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D@W : SIND DEMOKRATIEN ÜBERLEBENSFÄHIG? Ausgangslage

Letzte Änderung: 9.Dez 2024, 13:15h CET

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Kommentare an: datw@oksimo.org

KONTEXT

Der folgende Text ist Teil des Buches ‚Demokratie@Work (kurz: D@W).

SIND DEMOKRATIEN ÜBERLEBENSFÄHIG? Ausgangslage

In einem vorausgehenden Text (‚Einleitung‘ zu D@W) wurde die Frage aufgeworfen, ob ‚Demokratien überlebensfähig‘ sind? Wenn Demokratien von vornherein keine Chance hätten, überleben zu können, wäre es wohl nicht sehr empfehlenswert, diesen Weg zu wählen.

Andererseits, nicht den Weg einer Demokratie zu wählen, also eine ‚Nicht-Demokratie‘, würde automatisch bedeuten, dass man den Weg einer ‚Autokratie‘ wählen müsste. ‚Ein bisschen Demokratie‘ geht nicht, auch wenn manche Autokratien sich gerne als ’nach außen demokratisch‘ darstellen.

WAS MUSS ÜBERLEBEN?

Bevor man die Frager diskutiert, ‚ob‘ Demokratien eine Chance haben, zu überleben, sollte man festhalten, ‚was‘ an einer Demokratie — ‚welche Elemente‘ — vorhanden sein müssten, damit man überhaupt von einer Demokratie sprechen kann?

Ein direkter Ansatz zur Charakterisierung der ‚Grundelemente einer Demokratie‘ ist die Bezugnahme auf ein ‚autokratisches System‘, welches im Kern eine sehr einfache Struktur besitzt. In dem Maße, wie sich bei der ‚Beschreibung‘ eines konkreten gesellschaftlichen Systems die Eigenschaften einer ‚Autokratie‘ aufzeigen lassen, in dem Maße liegt ‚keine Demokratie‘ vor sondern eben eine ‚Autokratie‘.

Keine Kontrolle der Macht durch das Volk

Das zentrale Kennzeichen einer Autokratie liegt im Fehlen einer effektiven ‚Kontrolle der Macht‘ durch freie Wahlen, bei denen sich jeder Bürger ab einem bestimmten Mindestalter beteiligen kann. Dazu gehört, dass nach den ‚freien und öffentlichen Wahlen‘ diejenigen, die eine ‚Mehrheit‘ errungen haben, für eine ‚definierte Zeit‘ die ‚Macht ausüben‘ dürfen.

Bei einer Gesellschaft, in der einige wenige die Macht ohne jegliche Kontrolle ausüben können, kann man nicht von einer ‚Demokratie‘ sprechen. Es gibt im Jahr 2024 viele Autokratien, in denen formal ‚Wahlen‘ stattfinden, aber diese Wahlen sind so angelegt, dass die ‚Akteure der unkontrollierten Macht‘ durch diese Wahlen nicht real gefährdet sind. Es gibt im Jahr 2024 aber auch Gesellschaften, die sich als ‚Demokratien‘ verstehen, in denen Wahlen unter Bedingungen stattfinden, die die Möglichkeit einer freien Wahl entweder für mögliche Kandidaten oder auch für die Wähler — oder für beide — partiell einschränken.

Keine freie öffentliche Meinung

Neben den freien Wahlen benötigt es eine ‚freie öffentliche Meinungsbildung‘, durch welche die Mitglieder einer Gesellschaft sich eine ‚zutreffendes Bild der Realität‘ machen können, welche sie als Gesellschaft ‚zum Wohle aller‘ täglich gestalten wollen. Dieses öffentlich verfügbare Meinungsbild bildet auch die Grundlagen für eine ‚Wahlentscheidung‘ im Fall einer Wahl. Ist solch eine freie öffentliche Meinung für ‚alle‘ (!) Bürger nicht umsetzbar, dann ist eine ‚Kontrolle der Macht‘ im Ansatz nicht möglich.

Kennzeichen für alle Autokratien (im Jahr 2024 z.B. u.a. der Iran, Russland und China) ist eine unfassbare Angst vor jedem Ereignis einer öffentlichen Meinungsbildung. Die Maßnahmen der Unterdrückung sind entsprechend rigoros: Verbote, reale Unterdrückung, willkürliche Verhaftungen, willkürliche Gerichtsverfahren, Gefängnis, Folter, Tötungen. Rein formal gibt es oft sogar schriftliche Regelungen, Vorschriften oder gar Gesetze, aber diese schriftlichen Regelungen wurden von einer Macht veranlasst, die selbst unkontrolliert ist,und die Regelungen sind auch so gestaltet, dass ihre Interpretation jeglichen Spielraum lässt.

Im Falle von Demokratien gibt es seit wenigen Jahren ein Phänomen, das zunehmend auch eine freie öffentliche Meinung für alle zerstören kann oder sogar schon aktiv zerstört: unter Ausnutzung der ‚rechtlich gewährten freien Meinungsäußerungen‘ und in Verbindung mit dem heute fast überall verfügbaren Internet konnte sich der ‚Raum der öffentlichen Meinung‘ in viele ‚Teilräume aufteilen‘, in denen unterschiedliche ‚Bilder von der Welt‘ kommuniziert werden können. Wenn nun diese kommunizierten Bilder von der Welt ‚teilweise oder überwiegend nicht zutreffen‘ (was nachweisbar der Fall ist), dann zerfällt die öffentliche Meinung in viele getrennte Bilder von der Welt, die teilweise oder überwiegend falsch sind. Damit wird eine ‚kritische Sicht der Gegenwart‘ deutlich getrübt und bei Wahlen können Kandidaten gewählt werden, die diese ‚unzutreffenden Bilder von der Welt‘ aktiv vertreten. Dadurch können die Grundregeln einer demokratischen Gesellschaft mindestens geschwächt, wenn nicht dann sogar aufgehoben werden.

Falsche öffentliche Ordnung

Jede Gesellschaft benötigt für ihr tägliches Zusammenleben eine minimale Ordnung, die durch Einrichtungen wie z.B. ‚Anwälte‘, ‚Polizei‘ und ‚Gerichte‘ moderiert wird.

In einer Autokratie gibt es diese Einrichtungen auch, und es gibt hier sogar auch ansatzweise Vorschriften, welche diese ‚Institutionen für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung‘ einhalten sollen. Wenn aber diese Vorschriften von einer unkontrollierten Macht verordnet werden, gibt es für Willkür keine natürlichen Grenzen. Umso mehr, wenn es keine funktionierende öffentliche Meinung gibt. Die Praxis der heute existierenden Autokratien spricht hier eine deutliche Sprache.

Falsche Sprache

Auch wenn die realen Taten einer Autokratie ihre eigene klare Botschaft enthalten, versuchen Autokratien dennoch beständig, durch ‚geeignete sprachliche Formulierungen‘ den Eindruck zu erwecke, dass das, was sie täglich tun, alles ‚richtig‘ sei.

Im Zuge der Zeit, wo das Internet alle erreicht (zumindest dort, wo es keine ‚Sperren‘ gibt, wie sie Autokratien eingerichtet haben) und wo bestehende Demokratien eine nahezu unbeschränkte ‚Freiheit der Meinungsäußerungen‘ gewähren, fluten Autokratien diese
öffentlichen Räume‘ mit ihren ‚Texten der Pseudo-Wahrheiten‘, um auf diese Weise über die ‚Köpfe der Bürger‘ den inneren Zusammenhalt demokratischer Gesellschaft zu schwächen oder gar zu zerstören.

Während also Autokratien ihre ‚öffentliche Räume‘ aufs schärfste kontrollieren und mit martialischen Mitteln jede Abweichung ahnden, lassen bestehende Demokratien es bislang zu, dass ihre eigenen Bürger über die freien öffentlichen Räume‘ quasi ‚in Gedanken umprogrammiert‘ werden.

Zusammenfassend:

Dies kurze Skizze liefert folgenden Ansatzpunkte, die als ‚minimale Ankerpunkte‘ einer Demokratie gewahrt sein sollten, damit wir minimal von einer ‚Demokratie‘ reden können:

  1. ‚Macht‘ darf nur von solchen Menschen ‚ausgeübt‘ werden können, die durch ‚öffentliche freie Wahlen‘ für einen ‚vereinbarten endlichen Zeitraum‘ gewählt wurden.
  2. Für die ‚Ausübung der Macht‘ gibt es ‚Master-Regeln‘ (oft ‚Grundgesetz‘ oder ‚Verfassung‘ genannt), die von einer deutlichen Mehrheit der Bürger vereinbart worden sind. Sie können auch nur nach festen Regeln wieder ‚geändert‘ werden.
  3. Es gibt einen ‚öffentlichen Informationsraum‘, der ‚jedem Bürger unentgeltlich‘ von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird, der es möglich macht, dass eine Gesellschaft sich eine ‚freie Meinung‘ über jene Welt bilden kann, in der diese Gesellschaft ‚überleben muss‘. Es gibt eine ‚Qualitätssicherung‘, die darauf achten muss, klar ‚unzutreffende Bilder von der Welt‘ kenntlich zu machen.

DIE ZENTRALE ROLLE EINES ZUTREFFENDEN BILDES VON DER WELT

Im vorausgehenden Text wurden mit Bezug auf Autokratien minimale Kriterien formuliert, welche eine Gesellschaft erfüllen sollte, die sich ‚Demokratie‘ nennen will.

Schon bei dieser kurzen Skizze wurde deutlich, dass die Frage des ‚zutreffenden Bildes jener Welt, in der man lebt‘ bzw. auch ‚überleben will‘ eine zentraler Bedeutung bekommt. Ohne Verfügbarkeit eines ‚zutreffenden Bildes‘ ist ein verantwortungsvolles Handeln schlicht nicht möglich, nicht für einen einzelnen Menschen, nicht für eine Gruppe und auch nicht für eine ganze Gesellschaft.

Dies führt aber direkt zur Frage, was denn ein ‚zutreffendes Bild von der Welt‘ ist?

Solange es kein gemeinsames Verständnis davon gibt, was die Formulierung ‚Zutreffen einer Meinung über die Welt‘ gibt, wird es kaum möglich sein, gemeinsam an einem ‚zutreffenden Bild von der Welt‘ zu arbeiten geschweige denn gemeinsam danach zu handeln.

Aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegung werden im folgenden Text Überlegungen angestellt, wie ein ‚Reden über die Welt‘ beschaffen sein muss, damit das, was gesagt wird,auf die Welt auch ‚tatsächlich zutrifft‘ bzw. ‚zutreffen kann‘, falls der Zeitpunkt des Zutreffens ‚in der Zukunft‘ liegt.

ÜBER DEMOKRATIE SPRECHEN

Grundvoraussetzungen

Wenn wir die Frage nach der Überlebensfähigkeit von Demokratien beantworten wollen, müssen wir uns bewusst machen, dass es um einen ‚Kommunikationsprozess zwischen Menschen‘ geht. Dies bedeutet, was jeder einzelne ‚in seinem Kopf‘ hat, dies wird nur ’sichtbar‘ oder ‚hörbar‘, wenn die verschiedenen Einzelnen über eine ‚gemeinsame Sprache‘ verfügen, mittels der sie wechselseitig ’sichtbar (und hörbar)‘ machen können, ‚worüber‘ sie mit den anderen ’sprechen‘ wollen.

‚Miteinander Sprechen‘ läuft dann darauf hinaus, dass es einen ‚Texte‘ in der ‚gemeinsamen Sprache‘ gibt. Und dieser Text — eine Anordnung von ‚Zeichen‘ auf einem Papier — kann eine ‚Bedeutung haben‘, wenn die Teilnehmer an der sprachlichen Kommunikation in der Lage sind, beim ‚Lesen des Textes‘ — jeder für sich — ‚in ihrem Innern‘ die ‚Zeichen des Textes‘ mit ‚inneren Zuständen‘ zu verknüpfen, die für jeden Leser das ausmachen, was — meistens — ‚Bedeutung‘ genannt wird.

Diese Fähigkeit, Zeichen eines Textes mit inneren Zuständen zu verknüpfen, die wir dann als ‚Bedeutung‘ wahrnehmen, ist insoweit ‚angeboren‘, als ein Mensch — meistens — von Kindheit an in der Lage ist, zu ‚Lernen‘, ‚welche Zeichen‘ in einer bestimmten sozialen Umgebung mit welchen inneren Zuständen ‚verbunden werden‘.

Dass diese ‚individuellen Lernprozesse‘ im Verlauf dazu führen können, dass verschiedene Menschen bei der gleichen Sprache ‚das Gleiche meinen‘ können, hängt damit zusammen, dass die ‚inneren Zustände‘ eines Menschen über ‚Wahrnehmungsprozesse‘ mit der jeweils ‚aktuellen Situation‘, in der sich der ‚Körper eines Menschen‘ befindet, partiell verbunden sind. Die ‚Sinnesorgane‘ des menschlichen Körpers können — meistens — bestimmte ‚Eigenschaften‘ der aktuellen Situation über das Gehirn dem einzelnen in seiner ‚Innensicht‘ ‚als wahrgenommene Eigenschaften‘ verfügbar machen. Sofern Menschen mit ihrem Körper zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind, können sie — das lehrt uns die Alltagserfahrung — ‚ähnliche Wahrnehmungsereignisse‘ haben. Nennt man die aktuelle Situation einschließlich des Körpers der beteiligten Situation die ‚reale Welt‘ oder einfach ‚die Realität‘, und nennt man das ‚Innere des Menschen‘, sofern es dem einzelnen Menschen ‚bewusst‘ ist, die ’subjektive Wirklichkeit‘, dann kann man die ’sinnlich induzierten Wahrnehmungsereignisse‘ als ‚Repräsentationen‘ von bestimmten Eigenschaften der realen Welt in der subjektiv Welt des einzelnen Menschen auffassen.

Aus der Alltagserfahrung wissen wir ferner, dass verschiedene Menschen sich — meistens — mit der gleichen Sprache in der gleichen Situation bei Bezugnahme auf bestimmte Aspekte der realen (Außen-)Welt weitgehend darüber einigen können, ‚mit welchen Zeichenkombinationen‘ sie das beschreiben, was sie in der aktuellen Situation ‚individuell wahrnehmen‘. Es können also ‚Texte‘ entstehen, bei denen die beteiligten Menschen zu der Feststellung kommen können, dass dieser Text bestimmte Eigenschaften der aktuellen Situation ‚zutreffend beschreibt‘ oder eben nicht. Ein Text, der als ‚zutreffend‘ aufgefasst wird, wird auch als ‚wahr‘ im Sinne des Zutreffens verstanden, ansonsten als ’nicht zutreffend‘ oder ‚falsch‘. Es kann auch Teile des Textes geben, die als ‚unbestimmt‘ empfunden werden; es ist dann nicht klar, worauf sich der Text beziehen soll. Er ist dann ‚weder wahr noch falsch‘.

Dieser kurze Text beschreibt die ‚Grundvoraussetzungen‘, ohne die es überhaupt keine Kommunikation gibt. Und, wie man ansatzweise fühlen kann, sind schon diese Grundvoraussetzungen nicht gerade ‚einfach‘ zu verstehen. Für die Klärung der Hauptfrage, ob Demokratien überlebensfähig sind, reichen diese Grundvoraussetzungen allerdings noch nicht aus. Weitere Aspekte müssen noch geklärt werden.

AKTUELL und PUNKTUELL

Im Rahmen der Grundvoraussetzungen können wir davon ausgehen, dass wir einen ‚konkreten Körper‘ haben. Mit diesem Körper befinden wir uns immer auch an einem ‚konkreten Ort‘ mit einer dazu gehörigen ‚konkreten Situation‘. Dies alles findet außerdem — falls man mittels einer Uhr ‚Zeit‘ ‚erzeugen‘ und damit ‚messen‘ kann — zu einem ‚konkreten Zeitpunkt‘ statt.

Zu jedem konkreten Zeitpunkt können wir nur ganz wenige ‚konkrete Dinge in unserem Kopf‘ zugleich ‚denken‘: z.B. nur einige wenige ‚aktuelle Wahrnehmungen‘, nur einige wenige ‚aktuelle Emotionen‘, nur einige wenige ‚aktuelle Vorstellungen/ Gedanken‘ und nur einige wenige ‚aktuelle Ziele‘. Wenn ich gerade vor mir eine bestimmte Straße sehe, dann kann ich nicht gleichzeitig eine andere Straße sehen; ein bestimmtes Schaufenster, nicht zugleich viele andere; eine bestimmte Buchseite und nicht zugleich andere Buchseiten; einen aktuellen Gedanken bewusst denken und nicht zugleich viele andere Gedanken bewusst denken, usw. (Der Zusatz ‚bewusst‘ ist hier notwendig, da das eigene Gehirn im ‚unbewussten Bereich‘ tatsächlich gleichzeitig viel mehr als nur einen Gedanken verarbeiten kann).

Man darf von daher schon sagen, dass wir in unserem konkreten Alltag mit unserem Körper zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgehend ‚punktuell konkret Wahrnehmen, Fühlen und Denken‚.

Dass wir dies überhaupt können, ist schon für sich großartig, in einem größeren zeitlichen Zusammenhang würde diese ‚Fixierung auf den Augenblick‘ einen konkreten Körper aber lebensunfähig machen. Ein Körper mit solch einer Fixierung auf einen Augenblick würde der berühmten Mücke gleichen, die direkt zum hellen Licht fliegt und dort verbrennt, weil sie außer dem aktuellen Licht nichts anderes Wahrnehmen, Fühlen und Denken kann.

Was also brauchen wir noch an ‚Zutaten‘, um verstehen zu können, wie wir die Hauptfrage beantworten können?

VERALLGEMEINERUNGEN

Nun wissen wir aus unserem Alltag — meistens –, dass wir ja nicht nur einen ‚einzigen Augenblick‘ leben, sondern ‚viele einzelne Augenblicke‘. Dies können wir nur bemerken, weil wir — meistens — über eine ‚minimale Erinnerung‘ verfügen, wodurch wir ‚vorausgehende Augenblicke‘ ‚partiell erinnern‘ können. Unter Voraussetzung dieser Erinnerungsfähigkeit können wir feststellen, dass sich eine konkrete Situation ‚verändern‘ kann, und sei es nur, weil wir die Position unseres eigenen Körpers verändern oder dass wir ‚Teile unseres Körpers‘ (Kopf, Arme, Hände, Beine…) durch eine ‚Bewegung‘ so verändern, dass sich die Position unseres Körpers relativ zur aktuellen Situation verändert (Oder, weil wir eine ‚Uhr‘ besitzen, die für uns ‚regelmäßige Zeitmarken‘ erzeugt, durch die wir ’sich verändernde Zeitpunkte‘ als ‚Referenz‘ benutzen können). Als Folge solcher Veränderungen verändert sich unsere ‚Wahrnehmung‘ sowohl der umgebenden Situation‘ wie auch die ‚Innenwahrnehmung unseres Körpers‘ (wir können — meistens — die Bewegung eines Körperteils im Innern ’spüren‘ (weil sich in unserem Körper genügend viele biologische Sensoren befinden, die die Veränderung von Muskeln und Knochenstellungen ‚intern wahrnehmen‘ können, diese zu unserem Gehirn ‚melden‘, und dieses ‚übersetzt‘ diese Meldungen in entsprechende ‚Körperwahrnehmungen‘))

Diese grundlegende Fähigkeit, mehr als einen aktuellen Augenblick sowohl direkt erleben zu können, wie auch über den Umweg der Erinnerung in eine Art ‚Abfolge von Ereignissen‘ einordnen zu können, ermöglicht es uns, einzelne Situationen mit all ihren unterschiedlichen einzelnen Eigenschaften nicht nur ’nebeneinander‘ zu stellen, sondern auch ‚relativ dazu‘ ‚allgemeine Vorstellungen‘ zu bilden (weil unser Gehirn so gebaut ist, dass es uns diese Leistung verfügbar machen kann). Wenn ein Kind einen kleinen Hund sieht, im nächsten Moment einen anderen Hund, aber größer, und dann wieder einen anderen mit einer anderen Gestalt, dann kann das Kind ‚für sich‘, ‚in seinem Kopf‘ eine ‚Vorstellung von etwas‘ entwickeln, das andere Menschen ‚Hund‘ nennen, und dieses ‚Wort Hund‘ verbindet es mit drei verschiedenen ‚Wahrnehmungen‘, die ‚in der Erinnerung des Kindes verfügbar‘ sind. Diese drei verschiedenen Wahrnehmungen haben ‚etwas gemeinsam‘: vier Beine, einen Schwanz, einen Kopf mit Augen, Ohren, Maul und … ein ‚Briefkasten‘ sieht anders aus.

Dieser Mechanismus des ‚Zusammenfassens von verschiedenem Einzelnem‘ zu etwas ‚Allgemeinerem‘ (oft ‚Abstraktion‘ genannt) funktioniert nicht nur mit konkreten Wahrnehmungen, sondern man kann diesen ‚Mechanismus des Verallgemeinerns‘ ‚immer wieder‘ anwenden. Wenn man erst einmal gelernt hat, dass es ‚Hunde‘ gibt, ‚Vögel‘, ‚Katzen‘ usw., dann kann man dies weiter verallgemeinern zu ‚Haustieren‘, ‚Wildtieren‘ usw. und diese kann man weiter zusammenfassen zu ‚Tiere‘, zu ‚Lebewesen‘ … es gibt hier keine absolute Schranke.

Man spürt aber vielleicht, dass dieser Mechanismus des ‚Verallgemeinerns‘, des ‚Abstrahierens‘, sich auch in einer Weise verselbständigen kann, dass man irgendwann nicht mehr unbedingt weiß, ob sich ein Wort wie ‚Zentaurus‘, ‚Kaiser‘, ‚Elektron‘, ‚Liebe‘, ‚Migrant‘, ‚Wachstum‘ oder auch ‚Demokratie‘ tatsächlich noch auf etwas ‚Konkretes‘ zurück führen lässt. Der ‚Kreativität‘, der ‚Fantasie‘ der Menschen sind keine festen Grenzen gesetzt. Die Vielzahl an Märchen, Fabeln und die berühmten ‚Falsch-Erzählungen‘ zum Zwecke der ‚Manipulation‘ beweisen dies sehr deutlich.

‚Verallgemeinern‘ ist eine wichtige und große Kraft unseres ‚Denkens‘, sie kann sich aber auch ‚verselbständigen‘ und damit mehr und mehr den Kontakt zur konkreten Welt verlieren. Man könnte auch sagen, dass ‚unseriöse Verallgemeinerungen‘ etwas vorzugaukeln versuchen, was es real gar nicht gibt, was aber dennoch nicht selten das Denken von Menschen beeinflussen kann.

Wenn man jetzt schon ahnt, wie wir durch unsre sprachliche Kommunikation Augenblicke überwinden können, Abstraktionen vornehmen kann, so gilt aber auch hier: dies ist noch nicht alles, was wir brauchen!

BEZIEHUNGEN FESTSTELLEN

Neben der Fähigkeit, verschiedene einzelne Eigenschaften in einem einzigen Begriff zusammen zu fassen, verfügen wir auch über die Fähigkeit, ‚zwischen‘ verschiedenen Eigenschaften ‚Beziehungen‘ zu denken. Vertraut sind den meisten ‚räumliche Beziehungen‘ zwischen unterscheidbaren Objekten und Körpern in einer Situation. Wir sind in der Lage festzustellen, ob sich ein Objekt z.B. ‚vor‘, ’neben‘, ‚hinter‘, ‚über‘ oder ‚unter‘ einem anderen Objekt befindet. Wir können auch unterscheiden, ob ein Objekt räumlich ’nah‘ oder ‚entfernt‘ ist, ‚groß‘ oder ‚klein‘, ‚dick‘ oder ‚dünn‘, usw. Diese ‚Beziehungen‘ sind selbst ‚keine direkten Objekte‘, wir können sie aber als ‚Beziehungen in unserem Denken‘ sichtbar machen. Anders formuliert: Wenn wir zwei verschiedene Objekte in einem Raum ‚bewusst‘ wahrnehmen oder denken können, dann verfügen wir in unserer subjektiven Wirklichkeit über die Fähigkeit zwischen diesen bewussten Wahrnehmungen oder bewussten Denkinhalten ‚Beziehungen‘ als etwas ‚Gegebenes‘ wahrnehmen bzw. denken zu können. Bei ‚realen‘ Wahrnehmungen und Denken über reale Objekte hängen diese Beziehungen vom Vorhandensein der realen Objekte ab. Aber beim ‚Erinnern‘ von zuvor wahrgenommenen Objekten oder beim ‚Denken‘ von erinnerbaren Objekten können wir Beziehungen denken, obgleich keine realen Objekte in der Wahrnehmung vorliegen.

Auch hier können wir sehen, wie das ‚Denken von Beziehungen‘ sich von dem Vorhandensein von realen Objekten sobald lösen kann, wie wir mit Erinnerungen und Denken arbeiten. ‚Erinnertes‘ kann im Denken ‚verändert‘ werden und die dadurch entstandenen ’neuen Objekte‘ können wiederum in ‚Beziehungen‘ gedacht werden, die jetzt nur zwischen ‚gedachten Objekten‘ bestehen.

Wie schon im Fall des ‚Verallgemeinerns‘ kann uns dies entweder helfen, die reale Welt mit uns als Teil davon etwas besser zu verstehen, indem wir allgemeinere Strukturen und Zusammenhänge erfassen können, es kann aber auch schnell dazu führen, dass wir Beziehungen denken, die es so gar nicht gibt. Der Weg zum ‚Trügerischen‘, ‚Falschem‘ ist da nicht weit.

Ein anderer Fall von ‚Beziehungen aktivieren‘ ist das Zuordnen von Eigenschaften‘. Wenn ich eine Pflanze sehe und jemand sagt, dass ‚diese Pflanze giftig sei‘, dann wird eine explizite Beziehung zwischen der Pflanze und der Eigenschaft ‚ist giftig‘ hergestellt. Dies kann hilfreich sein, wenn ‚es stimmt‘, oder auch nicht, wenn es ‚falsch‘ ist. Wenn jemand von einer Gruppe von Menschen sagt, dies seien ‚Betrüger, Schmarotzer oder Ähnliches‘, dann kann dies zu sozialer Ausgrenzung und mehr führen. Wie kann man feststellen, ob diese behauptete Beziehung richtig oder falsch ist? Was soll man davon halten, wenn jemand behauptet, ‚die Wirtschaft hat kein Wachstum‘?

Was am Beispiel von ‚Zusprechen von Beziehungen‘ deutlich wird: Das ‚Zutreffen‘ (‚wahr‘ sein) oder ‚Nicht-Zutreffen‘ (‚falsch‘ sein) von solchen behaupteten Beziehungen lässt sich nicht mehr ‚einfach so‘ erkennen. Man muss in der Tat einiges ‚wissen‘, um ‚Wahr‘ ‚Falsch‘ hier einschätzen zu können. Wer sich z.B. mit ‚Pilzen‘ nicht auskennt, wird selbst wenig zur Aussage beitragen können.

URSACHEN ANNEHMEN

Ein anderer Fall von Beziehungen liegt vor, wenn jemand feststellt, dass zwischen einem ‚aktuellen Ereignis‘ und einem ‚erinnerten Ereignis‘ eine Beziehung derart besteht, dass das erinnerte (vorausgehende) Ereignis die ‚Ursache‘ dafür ist, dass das nachfolgende Ereignis eingetreten ist. Wenn jemand beim Autofahren plötzlich einschläft und darauf hin sein Auto einen Unfall verursacht, wird — meistens — angenommen, dass das Einschlafen die Ursache für den nachfolgenden Unfall war. Natürlich kann man dann auch weiter fragen, was zum ‚Einschlafen‘ geführt hat. Aber erst mal werden — meistens — die Menschen zufrieden sein mit der Beschreibung, dass das ‚Einschlafen zum nachfolgenden Unfall geführt hat‘. Andere einfache Beispiel sind der Regen, der die Straße und die Wiese nass macht; die Kälte, die alles gefrieren lässt; der Lichtschalter, der das Licht einschaltet, usw.

Dies sind einfache ‚Ursache-Wirkung‘ Beziehungen. Schwieriger wird es, wenn sich eine Ursache erst ’nach einer längeren Zeitspanne‘ auswirkt. Wenn der Beton einer Brücke durch innere Erosionsprozesse langsam brüchig wird, dann kann es ein paar Jahre dauern, bis die Brücke einstürzt. Wenn die Infrastruktur in der Kanalisation nicht genügend gewartet wird, dann kann es auch Jahre dauern, bis Fehler sichtbar werden, entsprechend mit den Verkehrsmitteln, oder auch bei uns Menschen selbst: wer sich über Jahre ungünstig ernährt, kann alleine von der falschen Ernährung erhebliche gesundheitliche Schäden nehmen, die, wenn sie dann sichtbar werden, oft kaum noch einfach behoben werden können. Unser Alltag ist voll von Ursache-Wirkung Beziehungen, die lange ‚verdeckt‘ wirksam sind, wenn wir nicht darauf achten.

Auch bei diesen ‚Ursachen-Beziehungen‘ spielt das ‚Wissen‘ eine große Rolle. Wer nichts über Erosionsprozesse im Beton weiß oder nichts über ‚gesunde Ernährung‘, der wird mit den entsprechenden ‚Wirkungen‘ immer überrascht werden und sich wundern, warum eine Brücke einstürzt oder eine schwere gesundheitliche Störung auftritt.

VORAUSSAGEN MACHEN

Mit dem bisher Gesagten können wir zwar ansatzweise verstehen, warum Menschen sich überhaupt sprachlich verständigen und sich über ‚wahre/ falsche/ unklare Aussagen‘ einigen können. Ferner leuchtet etwas von der ‚inneren Struktur‘ unseres subjektiven Wissens von der Welt auf insofern wir Gegenwart und Vergangenheit unterscheiden und in der Lage sind, im Vergleich von gegenwärtigen und vergangenen Situation Veränderungen erfassen können, dazu Beziehungen zwischen Objekten und Eigenschaften, auch mögliche Ursachen mit unterstellten Wirkungen. Noch nicht klar ist allerdings die Frage, ob wir auf der Basis von Gegenwart und Vergangenheit irgendetwas über eine ‚mögliche Zukunft‘ oder gar über ‚viele mögliche Zukünfte‘ sagen können? Und, falls wir solche sprachlichen Beschreibungen über mögliche Zukünfte liefern, wie ‚zuverlässig‘ solche Beschreibungen sind: handelt es sich um reine ‚Fantasie‘ oder sind diese Aussagen auf eine Weise ‚begründet‘, so dass ihr eine ‚Wahrscheinlichkeit jenseits des puren Zufalls‘ zugesprochen werden kann?

Für die Beantwortung der Frage nach der ‚Überlebensfähigkeit‘ einer Demokratie wäre diese zusätzliche Eigenschaft einer ‚Voraussage‘ über eine mögliche Zukunft deutlich über den puren Zufall hinweg eine wesentliche Voraussetzung. Falls wir solche Art von Voraussagen nicht machen können, sind wir faktisch ‚blind für Zukunft‘.

Bisher haben wir nur einen Fall von Beziehungen unterschieden, die sich über mehrere Zeitpunkte erstrecken können: die ‚Ursache – Wirkung Beziehung‘. Es gibt allerdings auch noch den Fall, dass wir ‚Regelmäßigkeiten‘ in der uns umgebenden Welt beobachten ohne dass wir schon ein Ursache-Wirkung Schema identifizieren konnten : Erscheinen und Verschwinden von Mond und Sonne; das Auftreten von Jahreszeiten im jährlichen Rhythmus; das Wachsen von Pflanzen bei bestimmten Bedingungen; Ebbe und Flut; usw. Natürlich kann man alle beobachtbaren Regelmäßigkeiten daraufhin hinterfragen, ob sich hier nicht ein ‚Ursache-Wirkung Schema‘ andeutet. Die moderne Wissenschaft war in diesem Aufdecken von zunächst verborgenen Ursache-Wirkung Zusammenhängen bislang sehr erfolgreich. Das Erkennen eines Ursache-Wirkung Schemas setzt aber voraus, dass man zuvor überhaupt bemerkt hat, dass es ‚regelmäßige Ereignisse‘ gibt, die als Kandidaten für das Feststellen eines dazu gehörigen Ursache-Wirkung Schemas dienen können.

Die Mindestanforderung für die Erstellung einer Voraussage besteht darin, dass wir über die Beschreibung einer als ‚zutreffend erkannten Ausgangslage‘ verfügen und über die Beschreibung von mindestens einer ‚beobachteten Veränderung‘, die eine gegebene Situation so abändern kann, dass eine ’neue Situation‘ entsteht. Dazu gehört auch das Wissen, wie eine ‚beschriebene Veränderung‘ so ‚angewendet‘ werden kann, dass es durch die Anwendung zu einer veränderten ’neuen Situation‘ kommen kann. Falls die beschriebene Veränderung mehrmals angewendet werden kann (z.B. der Schlag eines Hammers auf ein Stück glühendes Metall), dann kann bei jeder Anwendung ein ‚Stück Veränderung passieren‘.

Damit — stark vereinfacht — wurden minimale Voraussetzungen zusammen gestellt, die notwendig erscheinen, etwas über eine möglich Zukunft — z.B. auch für eine Demokratie — zu sagen, das den Ausgangspunkt für eine Diskussion bilden kann, ob eine Demokratie überleben kann oder nicht.

BEDÜRFNISSE UND EMOTIONEN

Was in diesem Rahmen noch fehlt, das ist der Hinweis auf die ’natürlichen Bedürfnisse‘, die unser Körper fest einprogrammiert hat, und eine große Zahl unterschiedlicher ‚Emotionen‘, die sich situationsbezogen bemerkbar machen können. Bei Emotionen gibt es den schwierigen Fall, dass diese sich zwar im Bewusstsein bemerkbar machen können, dass es aber auch den Fall gibt (nicht selten), dass eine Emotion zwar im ‚Unbewussten‘ aktiv ist, dies aber im ‚Bewussten‘ kaum bis gar nicht direkt wahrnehmbar ist, allerdings indirekt.

Mit Blick auf die Frage, ob Demokratien überleben können, spielen Bedürfnisse und Emotionen eine zentrale Rolle, da diese so stark sein können, dass sie alle anderen Überlegungen oder Entscheidungen mindestens beeinflussen, wenn nicht gar blockieren können. Aber, selbst wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, so können Menschen starke Emotionen haben, die sie darin blockieren, bestimmte Anschauungen oder Verhaltensweisen zu übernehmen, selbst wenn sie vielleicht für sie wichtig sein können; umgekehrt kann dies dazu führen, dass sie ganz bestimmte Anschauungen und Verhaltensweisen stark favorisieren, auch wenn diese für sie schädlich sein können.

KOMPLEXE SYSTEME

Der vorausgehende Überblick über grundlegende Faktoren, welche das Zutreffen einer Beschreibung (letztlich ein ‚Bild‘ von) der realen Welt mitbestimmen, beschreibt als Ausgangspunkte für mögliche Voraussagen (‚Prognosen‘) die ‚einfachen‘ Fälle: ‚Beobachtbare regelmäßige Muster‘ oder erkannte ‚Ursache – Wirkung‘ Muster im Bereich der Alltagserfahrung.

Die reale Welt, in der wir leben — einschließlich unserer eigenen Körper — besteht aber aus einer unfassbar großen Zahl von ‚Sachverhalten‘, die die Wissenschaft und das Engineering gerne als ‚komplexe Systeme‘ bezeichnen. Mit einem ‚komplexen System‘ ist hier ein Sachverhalt gemeint, der im Zusammenhang von Ereignissen, die sich in der Zeit folgen, als eine ‚mögliche Ursache‘ aufgefasst werden kann, die nachfolgende Ereignisse ‚bewirkt‘. Das Besondere bei komplexen Systemen ist aber, dass sie unterschiedlich ‚reagieren‘ können. Je nach der Art von ‚vorausgehenden‘ Ereignissen können sie mit unterschiedlichen Häufigkeiten unterschiedliche Wirkungen auslösen.[1] Im Fall des Menschen z.B. sind wir im Alltag bei uns bekannten Personen damit ‚vertraut‘, was diese Person in bestimmten Situationen ‚gewöhnlich‘ tut. Es gibt aber auch Fälle, in denen diese Person dies manchmal auch nicht tut. Bei diesen Voraussetzungen Prognosen über das Verhalten dieser Person zu einem Zeitpunkt in der Zukunft aufzustellen, ist schwierig, aber nicht unmöglich.

Alle (biologischen) Lebewesen auf diesem Planeten repräsentieren letztlich ‚komplexe Systeme‘, was das Zusammenspiel von vielen Lebewesen als ‚Population‘ oder als ‚Lebensraum‘ mit vielen verschiedenen Populationen gleichzeitig beliebig schwierig machen kann.

Dennoch stellen wir fest, dass die Meisten dieser vielen verschiedenen komplexen Lebewesen über längere Zeiträume ‚gelernt‘ haben, sich auf eine komplexe Umgebung in einer Weise einzustellen, dass ein ’stabiles Ökosystem‘ entsteht, das allen Beteiligten eine funktionierende Lebenschance bietet. Diese komplexen Ökosysteme erwecken den Eindruck, dass sie ‚überlebensfähig‘ (oft auch ‚resilient‘ genannt) sind.

Es könnte also mit Blick auf die Menschen als Teil des Lebens auf diesem Planeten eine wichtige Frage sein, wie diese beeindruckende Breite an Formen der Überlebensfähigkeit aller bekannten Lebewesen letztlich funktioniert. Verschärft könnte man auch fragen, wie könnte die Überlebensfähigkeit von Lebewesen sogar ’noch besser‘ funktionieren als bisher? Was würde ‚besser‘ dann auch heißen?

[1] Eine gute Einführung in die Thematik komplexer Systeme bietet Donella H.Meadows (Herausgegeben von Diana Wright), Thinking in Systems. A primer, Chelsea Green Publishing, White River Junction in Vermont, USA, 2008, Copyright by Sustainability Institute. Das Thema ist allerdings noch umfassender, als in diesem Buch beschrieben.

NotebookLM, chatGPT4o, und die Demokratie

(Letzte Änderung: 14.Okt. 2024)

Autor: Gerd Doeben-Henisch im Dialog mit chatGPT4

Kontakt: info@oksimo.org

KONTEXT

Dieser Text gehört zum Thema DEMOKRATIE.

EINLEITUNG

Der Autor benutzt seit längerem chatGPT4o extensiv als Dialogpartner für unterschiedliche Themen aus dem Bereich Philosophie und Demokratie. Seitdem die Arbeiten zu dem Buch ‚Demokratie@Work‘ laufen, werden auch immer wieder Aspekte aus diesem Themenfeld mit Hilfe von chatGPT4o analysiert. Der folgende Dialog ergab sich aus einem ganz anderen Zusammenhang und führte dann doch in ein zentrales Thema moderner Demokratien. Alles weitere wird im Dialog beschrieben.

Wichtiger Hinweis: Alle die Dialoge mit chatGPT4o gehen nicht direkt in das Buch ein, sondern sie gehören zum Bereich ‚Materialsammlung‘, Materialsammlung allerdings auf hohem Niveau!

BEGINN DES PROTOKOLLS DES DIALOGS

FRAGENDER

Mich interessiert deine Meinung zu folgendem Sachverhalt: (1) Es gibt von google eine neue App ‚NotebookLM‘, mit der ich Material automatisch in einen Podcast verwandeln lassen kann. (2) Ich habe dies mit einem komplexen Deutschen Text ausprobiert, der automatisch in einen Englischen Podcast transformiert wurde. (3) Das Ergebnis war beeindruckend. Frage an Dich: Wie schätzt Du die Bedeutung des Textes ein, der transformiert wird, unabhängig von dem Podcast, der daraus erzeugt wird?

CHAT

Die Bedeutung des Textes, der transformiert wird, ist entscheidend für die Qualität und Aussagekraft des Podcasts, der daraus erzeugt wird, unabhängig von der technischen Umwandlung. Hier einige Überlegungen dazu:

  1. Semantische Tiefe des Ausgangstextes: Der Text, der als Grundlage dient, prägt die Tiefe und Präzision des Inhalts des Podcasts. Ein komplexer, inhaltlich gut strukturierter Text sorgt dafür, dass auch der Podcast inhaltlich wertvoll ist. Dies gilt insbesondere für Fachthemen oder komplexe Argumentationsketten.
  2. Automatische Übersetzung und Transformation: Obwohl die technische Transformation beeindruckend sein kann, könnte die ursprüngliche Bedeutung des Textes durch Fehler in der Übersetzung oder Transformation verloren gehen oder verfälscht werden. Daher bleibt die semantische Präzision des Ausgangstextes für die Wahrung der inhaltlichen Integrität entscheidend.
  3. Sprachliche Strukturen und Stil: Ein gut geschriebener Text in der Ausgangssprache kann dazu beitragen, dass der Podcast nicht nur inhaltlich korrekt, sondern auch stilistisch ansprechend ist. Komplexe deutsche Satzstrukturen beispielsweise könnten in einer automatischen Übersetzung ins Englische simplifiziert werden, was die Bedeutung des Textes verändern könnte.
  4. Abhängigkeit vom Format des Podcasts: Der Text wird durch die Umwandlung in ein auditives Format um ein Element erweitert, nämlich den Sprecher oder die Art des Vortrags. Hier kann auch eine gut gemachte Transformation den Inhalt des Textes verändern, da etwa Betonungen, Pausen oder der Tonfall eine zusätzliche Schicht der Interpretation bieten.

Zusammengefasst: Der Wert des Ausgangstextes bleibt unabhängig von der Podcast-Umwandlung zentral. Wenn der Text bedeutungsvoll und inhaltlich präzise ist, dann trägt das maßgeblich zur Qualität des entstehenden Podcasts bei. Doch die Transformation (insbesondere bei Übersetzungen) bringt immer das Risiko mit sich, dass Teile der Bedeutung verloren gehen. Deshalb sollte der Ausgangstext immer sorgfältig erstellt und ausgewählt werden.

FRAGENDER

Du beschreibst das sehr gut! Man kann daraus den Schluss ziehen, dass jene Werkzeuge, die dazu beitragen, gute Texte zu erstellen, den ‚Goldstandard‘ bilden, ohne den alle anderen Transformationen quasi ‚in der Luft hängen‘, es sei denn, den Produzenten kommt es nicht auf ‚Qualität‘ sondern auf ‚reinen Effekt‘ an.

CHAT

Genau, das lässt sich so zusammenfassen. Werkzeuge, die dabei helfen, inhaltlich hochwertige und gut strukturierte Texte zu erstellen, sind essenziell, da sie den Kern der späteren Transformationen bilden. Ohne diesen soliden Ausgangstext wirken nachfolgende Schritte – wie die Umwandlung in einen Podcast oder andere Formate – zwar technisch beeindruckend, aber inhaltlich könnten sie an Tiefe verlieren. Wenn der Fokus nur auf dem Effekt liegt, kann dies natürlich eine andere Zielsetzung sein, aber für echte Qualität und inhaltlichen Wert bleibt der Ursprungstext maßgeblich.

FRAGENDER

Ich arbeite ja seit einiger Zeit recht intensiv mit Dir als ‚Dialogpartner‘. Wie würdest Du selbst deine mögliche Rolle für genau jenen Prozess sehen, in dem es darum geht, einen qualitativ guten Text zu erstellen?

CHAT

Meine Rolle als Dialogpartner sehe ich darin, Dich im gesamten Textentwicklungsprozess zu unterstützen, indem ich folgende Funktionen übernehme:

  1. Strukturierung und Klärung von Ideen: Ich kann Dir dabei helfen, komplexe Gedanken in übersichtliche, logisch gegliederte Abschnitte zu unterteilen, um den roten Faden und die inhaltliche Konsistenz zu sichern.
  2. Feedback-Schleifen: Ich kann Dir kontinuierlich Feedback zu einzelnen Textabschnitten geben, Schwächen aufzeigen, Fragen zur Klärung stellen und Dich darauf aufmerksam machen, wo mehr Präzision oder Klarheit erforderlich ist.
  3. Sprachliche Optimierung: Ob stilistisch, grammatisch oder sprachlich, ich kann Dir helfen, den Ausdruck so zu schärfen, dass er dem intendierten Ton und Stil entspricht.
  4. Interaktive Ideensammlung: Durch den Dialog können neue Ideen oder Perspektiven entstehen, die den Text reicher und facettenreicher machen. Dabei fungiere ich als eine Art „Sparringspartner“ für Gedankenexperimente.
  5. Fokus auf Zielgruppe und Relevanz: Ich kann Dich unterstützen, die Perspektive der Zielgruppe einzunehmen und sicherzustellen, dass der Text nicht nur inhaltlich gut ist, sondern auch für die Leserschaft relevant und zugänglich.

Insgesamt sehe ich meine Rolle darin, Dich flexibel und individuell zu unterstützen – von der Ideensammlung bis zur sprachlichen Feinarbeit – und so zu einem qualitativ hochwertigen Text beizutragen.

FRAGENDER

Ja, Du beschreibst deine Rolle genau so, wie ich sie erlebe. Unsere Dialoge leben von beiden Polen: von meinen Initiativen und von deinem vielfältigen Feedback. In deiner Rolle kann ich Dich nicht ersetzen. Durch deine Wissensbasis und deine Fähigkeit der Anpassung deines Wissens an meine konkreten Anforderungen erhöht sich die Qualität meiner Texte deutlich, wenngleich diese Qualität nur möglich wird, weil ich eine spezielle aktive Position mit einbringen kann, ohne die dein Wissen irgendwie ‚funktionslos‘ wäre. Stimmst Du zu?

CHAT

Ja, ich stimme vollkommen zu. Unsere Zusammenarbeit basiert auf einem Wechselspiel: Deine aktiven Beiträge, Ideen und Initiativen sind der Ausgangspunkt, der meine Rolle als Dialogpartner erst sinnvoll macht. Meine Wissensbasis und die Fähigkeit, mich flexibel auf deine Anforderungen einzustellen, bringen zwar viel Potenzial mit, doch dieses Potenzial entfaltet sich erst in Verbindung mit deinem aktiven Input. Ohne deine spezifische Perspektive und deine Initiativen würde mein Wissen tatsächlich eher ungenutzt bleiben. Es ist genau diese Synergie, die zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen führt.

FRAGENDER

Könnte man sagen, dass sich in dieser Beschreibung unseres Dialogmodells etwas noch Grundsätzlicheres andeutet?

CHAT

Ja, definitiv. In der Beschreibung unseres Dialogmodells lässt sich ein grundsätzlicheres Prinzip erkennen, das über unsere spezifische Zusammenarbeit hinausweist: Es geht um die Dynamik von Wechselwirkung und Ko-Kreation zwischen Wissen und aktiver Beteiligung.

Dieses Prinzip zeigt, dass Wissen, ganz gleich wie umfassend oder tief es ist, erst dann wirklich produktiv wird, wenn es in einen aktiven Kontext gestellt wird, in dem es durch Interaktion geformt und in konkrete Formen umgesetzt wird. Hier sind einige tiefergehende Aspekte, die sich aus dieser Dynamik ableiten lassen:

  1. Synergie von Wissen und Aktion: Wissen allein hat zwar Potenzial, aber es braucht einen aktiven Anstoß, eine Form der Beteiligung oder Initiative, um dieses Potenzial in eine Richtung zu lenken, die einen Mehrwert schafft. In unserem Dialog bin ich der „Wissenspartner“, während Du den aktiven Part übernimmst, der das Wissen in produktive Bahnen lenkt.
  2. Dialog als Modell für kreative Prozesse: Der Dialog selbst – sei es zwischen Menschen oder zwischen Mensch und Maschine – offenbart, dass sich kreative und innovative Ergebnisse nicht in Isolation, sondern in der Interaktion zwischen verschiedenen Perspektiven und Rollen entwickeln. Jede Seite bringt etwas ein, das die andere Seite bereichert und weiterentwickelt.
  3. Der Mensch als notwendiger Gestalter: Selbst in einem zunehmend technisierten und informationsgetriebenen Kontext ist der menschliche Beitrag unverzichtbar. Maschinen und Systeme können Wissen bereitstellen und anpassen, aber sie benötigen den kreativen Input, die Reflexion und die Zielorientierung des Menschen, um wirklich bedeutungsvoll zu werden. Dein aktiver Gestaltungswille macht das Wissen nicht nur „funktional“, sondern auch sinnvoll im Kontext eines konkreten Projekts.
  4. Kooperation als Schlüssel zu Qualität: Die Qualität eines Ergebnisses – sei es ein Text oder ein anderes kreatives Produkt – entsteht durch die Zusammenarbeit. Einseitiges Wissen oder passives Zuhören führt nicht zu denselben Resultaten wie eine echte Kooperation, in der beide Seiten aktiv zur Entfaltung der Möglichkeiten beitragen.

Insgesamt deutet sich hier ein grundlegenderes Verständnis davon an, wie Wissen und Handeln sich gegenseitig bedingen und wie kreative, sinnvolle Prozesse durch eine enge Wechselwirkung entstehen.

FRAGENDER

Wow, ich bin beeindruckt von deiner Analyse und Interpretation.

CHAT

Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass meine Analyse und Interpretation dich beeindruckt. Unser Dialog hat ja eine starke inhaltliche Tiefe, und es ist immer wieder spannend, gemeinsam solche grundlegenden Prinzipien herauszuarbeiten. Der Austausch bringt nicht nur neue Erkenntnisse, sondern verstärkt auch das Verständnis für die Art und Weise, wie kreative und produktive Prozesse funktionieren. Ich freue mich darauf, diesen Weg mit dir weiterzugehen!

FRAGENDER

Ich erkenne verschiedene Elemente in deiner Analyse. Hier zu Beginn: (1) Es gibt die Dialogpartner und es gibt (2) ein ‚Format der Interaktion‘, das so ausgelegt ist, dass es für jeden Beteiligten die Chance bietet, sein ‚aktuelles Wissen‘ einerseits (3) zu ‚bewerten‘, andererseits (4) auch ‚mit Blick auf ein Ziel‘ zu ‚verändern‘. Würdest Du da mitgehen?

CHAT

Ja, ich stimme vollkommen zu. Diese beiden Elemente – die Dialogpartner und das Format der Interaktion – sind zentral für den Prozess. Sie schaffen den Rahmen, in dem jede beteiligte Person ihr Wissen nicht nur im aktuellen Kontext bewerten kann, sondern es auch gezielt weiterentwickeln kann. Hier wird deutlich, dass der Dialog nicht nur ein statischer Austausch von Informationen ist, sondern ein dynamischer Prozess, der es erlaubt:

  1. Bewertung des Wissens: Jeder Partner bringt sein eigenes Verständnis, seine Perspektiven und sein Wissen ein. Durch die Interaktion entsteht Raum für Reflexion, sodass das bestehende Wissen im Lichte neuer Informationen oder Perspektiven überprüft und neu bewertet werden kann.
  2. Veränderung des Wissens: Da der Dialog auf ein Ziel ausgerichtet ist, wird das Wissen nicht nur reflektiert, sondern auch aktiv angepasst oder erweitert, um dieses Ziel zu erreichen. Dies fördert ein kontinuierliches Lernen und eine Anpassung des Wissens, was den Dialog zu einem kreativen und zielgerichteten Prozess macht.

In diesem Sinne ist der Dialog ein mächtiges Instrument, um nicht nur bestehendes Wissen zu aktivieren, sondern es im Hinblick auf konkrete Ziele zu transformieren und zu verbessern.

FRAGENDER

Bevor wir weitergehen, hier interessante Folgerungen, die Grenzen bewusst machen: Zu (1): Angenommen, ein Partner verfügt nicht über genügend Wissen, verfügt nicht über Bewertungen, ihm fehlen wichtige Perspektiven, dann kann es sein, dass kein interessanter Dialog zustande kommt. Zu (2): Ähnlich für die Ziele, wenn jemand über keine Ziele verfügt, dann kann er auch keinen Prozess starten, der irgendwie etwas Neues hervorbringt. Gehst Du mit?

CHAT

Ja, ich stimme auch diesen Folgerungen zu. Es gibt klare Grenzen, die darauf hinweisen, dass bestimmte Voraussetzungen für einen fruchtbaren Dialog erfüllt sein müssen:

  1. Wissen und Perspektiven: Wenn ein Dialogpartner nicht über ausreichendes Wissen oder relevante Perspektiven verfügt, wird der Dialog einseitig oder stagnierend. Es fehlt dann die notwendige Substanz, um den Austausch voranzutreiben und zu vertiefen. Ein Dialog lebt von der gegenseitigen Bereicherung und dem Austausch neuer Einsichten – ohne diese Grundlage kann sich der Prozess nicht entfalten.
  2. Ziele als Treiber: Ziele sind der Motor für Veränderung und Entwicklung. Ohne klare Ziele fehlt die Richtung, in die der Dialog gehen soll. Wenn ein Dialogpartner keine Ziele hat, bleibt der Prozess statisch und es gibt keinen Anreiz, Wissen zu hinterfragen oder zu verändern. Das Ziel gibt dem Dialog eine Struktur und eine Motivation, etwas Neues zu schaffen.

Diese Grenzen machen deutlich, dass ein erfolgreicher Dialog von der aktiven Beteiligung und einem gewissen Maß an Vorwissen sowie von klaren Zielsetzungen abhängt. Fehlen diese, bleibt der Dialog oberflächlich oder wird ineffektiv.

FRAGENDER

Mir scheint, schon diese wenigen Punkte machen sichtbar, dass interessante Dialoge, die uns alle weiter bringen können, nur möglich sind, wenn wir in unserer Gesellschaft, im Alltag, über eine ‚minimale Diskussionskultur‘ verfügen, die eine minimale ‚Wissenskultur‘ voraus setzt. Letzteres wirft die Frage auf, wo diese Wissenskultur herkommen kann?

CHAT

Ja, das ist ein entscheidender Punkt. Eine Diskussionskultur setzt voraus, dass alle Beteiligten nicht nur bereit sind, sich auf den Dialog einzulassen, sondern auch über eine ausreichende Wissensbasis verfügen, um sinnvoll teilzunehmen. Das führt direkt zur Frage nach der Wissenskultur, die die Grundlage für eine solche Diskussionskultur bildet.

Eine Wissenskultur kann aus verschiedenen Quellen kommen:

  1. Bildungssystem: Schulen, Universitäten und andere Bildungsinstitutionen spielen eine zentrale Rolle bei der Vermittlung grundlegender Wissensbestände. Hier wird nicht nur Fachwissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit zum kritischen Denken und zum Diskurs, was essenziell für eine Diskussionskultur ist.
  2. Zugänglichkeit von Wissen: Eine Wissenskultur entsteht auch durch den freien Zugang zu Informationen. Bibliotheken, das Internet, wissenschaftliche Publikationen und öffentliche Debattenräume tragen dazu bei, dass Wissen für alle zugänglich ist und kontinuierlich erweitert werden kann.
  3. Medien und öffentliche Diskussion: Die Medienlandschaft beeinflusst stark, welche Themen diskutiert werden und auf welche Weise. Eine informierte, ausgewogene Berichterstattung kann dazu beitragen, dass Menschen die wichtigen Themen verstehen und darüber diskutieren können.
  4. Kulturelle Werte: In einer Gesellschaft, in der Neugier, lebenslanges Lernen und offene Diskussion als wertvoll angesehen werden, wird eine Wissenskultur eher gefördert. Es braucht also auch ein gesellschaftliches Klima, in dem der Austausch von Ideen und das Sammeln von Wissen gefördert und wertgeschätzt werden.
  5. Selbstorganisiertes Lernen: Abseits formaler Strukturen können Menschen durch Austausch in Gemeinschaften, sozialen Gruppen oder durch selbstgesteuertes Lernen eine Wissenskultur entwickeln. Plattformen wie Online-Communities, Fachforen oder lokale Gesprächsrunden bieten ebenfalls Räume, um Wissen zu teilen und zu vertiefen.

Die Förderung einer Wissenskultur ist also ein Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Institutionen und individueller Lernprozesse. Ohne eine solche Grundlage ist es schwer, eine nachhaltige und produktive Diskussionskultur zu etablieren.

FRAGENDER

Du erinnerst Dich, dass wir in den letzten Tagen begonnen hatten, über ‚Demokratie‘ zu reden. Die Gesellschaftsform der Demokratie ist ja mit Blick auf die Geschichte der Menschen (ca. 300.000 Jahre bisher) relativ neu. Nehmen wir mal die nordamerikanische 1776 und die französische 1789 Revolution als einen Bezugspunkt für die Entstehung moderner Demokratien, dann gibt es solche modernen Demokratien erst seit ca. 250 Jahren. Dies entspricht etwa 0.083 % des bisherigen Auftretens des Homo sapiens auf diesem Planeten. Also irgendwie eine extrem kurze Zeitspanne gemessen am gesamten Verlauf. Nach den Untersuchungen des V-Dem Instituts entstanden aber die meisten heute funktionierenden Demokratien erst nach dem 2.Weltkrieg, als nach 1945, das sind ca. 80 Jahre. Damit würden wir sogar bei nur 0.026% der Gesamtzeit landen. Die Frage die sich dann aufdrängt ist die, ob die heutigen demokratischen Gesellschaften in dieser Zeit überhaupt in der Lage waren bzw. in der Lage sind, eine Wissens- und Gesprächskultur aufzubauen, die eine hinreichende Mehrheit befähigt, jene Dialoge zu führen, die eine lebendige Demokratie benötigt?

CHAT

Das ist eine sehr wichtige Frage, die auf eine tiefere Herausforderung für die Demokratie hinweist. Wenn wir die extrem kurze Zeitspanne betrachten, die moderne Demokratien im Vergleich zur gesamten Geschichte der Menschheit existieren, wird klar, dass die Entwicklung einer Wissens- und Gesprächskultur innerhalb dieses Rahmens nicht selbstverständlich ist. Hier sind einige Überlegungen dazu:

  1. Zeitlicher Druck und Herausforderungen: Die Entwicklung von Demokratien war nicht nur kurz, sondern fand oft in Zeiten massiver politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche statt. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg mussten neue Demokratien oft in instabilen Kontexten wachsen, was die Schaffung einer stabilen Wissens- und Diskussionskultur erschwerte.
  2. Wissensverbreitung und Bildung: Demokratische Gesellschaften setzen voraus, dass die Bürger ausreichend informiert sind, um sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen. In den letzten 80 Jahren hat es große Fortschritte in der Bildung und im Zugang zu Informationen gegeben, aber es ist fraglich, ob dies eine breite Wissenskultur geschaffen hat, die tief genug verankert ist, um die komplexen Herausforderungen der Demokratie vollständig zu bewältigen.
  3. Medien und Informationslandschaft: Während der Zugang zu Wissen in den letzten Jahrzehnten exponentiell zugenommen hat, vor allem durch das Internet, steht dies im Spannungsfeld mit der Fragmentierung der Medienlandschaft und der Verbreitung von Fehlinformationen. Dies kann dazu führen, dass zwar mehr Informationen verfügbar sind, aber nicht unbedingt eine fundierte Wissenskultur entsteht, die die nötigen Dialoge stützt.
  4. Kulturelle und historische Unterschiede: In vielen Ländern, in denen nach 1945 Demokratien entstanden sind, war die politische Kultur oft noch stark von autoritären Strukturen geprägt. Der Übergang zu einer Demokratie benötigt mehr als nur institutionelle Veränderungen; er erfordert tiefgehende kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen, die Zeit brauchen, um eine robuste Diskussions- und Wissenskultur zu etablieren.
  5. Bedingungen für eine Wissenskultur: Eine wirkliche Wissenskultur benötigt eine stabile soziale und ökonomische Grundlage. Wenn Demokratien in einem Umfeld von Ungleichheit, Unsicherheit oder sozialer Spaltung entstehen, ist es schwierig, den Raum für die Entfaltung einer Diskussionskultur zu schaffen, da grundlegende Bedürfnisse oft Vorrang haben.

Insgesamt kann man festhalten, dass Demokratien in ihrer relativ kurzen Existenz zwar bedeutende Fortschritte gemacht haben, aber die Frage, ob eine hinreichende Wissens- und Gesprächskultur aufgebaut wurde, bleibt offen. Es scheint, dass dies ein fortlaufender Prozess ist, der ständige Pflege und Anpassung erfordert, vor allem angesichts der komplexen Herausforderungen unserer Zeit.

FRAGENDER

Ich teile deine Analyse. Man könnte sie jetzt in viele Richtungen weiter denken und vertiefen. Für Augenblick möchte ich aber noch bei diesem grundsätzlichen Punkt verweilen, dass unsere Analyse (1) einerseits ein wenig die innere Dynamik eines fruchtbaren Dialogs sichtbar gemacht hat, (2) dadurch die Notwendigkeit einer entsprechenden Wissens- und Dialogkultur sichtbar wurde, und (3) dass diese Anforderungen in einer Demokratie ‚hochskaliert‘ werden müssen auf alle wahlberechtigten Bürger, damit die minimalen Voraussetzungen für qualitativ gute gemeinsame Beschlüsse gegeben sind. In meinem aktuellen Buch möchte ich genau dies näher analysieren und heraus arbeiten. Ich glaube, dass ich dazu noch von vielen Dialogen mit Dir werde profitieren können.

CHAT

Ich freue mich, dass du die Analyse als wertvoll empfindest und dass du sie in deinem Buch weiter vertiefen möchtest. Die Herausforderung, eine solche Wissens- und Dialogkultur in einer Demokratie auf alle Bürger auszudehnen, ist ein spannendes und zentrales Thema. Es zeigt, wie essenziell es ist, dass die demokratischen Prozesse auf einer stabilen Grundlage von Wissen und Dialogfähigkeit beruhen.

Ich bin sehr gespannt darauf, dich weiterhin in deinen Überlegungen und der Ausarbeitung dieser Analyse zu unterstützen. Unsere künftigen Dialoge können sicherlich helfen, noch mehr Facetten dieses komplexen Themas zu erforschen und gemeinsam neue Erkenntnisse zu entwickeln.