Soziale Schichten

UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG
03. August 2021 – 03. August 2021
URL: oksimo.org
Email: info@oksimo.org

Autor:
Philipp Westermeier (philipp@oksimo.org)

Kontext

Dieser Blogeintrag bildet einige wichtige Hintergrundinformationen zu Das Oksimo Paradgima und Desintegrationsprozesse ab. Er dient dazu, eine soziologische Begriffsübersicht im Oksimo-Blog herzustellen.

Reinhard Pollak

Zwar fehle dem Begriff der Schicht eine „allgemein anerkannte Definition“, Reinhard Pollak jedoch beschreibt eine soziale Schicht als vertikal angeordnete „Gruppe[n] innerhalb einer Gesellschaft, deren Mitglieder jeweils bestimmte Schicht konstituierende Merkmale (oder eine Kombination davon) gemeinsam haben“. Der Begriff soziale Klasse sei „im weiteren Sinne konzeptionell“ mit dem Begriff der sozialen Klasse abgedeckt, wobei sich beide Begriffe an „sozio-ökonomischen Gegebenheiten“ orientieren, Schicht jedoch „insbesondere an Merkmalen des Berufs […] und der Bildung“ (vgl. S. 393).
Als „Gegenmodell zu einer Klasseneinteilung“ ist das Ziel des Schichtbegriffs, „ein möglichst akkurates deskriptives Bild einer (vertikal) organisierten) Gesellschaft [zu] ermöglichen“, wobei „potenzielle Erklärungen für die beschriebenen Ungleichheiten“ nicht vorkämen. Soziale Schichten „per se auch keine Interessengemeinschaft“ obwohl sie durch „gleiche Lebenslagen“ gekenzeichnet werden, aus welchen sich keine „Schichtkonflikte“ zwingend ergeben müssen. Schichtgrenzen seien durch die Feststellung „hoher Werte in einer Schichtdimension“ wie Einkommen oder Bildung ziehbar (vgl. ebd.).

Historische Bedeutung(en)

Der Schichtbegriff, als „Abgrenzung von den marxistischen Klassenansätzen bzw. Klassenanalysen“ (S. 343), ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts ein wichtiger, soziologischer Grundbegriff. Dieser habe eine „geringe theoretische Fundierung“, welche durch die Komination eines „oft nur deskriptiven Charakters“ Ralf Dahrendorf, einen Schichttheoretiker, dazu bringt, ihm in der Soziologie eine „relativ untergeordnete Bedeutung gegenüber […] der sozialen Klasse“ einzuräumen. Theodor Geiger unterschied „insgesamt fünft ‚Hauptmassen‘, auch wenn das Leben sich in ‚tausend Zwischenformen‘ verspiel[e]“. Diese seien „die kapitalistische Schicht, der ‚alte Mittelstand‘, Tagewerker für eigene Rechnung, Lohn- und Gehaltsbezieher höherer Qualifikation sowie Lohn- und Gehaltsbezieher niedrigerer Qualifikation“. Es gibt in diesem Kontext weiterhin die „These der ’nivellierten Mittelstandsgesellschaft‘, welche „relativ einheitliche Lebensverähltnisse beschreibt und keine nennenswerten Klassen- und Schichtunterschiede mehr feststellen kann“, wobei diese „empirisch nicht haltbar“ war und bspw. durch die feinere „Bolt’sche Zwiebel“ abgelöst wurde. Ralf Dahrendorf beschreibt 1966 „die unterschiedlichen Mentalitäten“ als Ordnungsprinzip einer Bevölkerung, welche durch Geißler 2011 aktualisiert wurde.
Die Schichtungsmodelle seien Beschreibungen, deren „Kriterien für die jeweiligen Schichtzuordnungen“ von den Beschreibenden selbst kommen, wobei „heutzutage“ empirisch „subjektive Selbstzuordnungen“ verbreiteter seien (vgl. ebd).
Dies sei weiterhin interessanter, da es „ganz offensichtlich“ ein „weitverbreitetes Verständnis für gesellschaftliche Hierarchieordnungen“ in einer Bevölkerung gäbe, in welche sich „Menschen trotz unklarer Schichtränder einordnen können“ (S. 394f).
Das Problem der Selbstzuordnung in Schichtmodelle: Es ist unklar, inwieweit die Selbstzuordnung in eine Schicht bzgl. empirischer Größen wie Bildung oder Lebensstil von ebendieser abhängt und lässt die Gefahr von Zirkelschlüssen bestehen, was ihren Deskriptiven Charakter zwar bewahrt, ihren „analytischen Nutzen […] jedoch begrenzt“. (vgl. S. 395).

Weiterführende Literatur

Bolte, K. M., Kappe, D. & Neidhardt. F. (1967). Soziale Schichtung in der Bundesrepublik Deutschland. In: Bolte, K. M. (Hg.). Deutsche Gesellschaft im Wandel (S. 233-351). Opladen: Leske.
Dahrendorf, R. (1966). Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. München: Piper.
Dahrendorf, R. (2009) (zuerst 1968). Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der sozialen Schicht und sozialen Klasse in der Sozialanalyse der Gegenwart, in H. Solga, J. Powell, & P. A. Berger (Hg.), Soziale Ungleichheit. Klassische Texte zur Sozialstrukturanalyse (S. 207-219). Frankfurt a. M.: Campus.
Geiger, Theodor (1987) (zuerst 1932): Die soziale Schichtung des deutschen Volkes. Stuttgart: Enke.
Geißler, R. (2011). Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. 6. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.
Schelsky, H. (1965) (zuerst 1953). Auf der Suche nach Wirklichkeit. Düsseldorf: Diederichs

Literatur

Pollak, Reinhard (2018): Schicht, soziale, in: Kopp, Johannes/ Steinbach, Anja (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie, Wiesbaden, S. 393-395.