(Letzte Änderung: 28.März 2023)
Kontext
Dieser Text gehört zum Thema ‚Demokratie‘ und beschreibt ein Beispiel von einem Projekt im Stil der Bürgerwissenschaft.
Konturen eines Strukturmodells
(Letzte Änderung: 28.März 2023)
BÜRGER IM GESPRÄCH. Mögliche Vorgehensweise
Angesichts des zunehmenden Vertrauensverlustes der Bürger in die handelnden politischen Institutionen, gepaart mit einer wachsenden Unübersichtlichkeit des Alltags, scheint es notwendig zu sein, den Bürger dort abzuholen, wo er ‚zu Hause‘ ist … auch wenn dieses ‚zu Hause‘ (die jeweilige Kommune) für viele Bürger kaum noch als ‚das eigene Zu Hause‘ empfunden wird. Um diese ‚gefühlte Isolation‘ aufzubrechen und eine neue positive Dynamik zu ermöglichen, erscheinen folgende Aktivitäten hilfreich zu sein, die — alle zusammen — eine ‚Vorgehensweise‘ (Vorgehensmodell, Prozessmodell, …) repräsentieren, das im Bild 1 skizziert wird:
- GESPRÄCHE ZU THEMEN: Damit Bürger zu einem ‚gemeinsamen Verständnis‘ ihrer aktuellen Situation kommen können, müssen sie anfangen, miteinander zu reden, und zwar zu den Themen, die sie alle betreffen. In diesen Gesprächen kann man sich besser kennen lernen und möglicherweise das Gefühl eines möglichen ‚Miteinanders‘ stärken. Ziel muss es sein, zu einem ‚Bild der aktuellen Situation‘ zu kommen, dem alle Beteiligten zustimmen.
- GEMEINSAMES GEDÄCHTNIS: Diese Gespräche sollten ‚dokumentiert‘ werden, dass man nachlesen kann, was geschehen ist, und auch als Möglichkeit für andere Bürger, sich zu informieren und vielleicht auch Interesse bekommen.
- MÖGLICHE ZUKUNFT: Damit das ‚Miteinander Reden‘ nicht nur in der aktuellen Gegenwart oder der bekannten Vergangenheit verweilt, sondern möglichst auch ‚begründete Ausblicke in die Zukunft‘ ermöglicht, muss das gemeinsame Gespräch um Überlegungen erweitert werden, welche möglichen Ziele man denn für das eigene Leben in der Gemeinde hat bzw. haben sollte? Was ist erstrebenswert? Ebenso, was sind mögliche Risiken, die man vermeiden sollte?
- LÖSUNGSWEGE: Ziele sind wichtige erste Schritte, sie alleine nützen aber nur dann etwas, wenn man auch gemeinsam überlegt, wie man diese Ziele erreichen bzw. wie man erkannte Risiken vermeiden kann. Im gemeinsamen Gespräch muss also versucht werden, heraus zu finden, welche Maßnahmen sinnvoll erscheinen, mit denen man die aktuelle Situation Schritt für Schritt in Richtung des formulierten Zieles konstruktiv verändern kann: Wer müsste was tun? Welche Mittel wird man benötigen? Wie viel Zeit muss man einplanen? …
- SPIELERISCH WISSENSCHAFT: Die Schritte (1), (3-4) kann man in Form eines ‚Spiels‘ organisieren. Spielen gilt in der Wissenschaft als die stärkste bekannte Form, gemeinsam komplizierte Dinge ‚verstehen zu lernen‘, und zwar so, dass alle Vorgänge für alle ‚transparent‘ sind, und man direkt sehen kann, warum man ein bestimmtes Ziel erreicht oder auch nicht. Im Spiel ist jeder ein ‚Experte‘. Man kann zeigen, dass ein so verstandenes Spiel in allen Punkten dem entspricht, was man in der Wissenschaft eine ’nachhaltige empirische Theorie‘ nennt. Bürger, die sich gemeinsam solche ‚Spiele‘ für ihre eigene Situation erarbeiten, arbeiten damit wie ‚Wissenschaftler‘. Von daher kann man eine solche ’spielerische Vorgehensweise‘ auch ‚Bürgerwissenschaft‘ nennen. Dazu kommt, dass man solche Spiele auch miteinander ‚vernetzten‘ kann. Dies entspricht der ‚Vernetzung von Einzeltheorien‘ zu einer ‚Gesamttheorie‘.
- SOZIALES LERNEN: Sobald ausgearbeitete Spiele vorliegen, kann man diese ’sammeln‘ (Spielebibliothek, Sammlung von Theorien,…) und damit für alle anderen verfügbar machen (andere Bürger, kommunale Verwaltungen, Schulen, Hochschulen, …). Im ‚Spielen eines Spiels‘ können andere dann recht schnell ‚lernen‘, was sich die ‚Erfinder des Spiels‘ gedacht haben. Man kann Spaß dabei haben, kann diskutieren, kann Verbesserungen überlegen, und man kann ein Spiel leicht ändern. Dies bedeutet ein ‚Erweiterung des gemeinsamen Wissens‘. Einem ‚Spieltag‘ in der Gemeinde, Generationen übergreifend, steht nichts im Wege.
Diese aufgezählten Elemente sind für sich gesehen ‚einfach‘. Würden aber die Bürger einer Gemeinde diese real anwenden, immer mehr, auch über längere Zeit, dann können diese Elemente das gemeinsame Verständnis und das Miteinander in einer Gemeinde nachhaltig verändern. Außerdem ist dieses Modell nicht auf eine Gemeinde beschränkt. Nachbargemeinden können dies auch tun. Viele Aufgaben, die Gemeinden sowieso nur gemeinsam mit anderen lösen können, könnten ein Motor sein, das Miteinander zu stärken.