktische Frage, was denn eine Gruppe von Bürgern — eventuell zusammen mit gewählten politischen Vertretern — konkret tun könnte, um in ihrer Kommune konkrete Zukunftsarbeit zu leisten.

Wenn diese Arbeit auf eine Entwicklung abzielt, die wirklich nachhaltig sein soll, tatsächlich wichtige mögliche Zustände einer möglichen Zukunft adressieren möchte, dann gilt nach den bisherigen Vorüberlegungen, dass die Vorgehensweise dieser Bürger die ‚Form einer empirischen Theorie‘ haben sollte. Nur so wäre die größt mögliche Garantie gegeben, dass man sich mit Entwicklungsprozessen beschäftigt, die auf begründete Veränderungs-Regeln gründen. Zusätzlich gilt — das folgt aus der Evolution und aus dem Brundtland-Report — dass ‚Vielfalt (‚Diversity‘) von hoher Bedeutung ist; denn neben dem Wissen, das versucht sich im Rahmen einer empirischen Theorie abzusichern, gibt es auch die objektive ‚Begrenztheit‘ allen verfügbaren Wissens. Um nicht ‚Opfer der eigenen Begrenztheit‘ zu werden bedarf es daher eine ‚Vielfalt‘ an Menschen aus möglichst vielen Lebenssituationen, die Erfahrungen, Gedanken und Emotionen mit ins Spiel bringen, die vielleicht die ‚gewohnten Denkmuster‘ aufbrechen können.

Aus der Geschichte des menschlichen Lernens wissen wir, dass die älteste und erfolgreichste Form des Lernens das ‚Spielen‘ ist. Hier spielt Kreativität und spielen Emotionen neben dem Wissen immer eine wichtige Rolle.

Es ist von daher letztlich nicht überraschend, dass sich aufzeigen lässt, dass die Struktur einer empirischen Theorie — sogar in der erweiterten Form einer ’nachhaltigen empirischen Theorie‘ –sich Struktur-äquivalent zur Form des ‚Spielens‘ verhält.[19]

Im vorausgehenden Schaubild wird dies selbsterklärend verdeutlicht. Auf der Basis dieser Erkenntnis kann man daher im Alltag einer Kommune und auch im Alltag von Forschung und Lehre als Grundform das Format des ‚Spielens‘ wählen und es dazu benutzen, um in beliebig vielfältigen Formen gemeinsam ’nachhaltige empirische Theorien‘ zu all jenen Problemen zu entwickeln, die sich im Alltag für einer Kommune stellen.

AUSBLICK

Die zuvor geäußerten Gedanken werden aktuell sowohl im Rahmen der universitären Lehre angewendet wie auch im Rahmen von Experimenten mit neuen Formen der Bürgerbeteiligungen, die durchweg offen sind für eine direkte Kooperation mit den gewählten politischen Vertretern und der Verwaltung der Gemeinde.

Kritik und Anregungen zu diesen Gedanken sind willkommen: info@oksimo.org

ANMERKUNGEN

wkp := Wikipedia, de := Deutsch, en := Englisch

[1] Siehe ‚Universum‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Universum, Zitat: Das Alter des Universums ist aufgrund von Präzisionsmessungen durch das Weltraumteleskop Plancksehr genau gemessen: 13,81 ± 0,04 Milliarden Jahre.“

[2] Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink, Evolutionsbiologie, 3.rev.Aufl., Springer Spektrum, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2013

[3] Peter Sitte, Symbiogenese in der Zell- und Lebensevolution, Exkurs 3.1. in [1], SS.234 – 245,

[3a] Zitat: „Es hat demnach schon vor mehr als 3,5 (vermutlich sogar 4) Mrd Jahren Leben auf unserem Planeten gegeben.“(S.234)

[3b] Wichtige Arbeitshypothese: Als wichtiger Motor der Evolution wird angenommen: stabile intertaxonomische Kombinationen, Mutation, Genetische Rekombination und horizontaler Gentransfer (vgl. [1],S.245)

[3c] Uwe Jürgens, Sprache, in: [2], SS.456-460.Jürgens grenzt die Entstehung von Sprache im modernen Sinn ein auf das Zeitfenster nach 2.6 Mio und 50.000 Jahen vor uns.

[4] Siehe ‚Leben‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Leben , Zitat: Leben ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl materieller Erscheinungen (Systeme) in der Natur, die sich in einem ständigen, geregelten Austausch von Energie, Materie und Informationen befinden. Diese Prozesse werden je nach Betrachtungsweise als unterschiedliche reale oder zugeschriebene Eigenschaften beschrieben, die sich unverwechselbar von der unbelebten Umwelt unterscheiden. Über diese Eigenschaften und ihre Entstehung oder ihren Umfang – ob selbst erhaltend und organisierend oder von göttlichen Kräften geschaffen und gelenkt – besteht allerdings keine Einigkeit, weder innerhalb der Wissenschaften noch unter Philosophen oder in den Religionen. 1999 führte der israelische Chemiker Noam Lahav 48 verschiedene Definitionen von Experten der letzten 100 Jahre auf.

[5] Siehe ‚Lebewesen‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Lebewesen , Zitat: Lebewesen sind organisierte Einheiten, die unter anderem zu Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit, Wachstum und Evolution fähig sind. Lebewesen prägen entscheidend das Bild der Erde und die Zusammensetzung der Erdatmosphäre (Biosphäre). Neuere Schätzungen lassen vermuten, dass 30 Prozent der gesamten Biomasse der Erde auf unterirdisch lebende Mikroorganismen entfallen. Rezente Lebewesen stammen immer von anderen Lebewesen ab (Abstammungstheorie). Über die Entstehung von Lebewesen aus abiogenen Vorformen wird intensiv geforscht. Zu den ältesten Spuren irdischer Lebewesen gehören insbesondere die Stromatolithen. Die Biologie untersucht die heute bekannten Lebewesen und ihre Evolution sowie die Grenzformen des Lebens (z. B. Viren) mit naturwissenschaftlichen Methoden.“

[6] Siehe ‚System‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/System , Zitat: Als System (altgriechisch sýstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird etwas bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und damit von anderem abgrenzbar sind.

Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs, da die Bedeutungszuweisung je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich ist. Demnach ist auch der vorhergehende Satz eine Abstraktion im Sinne eines größten gemeinsamen Nenners. … In unterschiedlichen Fachgebieten werden spezifische Begriffsverwendungen vorgeschlagen, diskutiert und angewendet. Viele Systeme haben völlig andersartige Eigenschaften als die Komponenten, aus denen sie bestehen. Wenn sich diese neuen Qualitäten nicht allein aus dem funktionalen Zusammenwirken der Teile – „von unten“ betrachtet – erklären beziehungsweise vorausberechnen lassen, handelt es sich um emergente Eigenschaften. Sofern keine Beziehungen der genannten Art zwischen den Teilen eines Ganzen bestehen, handelt es sich nicht um ein System, sondern um bloße Mengen, Haufen oder Stoffgemische; auch wenn die konstruierte Anordnung der Teile einer bestimmten Systematik unterliegt und als „System“ bezeichnet wird (Beispiele: biologische Systematik, Periodensystem der Elemente).“

[7] Siehe ‚Evolution‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution , Zitat Unter Evolution (von lateinisch evolvere „herausrollen“, „auswickeln“, „entwickeln“) versteht man im deutschsprachigen Raum in erster Linie die biologische Evolution. Darunter wird die von Generation zu Generation stattfindende allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen und von anderen organischen Strukturen (z. B. Viren) verstanden. Das Lehr- und Forschungsgebiet der Evolution wird als Evolutionsbiologie bezeichnet und unterliegt, wie viele andere Wissenschaften, einem kontinuierlichen Erkenntnisfortschritt. Hierzu können insbesondere neue Einsichten durch die Entdeckung neuer Fossilien oder die Anwendung neuer Forschungsmethoden beitragen. Das Themenfeld der Evolution wurde zuweilen unterteilt in die Evolutionsgeschichte, in der die Veränderungen der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte beschrieben werden und bei dem es Überlappungen mit der Paläontologie gibt, sowie in die Evolutionstheorie, die naturwissenschaftliche Erklärungen (Hypothesen und Theorien) für das Gesamtphänomen der Evolution entwickelt. Die beiden Ansätze sind heutzutage in der Wissenschaft innig miteinander verwoben und befruchten sich wechselseitig. Wissenschaftler beschäftigen sich ebenfalls im Rahmen der theoretischen Biologie mit der biologischen Evolution. Die theoretische Biologie als interdisziplinäres Teilgebiet der Biologie entwickelt mathematische Modelle und führt statistische Hypothesentests und Laborexperimente durch, um den Erkenntnisgewinn zu fördern.

[8] Siehe ‚Evolutionsbiologie‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolutionsbiologie , Zitat: Die Evolutionsbiologie ist ein Teilbereich der Biowissenschaften. Sie untersucht das Evolutionsgeschehen im Laufe der Erdgeschichte bis heute sowie die Evolutionsfaktoren. Zentrale Problemstellungen moderner Evolutionsbiologie sind

  • die Rekonstruktion der stammesgeschichtlichen Abläufe der Organismen,
  • das Zusammenspiel der Evolutionsfaktoren untereinander und mit der Umwelt
  • sowie die Evolution der Genomsysteme, die in enger Wechselbeziehung zu den jeweiligen Trägerorganismen stehen.

Die Evolutionsbiologie ist eng mit anderen Wissenschaftsdisziplinen verknüpft, z. B. Geologie, Paläontologie, Ökologie, Biogeographie, Anatomie/Morphologie, Physiologie, Biochemie, Verhaltensbiologie, Molekularbiologie und Genetik.

[9] UN. Secretary-General;World Commission on Environment and Development, 1987, Report of the World Commission on Environment and Development : note / by the Secretary General., https://digitallibrary.un.org/record/139811 (accessed: July 20, 2022) (In einem besser lesbaren Format: https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf) Anmerkung: Gro Harlem Brundtland (ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen) war die Koordinatorin von diesem Report. 1983 erhielt sie den Auftrag vom Generalsekretär der UN einen solchen Report zu erstellen, 1986 wurde er übergeben und 1987 veröffentlicht. Dieser Text enthält die grundlegenden Ideen für alle weiteren UN-Texte.

Zitat aus dem Vorwort: The fact that we all became wiser, learnt to look across cultural and historical barriers, was essential. There were moments of deep concern and potential crisis, moments of gratitude and achievement, moments of success in building a common analysis and perspective. The result is clearly more global, more realistic, more forward looking than any one of us alone could have created. We joined the Commission with different views and perspectives, different values and beliefs, and very different experiences and insights. After these three years of working together, travelling, listening, and discussing, we present a unanimous report.“ und „Unless we are able to translate our words into a language that can reach the minds and hearts of people young and old, we shall not be able to undertake the extensive social changes needed to correct the course of development.

Zitat aus dem Abschnitt ‚Sustainable Development‘:

„27. Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. The concept of sustainable development does imply limits – not absolute limits but limitations imposed by the present state of technology and social organization on environmental resources and by the ability of the biosphere to absorb the effects of human activities. But technology and social organization can be both managed and improved to make
way for a new era of economic growth. The Commission believes that widespread poverty is no longer inevitable. Poverty is not only an evil in itself, but sustainable development requires meeting the basic needs of all and extending to all the opportunity to fulfil their aspirations for a better life. …

28. Meeting essential needs requires not only a new era of economic growth for nations in which the majority are poor, but an assurance that those poor get their fair share of the resources required to sustain that growth. Such equity would be aided by political systems that secure effective citizen participation in decision making and by greater democracy in international decision making.
29. Sustainable global development requires that those who are more affluent adopt life-styles within the planet’s ecological means – in their use of energy, for example. Further, rapidly growing populations can increase the pressure on resources and slow any rise in living standards; thus sustainable development can only be pursued if population size and growth are in harmony with the changing productive potential of the ecosystem.
30. Yet in the end, sustainable development is not a fixed state of harmony, but rather a process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development, and institutional change are made consistent with future as well as present needs. We do not pretend that the process is easy or straightforward. Painful choices have to be made. Thus, in the final analysis, sustainable development must rest on political will.“

[10] Die 17 Entwicklungsziele der Vereinigten Nationen (2015): https://sdgs.un.org/goals, Zitat: The 2030 Agenda for Sustainable Development, adopted by all United Nations Member States in 2015, provides a shared blueprint for peace and prosperity for people and the planet, now and into the future. At its heart are the 17 Sustainable Development Goals (SDGs), which are an urgent call for action by all countries – developed and developing – in a global partnership. They recognize that ending poverty and other deprivations must go hand-in-hand with strategies that improve health and education, reduce inequality, and spur economic growth – all while tackling climate change and working to preserve our oceans and forests.

The SDGs build on decades of work by countries and the UN, including the UN Department of Economic and Social Affairs

[11] UN, Transforming our world: the 2030 Agenda for
Sustainable Development: https://sdgs.un.org/2030agenda, Zitat: This Agenda is a plan of action for people, planet and prosperity. It also seeks to strengthen universal peace in larger freedom. We recognise that eradicating poverty in all its forms and dimensions, including extreme poverty, is the greatest global challenge and an indispensable requirement for sustainable development. All countries and all stakeholders, acting in collaborative partnership, will implement this plan. We are resolved to free the human race from the tyranny of poverty and want and to heal and secure our planet. We are determined to take the bold and transformative steps which are urgently needed to shift the world onto a sustainable and resilient path. As we embark on this collective journey, we pledge that no one will be left behind. The 17 Sustainable Development Goals and 169 targets which we are announcing today demonstrate the scale and ambition of this new universal Agenda. They seek to build on the Millennium Development Goals and complete what these did not achieve. They seek to realize the human rights of all and to achieve gender equality and the empowerment of all women and girls. They are integrated and indivisible and balance the three dimensions of sustainable development: the economic, social and environmental.“ (Zuletzt: 8.April 2023)

[12] UN, Transforming our world: the 2030 Agenda for
Sustainable Development, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N15/291/89/PDF/N1529189.pdf?OpenElement (Zuletzt: 8.April 2023)

[13] Hessische Gemeindeverordnung (HGO), siehe: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-GemOHE2005V9IVZ (zuletzt: 11.April 2023)

[14] Gemeinde 61137 Schöneck: Hauptsatzung von 2021: https://www.schoeneck.de/rathaus-politik/aktuelles/amtliche-bekanntmachungen/2021/hauptsatzung-der-gemeinde-schoeneck/

[15] Gemeinde 61137 Schöneck, Gemeindevertretung – Geschäftsordnung (GO): https://www.schoeneck.de/rathaus-politik/service/satzungen/geschaeftsordnung-fuer-die-gemeindevertretung-und-die-ausschuesse.pdf?cid=321

[16] Gerd Doeben-Henisch, Dez.2022, NACHHALTIGE EMPIRISCHE THEORIE – VERSCHIEDENE FORMATE: THEORIE – SPIEL – THEATERSTÜCK, https://www.oksimo.org/2022/12/14/nachhaltige-empirische-theorie-verschiedene-formate/

[17] Siehe ‚Phänotyp‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Ph%C3%A4notyp , Zitat: „Der Phänotyp (von altgriechisch φαίνω phaíno „ich erscheine“ und τύπος týpos „Gestalt“) oder das Erscheinungsbild ist in der Genetik die Menge aller Merkmale eines Organismus. Er bezieht sich nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und ggfs. auf Verhaltensmerkmale. In der Vererbungslehre wurde der Begriff Phaenotypus erstmals von Wilhelm L. Johannsen aufgestellt. Phänotypen und phänotypische Variationen werden durch das Zusammenwirken von Erbanlagen und Umweltfaktoren (Modifikation) bestimmt. Inwieweit der Phänotyp durch Umwelteinflüsse beeinflussbar ist, hängt von der Reaktionsnorm ab. Diese Möglichkeit, auf Umwelteinflüsse zu reagieren, ist durch den Genotyp genetisch festgelegt. Verfahren, mit denen Rückschlüsse vom Erbgut, d. h. der individuellen Desoxyribonukleinsäure (DNS), auf den Phänotyp eines Individuums geschlossen werden, werden DNA-Phänotypisierung genannt.“

[18] Siehe ‚Biologie‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Biologie , Zitat: „Biologie (von altgriechisch βίος bíosLeben“ und λόγος lógos hier: „Lehre“, siehe auch -logie) oder historisch auch Lebenskunde ist die Wissenschaft von der belebten Materie, den Lebewesen. Sie ist ein Teilgebiet der Naturwissenschaften und befasst sich sowohl mit den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Lebendigen als auch mit den Besonderheiten der einzelnen Lebewesen: zum Beispiel mit ihrer Entwicklung, ihrem Bauplan und den physikalischen und biochemischen Vorgängen in ihrem Inneren. Im Fach Biologie wird in zahlreichen Teilgebieten geforscht. Zu den ganz allgemein auf das Verständnis des Lebendigen ausgerichteten Teilgebieten gehören insbesondere Biophysik, Genetik, Molekularbiologie, Ökologie, Physiologie, Theoretische Biologie und Zellbiologie. Mit großen Gruppen der Lebewesen befassen sich die Botanik (Pflanzen), die Zoologie (Tiere) und die Mikrobiologie (Kleinstlebewesen und Viren). Die Betrachtungsobjekte der Biologie umfassen u. a. Moleküle, Organellen, Zellen und Zellverbände, Gewebe und Organe, aber auch das Verhalten einzelner Organismen sowie deren Zusammenspiel mit anderen Organismen in ihrer Umwelt. Diese Vielfalt an Betrachtungsobjekten hat zur Folge, dass im Fach Biologie eine Vielfalt an Methoden, Theorien und Modellen angewandt und gelehrt wird. Die Ausbildung von Biologen erfolgt an Universitäten im Rahmen eines Biologiestudiums, von Biologie-Lehramtsstudierenden zumindest zeitweise auch im Rahmen der Biologiedidaktik.In neuerer Zeit haben sich infolge der fließenden Übergänge in andere Wissenschaftsbereiche (z. B. Medizin, Psychologie und Ernährungswissenschaften) sowie wegen des interdisziplinären Charakters der Forschung neben der Bezeichnung Biologie weitere Bezeichnungen für die biologischen Forschungsrichtungen und Ausbildungsgänge etabliert wie zum Beispiel Biowissenschaften, Life Sciences und Lebenswissenschaften.“

[19] Anmerkung: Den Begriff ‚Empirische Theorie‘ gibt es weder in der wkp-de noch in der wkp-en! Da der Begriff der ‚empirischen Theorie‘ der harte Kern des modernen Wissenschaftsbegriffs ist (eng verbunden mit moderner Logik und Mathematik) kann man sich fragen, was es heißt, dass über ‚Wissenschaft‘ geredet wird, ohne dass man den Begriff ‚empirische Theorie‘ benutzt (und dies gilt nahezu für die gesamte Wissenschaftswelt, nicht nur für die Welt-Enzyklopädie Wikipedia).

ANFANGEN: Sprache und Strukturen – Die Fiktion eines ‚Seins‘

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 6.November 2022 – 27.Februar 2023, 03:40h)

Email: gerd@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“. Man kann diesen Text lesen als Fortsetzung des Textes ‚Die Innenseite der Außenseite. Teil 2‘.

‚Transiente‘ Ereignisse und Sprache

Nachdem wir uns in der biologischen Zell-Galaxie ‚Mensch‘ soweit vorgearbeitet haben, dass wir ihre ‚Strukturiertheit‘ feststellen können (ohne ihre Entstehung und genaues Funktionieren bislang wirklich zu verstehen), und uns selbst als Zell-Galaxie dann doch — dem Augenschein nach — als ‚konkreten Körper‘ vorfinden, der mit der ‚Umgebung des eigenen Körpers‘ (oft auch ‚Außenwelt‘ genannt) zweifach ‚kommunizieren‘ kann: Wir können auf verschiedene Weise ‚Wahrnehmen‘ und wir können auf verschiedene Weise ‚Wirkungen‘ in er Außenwelt hervorbringen.

Für die ‚Koordinierung‘ mit anderen menschlichen Körpern, insbesondere zwischen den ‚Gehirnen‘ in diesen Körpern, scheint die Fähigkeit zu ‚Sprechen-Hören‘ bzw. dann auch zu ‚Schreiben-Lesen‘ von höchster Bedeutung zu sein. Schon als Kinder finden wir uns in Umgebungen vor, in denen Sprache sich ereignet und wir ‚lernen‘ sehr schnell, dass ’sprachliche Ausdrücke‘ sich nicht nur auf ‚Gegenstände‘ und deren ‚Eigenschaften‘ beziehen können, sondern auch auf flüchtige ‚Handlungen‘ (‚Peter steht vom Tisch auf‘) und auch sonstige ‚flüchtige‘ Ereignisse (‚die Sonne geht auf‘; ‚die Ampel wurde gerade rot‘). Es gibt auch sprachliche Ausdrücke, die sich nur partiell auf etwas Wahrnehmbares beziehen wie z.B. ‚der Vater von Hans‘ (der gar nicht im Raum ist), ‚das Essen von gestern‘ (was nicht da ist), ‚ich hasse Dich‘ (‚hassen‘ ist kein Gegenstand), ‚die Summe von 3+5‘ (ohne dass es irgendetwas gibt, was wie ‚3‘ oder ‚5‘ aussieht), und vieles mehr.

Wenn man versucht, diese ‚Phänomene unseres Alltags‘ ‚mehr‘ zu verstehen, kann man auf viele spannende Sachverhalte stoßen, die u.U. mehr Fragen erzeugen als sie Antworten liefern. Alle Phänomene, die ‚Fragen‘ hervorrufen können, dienen eigentlich der ‚Befreiung unseres Denkens‘ von aktuell falschen Bildern. Dennoch sind Fragen wenig beliebt; sie beunruhigen, strengen an, …

Wie kann man diesen vielfältigen Phänomenen näher kommen?

Schauen wir uns einfach einige Ausdrücke der ’normalen Sprache‘ an, die wir in unserem ‚Alltag‘ benutzen.[1] Im Alltag gibt es vielfältige Situationen, in denen wir uns   hinsetzen (Frühstück, Büro, Restaurant, Schule, Uni, Empfangshalle, Bus, U-Bahn, …). In einigen dieser Situationen sprechen wir z.B. von ‚Stühlen‘, in anderen von ‚Sesseln‘, wieder in anderen Situationen von ‚Bänken‘, oder auch einfach von ‚Sitzgelegenheiten‘. Vor einer Veranstaltung fragt vielleicht einer „Gibt es genügend Stühle?“ oder „Haben wir genügend Sessel?“ oder … In der jeweiligen konkreten Situation können es ganz unterschiedliche Gegenstände sein, die z.B. als ‚Stuhl‘ durchgehen würden oder als ‚Sessel‘ oder … Dies deutet darauf hin dass die ‚Ausdrücke der Sprache‘ (die ‚Laute‘, die ‚geschriebenen/ gedruckten Zeichen‘) sich mit ganz unterschiedlichen Dingen verknüpfen können. Es gibt hier keine 1-zu-1 Zuordnung. Bei anderen Gegenständen wie z.B. ‚Tassen‘, ‚Gläsern‘, ‚Tischen‘, ‚Flaschen‘, ‚Tellern‘ usw. ist es nicht anders.

Diese Beispiele deuten darauf hin, dass es hier  eine ‚Struktur‘ zu geben scheint, die sich in den konkreten Beispielen zwar ‚manifestiert‘, selbst aber ‚jenseits der Ereignisse‘ verortet ist.[2]

Versucht man dies ‚gedanklich zu sortieren‘, dann deuten sich hier mindestens zwei, eher drei ‚Dimensionen‘ an, die ineinander spielen:

  1. Es gibt konkrete sprachliche Ausdrücke — jene, die wir als ‚Worte‘ bezeichnen –, die ein ‚Sprecher-Hörer‘ benutzt.
  2. Es gibt unabhängig von den sprachlichen Ausdrücken ‚irgendein Phänomen‘ im Alltag, auf das sich der ‚Sprecher-Hörer‘ mit seinem sprachlichen Ausdruck bezieht (das können ‚Gegenstände‘
    sein, ‚Eigenschaften‘ von Gegenständen, …)[3]
  3. Der jeweilige ‚Sprecher‘ bzw. ‚Hörer‘ hat ‚gelernt‘, zwischen dem ’sprachlichem Ausdruck‘ und dem ‚Anderen  zum sprachlichen Ausdruck‘ eine ‚Beziehung herzustellen‘.

Da wir wissen, dass die gleichen Gegenstände und Ereignisse im Alltag in den ‚verschiedenen Sprachen‘ ganz ‚unterschiedlich benannt‘ werden können, deutet sich an, dass die jeweils von ‚Sprecher-Hörer‘ angenommenen Beziehung nicht ‚angeboren‘ sind, sondern in jeder ‚Sprachgemeinschaft‘ eher ‚beliebig‘ erscheinen.[4] Dies deutet darauf hin, dass die im Alltag vorfindlichen ‚Beziehungen‘ zwischen sprachlichen Ausdrücken und alltäglichen Gegebenheiten von jedem Sprecher-Hörer einzeln ‚gelernt‘ werden müssen, und dies durch direkten Kontakt mit Sprecher-Hörer der jeweiligen Sprachgemeinschaft.

ABSTRAKTE STRUKTUREN

(Letzte Änderungen: 29.Januar 2023)

Körper-Externe Gegebenheiten

Transformtion reale Objekte in wahrgenommene und abstrahierte Objekte plus Bedeutungs-Beziehung
BILD 1: Transformtion reale Objekte in wahrgenommene und abstrahierte Objekte plus Bedeutungs-Beziehung

Die bisherigen Überlegungen lassen die Bildung einer ‚Arbeitshypothese‘  dahingehend zu, dass ein Sprecher-Hörer ‚außerhalb seines Körpers‘ auf einzelne Objekte treffen kann (z.B. einen Gegenstand  ‚Tasse‘, ein Wort  ‚Tasse‘), die als solche keine direkte Beziehung miteinander haben. 

Im Sprecher-Hörer können sich zu den wahrgenommenen konkreten Ereignissen dann ‚abstrakte Konzepte‘ bilden,  die aus den variierenden Vorkommnissen einen ‚gemeinsamen Kern abstrahieren‘, der dann das eigentliche ‚abstrakte Konzept‘ repräsentiert.

Unter Voraussetzung solcher abstrakter Konzepte können sich dann im  Sprecher-Hörer  ‚Bedeutungsbeziehungen‘ derart bilden, dass ein Sprecher ‚lernen‘ kann, die beiden einzelnen Objekte ‚Tasse‘  (als Gegenstand) und ‚Tasse‘ (als gehörtes/ geschriebenes Wort) ‚gedanklich zu verknüpfen‘, und zwar so, dass künftig das Wort ‚Tasse‘ eine Assoziation mit dem Gegenstand ‚Tasse‘ hervorruft und umgekehrt. Diese Bedeutungsbeziehung (Objekt ‚Tasse‘, Wort ‚Tasse‘) basiert auf ’neuronalen Prozessen‘ der Wahrnehmung und des Gedächtnisses. Sie können sich bilden, müssen aber nicht. Wenn solche neuronalen Prozesse verfügbar sind, dann kann der Sprecher-Hörer das kognitive Element ‚Objekt Tasse‘ auch dann aktualisieren, wenn es gar nicht außerhalb des Körpers als reales Objekt vorliegt;  letzteres würde  sich daran zeigen, dass kein ‚Wahrnehmungselement‘ vorliegt, das dem ‚Gedächtniselement‘ Objekt Tasse ‚entspricht‘.

Man kann diese erste Arbeitshypothese erweitern zu zwei ‚weiteren  Arbeitshypothesen‘:

(i) Arbeitshypothese: der Mechanismus der ‚abstrakten Konzeptbildung‘ funktioniert nicht nur unter Voraussetzung von konkreten Wahrnehmungsereignissen, sondern auch unter Voraussetzung von schon vorhandenen abstrakten Konzepten. Wenn ich schon abstrakte Konzepte wie ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘ habe, dann kann ich z.B. ein abstraktes Konzept ‚Möbel‘ bilden als ‚Oberbegriff‘ zu den drei zuvor genannten Konzepten. Nennt man abstrakte Konzepte, die sich direkt auf virtuell-konkrete Konzepte beziehen, Level 1-Konzepte, dann könnte man abstrakte Konzepte, die mindestens ein Konzept von Level n voraussetzen, Level n+1 Konzepte nennen. Wie viele Level im Bereich der abstrakten Konzepte von ‚Nutzen‘ sind, ist offen.  Generell gilt, je ‚höher der Level‘ ist, umso schwieriger wird eine Rückbindung an Level-0 Konzepte.

(ii) Arbeitshypothese: der ‚Mechanismus der Bildung von Bedeutungsbeziehungen‘ funktioniert auch mit Bezug auf beliebige abstrakte Konzepte.

Wenn Hans zu Anna sagt: „Unsere Möbel wirken mittlerweile irgendwie abgenutzt“, dann würde die interne Beziehung Möbel := { ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘ } vom Konzept Möbel zu den anderen untergeordneten Konzepten führen und Anna wüsste (bei gleichem Sprachverstehen), dass Hans eigentlich sagt: „Unsere Möbel in Gestalt von ‚Tisch‘, ‚Stuhl‘, ‚Couch‘   wirken mittlerweile irgendwie abgenutzt“.

Körper-Interne Gegebenheiten

Signalquellen sowohl von körper-externen Gegebenheiten wie auch von körper-internen Gegebenheiten, die dem Gehirn 'extern' sind
BILD 2: Signalquellen sowohl von körper-externen Gegebenheiten wie auch von körper-internen Gegebenheiten, die beide für das Gehirn ‚extern‘ sind.

Im BILD 1 wurde der Zusammenhang zwischen ‚körper-externen‘ Gegebenheiten und dem empfangenden ‚Gehirn‘ skizziert. Aus Sicht des Gehirns sind aber ‚körper-interne Prozesse‘ (verschiedene Körperorgane, vielfältige ‚Sensoren‘, und mehr) auch ‚extern‘ (siehe BILD 2)! Das Gehirn weiß von diesen körper-internen Gegebenheiten auch nur, insofern ihm entsprechende ‚Signale‘ übermittelt werden. Diese können aufgrund ihres ‚individuellen Eigenschaftsprofils‘ vom Gedächtnis  unterschiedlichen ‚abstrakten Konzepten‘  zugeordnet werden, und damit werden sie auch ‚Kandidaten für eine semantische Beziehung‘. Allerdings nur dann, wenn diese Abstraktionen auf körper-internen Signalereignissen beruhen, die im ‚aktuellen Gedächtnis‘ so repräsentiert werden, dass sie ‚uns‘ ‚bewusst‘ werden. [7]

Der ‚körper-interne Ereignisraum‘, der  im aktuellen Gedächtnis ‚bemerkbar‘ wird setzt sich aus sehr vielen unterschiedlichen Ereignissen zusammen. Neben ‚organ-spezifischen‘ Signalen, die sich bisweilen sogar im Körperinnern einigermaßen ‚lokalisieren‘ lassen (‚mein linker Backenzahn tut weh‘, ‚mein Hals juckt‘, ‚ich bin hungrig‘, usw. ), gibt es sehr viele ‚Stimmungen’/ ‚Gefühle’/ ‚Emotionen‘, die sich schwer bis gar nicht lokalisieren lassen, die aber dennoch ‚bewusst‘ sind, und denen man unterschiedliche ‚Intensitäten‘ zuordnen kann (‚Ich bin sehr traurig‘, ‚Das macht mich wütend‘, ‚Die Lage ist hoffnungslos‘, ‚Ich liebe dich sehr‘, ‚Ich glaube Dir nicht‘, …).

Wenn man solchen ‚körper-internen‘ Eigenschaften ‚Worte zuordnet‘, dann entsteht auch eine ‚Bedeutungsbeziehung‘, allerdings ist es zwischen zwei menschlichen Akteuren dann unterschiedlich schwer bis fast unlösbar, jeweils ‚für sich‘ zu klären, was ‚der andere‘ wohl ‚meint‘, wenn er einen bestimmten sprachlichen Ausdruck benutzt. Bei ‚lokalisierbaren‘ sprachlichen Ausdrücken kann man aufgrund eines  ähnlichen Körperbaus eventuell nachvollziehen, was gemeint ist (‚mein linker Backenzahn tut weh‘, ‚mein Hals juckt‘, ‚ich bin hungrig‘). Bei anderen, nicht-lokalisierbaren sprachlichen Ausdrücken (‚Ich bin sehr traurig‘, ‚Das macht mich wütend‘, ‚Die Lage ist hoffnungslos‘, ‚Ich liebe dich sehr‘, ‚Ich glaube Dir nicht‘, …) wird es schwierig. Oft kann man nur ‚raten‘; falsche Interpretationen sind sehr wahrscheinlich.

Spannend wird es, wenn Sprecher-Hörer in ihren sprachlichen Ausdrücken neben solchen Konzepten, die sich von körper-externen Wahrnehmungsereignissen herleiten, auch solche Konzepte benutzen, die sich  von körper-internen Wahrnehmungsereignissen herleiten. Wenn z.B. jemand sagt „Das rote Auto da drüben, da habe ich kein gutes Gefühl“ oder „Die Leute dort mit ihren Mützen machen mir Angst“ oder „Wenn ich dieses Fischbrötchen sehe, dann krieg ich richtig Appetit“ oder „Ach, diese tolle Luft“, usw.  Solche Aussagen machen wir ständig. Sie manifestieren eine durchgängige ‚Dualität unserer Welterfahrung‘: mit unsrem Körper sind wir ‚in‘ einer externen Körperwelt, die wir spezifisch wahrnehmen können, und zeitgleich erleben wir fragmentarisch das ‚Innere unseres Körpers‘, wie es in der aktuellen Situation reagiert. Man kann es auch so sehen: Unser Körper spricht mittels der ‚körper-internen Signale‘ mit uns darüber, wie er eine aktuelle ‚externe Situation‘ erlebt/ empfindet/ fühlt.

Raumstrukturen

In den Bildern 1+2 werden die Wahrnehmungen und die aktuellen Erinnerungen  ‚einzeln‘ dargestellt. Tatsächlich aber verarbeitet das Gehirn alle Signale der ‚gleichen Zeitscheibe‘ [10] so, als ob sie ‚Elemente eines drei-dimensionalen Raumes‘ wären. Dies hat zur Folge, dass zwischen den Elementen ‚räumliche Beziehungen‘ bestehen, ohne dass die Elemente selbst solche Beziehungen erzeugen können. Im Fall von körper-externen Wahrnehmungen gibt es ein klares ’neben‘, ‚vor‘, ‚unter‘ usw. Im Fall von körper-internen Wahrnehmungen bildet der Körper einen Bezugspunkt, aber der Körper als Bezugspunkt ist unterschiedlich konkret (‚Mein linker Zeh…‘, ‚Ich bin müde‘, ‚Mein Magen knurrt‘, …).

Benutzen die Sprecher-Hörer zusätzlich zu ihrer ’normalen‘ angeborenen Wahrnehmung im Fall von körper-externen Gegebenheiten ‚Messoperationen‘, dann kann man den ‚Gegebenheiten im Raum‘ verschiedene Messwerte zuordnen (Längen, Volumen, Lage in einem Koordinatensystem, usw.).

Im Fall von  ‚körper-internen‘ Gegebenheiten  kann man zwar den Körper selbst samt Prozesseigenschaften ‚messen‘ — was z.B. experimentelle Psychologen und Gehirnforscher oft tun –, aber der Zusammenhang mit den körper-internen Wahrnehmungen ist je nach Art der ‚körper-internen Wahrnehmung‘  entweder nur ‚einigermaßen‘ herstellbar (‚Mein linker Zahn schmerzt‘), oder ‚eher nicht‘ (‚Ich fühle mich heute so matt‘, ‚Gerade schoß mir dieser Gedanke durch den Kopf‘).

Zeit: Jetzt, Vorher, ‚Möglich‘

Aus dem Alltag kennen wir das Phänomen, dass wir ‚Veränderungen‘ wahrnehmen können: ‚Die Ampel geht auf rot‘, ‚Der Motor springt an‘, ‚Die Sonne geht auf‘, … Dies ist uns so selbstverständlich, dass wir kaum darüber nachdenken.

Dieses Konzept von ‚Veränderung‘ setzt ein ‚Jetzt‘ und ein ‚Vorher‘ voraus und die Fähigkeit, ‚Unterschiede‘ zwischen dem ‚Jetzt‘ und dem ‚Vorher‘ ‚erkennen zu können‘.

Als Arbeitshypothese [12] für diese Eigenschaft des Erkennens von ‚Veränderungen werden hier folgende Annahmen getroffen:

  1. Ereignisse als Teil von räumlichen Anordnungen werden als ‚Situationen‘ im ‚potentiellen Gedächtnis‘ hinterlegt, und zwar so, dass ‚aktuelle Wahrnehmungen‘, die sich von ‚hinterlegten (vorher)‘ Situationen unterscheiden, durch unbewusste Vergleichsoperationen ‚auffallen‘: wir merken, ohne es zu wollen, dass die Ampel von Orange auf Grün schaltet. Solche ‚Veränderungen‘ können wir dadurch beschreiben, dass wir den Zustand ‚vorher‘ und ‚jetzt‘ nebeneinander stellen können.
  2. In einem ‚Vergleich‘ im Kontext von ‚Veränderungen‘ benutzen wir ‚abstrakte erinnerte‘ Konzepte in Verbindung mit ‚abstrakten wahrgenommenen‘ Konzepten, z.B. der Zustand der Ampel ‚vorher‘ und ‚jetzt‘.
  3. ‚Aktuelle‘ Wahrnehmungen gehen schnell in ‚erinnerte‘ Wahrnehmungen über (Der Übergang der Ampel von Orange auf Grün ist ‚eben‘ passiert).
  4. Wir können die abstrakten Konzepte erinnerter Wahrnehmungen ‚in einer Folge/ Reihe‘ anordnen‘ derart, dass ein Element in der Reihe als ‚zeitlich‘ vorher‘ zu einem nachfolgenden Element angesehen werden kann oder ‚zeitlich nachher‘. Durch Abbildung in ’sprachliche Ausdrücke‘ kann man diese Sachverhalte ‚mehr explizit‘ machen.
  5. Durch die Verfügbarkeit von ‚zeitlichen Relationen‘ (‚x ist zeitlich  vor y‘, ‚y ist zeitlich nach x‘, ‚y ist zeitgleich mit y‘, …) gewinnt man einen Ausgangspunkt für die Betrachtung von ‚Häufigkeiten‘ in diesen Beziehungen, z.B. „Ist y zeitlich ‚immer‘ nach y“ oder nur ‚manchmal‘? Ist dieses zeitliche Muster ‚zufällig‘ oder irgendwie ’signifikant‘?
  6. Sofern die beobachteten ‚Muster zeitlichen Auftretens‘ ’nicht rein zufällig‘ sind sondern sich hierin signifikante Wahrscheinlichkeiten andeuten, dann kann man auf dieser Basis ‚Hypothesen für solche Situationen‘ formulieren, die ’nicht vergangen und nicht gegenwärtig sind‘, aber im Licht der Wahrscheinlichkeiten als ‚künftig möglich‘ erscheinen.

Zeit: faktisch und analytisch

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

Die vorausgehenden Überlegungen zur Zeit gehen davon aus, dass das ‚Erkennen von Veränderungen‘ auf einer ‚automatischen Wahrnehmung‘ beruht: dass sich etwas in unserem Wahrnehmungsraum  ‚verändert‘, beruht auf ‚unbewussten neuronalen Prozessen‘, die diese Veränderung ‚automatisch erfassen‘ und ‚automatisch zur Kenntnis‘ bringen, ohne dass wir dies ‚bewusst‘ tun müssten. In allen Sprachen finden sich dazu sprachliche Ausdrücke, die dies reflektieren: ‚fahren‘, ‚wechseln‘, ‚wachsen‘, ‚fliegen‘, ’schmelzen‘, ‚erhitzen‘, ‚altern‘, … Wir können mit einer gewissen ‚Leichtigkeit‘ von Veränderungen Notiz nehmen, mehr aber auch nicht. Es ist das ‚pure Faktum‘ von Veränderung, was sich uns bemerkbar macht; daher die Formulierung ‚faktische Zeit‘.

Wenn wir ‚verstehen‘ wollen, was denn genau passiert bei einer Veränderung, warum, unter welchen  Bedingungen, wie oft, in welchem Zeitraum usw., dann müssen wir uns die Mühe machen, solche Veränderungen genauer zu ‚analysieren‘. Dies bedeutet, wir müssen den ‚gesamten Veränderungsprozess‘ anschauen und versuchen, an ihm so viele ‚einzelne Momente‘ zu identifizieren, dass wir dann — eventuell — Hinweise finden, was genau wie und warum passiert ist.

Solch eine Analyse kann nur gelingen, wenn man folgende Fragen beantworten kann:

  1. Wie kann man die Situation ‚vor‘ der Änderung beschreiben?
  2. Wie kann man die Situation ’nach‘ der Änderung beschreiben?
  3. Worin genau bestehen die ‚Unterschiede‘?
  4. Wie kann man eine Wenn-Dann-Regel formulieren, die besagt, bei welcher ‚Voraussetzung‘ welche ‚Veränderung‘ so angewendet werden sollen, dass sich der gewünschte ’neue Zustand‘ mit allen ‚Veränderungen‘ ergibt?

Beispiel: Ein Passant beobachtet, dass eine Ampel von Orange auf Grün wechselt. Eine (einfache) Analyse könnte wie folgt funktionieren:

Veränderungsregel (einfach):

VORAUSSETZUNGEN

  1. Vorher: Die Ampel ist orange.
  2. Nachher: Die Ampel ist grün.
  3. Unterschied: Die Eigenschaft ‚orange‘ wurde durch die Eigenschaft ‚grün‘ ersetzt.

REGEL-TEXT

Veränderungsregel: Wenn: ‚Eine Ampel ist orange‘. Dann: (i) Entferne ‚Eine Ampel ist orange‘, (ii) Füge hinzu: ‚Eine Ampel ist grün‘

Will man diesen Gedanken vertiefen, dann stößt man schnell auf viele Fragen eine einzelne Veränderungsregel betreffend:

  1. Was an einer ‚Situation vorher‘ ist wichtig? Muss man ‚alles‘ aufschreiben oder nur ‚Teilaspekte‘? Wie bestimmt eine Gruppe von menschlichen Akteuren die ‚Grenze‘ von der Situation zur weiteren Umgebung? Falls nur eine teilweise Beschreibung: wie bestimmt man, was wichtig ist?
  2. Entsprechende Fragen stellen sich auch für die Beschreibung der ‚Situation nachher‘.
  3. Spannend ist auch die Frage nach dem ‚Wenn-Teil‘ der Veränderungs-Regel: Wie viele der Sachverhalte der Situation vorher sind wichtig? Sind alle wichtig oder nur einige? Wenn ich z.B. drei Sachverhalte unterscheiden kann: müssen sie alle ‚gleichzeitig‘ erfüllt sein oder nur ‚alternativ‘?
  4. Interessant ist auch der ‚Zusammenhang‘ zwischen der Situation vorher und nachher: Ist diese beobachtbare Veränderung (i) ‚ganz zufällig‘ oder (ii) kommt diesem Zusammenhang eine ‚gewisse Häufigkeit‘ (ein gewisser ‚Wahrscheinlichkeitswert‘) zu, oder (iii) tritt dieser Zusammenhang ‚immer‘ auf?

Schaut man sich mit diesen Fragen im Hinterkopf konkrete Beispiele der normalen Sprache zur ‚faktischen Zeit‘ an, dann kann man gut erkennen, wie ‚minimalistisch‘ Veränderung im Alltag sprachlich praktiziert wird:

  1. Peter geht nach oben.
  2. Kommst Du?
  3. Er trank das Glas aus.
  4. Sie öffnete die Tür.
  5. Wir aßen schweigend.

Alle diese Ausdrücke (1) – (5) thematisieren nur knapp die Art der Veränderung, deuten beteiligte Personen und Gegenstände an, und lassen den Raum, in dem dies geschieht, unerwähnt. Die genaue Zeitdauer wird auch nicht explizit angegeben. Die Sprecher-Hörer in diesen Situationen setzen offensichtlich voraus, dass jeder aufgrund der sprachlichen Äußerungen ’sich selbst die zugehörige Bedeutung erschließen‘ kann, einmal durch das ‚allgemeine Sprachwissen‘, zum anderen durch das ‚konkrete Involviert‘ sein in der jeweiligen konkreten Situation.

Einen ganz anderen Aspekt liefert im Fall einer ‚analytischen Zeit‘ die Frage nach der ‚Beschreibung selbst‘, der ‚Regel-Text‘:

Veränderungsregel: Wenn: ‚Eine Ampel ist orange‘. Dann: (i) Entferne ‚Eine Ampel ist orange‘, (ii) Füge hinzu: ‚Eine Ampel ist grün‘

Dieser Text enthält sprachliche Ausdrücke ‚Eine Ampel ist orange‘ sowie ‚Eine Ampel ist grün‘. Diese sprachlichen Ausdrücke haben in der normalen Sprache meistens eine bestimmte ’sprachliche Bedeutung‘, die sich in diesem Fall auf ‚Erinnerungen‘ beziehen, die aufgrund von ‚Wahrnehmungen‘ gebildet worden sind. Es geht um das abstrakte Objekt ‚Ampel‘, dem die abstrakten Eigenschaften ‚orange‘ bzw. ‚grün‘ zu- bzw. abgesprochen werden. Normalerweise haben Sprecher-Hörer des Deutschen gelernt, diese abstrakten Bedeutung anlässlich einer ‚konkreten Wahrnehmung‘ auf solche konkreten Gegebenheiten (reale Ampeln) zu beziehen, die sie im Rahmen ihres Sprach-Lernens als ‚zugehörig‘ gelernt haben. Ohne eine aktuelle konkrete Wahrnehmung handelt es sich nur um abstrakte Bedeutungen mittels abstrakter Erinnerungen, deren ‚Wirklichkeitsbezug‘ nur ‚potentiell‘ ist. Erst beim Auftreten einer konkreten Wahrnehmung mit den ‚passenden Eigenschaften‘ wird aus der ‚potentiellen‘ Bedeutung eine ‚real gegebene‘ (empirische) Bedeutung.

Der Text einer Veränderungs-Regel beschreibt also abstrakt einen möglichen Übergang von einer abstrakt geschilderten Situation zu einer abstrakt möglichen anderen Situation. Ob aus dieser abstrakten Möglichkeit jemals eine konkrete reale Bedeutung wird, ist offen. Die Verdichtung von ‚mehrmaligen Ereignissen‘ gleicher Art in der Vergangenheit (gespeichert als Erinnerung) im Konzept der ‚Häufigkeit‘ oder dann im Konzept einer ‚Wahrscheinlichkeit‘ kann zwar die ‚Erwartung eines Akteurs‘ dahingehend beeinflussen, dass er in seinem Verhalten ‚berücksichtigt‘, dass die Veränderung eintreten kann, wenn er die ‚auslösende Situation‘ wieder ‚herstellt‘, aber eine vollständige Sicherheit dafür gäbe es nur dann, wenn die beschriebene Veränderung auf einem vollständig deterministischen Zusammenhang beruhen würde.

Was in dieser einfachen Betrachtung nicht vorkommt, das ist der zeitlichen Aspekt: ob eine Veränderung sich im Millisekunden Bereich abspielt oder in Stunden, Tagen, Monaten Jahren, das markiert gewaltige Unterschiede.

Desgleichen die Bezugnahme auf einen Raum: Wo findet der statt? Wie?

Arbeitshypothese KONTEXT

Sprachlich Beschreibungen von Veränderungen geschehen als ‚abstrakte Formulierungen‘ und setzen in der Regel folgendes voraus:

  1. Ein gemeinsames sprachliches Bedeutungswissen in den Köpfen der Beteiligten.
  2. Eine Kenntnis der räumlichen Situation, in der die Veränderung stattfindet.
  3. Eine Kenntnis der beteiligten Personen und Gegenstände.
  4. Eine Kenntnis der zeitlichen Dimension.
  5. Optional: Eine Kenntnis von erfahrungsbasierter Wahrscheinlichkeit.

Veränderungs-Beschreibungen, die abstrakt abgefasst sind, müssen — je nach Fall und Anforderung — die Kontext-Aspekte (1) – (5) explizit machen, um ‚verständlich‘ sein zu können.

Die Forderung nach ‚Verständlichkeit‘ ist aber prinzipiell ‚vage‘, da die jeweiligen Kontexte beliebig komplex und beliebig unterschiedlich sein können.

ABSTRAKTE STRUKTUREN II = DENKEN

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023, 19:15h)

Die bisher eingeführten abstrakten Elemente sind zwar noch wenige, aber sie erlauben schon jetzt, einen gewissen ‚abstrakten Raum‘ abzustecken. So gibt es bislang

  1. Abstrakte Elemente im aktuellen Gedächtnis (auch ‚Bewusstsein‘) auf der Basis von konkreter Wahrnehmung,
  2. die dann übergehen können in gespeicherte abstrakte — und dynamische — Elemente des potentiellen Gedächtnisses,
  3. weiterhin abstrakte Konzepte n-ter Ordnung im aktuellen wie auch im potentiellen Gedächtnis,
  4. Abstrakte Elemente im aktuellen Gedächtnis (auch ‚Bewusstsein‘) auf der Basis von konkreter Wahrnehmung, die als sprachliche Elemente fungieren,
  5. die dann ebenfalls übergehen können in gespeicherte abstrakte — und dynamische — Elemente des potentiellen (Sprach-)Gedächtnisses,
  6. ebenso abstrakte sprachlicher Konzepte n-ter Ordnung im aktuellen wie auch im potentiellen Gedächtnis,
  7. abstrakte Beziehungen zwischen abstrakten sprachlichen Elementen und abstrakten anderen Elementen des aktuellen wie potentiellen Gedächtnisses.
  8. sprachliche Ausdrücke für die Beschreibung von faktischen Veränderungen und
  9. sprachliche Ausdrücke für die Beschreibung von analytischen Veränderungen.

Die Generierung von abstrakten sprachlichen Elementen erlaubt also auf vielfache Weise die Beschreibung von Veränderungen von etwas Gegebenem, das (i) entweder als ‚bedingungsloses‘ Geschehen nur ‚geschildert‘ wird oder aber (ii) mit ‚Veränderungs-Regeln‘ arbeitet, die klar zwischen ‚Bedingung‘ und ‚Wirkung‘ unterscheidet. Dieser zweite Fall mit Veränderungsregeln lässt sich mit vielen Spielarten von ‚logischen Folgerungen‘ in Beziehung setzen. Tatsächlich kann man jede bekannte Form von ‚Logik‘ mit diesem allgemeinen Konzept von Veränderungsregeln ‚emulieren‘.

Diese hier nur angedeutete Idee wird im weiteren Verlauf etwas genauer untersucht und in verschiedenen Anwendungen demonstriert werden.

SEIN: ‚Fiktiv (Virtuell)‘ und ‚Real‘

(Letzte Änderung: 27.Februar 2023, 03:40h)

Schon diese wenigen Überlegungen lassen erkennen, dass es unterschiedliche Formen von ‚Sein‘ gibt.[5]

Im Schema von BILD 1 gibt es jene Gegebenheiten in der realen Außenwelt, die zum Auslöser von Wahrnehmungen werden können. Unser Gehirn kann diese ‚realen Gegebenheiten‘ aber nicht direkt erkennen, nur ihre ‚Wirkungen im Nervensystem‘: zuerst (i) als ‚Wahrnehmungsereignis‘, dann (ii) als ‚Gedächtniskonstrukt‘ unterschieden nach (ii.1) ‚aktuellem Gedächtnis (Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, …) und (ii.2) ‚potentiellem Gedächtnis‘ (Langzeitgedächtnis, verschiedene funktionelle Klassifikationen, ..).[6]

Nennt man die ‚Inhalte‘ von Wahrnehmung und aktuellem Gedächtnis ‚bewusst‘ [7], dann wäre die primäre Form von ‚Sein‘, deren wir direkt habhaft werden können, jene ‚bewussten Inhalte‘, die unser Gehirn uns aus all seinen neuronalen Berechnungen ‚aufbereitet präsentiert‘. Unsere ‚aktuelle Wahrnemungen‘ stehen dann für die ‚Realität da draußen‘, obgleich wir tatsächlich ‚die Realität da draußen‘ nicht ‚direkt, unmittelbar‘ erfassen können, sondern nur ‚vermittelt, indirekt‘.

Sofern wir uns ‚aktueller Inhalte‘ ‚bewusst‘ sind, die das ‚potentielle Gedächtnis‘ uns ‚zur Verfügung‘ stellt (im Alltag meist  ‚erinnern‘ genannt; im Ergebnis eine ‚Erinnerung‘),  haben wir auch eine Form von ‚primärem Sein‘ zur Verfügung, dieses primäre Sein muss aber aktuell keine Entsprechung in der Wahrnehmung haben; daher klassifizieren wir es als  ’nur erinnert‘ oder ’nur gedacht‘ oder ‚abstrakt‘ ohne ‚konkreten‘ Wahrnehmungsbezug.

Für die Frage der inhaltlichen Übereinstimmung zwischen ‚realer Gegebenheit‘ und ‚wahrgenommener Gegebenheit‘ sowie zwischen ‚wahrgenommener Gegebenheit‘ und ‚erinnerter Gegebenheit‘ gibt es zahllose Erkenntnisse, die allesamt darauf hindeuten, dass diese beiden Beziehungen unter dem Aspekt der ‚Abbildungsähnlichkeit‘ keine ‚1-zu-1‘ Abbildungen darstellen. Dies hat vielfache Ursachen.

Im Fall der Wahrnehmungsähnlichkeit mit den auslösenden realen Gegebenheiten spielt schon die Interaktion zwischen realer Gegebenheit und den jeweiligen Sinnesorganen eine Rolle, dann die Verarbeitung der primären Sinnesdaten durch das Sinnesorgan selbst sowie durch das nachfolgende Nervensystem. Das Gehirn arbeitet mit ‚Zeitscheiben‘, mit ‚Selektion/ Verdichtung‘ und mit ‚Interpretation‘. Letztere resultiert aus dem ‚Echo‘ aus dem potentiellen Gedächtnis, das aktuelle neuronale Ereignisse ‚kommentiert‘. Zusätzlich können unterschiedliche ‚Emotionen‘ den Wahrnehmungsprozess beeinflussen. [8]  Das ‚finale‘ Produkt aus Übertragung, Verarbeitung, Selektion, Interpretation und Emotionen  ist dann das, was wir als ‚Wahrnehmungsinhalt‘ bezeichnen.[6]

Im Fall der ‚Erinnerungs-Ähnlichkeit‘ deuten die Verarbeitungsprozesse des ‚Abstrahierens‘ und ‚Speicherns‘, der kontinuierlichen ‚Aktivierungen‘ von Gedächtnisinhalten sowie der ‚Wechselwirkungen‘ zwischen Erinnertem darauf hin, dass sich ‚Gedächtnisinhalte‘ im Laufe der Zeit deutlich verändern können, ohne dass der betreffende Mensch, der gerade erinnert, dies am Gedächtnisinhalt selbst  ablesen kann. Um diese Veränderungen erkennen zu können braucht man ‚Aufzeichnungen‘ von vorausgehenden Zeitpunkten (Fotos, Filme, Protokolle, …), die Anhaltspunkte für die realen Gegebenheiten liefern können, mit denen man seine Erinnerungen vergleichen kann.[9]

Wie man aus diesen Überlegungen erkennen kann, ist die Frage nach dem ‚Sein‘ keine triviale Frage. Einzelne Fragmente von Wahrnehmungen oder Erinnerungen sind tendenziell keine 1-zu-1 ‚Repräsentanten‘ möglicher realen Gegebenheiten. Dazu kommt die hohe ‚Veränderungsrate‘ der realen Welt, nicht zuletzt auch durch die Aktivitäten des Menschen selbst.

KOMMENTARE

wkp := Wikipedia

[1] Statt von ’normaler Sprache‘ im ‚Alltag‘ spreche ich hier auch einfach von ‚Alltagssprache‘

[2] Ein Denker, der sich mit diesem Phänomen des ‚alltäglich Konkretem‘ und gleichzeitig doch auch ‚alltäglich — irgendwie — Abstraktem‘ beschäftigt hat, ist Ludwig Wittgenstein (siehe [2a,b]). Er führte dazu den Begriff des ‚Sprachspiels‘ ein, ohne dass er im eigentlichen Sinne zu all diesen Überlegungen eine eigentliche ‚(empirische) Theorie‘ einführte.

[2b] Wittgenstein, L.; Tractatus Logico-Philosophicus, 1921/1922 /* Während des Ersten Weltkriegs geschrieben, wurde das Werk 1918 vollendet. Es erschien mit Unterstützung von Bertrand Russell zunächst 1921 in Wilhelm Ostwalds Annalen der Naturphilosophie. Diese von Wittgenstein nicht gegengelesene Fassung enthielt grobe Fehler. Eine korrigierte, zweisprachige Ausgabe (deutsch/englisch) erschien 1922 bei Kegan Paul, Trench, Trubner und Co. in London und gilt als die offizielle Fassung. Die englische Übersetzung stammte von C. K. Ogden und Frank Ramsey. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Tractatus logicophilosophicus*/

[2c] Wittgenstein, L.; Philosophische Untersuchungen,1936-1946, publiziert 1953 /* Die Philosophischen Untersuchungen sind Ludwig Wittgensteins spätes, zweites Hauptwerk. Es übten einen außerordentlichen Einfluss auf die Philosophie der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts aus; zu erwähnen ist die Sprechakttheorie von Austin und Searle sowie der Erlanger Konstruktivismus (Paul Lorenzen, Kuno Lorenz). Das Buch richtet sich gegen das Ideal einer logik-orientierten Sprache, die neben Russell und Carnap Wittgenstein selbst in seinem ersten Hauptwerk vertreten hatte. Das Buch ist in den Jahren 1936-1946 entstanden, wurde aber erst 1953, nach dem Tod des Autors, veröffentlicht. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophische Untersuchungen*/

[3] Im Grenzfall sind diese ‚anderen‘ Phänomene des Alltags auch sprachliche Ausdrücke (wenn man ‚über‘ einen Text oder sprachliche Äußerungen‘ spricht).

[4] wkp [DE]: Sprachfamilien der Welt, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachfamilien_der_Welt . Anmerkung: Aufgrund von ‚räumlicher Nähe‘ oder zeitlichem Zusammenhang (oder beidem) kann es unterschiedlich viele Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Sprache geben.

[5] Das Wort ‚Sein‘ ist eines der ältesten und beliebtesten Konzepte in der Philosophie. Im Fall der europäischen Philosophie tritt das Konzept ‚Sein‘ im Kontext der klassischen Griechischen Philosophie auf, und verbreitet sich durch die Jahrhunderte und Jahrtausende in ganz Europa und dann in jenen Kulturen, die mit der Europäischen Kultur einen gedanklichen Austausch hatten/ haben. Die systematische Beschäftigung mit dem Konzept ‚Sein‘ nannten und nennen  die Philosophen ‚Ontologie‘. Siehe dazu überblicksmäßig den Artikel ‚Ontologie‘ in der Deutschen Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ontologie

[6] Zum Thema ‚Wahrnehmung‘ und ‚Gedächtnis‘ gibt es eine riesige Literatur in verschiedenen empirischen Disziplinen. Die wichtigsten dürfen wohl die ‚Biologie‘, die ‚experimentelle Pschologie‘ und die ‚Gehirnwissenschaften‘ sein; diese ergänzt um die philosophische ‚Phänomenologie‘, und dann Kombinationen von diesen wie z.B. ‚Neuro-Psychologie‘ oder ‚Neuro-Phänomenologie‘ usw. Dazu gibt es unzählige weitere spezielle Disziplinen wie z.B. die ‚Linguistik‘ und die ‚Neuro-Linguistik‘.

[7] Eine weiterhin offene Frage ist, wie das im Alltag geläufige Konzept ‚Bewusstsein‘ in diesem Kontext einzuordnen ist. Wie auch der Begriff ‚Sein‘ war und ist der  Begriff ‚Bewusstsein‘  in der neueren Europäischen Philosophie  sehr prominent, hat aber auch starke Beachtung in vielen empirischen Disziplinen gefunden;  besonders im Spannungsfeld von philosophischer Phänomenologie, Psychologie und Gehirnforschung gibt es eine lange und intensive Debatte darüber, was man denn jetzt unter ‚Bewusstsein‘ verstehen soll. Aktuell (2023) gibt es kein klares, allseits akzeptiertes Ergebnis dieser Diskussionen.  Von den vielen verfügbaren Arbeitshypothesen erscheint dem Autor dieses Textes die Anknüpfung an die empirischen Modelle zum ‚aktuellem Gedächtnis‘ in enger Verknüpfung mit den Modellen zur ‚Wahrnehmung‘ bislang am ehesten nachvollziehbar. In diesem Kontext wäre auch das Konzept des ‚Unbewussten‘ einfach erklärbar. Für einen Überblick siehe den Eintrag ‚Bewusstsein‘ in der Deutschen Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein

[8] Im Alltag erleben wir ständig, dass verschiedene Menschen die gleichen realen Ereignisse unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem in welcher ‚Stimmung‘ sie sich befinden, welche aktuellen Bedürfnisse sie gerade haben, über welches ‚Vor-Wissen‘ sie verfügen, und wie ihre reale Position zur realen Gegebenheit beschaffen ist, um nur einige Faktoren zu bennen, die eine Rolle spielen können.

[9] Klassische Beispiele für die mangelnde Qualität von Erinnerungen bilden seit jeher ‚Zeugenaussagen‘ zu bestimmten Vorgängen.  Zeugenaussagen stimmen fast nie ‚1-zu-1′ überein, bestenfalls ’strukturell‘, und selbst darin kann es ‚Abweichungen‘ unterschiedlicher Stärke geben.

[10] Die Erkenntnis über die ‚Zeitscheiben‘ bei der Verarbeitung von  körper-externen Gegebenheiten findet sich in vielen Arbeiten der experimentellen Psychologie und der Gehirnforschung. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel, wie dieser Faktor sich im Verhalten des Menschen auswirkt, bietet das Buch von Card, Moran und Newell (1983), siehe [11].

[11] Stuart K.Card, Thomas P.Moran, Allen Newell, (1983),The Psychology of Human-Computer Interaction, CRC-Press (Taylor & Francis Group), Boca Raton – London – New York. Anmerkung: Aus Sicht des Autors dieses Textes war  dieses Buch ein Meilenstein in der Entwicklung der Disziplin  der  Mensch-Maschine Interaktion. 

[12] Zur Frage des Gedächtnisses, speziell zur Frage der Mechanismen, die für die Speicherung von Inhalten und deren weitere Verarbeitung (z.B. auch ‚Vergleiche‘) zuständig sind, gibt es viel Literatur, aber noch keine endgültige Klarheit. Es wird hier wieder der Weg einer ‚hypothetischen Strukturbildung‘ gewählt: explizite Annahme einer Struktur, die die verfügbaren Phänomene ‚einigermaßen erklärt‘ bei Offenheit für weitere Modifikationen.

OKSIMO.R – DIE INNENSEITE DER AUSSENSEITE – Teil 2

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

(Letzte Änderung: 31.Januar 2023)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Buchprojektes „oksimo.R – Editor und Simulator für Theorien“.

Die Innenseite der Außenseite

(Dieser Text ist eine unmittelbare Fortsetzung des Textes ‚Die Innenseite der Außenseite‘, Teil 1, Grundbausteine …)

Teil 2

Einrichtung Erster Strukturen

Auf den ersten Blick liefert der zuvor beschrieben galaktische Zellverband eines menschlichen Körpers keinen natürlichen Anhaltspunkt für ein irgendwie geartetes ‚Zentrum‘. Welche Zelle sollte wichtiger sein als eine andere? Jede ist aktiv, jede macht ihren ‚Job‘. Viele ‚reden‘ mit vielen. Es werden chemische Stoffe ausgetauscht oder mittels chemischem Stoffaustausch werden ‚elektrische Potentiale‘ erzeugt, die ’schneller‘ wandern können und die ‚impulsartige Ereignisse‘ erzeugen können, die dann wiederum chemische Stoffe aktivieren. Würde man dieses ‚Reden mit chemischen Stoffen und elektrischen Potentialen‘ künstlich hörbar machen, hätten wir eine Symphonie von 127 Billionen (127 x 10^12) Einzelstimmen …

Und doch, wenn wir unsere menschlichen Körper im Alltag erleben, dann sehen wir keine riesige Wolke galaktischen Ausmaßes von einzelnen Zellen, dann sehen wir ein ‚abgegrenztes Objekt‘ mit einer Oberfläche, die ’sichtbar‘ ist; ein Objekt, das ‚Geräusche‘ erzeugen kann, das ‚riecht‘, das ‚anfassbar‘ ist, das sich ‚verändern‘ und ‚bewegen‘ kann. Außerdem kann es ‚Dinge in sich hineinstopfen‘, und es kommen auch ‚Gase‘, ‚Flüssigkeiten‘ und ‚festere Bestandteile‘ aus ihm heraus. Ferner ist bei längerer Betrachtung offensichtlich, dass es Bereiche am Körper gibt, die auf ‚Licht‘ (Augen) reagieren, auf ‚Geräusche‘ (Ohren), auf ‚Gerüche‘ (Nase), auf ‚Berührung‘ (Haut), auf ‚Körperstellungen‘ (u.a. Gleichgewichtssinn), auf ‚Temperatur‘ (Haut), auf ‚chemische Zusammensetzungen von Stoffen im Mund‘ (Geschmacksorgane im Mund) und einiges mehr.

Diese alltägliche ‚Erfahrung‘ legt die Annahme nahe, dass sich die Zellen unseres menschlichen Körpers räumlich zu ’speziellen Netzwerken‘ verabredet haben [1], die einen hohen ‚Organisationsgrad‘ aufweisen, so ausgeprägt, dass diese Netzwerke wie ‚eine Einheit‘ erscheinen, wie ein ‚einziges System‘ mit ‚Input‘ und ‚Output‘, und wo zwischen Input und Output komplexe Prozesse ablaufen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, den galaktischen Raum der autonomen Zellen eines menschlichen Körpers als ein ‚Kollektiv von organisierten Systemen‘ zu betrachten, die untereinander in regem Austausch zu stehen scheinen.[2], [5],[6]

Bei modernen technischen Systemen wie z.B. einem Auto, einem Flugzeug, einem Computer gibt es eine ‚Meta-Ebene‘, von er aus das ganze System ‚gesteuert‘ werden kann. Im Auto das Lenkrad, die Bremse, die Gangschaltung usw., ähnlich im Flugzeug das Cockpit mit einer Vielzahl von Instrumenten, oder beim Computer die Eingabe-Geräte (Tastatur, Maus, Zeichenbrett, Mikrophon, …). Allerdings zeichnet sich seit Jahren eine immer weiter gehende ‚Autonomie‘ dieser technischen Geräte ab insoweit viele Steurungsentscheidungen des Menschen in ‚Subsysteme‘ verlagert werden, die dadurch immer mehr klassische Steuerungsleistung des Menschen ‚übernehmen‘.[7]

In einem menschlichen Körper gibt es ‚parallel‘ zu den vorhandenen Körpersysteme u.a. das ‚Nervensystem‘ mit dem ‚Gehirn‘ als zentralem Bereich, in dem viele ‚Signale von den Körpersystemen‘ zusammen laufen und von dem aus wiederum ‚Signale zu den Körpersystemen‘ ausgesendet werden. Das Gehirn mit dem Nervensystem scheint also ein eigenes System zu bilden, das die einlaufenden Signale in verschiedenen ’neuronalen Prozessen‘ verarbeitet und gleichfalls Signale aussendet, die ‚Wirkungen in den Körpersystemen‘ hervorrufen können.[8a],[8b] Aus der Sicht des ‚Funktionierens‘ kann man das Gehirn mit dem Nervensystem von daher als eine Art ‚Meta-System‘ verstehen, in dem sich Eigenschaften aller anderen ‚Körpersysteme‘ ‚abbilden‘, eine ‚prozesshafte Deutung‘ finden, und mit Hilfe dieser Abbildungen und Deutungen bis zu einem gewissen Grad beeinflusst (= ‚gesteuert‘) werden können.

Wie die modernen empirischen Wissenschaften immer mehr durch ihre Untersuchungen und anschließenden ‚Deutungen‘ ansatzweise ’sichtbar machen‘ (z.B. [5],[6]), haben die unterscheidbaren Körpersysteme selbst eine sehr hohe Komplexität mit einer ihnen eigenen ‚Autonomie‘ (Magen, Leber, Niere, Herz, …), die nur bedingt vom Gehirn beeinflussbar sind, die umgekehrt aber auch das Gehirn beeinflussen können. Dazu kommt ein kaum überschaubare Menge an wechselseitigen Beeinflussungen über die ungeheuren ‚Stoffströme‘ im Blutkreislauf und in den Körperflüssigkeiten.

Für den Kontext dieses Buches interessieren hier vor allem jene Strukturen, die wichtig sind für die ‚Koordinierung der verschiedenen Gehirne‘ mittels ‚Sprache‘ und eng damit verknüpft die ‚kognitiven‘ und ‚emotionalen‘ Prozesse im Gehirn, die dafür verantwortlich sind, welche ‚kognitiven Bilder im Kopf‘ entstehen, mit denen ein Gehirn ’sich selbst‘ und ‚alles andere‘ ‚interpretiert‘.

Wie den Menschen beschreiben?

Die Beschreibung der menschlichen Zell-Galaxie in der Art von ‚Subsystemen‘ mit ihrem eigenen ‚Input‘ und ‚Output‘ und dazu gehörigen ‚inneren Prozessen‘ — hier einfach ‚Systemfunktion‘ genannt — kann auf den ersten Blick ‚einfach‘ erscheinen, ’normal‘, oder auch nicht. Wir betreten mit dieser Frage die grundsätzliche Frage, wie wir überhaupt die menschliche Zell-Galaxie — also ‚uns selbst‘! — beschreiben können und darüberhinaus vielleicht beschreiben ’sollten‘: gibt es irgendwelche Kriterien, aufgrund deren wir eine ‚bestimmte Beschreibungsweise‘ bevorzugen sollten?

Wenn wir im Fall der Beschreibung der ‚Natur‘, der ‚realen Welt‘ vielleicht noch unterscheiden können zwischen ‚uns‘ und der ‚Natur‘ (was aber, wie sich später zeigen wird, ein nicht unerheblicher Trugschluss ist)), wird es bei der ‚Beschreibung von uns selbst‘ etwas schwieriger. Wenn man etwas beschreiben will, benötigt man bestimmte Voraussetzungen, um eine Beschreibung vornehmen zu können. Wie ist aber die Lage, wenn wir uns — mit noch zu klärenden Voraussetzungen — selbst beschreiben wollen? Beißt sich da nicht die berühmte ‚Katze in den eigenen Schwanz‘?

Im ’normalen Alltag‘ [9] sind typische Formen, mit denen wir ‚etwas anderes‘ beschreiben neben z.B. ‚Bildern‘, ‚Fotografien‘, ‚Videos‘, ‚Musik‘, ‚Körperbewegungen‘ und anderem, vor allem aber sprachliche Ausdrücke (gesprochen, geschrieben; Alltagssprache, Fachsprache; …).

Bleiben wir für einen Moment bei der ‚Alltagssprache (Deutsch, Englisch, Italienisch, …).

Als Kinder werden wir in eine bestimmte, schon bestehende Welt mit einem jeweiligen ‚Alltag‘ hinein geboren. In der Umgebung wird mindestens eine Sprache gesprochen. Wenn die Eltern zweisprachig sind sogar zwei Sprachen parallel. Wenn die Umgebung sich von der Sprache der Eltern unterscheidet dann vielleicht sogar drei Sprachen. Und heute, wo auch die Umgebung immer ‚inter-kultureller‘ wird, vielleicht sogar noch mehr als drei Sprachen …

Wie viele Sprachen auch immer gleichzeitig für einen Menschen auftreten, jede Sprache hat ihre eigenen ‚Regeln‘, ihr eigene ‚Aussprache‘, ihren eigenen ‚Kontextbezug‘, ihre eigenen ‚Bedeutungen‘. Diese Kontexte können sich ändern; die Sprache selbst kann sich ändern. Und wenn jemand nicht nur mit einer Sprache aufwächst, sondern mit mehr als einer, dann kann es ‚im Menschen‘, im ‚Sprecher-Hörer‘, natürlich zu vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sprache kommen. Da dies heute an vielen Orten gleichzeitig mit immer mehr Menschen geschieht, gibt es noch kaum ausreichende Forschungsergebnisse, die diese Vielfalt in ihren Besonderheiten ausreichend beschreiben.

Wollen wir also ‚uns selbst‘ als ‚Teil der realen Welt‘ beschreiben, sollten wir zunächst mal akzeptieren und ‚bewusst annehmen‘, dass wir im Moment des Beschreibens nicht bei ‚Punkt Null‘ anfangen, nicht als ‚unbeschriebenes Blatt‘, sondern als ein biologisches System, das einen mehr oder weniger langen ‚Lernprozess‘ hinter sich hat. Dabei ist das Wort ‚Lernprozess‘ als Teil der Sprache, die der Autor benutzt, natürlich keine ’neutrale Buchstabenreihe‘, sondern ebenfalls ein ‚Wort‘ seiner Sprache, die er mit vielen anderen Sprechern des ‚Deutschen‘ teilt, und man muss davon ausgehen, dass jeder ‚Sprecher des Deutschen‘ mit dem Wort ‚Lernprozess‘ seine eigenen ‚individuellen Vorstellungen‘ verbindet. Und auch dieses Wort ‚Vorstellungen‘ ist so ein Wort, das als Teil der gesprochenen (und geschriebenen) Sprache normalerweise nicht ‚Bedeutungsfrei‘ daher kommt. Kurzum, sobald wir sprechen, sobald wir Worte in größeren Einheiten zu Aussagen verknüpfen, aktivieren wir eine Menge von ‚Wissen und Fertigkeiten‘, die ‚in uns‘ irgendwie ‚vorhanden‘ sind, die wir ‚automatisch‘ benutzen, und deren Nutzung im Normalfall weitgehend ‚unbewusst‘ ist.[10]

Wenn ich als Autor dieses Textes jetzt Aussagen in der Deutschen Sprache hinschreibe, lasse ich mich quasi von einer ‚Welle tragen‘, deren genaue Beschaffenheit und Wirksamkeit ich im Moment des Gebrauchs nicht vollständig erfassen kann (und das geht jedem Sprachbenutzer so). Ich kann allerdings, wenn ich mich geäußert habe, das Geäußerte anschauen (anhören), und dann schauen, ob und wie ich das in mir bekannte Kontexte einordnen kann. Da allerdings auch das ‚mir Bekannte‘ weitgehend ‚unbewusst‘ ist und nur bei geeigneten ‚Anregungen‘ vom ‚unbewussten Wissen‘ ins ‚bewusste‘ Wissen übergeht, ist die Aufgabe einer ‚Klärung des Redens‘ und der damit verknüpften ‚Bedeutung‘ immer nur fragmentarisch, partiell möglich. Das ‚bewusste Auge des Wissens‘ ist daher eher vergleichbar einer ‚leuchtenden Wissensblase‘ im schwarzen Meer des ‚unbewussten Wissens‘ oder des ‚Nicht-Wissens‘.

Fortsetzung

Sprache und Strukturen – Die Fiktion eines ‚Seins‘

KOMMENTARE

wkp := Wikipedia

[1] In der Mikrobiologie als Teil der Evolutionsbiologie hat man ansatzweise erkannt, wie die einzelnen Zellen während des ‚Wachstumsprozesses‘ mögliche Kooperationen mit anderen Zellen über chemische Stoffe ‚kommunizieren‘, die von ihrem jeweiligen individuellen ‚genetischen Programm‘ ‚kontrolliert‘ werden. Diese Prozesse kann man sehr wohl als ‚Austausch von Signalen‘ beschreiben, wobei diese ‚Signale‘ nicht isoliert auftreten, sondern durch das genetische Programm ‚in Beziehung gesetzt‘ werden zu anderen chemischen Stoffen und Prozessschritten. Durch dieses ‚In-Beziehung-Setzen‘ werden die an sich isolierten chemischen Signalträger in einen ‚Raum von Bedeutungen‘ eingebettet, aus dem heraus sie eine ‚Zuordnung‘ finden. Dieser Gesamtprozess erfüllt alle Anforderungen an eine ‚Kommunikation‘. Insofern erscheint es gerechtfertigt, von einer ‚Verabredung‘ zwischen den einzelnen Zellen zu reden, einer ‚Verständigung‘ darüber, ob und wie sie miteinander ‚kooperieren‘ wollen.

[2] Bei komplexen Verbindungen zwischen Zellen denkt man möglicherweise zuerst an die Zellen im Gehirn (‚Neuronen‘), von denen bestimmte Typen an die 1000 Dendriten (:= dies sind Fortsätze auf einem ‚Axon‘ und ein Axon ist der ‚Ausgang‘ an einem Neuron) haben können, wobei jeder Dendrit mehrere Synapsen beherbergen kann.[3] Da jede Synapse Endpunkt einer Verbindung zu einer anderen Synapsen sein kann, deutet sich an, dass hier ein komplexes Netzwerk in der Größenordnung von Billionen (10^12) Verbindungen in einem Gehirn existieren kann. Daneben gibt es aber auch das System der Blutgefäße, die den ganzen Körper durchziehen und die die ca. 36 Billionen (10^12) Körperzellen mit unterschiedlichen chemischen Stoffen versorgen.

[3] wkp [EN], Neuron, URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Neuron, Abschnitt ‚Connectivity‘, Zitat: „The human brain has some 8.6 x 1010 (eighty six billion (DE: Milliarden)) neurons.[25] Each neuron has on average 7,000 synaptic connections to other neurons. It has been estimated that the brain of a three-year-old child has about 1015 synapses (1 quadrillion (DE: Billiarden)). This number declines with age, stabilizing by adulthood. Estimates vary for an adult, ranging from 1014 to 5 x 1014 synapses (100 to 500 trillion (DE: Billionen)).[26]

[4] wkp [DE], Wissenschaftliche Notation, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftliche_Notation. z.B. ’10^12 = Billion, 10^15 = Billiarde).

[5] Robert F.Schmidt, Gerhard Thews (Hrsg.), 1995, Physiologie des Menschen, 25.Auflage, Springer Verlag

[6] Niels Birbaumer, Robert F.Schmidt, 2006, Biologische Psychologie, 6.Aufl., Springer Verlag

[7] Berühmt das Beispiel des ‚Auto-Piloten‘ im Flugzeug, eine Software, die das gesamte Flugzeug ohne menschliches Zutun ’steuern‘ kann.

[8a] So wird die Stellung der Gelenke kontinuierlich zum Gehirn gesendet und für den Fall einer ‚gezielten Bewegung‘ wird die Menge der aktuellen Gelenkstellungen benutzt, um eine ‚geeignete Bewegung‘ anzustoßen, indem entsprechende Signale ‚vom Gehirn an die Muskeln‘ gesendet werden.

[8b] Wie neuere Forschungen zeigen, ist das Wechselspiel zwischen dem Gehirn un den übrigen Zellen im Körper aber möglicherweise noch dichter und umfassender, als man lange Zeit gedacht hat. Dies entdeckten Forscher, die einem Wechselspiel zwischen Tumorzellen und dem Gehirn auf die Spur gekommen sind: LINA ZELDOVICH, (12.Aug.2022), Cancer’s Got a Lot of Nerve. Tumors recruit the nervous system to help them spread. Scientists are looking for ways to stop it, in: NAUTILUS: SCIENCE CONNECTED, URL: https://nautil.us/cancer-has-got-a-lot-of-nerve-238530/?_sp=bfc8e1c5-77f0-4b75-b806-dd5c2fb84451.1675160065693

[9] Natürlich auch eine gewisse Fiktion, weil jeder letztlich bis zu einem gewissen Grad ’seinen Alltag‘ erlebt, der sich mit dem ‚Alltag eines anderen‘ nur teilweise überschneidet.

[10] Wenn Kinder in der Schule zum ersten Mal mit dem Konzept einer ‚Grammatik‘ konfrontiert werden, mit ‚grammatischen Regeln‘, werden Sie nicht verstehen, was das denn ist. Anhand von konkreten Sprachbeispielen werden sie zwar den einen oder anderen ‚grammatischen Ausdruck‘ mit sprachlichen Phänomenen ‚verknüpfen‘ können, aber wirklich verstehen werden sie das Konzept der Grammatik nicht. Dies liegt daran, dass die gesamten Prozesse, die sich im ‚Innern eines Menschen‘ abspielen, bis heute nur sehr rudimentär erforscht sind. Für die Formulierung einer alltagsnahen Grammatik reicht es auf keinen Fall.

[11] Karl Erich Heidoplh, Walter Flämig, Wolfgang Motsch (Hrdg.),(1980), Grundzüge einer Deutschen Grammatik, Akademie-Verlag, Berlin. Anmerkung: Die wohl bislang am weitesten systematisierte Grammatik des Deutschen, die von einem Deutschen Autorenkollektiv (damals noch DDR) erarbeitet worden ist. Gerade weil der Ansatz sehr systematisch war konnten die Autoren klar erkennen, dass die Grammatik als Beschreibung der ‚regelhaften Formen‘ dort ihre Grenzen erreicht, wo die ‚Bedeutung‘ der Ausdrücke in Spiel kommen. Da ‚Bedeutung‘ einen Sachverhalt umschreibt, der sich im ‚Innern des Menschen‘ abspielt (natürlich in intensiver Wechselwirkung mit Interaktionen des Körpers mit der Umgebung), ist eine umfassende objektive Beschreibung des Faktors Bedeutung in Interaktion mit den Formen immer nur partiell möglich.

OKSIMO PARADIGMA und DEMOKRATIE – Wie belastbar ist die Demokratie – Vorländer, FAZ, 9.Aug.2021, S.6

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
10.Aug 2021 – 12.Aug 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@oksimo.org)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenknotens DEMOKRATIE innerhalb des BEGRIFFLICHEN RAHMENS ZUM OKSIMO PARADIGMA innerhalb des oksimo.org Blogs.

POSITION VON VORLÄNDER

Die Position von Prof. Dr. Hans Vorländer — u.a. Direktor, Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden — soll hier in kurzen Thesen angeleuchtet werden. Daran sollen sich Überlegungen anschließen, die speziell den möglichen Zusammenhang mit dem oksimo Paradigma thematisieren.

Hermeneutik: Wenn eine Person A den Text von anderen Personen liest, dann wird die Person A diesen Text immer (es gibt kein Entkommen) im Lichte ihrer aktuellen Wissensvoraussetzungen lesen. Diese resultieren aus einer individuellen Lerngeschichte und dieses Wissen kann sich kontinuierlich weiter ändern, z.B. schon durch die Lektüre und die aktive Auseinandersetzung mit dem Text. Wer also wissen will, was der Autor (hier Herr Vorländer) selbst geschrieben hat, muss diesen Text selbst lesen. Sollten Sie dies tun, wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie diesen Text ganz anders verstehen sollten wie der Autor in diesem Blog … es gibt nicht zwei Gehirne auf dieser Welt, die ‚gleich‘ sind. Diese Verschiedenheit ist unser Glück; gäbe es sie nicht, würden wir aufgrund von Monotonie in einer sich ständig rasant ändernden Welt alsbald schlicht untergehen …

ARTIKEL VORLÄNDER

(1) Der Grundtenor des Artikels von Hans Vorländer ist — und dies in Übereinstimmung mit dem schwedischen Forschungsinstitut Varieties of Democracies [V-Dem][1] –, dass die liberalen Demokratien unter einem starken Druck stehen, den man sehr wohl als besorgniserregend einstufen kann.

(2) Jenseits der nackten Zahlen, die das V-Dem vorlegt, nach denen es 1990 weltweit nur 41 Staaten gab, die man als liberaler Demokratien bezeichnen könnte, und dass seit 1990 sich diese Zahl auf nur noch 32 reduziert hat — also alle ca. 3 Jahre eine liberale Demokratie weniger –, sind die konkreten Umstände, unter denen heute liberale Demokratien existieren, sehr wohl ein möglicher Weckruf für alle, die mit dem Konzept der liberalen Demokratie wichtige Wertvorstellungen verknüpfen.

(3) Den Unterschied zwischen einer liberalen Demokratie und einer bloßen Wahl-Demokratie sieht Vorländer im Vorhandensein und Funktionieren von Elementen wie z.B. Gewaltenteilung, Unabhängigkeit von Justiz und Medien, Freiheit der Meinungsäußerung, diskriminierungsfreie Umgang mit Minderheiten, Anerkennung soziokultureller Vielfalt, Schutz von Grund- und Menschenrechten, und fairer politischer Wettbewerb.

(4) Aber selbst in den noch liberalen Demokratien geraten diese Elemente — und noch weitere — zunehmend unter Druck und es ist eine offene Frage, wie resilient (widerstandsfähig) liberale Demokratien sind, um diesen Druck zu überstehen.

(5) Mit Blick auf Prof. Przeworski von der New York University [2] stellt er — fast beruhigend — fest, dass sich bislang kein festes Muster erkennen lässt, wann und wie Demokratien sich auflösen und zerfallen; es gibt allerdings viele einzelne Faktoren, deren Funktionsuntüchtigkeit einen möglichen Niedergang begünstigen könnten.

(6) Krisen sind besondere gesellschaftliche Zustände (z.B. Bankenkrise, Finanzkrise, Migrationskrise, Eurokrise, Stabilisierungsmechanismen des Internationalen Währungsfonds, Corona Pandemie, Flutkatastrophen, …), in denen staatliches Handeln gefordert ist und wo es das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen stärken kann. Die Art und Weise der Kommunikation mit den Bürgern spielt dabei eine wichtige Rolle.

(7) Spätestens die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es viel Missmut und Kritik gegeben hat. Die Tendenz zum Unterlaufen der üblichen demokratischen Verfahren durch Rückgriff auf anonyme Expertenrunden war einer der kritischen Punkte in der aktuellen Corona Pandeemie. Dazu wurden zahlreiche extremistische Strömungen sichtbar, die nicht erst seit Corona existieren, sondern schon viele Jahre Europaweit und in den USA unüberhörbar von sich reden machen. Für solche eher extremistische Gruppierungen, die Demokratien grundsätzlich in Frage stellen, sind Krisen — wie z.B. Corona oder Flutkatastrophen — und die unglückliche Handhabung demokratischer Verfahren eine willkommene Gelegenheit sich in Szene zu setzen.

(8) Doch darf man sich durch die Einmischung radikaler Gruppierungen nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass auch normale Bürger berechtigte Sorgen haben, Zweifel hegen, ja sogar wütend sind auf die Art und Weise, wie politische Repräsentanten und Institutionen agieren.

(9) Diese Kritik hat schon seit Jahren zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen, ihren Parlamenten, ja sogar zu den Parteien geführt, die doch eigentlich die unmittelbare Verbindung von Bürgern und demokratischen politischen Institutionen ermöglichen sollten. So hat der Parlamentarismus und die politischen Parteien am meisten an Anerkennung und Akzeptanz verloren. Bürger fühlen sich immer weniger durch die Parteien vertreten. Es gibt deutliche Zeichen von Entfremdung in der gefühlten Distanz zwischen Regierenden und Regierten. Viele bislang üblichen sozialen Infrastrukturen zur Vermittlung zwischen Bürger und Politikern sind heute deutlich geschwächt oder ganz weg.

(10) Doch gibt es neben den politischen Parteien nicht Nichts; es gibt das neue Phänomen von ‚Bewegungen‘, die außerhalb der Parteien ihre Interessen zu vertreten suchen. Diese Bewegungen mit oft starken Führungsfiguren deuten einen Wandel der liberalen Demokratien an, wenngleich bislang in konstitutionellen Bahnen. Damit einhergehend meint Vorländer die Tendenz zu einer Hyperpersonalisierung zu erkennen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass dieses Phänomen der vielen neuen Bewegungen parallel auftritt zur neuen Allgegenwart des Internets mit all seinen vielfältigen sozialen Medien (Twitter, messenger Dienste, …). Empörungen, Erregungen, und Stimmungen wirken direkter und können schneller und stärker die Meinungen beeinflussen. Diese Meinungen spielen sich außerhalb der Institutionen ab; es fehlen vermittelnde Räume. Am Beispiel des Trumpismus (aber nicht nur da) kann man sehen, wie der direkte Zusammenschluss zwischen populistischen Strömungen und ihrer Führer gesucht wird, um damit die kritisierten demokratischen Institutionen einfach zu umgehen.

GEDANKEN ZUM ARTIKEL

  1. Die obigen Punkte bilden nur einen Ausschnitt aus dem breiten Bild, das Hans Vorländer zeichnet, ein Ausschnitt dessen Auswahl und Zuschnitt auf den Autor dieses Diskurses zurückgeht (siehe den einleitenden Punkt ‚Hermeneutik‘).
  2. Für die weiterführenden Überlegungen soll auch — mit einem Seitenblick — der interessante Beitrag von Wolfgang Schäuble nicht unberücksichtigt bleiben.
  3. Aus der Sicht des oksimo Paradigmas richtet sich der Fokus der Überlegungen auf die Akteure in diesem Feld der liberalen Demokratie, auf jene, die staatliche Institutionen vertreten, politische Gremien, die politischen Parteien, und jene, die allgemein als Bürger gelten, die in diesem Staat leben, z.T. auch wählen dürfen, aber zwischen den Wahlen nahezu keine ’normalen‘ Mitwirkungsmöglichkeiten haben.
  4. In einer liberalen Demokratie ist die staatliche Gewalt an die gewählten Parlamente delegiert, die von unterschiedlichen Institutionen unterstützt werden. Idealerweise sollen die Parlamente die Aufgaben der Gesellschaft mit Blick auf die Zukunft und die unterschiedlichen Lebensverhältnisse im Land erkennen und in möglichst optimaler Weise, speziell auch nachhaltig, zukunftsfähig machen. Jede Gegenwart ist ein Ausschnitt aus der möglichen Zukunft von Gestern. Wurde gestern mit Blick auf die mögliche Zukunft schlecht gehandelt, dann ist die aktuelle Gegenwart das Ergebnis solcher Versäumnisse.
  5. Für die Frage nach einer nachhaltigen Zukunft für eine liberale Demokratie sind daher weniger Einzelereignisse interessant, weniger Ausnahmesituationen, weniger individuelle Skandale, sondern eher der alltägliche Prozess, in dem alle involviert sind, und der geeignet ist, alle Bürger in ihrer Vielfalt auf nachhaltige Weise für eine entsprechend nachhaltige Zukunft vorzubereiten, zu befähigen, und zu begeistern. Womit sich die Frage stellt, wie denn das Format des alltäglichen Prozesses in einer liberalen Demokratie beschaffen sein sollte, damit eine nachhaltige Zukunft zumindest wahrscheinlich sein könnte, wenngleich ohne eine 100%-tige Garantie, dass es auch tatsächlich gelingt.
  6. Hans Vorländer lässt in seinem Beitrag viele Aspekte aufblitzen. Hier möchte ich nur zwei Aspekte herausgreifen, die aus Sicht des oksimo Paradigmas von besonderem Interesse sind: das ist einmal (i) die große Entfremdung der Bürger von den politischen Parteien (und umgekehrt!), und zum anderen (ii) die unübersehbare Entstehung und Erstarkung von außerparlamentarischen Bewegungen aller Art.
  7. Würden die politischen Parteien diese Bewegungen aufgreifen, würden die Parlamente eine neue, intensive Kommunikation mit diesen Bewegungen suchen, dann könnten diese neuen dynamischen Bewegungen möglicherweise zu einer Verlebendigung der bestehenden Parteien und Parlamente führen; vielleicht. Bislang überwiegt aber der Eindruck einer bestehenden und zunehmenden Entfremdung zwischen neuen Bewegungen und etablierten Parteien und Parlamenten. Würde es bei diesen Tendenzen bleiben, wäre ein ernster Konflikt zwischen gegebenen konstitutionellen Formen der Demokratie und einem wachsenden Teil der Bevölkerung vorgezeichnet.
  8. Fragt man sich, woher denn diese wachsende Entfremdung komme, dann gibt es mindestens zwei Faktoren, die sich abzeichnen: (i) Die reale Kommunikation zwischen Bevölkerung und etablierten Parteien und Parlamenten ist real schwach, gestört, und wird aktuell eher schwächer; (ii) Die inhaltlichen Anschauungen der verschiedenen Gruppen divergieren vielfach sehr stark. Dies wird durch die Aufsplitterung der Öffentlichkeit in immer mehr Teilöffentlichkeiten mit jeweils immer weniger innerer Pluralität begünstigt. Es entstehen kognitive Weltbilder weitgehend unabhängig voneinander. Da diese Weltbilder für jede Gruppe eine gruppenspezifische Handlungsbasis bieten, stehen sich zunehmend Weltbilder als Alltagsvorstellungen gegenüber, die immer weniger kompatibel sind; zusätzlich scheinen die ‚Inhaber dieser spezifischen Weltbilder‘ immer weniger fähig und willens zu sein, ihre eigenen Weltbilder irgendwie in Frage zu stellen. Das Ergebnis sind Verteufelungen der anderen, eine immer stärkere Bereitschaft zu Gewaltaktionen, weil man die Fähigkeit verloren hat, über Weltbilder zu reden, so dass man diese im gemeinsamen Diskurs unterschiedlich beleuchtet, anders bewertet, und möglicherweise modifiziert.
  9. Die Erstarrung im Umgang mit kognitiven Bildern der Welt ist eine Form von ‚Systemstörung‘: es ist eine grundlegenden Eigenschaft von biologischen Systemen auf der Erde, dass sie mehr als 3 Mrd.Jahre auf diesem Planeten nur überlebt haben, weil sie extrem anpassungsfähig waren, wandlungsfähig, grundlegend lernfähig. Besonders der homo sapiens verfügt über sehr außerordentliche Fähigkeiten, zu lernen und sich durch Kommunikation mit anderen zu koordinieren. Jedoch gehört es zur Eigenheit hochentwickelter lernender Systeme, dass sie nicht deterministisch sind: sie können, aber sie müssen nicht. Das ist ihr Geheimnis. Wenn sie sich aber ihrem realen Lernen grundsätzlich verweigern durch starres Festhalten an nur wenigen Aspekten ihrer dynamischen Umwelt, dann schreiben sie ihren Untergang fest. In einer dynamischen Welt kann kein statisches System auf Dauer überleben.
  10. Was in dieser Situation hilfreich wäre, das wären neue Formen einer gruppenübergreifenden Kommunikation, die nicht nur die unterschiedlichen Anschauungen sichtbar macht, sondern zusätzlich auch grundlegende Strukturen von Weltbildern.
  11. Das oksimo Paradigma wendet sich generell an Gruppen, und zwar beliebige Gruppen von Menschen (Bürgern). Jeder einzelne gilt als ein Experte; vorab wird kein Unterschied gemacht. Für die Kommunikation ist nur die eigene Sprache notwendig (Deutsch, Englisch, …). Von allen Beteiligten wird erwartet, dass sie in der Lage sind, sich zu einigen, welche Aspekte in einer bestimmten Situation sie als real gegeben annehmen. Ferner wird erwartet, dass sie in der Lage sind, jene Situation in der Zukunft zu beschreiben, die sie aktuell anstreben wollen. Und dann besteht die gemeinsame Kommunikation darin, zu beschreiben, wie man in einzelnen Schritten von der aktuellen Situation zur zukünftigen Situation kommen kann. Man kann diesen Prozess auch so sehen, dass alle zusammen eine Art Drehbuch schreiben mit einzelnen Szenen (Situationen), mit den beteiligten Akteuren und den gewählten Aktionen, die unterschiedliche viel weitere Ressourcen benötigen (Zeit, Geld, Material, Wechselwirkung mit anderen, …). Zusätzlich bietet oksimo die Möglichkeit, das Drehbuch jederzeit auch als Simulation ablaufen zu lassen, oder gar während der Simulation eine aktive Rolle als Spieler zu übernehmen; einfach die bis dahin gegebenen Regeln anwenden oder ad hoc neue Regeln zu generieren, indem man das Drehbuch abändert. Simulation und Spielen bietet eine sehr intensive Form, sich mit den Ideen des Drehbuchs und den anderen auseinander zu setzen. Mit oksimo kann man zusätzlich auch Künstliche Intelligenz [KI] einsetzen. Diese ist aber nur insoweit interessant, als die menschlichen Akteure selbst Ziele und Konzepte haben, denen sie folgen wollen.
  12. In der Theorie könnte eine für alle verfügbare oksimo Umgebung also nicht nur grundlegend zu einer verbesserten Verständigung unter allen Bürgern beitragen (falls diese überhaupt lernen wollen!), es könnte mit der Zeit auch das Wissen um die Welt dramatisch verbessert werden, und zwar für alle, jederzeit, auch für die Politiker. Die heute vielfach zu beobachtenden ‚Sololäufe‘ jenseits einer demokratischen Öffentlichkeit wären dann weder notwendig noch langfristig möglich.

ANMERKUNGEN

[1] Homepage: Varieties of Democracies [V-Dem], https://www.v-dem.net/en/

[2] Adam Przeworski (Professor of Politics, New York University): https://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Przeworskihttps://as.nyu.edu/content; Private Webseite: https://as.nyu.edu/content/nyu-as/as/faculty/adam-przeworski.html

DAS OKSIMO PARADIGMA und Projektmanagement – Einführung

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
26.Mai 2021 – 26.Mai 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch (im Gespräch mit Michael Hefter)

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Themenfeldes Das Oksimo Paradigma und Projektmanagement des oksimo.org Blogs.

PROJEKTMANAGEMENT – ERSTE ANNÄHERUNGEN

Die nachfolgenden Überlegungen bilden einen Reflex auf intensive Gespräche, die der Autor mit Prof. Dr. Michael Hefter von der Frankfurt University of Applied Sciences geführt hat und noch führt. Es geht um den Versuch, den Prozess des Projektmanagements aus dem Blickwinkel des oksimo Paradigmas zu beleuchten. Diese ersten Texte stellen noch keine vollständige Theorie dar sondern bilden unterschiedliche Annäherungen an das Phänomen.

Aufgabenstellung

Wie in der vorausgeschickten ersten Idee formuliert wird, geht es beim Projektmanagement primär darum, verfügbare Ressourcen für ein bestimmtes Ziel in einem vorgegebenen Zeitrahmen so zu analysieren und zu planen, dass die Ressourcen möglichst optimal genutzt und möglichst nachhaltig eingesetzt werden können.

Akteure

Ein Projektmanagement Prozess setzt Akteure voraus, die handeln. Typischerweise werden folgenden Rollen angenommen:

  1. Es gibt Auftraggeber (’stakeholder‘) die mit einer Problemstellung und mit einem Ziel kommen.
  2. Es gibt Experten, die die Aufgabenstellung so analysieren müssen, dass sich daraus ein Plan ergibt, der sich entsprechend den Zielen umsetzen lässt.
  3. Schließlich braucht es auch noch die Realisierer, die die Pläne entsprechend in reale Produkte oder Dienstleistungen umsetzen.

Sprache

Was in den Akteuren vor sich geht, ist direkt nicht zugänglich. Allerdings wird im allgemeinen angenommen, dass alle Akteure hinreichend gut kommunizieren können. Dazu gehören gesprochene und geschrieben Sprachen, Dokumente und zusätzliche Artefakte. Für die folgende Diskussion wird — ohne Beschränkung der Allgemeinheit — angenommen, dass es nur eine Sprache gibt (eine Alltagssprache) und dass alle wesentlichen sprachlichen Mitteilungen als Texte fixiert wurden. Insbesondere werden folgende Texte als verfügbar beim Beginn des Projektmanagement-Prozesses [PMP] angenommen:

Dokumente

  1. Ein Problemdokument, das eine gegebene Situation beschreibt, die optimiert werden soll.
  2. Ein Visionsdokument (Ziel), das einen Zustand beschreibt, der aktuell noch nicht gegeben ist, der aber nach Einschätzung aller Beteiligten grundsätzlich möglich ist und der als neue gegebene Situation realisiert werden soll.

Transformationen

Es gehört dann zur weiteren Aufgabe eines Projektmanagement-Prozesses, dass herausgearbeitet wird, durch welche konkreten Maßnahmen/ Aktionen der aktuelle Problem-Zustand in den anvisierten Visions-Zustand transformiert werden kann. Hier wird angenommen, dass jede Maßnahme einen gegebenen Zustand S voraussetzt und nach Ausführung einen Nachfolgezustand S‘ herbeigeführt hat. Maßnahmen benötigen Zeit und unterschiedliche viele Ressourcen. Jede Maßnahme im Kontext eines Projektmanagement-Prozesses kann man insofern auch als eine Veränderungsregel (oder einfach Regel) auffassen, die auf eine gegebene Situation angewendet wird und die eine Nachfolgesituation generiert. Alle beschriebenen Maßnahmen zusammen sollen hier daher als Regel-Dokument aufgefasst werden (oder auch: Maßnahmen-Katalog).

Erfahrung, Wissen, Rückkopplung

Aufgrund der Vielfalt und Komplexität von realen Situationen sind jene Maßnahmen, die gefunden werden müssen, um einen gewünschten Transformationsprozess zu ermöglichen, meistens nicht ‚einfach so‘ zu finden. Es bedarf dazu großer Erfahrung, umfassenden Wissens und — meistens — auch unterschiedliche Experimente, um herauszufinden, welche Maßnahme das gewünschte Ziel am besten ermöglicht. Zugleich kann es passieren, dass man beim Versuch, geeignete Maßnahmen zu finden, sowohl die Formulierung des Problem-Dokuments wie auch des Visions-Dokuments modifizieren muss. Man muss also den gesamten Projektmanagement-Prozess als ein durchgängig rückgekoppeltes System annehmen, bei dem die Ausgangslage (Problem und Vision) den Prozess beeinflusst und der Prozess sehr wohl auch auf die Ausgangslage zurückwirken kann.

Prozess-Variablen

In dieser Betrachtungsweise bilden die drei Dokumente Problem [P]-, Vision [V]- und Regel [R]-Dokument Variablen, die durch ‚Versuch und Irrtum‘ gefunden und optimiert werden müssen, bis das gewünschte Ergebnis — fixiert im Visions-Dokument — hinreichend gut – laut Plan — erreicht werden kann bzw. dann — in der Realisierung — erreicht wurde.

Akteure und Dokumente

Was in diesen Überlegungen bislang fehlt das sind genauere Angaben darüber, was die Akteure genau machen: welche Rolle spielen sie? Die angenommenen P-V-R-Dokumente sind ja statische Artefakte, die für die beteiligten Akteure sowohl Input-Größen darstellen wie auch Output-Größen. Welche Bedeutung der einzelne Akteur solch einem Dokument zuordnet, ist ausschließlich an seine Sprachkompetenz gebunden. Wie jeder weiß, kann das gleiche Wort in verschiedenen Sprachteilnehmern ganz Unterschiedliches bedeuten, selbst wenn es sich bei dem Text um einen sogenannten Standard handelt. Standards haben nur für diejenigen Akteure eine einigermaßen klare Bedeutung, die über ein entsprechendes Spezialwissen verfügen, das oft nur nach jahrelangem Training verfügbar ist. Und selbst dann ist nicht garantiert, ob zwei Experten tatsächlich das gleiche meinen, solange es nicht in der praktischen Umsetzung überprüft werden kann. Durchgängig besteht also als Basis-Anforderung, dass alle Dokumente von allen gekannt und verstanden werden müssen.

Bedeutungs-Absicherung

Ein kollaboratives Erstellen von P-V-Dokumenten liefert aber nur schwache Indizien für ein gemeinsames Verstehen.

Der Rückbezug eines P-Dokuments auf eine gemeinsam geteilte reale Situation stellt hingegen das in der Alltagspraxis mögliche stärkste Indiz zur Verfügung.

Ein V-Dokument enthält hingegen notgedrungen Elemente, von denen man nur annimmt (glaubt), dass es einmal real werden kann. Eine vollständige Überprüfung ist daher vor einer vollständigen Realisierung nicht möglich. Es gibt also Deutungsspielräume, an denen sich gegensätzliche Einschätzungen entfalten können.

Maßnahmen aus dem Maßnahmenkatalog (Regeln aus dem Regel-Dokument) enthalten meistens viele dynamische Elemente, die spezielle Randbedingungen voraussetzen, so dass deren Wirkung in Form einer Nachfolge-Situation S‘ kaum vollständig abschätzbar sind. Erst Recht dann nicht, wenn die Wirkung mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten verknüpft sind.

Optimaler Pfad

Durch die möglicherweise simultane und auch sequentielle Anwendung von Maßnahmen (Regeln) entsteht also eine Sequenz (Serie, Folge, ..) von Situationen <S1, S2, …, Sn>, deren Verlauf mit zunehmender Länge immer unsicherer wird. Hier wird eine solche mögliche Sequenz ein Pfad genannt, und die Realisierung eines Pfades mit Hilfe eines Simulators wird als Simulation aufgefasst. Da jede Situation Parameter enthalten kann, die mehr als eine Option zulassen, reicht in der Praxis die Untersuchung eines einzelnen möglichen Pfades kaum aus, um den optimalen Pfad zu finden. Eine manuelle Wiederholung von Simulationen so oft, bis alle Möglichkeiten abgedeckt sind, wird aus reinen Zeitgründen auch kaum möglich sein.

Evaluations-Algorithmen (Level 1)

Dieses praktische Dilemma einer manuellen Suche nach dem optimalen Pfad führt zur Überlegung, den durch P-V-R-Dokumente definierten Raum möglicher Pfade durch standardisierte Such-Bewertungs-Algorithmen (manche nennen dies KI) absuchen zu lassen, um jene Teilräume zu entdecken, die im Sinne des V-Kriteriums als optimal gelten. Diese Möglichkeit soll hier Level-1-Evaluation genannt werden.

Kreativ-Algorithmen (Level 0)

Im Lichte einer modernen Kultur-Theorie kann man noch einen Schritt weitergehen, und sich fragen, ob nicht die grundlegenden Annahmen aller Beteiligten, die in den P- und V-Dokumenten ihren Niederschlag gefunden haben, nicht vielleicht schon im Ansatz sub-optimal sind. Für diesen Fall wäre es hilfreich, wenn alle Beteiligten in einen kreativen Diskurs verwickelt werden könnten, der zu alternativen P- und V-Dokumenten führen würde, die ganz andere Maßnahmen zur Folge haben könnten.

Analog liese sich solch ein kreativer Diskurs auch für die Formulierung der Maßnahmen vorstellen. Diese Art der Erweiterung bzw. Veränderung des Möglichkeitsraumes wäre aber strukturell von einer anderen Art als die oben angesprochene Level-1-Evaluation. Die Verfügbarkeit eines kreativen Diskursraumes soll hier Level-0-Erweiterung genannt werden.

Level 0 und Level 1

Level-0-Erweiterung wie auch Level-1-Evaluation sind voneinander unabhängig, können aber in Kombination das Lösungspotential von Projektmanagement Prozessen erheblich steigern.

Oksimo Paradigma und Projektmanagement

Es dürfte jetzt nicht überraschen, dass das hier geschilderte Format von Projektmanagement Prozessen genau dem entspricht, was mit dem oksimo Paradigma möglich sein soll (und in der Tat, schon jetzt bietet das oksimo Paradigma weitere Anwendungsmöglichkeiten, die in diesem Text nicht erwähnt wurden.).